25 JAHRE AKTIV IN ESSEN€¦ · re jährlich erscheinende Broschüre auch diese 25 Jahre noch...
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25 JAHRE AKTIV IN ESSEN
Broschüre anlässlich des 25-jährigen Jubiläums vonProAsyl/Flüchtlingsrat Essen e.V.
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INHALT
Vorwort ........................................................................................4
Grußworte und Glückwünsche...................................................6
GrußwortdesOberbürgermeistersThomasKufen............ 7
GrußwortevonFreund*innenundUnterstützer*innen.....9
25 Jahre für Geflüchtete im Einsatz – ein Grund zum Feiern! ... 10
DieJubiläumsfeier................................................................ 11
AnsprachedesOberbürgermeistersanlässlich
derJubiläumsfeieram17.Juni2016................................. 14
Was bisher geschah... ............................................................... 16
RückblickdesProAsyl-Urgestein–BerndBrack............. 18
Wasunsseit25Jahrenantreibt–
Erfolgsgeschichten,diemotivieren!.................................. 21
ProAsyl heute ............................................................................24
Werwirsindundwaswirmachen.....................................25
ProAsylwächst–dieneuenGesichter..............................28
EhrenamtlichesEngagementbeiProAsyl–
EinErfahrungsbericht.........................................................30
Ausblick .....................................................................................32
Dienächsten25Jahre–
ZieleundHerausforderungen...........................................25
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25 Jahre ProAsyl/Flüchtlingsrat
Essen – Anlass genug, dass unse-
re jährlicherscheinendeBroschüre
auch diese 25 Jahre noch einmal
Revue passieren lässt. Aber wo
stehtProAsylheute?
AusdemZusammenschlussvonIn-
itiativen, vergleichbar den Runden
Tischenheute,isteineingetragener
gemeinnütziger Verein mit inzwi-
schensiebenAngestelltenundvie-
lenEhrenamtlichengeworden.
Vor25Jahrensuchtenimmermehr
Flüchtlinge, besonders aus dem
Westbalkan, dem zerfallenden Ju-
goslawien, Schutz und Sicherheit auch in Essen. Heute flüchten wieder
verzweifelte Menschen, diesmal vor allem vor Krieg oder Bürgerkrieg im
NahenundMittlerenOsten,Afghanistan,Ost-undNordafrika,aberauch
vorethnischerDiskriminierungimWestbalkannachDeutschland.
Damalswieheutegiltes–unddarinsehenwirunsereAufgabe–diesen
MenscheninderdeutschenkompliziertenBürokratieunddenfürsiefrem-
denStrukturen,Orientierungzuermöglichen.Dasbedeutetzuersteinmal,
dassdieGeflüchtetenindenNachbarschaftenalsMitbewohnerinnenund
Mitbewohnerwahrgenommenwerden.AngesichtsderimletztenJahrge-
stiegenenZahlenvonGeflüchtetenhabensichzwarPolitikwieVerwaltung
notwendigerweise in unserer Stadt dem Motto „Wir schaffen das“ ange-
schlossen,aberunsgehtesdarum:„Wieschaffenwirdas?“
LIEBELESERIN,LIEBERLESER,
VorstandsvorsitzendeKathrinRichter
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Da die Geflüchteten noch keine offizielle Vertretung in den Kommunen
haben, treten wir vor Ort für sie ein:Wir beobachten beispielsweise, wie
die Unterbringungsstandards eingehalten werden, wie Schulbesuch und
Kindergartenzugangorganisiertwerden,obderZugangzurGesundheits-
versorgunggesichert ist,vorwelchenHürdenGeflüchteteohneodermit
mangelhaftenSprachkenntnisseninÄmternstehenundvielesmehr.
WirbringendieProblemeindenverschiedenenGremienzurSpracheund
gehenineinenkritischenDialogmitVerwaltungundRatspolitik.Wirbrin-
genunsaberaucheinindenzivilgesellschaftlichenDialogandenRunden
TischenundbeiVeranstaltungenderStadtgesellschaft.
Die jahrzehntelangen Erfahrungen aus asylrechtlicher Einzelfallberatung
vonFlüchtlingen,diegeradeerstEssenzugewiesenwurden,vieleJahreim
laufendenAsylverfahrensteckenoderinderzweitenunddrittenGenera-
tion in der Duldung festhängen, ermöglichen uns, auch Entscheidungen
derAusländerbehördezuhinterfragenunddenErmessensspielraumanzu-
mahnen.DiesgeschiehtinengerZusammenarbeitmitRechtsanwältinnen
undRechtsanwälten,HärtefallkommissionundanderenInstitutionen.
VieleGeflüchteteerhaltennichtnurvorübergehendhierSchutz,sondern
werden als „Bleibende“ Teil unserer Stadtgesellschaft. Sollen sie unser
Zusammenlebenauchmitgestalten,stellensichveränderteAufgabender
Integration. Dafür fördert und unterstützt ProAsyl einerseits Flüchtlinge,
diesichineinerSelbsthilfegruppeorganisieren.Zumanderenbekommtdie
ZusammenarbeitmitweiterenAkteurenwieImmigrantenvereinen,zivilge-
sellschaftlichenGruppen,RundenTischenundStadtteilinitiativeneinezu-
nehmendeBedeutung.
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GRUSSWORTE UND GLÜCKWÜNSCHE
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25 Jahre ProAsyl/Flüchtlingsrat
Essene.V.sindeinguterGrundge-
meinsamzufeiernunddemVerein
fürseinengagiertesWirkenzudan-
ken.DemVorstand,allenhaupt-und
ehrenamtlichenMitarbeitendenso-
wie allen Freunden und Förderern
geltenmeinebestenWünschezum
Jubiläum.
25 Jahre ProAsyl/Flüchtlingsrat
Essene.V.–dahinterstehtderbei-
spielloseEinsatzfürMenschen,die
inihrerHeimatoftweitmehralsnur
ihr Hab und Gut hinter sich lassen
mussten. Außenstehenden ist es
nurschwervermittelbar,wieessich
anfühlen muss, die vertraute Um-
gebung zu verlassen, um Gewalt,
Unterdrückung und lebensbedroh-
licher Gefahr zu entkommen. Pro-
AsylgibtdiesenMenscheninunse-
rer Stadt eine Stimme. Und diese
Stimmewirdgehört,etwaimkons-
truktivenDialogmitdenFachberei-
chen derVerwaltung oder auch im
IntegrationsratderStadtEssen.
AuchvordiesemHintergrundhoffe
ich sehr, dass der Verein seine er-
folgreicheArbeitnochlangemitviel
Engagement fortsetzen kann und
wünsche ihm für die Zukunft alles
Gute.
MitfreundlichenGrüßen
IhrThomasKufen
OberbürgermeisterderStadtEssen
OberbürgermeisterThomasKufenFoto:RalfSchultheiss
GRUSSWORTDESOBERBÜRGERMEISTERSTHOMASKUFEN
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LiebeProAsyl-Familie,
vielen Dank für Eure hervorragende, engagierte Arbeit für und mit den Flücht-
lingen. In diesen Zeiten setzt ihr ein wichtiges Zeichen für Menschlichkeit und
Nächstenliebe!Machtweiterso!
HerzlichenGlückwunschzum25.Jubiläum
IhrLieben,
vielenDank,dass ichaneuremschönenFestteilhabenkonnte.OhneeureHilfe
hättenwirinderJugendhilfebeimanchemKindzuschnellresigniert.„Danke“für
dieUnterstützung.VielErfolgfürdienächstenJahreundweiterhinsovielHerz
undEngagement.
Schwarze, Weiße, Gelbe, Rote, alle brauchen Rettungsbote, wenn das Land in
Trümmernliegt,BombeüberBombefliegt.KeineHoffnung,dienochlebt,ganz
egalwonachmanstrebt.BistduselbermalinNot,brauchstauchdueinRettungs-
boot.–Barbara
LiebesTeamvonProAsylEssen,nichtausruhen!Aufdienächsten25Jahre.
LiebeProAsyl-Familie,
auchdasJugendamtderStadtEssensagtherzlichDankefürdieunverzichtbare
Arbeit.WirwünschenIhnengutesGeschick,vielFeingefühl,Ausdauerundweiter
vieleMenschenunsererStadt,diesichbeiIhnenengagieren.
Herzlichen Glückwunsch zum 25-jährigen Jubiläum von ProAsyl für die mehr
denn je notwendige und nützlicheArbeit.Wir ziehen ja gemeinsam am großen
StrangderAufgabenfürdieFlüchtlings-undAsylarbeit,füreinemenschenwerte
Zukunft.InVerbundenheitaufeineweitereerfolgreicheArbeitfürdieFrauenund
ihreFamilieninternational!
Mydears,
esistspät.DasFestwareineWonne.Nunwirdaufgeräumt.HerzlichenDank!
GRUSSWORTEVONFREUND*INNENUNDUNTERSTÜTZER*INNEN
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25 JAHRE FÜR GEFLÜCHTETE IM EINSATZ –
EIN GRUND ZUM FEIERN!
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Nach monatelanger Vorbereitung
waresam17.Juni2016schließlich
so weit: zahlreiche Gäste folgten
derEinladungzum25-jährigenBe-
stehen von ProAsyl/Flüchtlingsrat
Essene.V.undfandensichimCafé
des Evangelischen Studierenden-
zentrums,dieBRÜCKE,ein.Neben
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
von Behörden und Unterkünften
kamen auch zahlreiche Geflüchte-
teundVertreterinnenundVertreter
vonCaritasundDiakoniesowieIni-
tiativen. Ein buntes Programm aus
Ansprachen, Interviews,Musikund
TheaterbildetedabeidenRahmen
der Jubiläumsfeier. Für die musi-
kalische Unterhaltung sorgte die
Essener Combo ‚Banda Senderos‘,
die mit ihren Dancehall-, Reggae-
undPopklängenfürguteStimmung
sorgte.
Eingeleitet wurde die Veranstal-
tung nach einer Begrüßung von
Vorstandsmitglied Achim Gerhard-
Kemper mit einem Grußwort des
Schirmherrn der Jubiläumsfeier
DIEJUBILÄUMSFEIER
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und jahrelangen Vereinsmitglieds,
OberbürgermeisterThomas Kufen,
der die Aufgabe der langfristigen
Integration betonte. Den Rest der
Feier begleiteten Marita Kemper,
Gründungsmitglied von ProAsyl,
und Uwe Pfromm, ehemaliger
Mitarbeiter, die Gäste durch den
Abend.
In ihren Interviews blickten zu-
nächstderEhrenvorsitzendeBernd
Brack und die Geschäftsführerin
InkaJattazurückaufdieGeschich-
tevonProAsylEssen.MitdenJah-
renhabesichdasTeamvonProAsyl
zunehmend professionalisiert, vor
allemhinsichtlichdesFachwissens,
werde sich aber auch weiterhin
dafür einsetzen, Missstände an-
zusprechen und auf politischer
Ebene Veränderungen voranzu-
bringen. Auch die drei Geflüchte-
ten und ehemaligen Klienten von
ProAsylClément,NimaundMohan-
nad blickten auf ihre erste Zeit in
Deutschlandzurück.Der24-jährige
NimakamvorüberdreiJahrenmit
seinem Bruder aus dem Iran nach
Deutschland und hat sich selbst
Deutschbeigebracht,weilerkeinen
Integrationskurs besuchen konnte.
HeutemachtereineEinstiegsqua-
lifizierung bei der Bundesagentur
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fürArbeitundistProAsylnichtnur
dank seines ehrenamtlichen Enga-
gements treu geblieben, sondern
hatinProAsylaucheineFamiliege-
funden.
Mohannad aus Syrien, der vor ei-
nigen Monaten nach Deutschland
kam, erinnerte sich trotz seiner
Englischkenntnisse an die sprach-
lichen Hürden in der ersten Zeit,
vor allem im Umgang mit Behör-
den. Clément, heute in seiner Ar-
beitmitGeflüchtetenausAfrikaein
wichtigerPartnervonProAsyl,kam
vor vielen Jahren mit seiner Fami-
lie nach Deutschland. Er plädierte
mit Blick auf seine anfänglichen
Schwierigkeiten dafür, dass ‚neue‘
Flüchtlingevon ‚alten‘Flüchtlingen
lernenkönnen,„inDeutschlandFuß
zufassen“.
Zum Abschluss des Programms
präsentierten Alejandra Jenni Pal-
ma und Sebastian Gisi, beide Phy-
sicalTheatreStudierendederFolk-
wang Universität der Künste, das
Theaterstück „Hör mir zu“, das in
eingehender Weise mit viel Bewe-
gungundAkrobatikdenlangenund
beschwerlichen Weg nach Europa
sowie das Ankommen in Deutsch-
land darstellt. Den Abschluss fand
dievielseitigeFeiermitGrußworten
aus dem Publikum und schließlich
mitMusikundTanz.
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(…)MeineAnwesenheitistnichtnur
einePflichtalsMitglied,sondernich
möchten sie bitte auch verstanden
wissenalsbesondereWertschätzung
Ihrer bisher geleisteten Arbeit, der
Mitglieder,derFreundeundFörderer.
GleichzeitigmitderÜbernahmeder
Schirmherrschaft möchte ich auch
damit verbinden, dass wir natürlich
auch weitere Erwartungen an Sie
haben. Denn das hat das vergange-
neJahrgezeigt,dassnatürlichauch
dieArbeitvonProAsyl,dieArbeitmit
Flüchtlingen,undauchinsbesondere
wennesdarumgeht,fürdieRechte
vonFlüchtlingeneinzutreten,wirals
Stadt Essen auf die Arbeit von den
Aktiven von ProAsyl gar nicht ver-
zichtenkönnen,weilSieimmerwie-
deraucheingutesKorrektivdarstel-
len, eine zweite Meinung abbilden,
eine Parteilichkeit beinhalten, und
uns,derStadtverwaltung,miteinem
großen Teil staatlichen Handelns,
daswirabbilden,wowirdenVollzug
vonBundes-undLandesgesetzhier
abbilden, immer auch mahnen, das
Maß und auch die Menschlichkeit
nicht zu verlieren. (...) Mit Blick auf
diedochstarkeZunahmederFlücht-
lingszahlenimvergangenenJahrfor-
mulierte der Bundesinnenminister
einmal,dasswirinDeutschlandjetzt
soetwashättenwieeinRendezvous
mit der Globalisierung. Das ist eine
sehrharmloseFormulierung,weilich
nicht den Eindruck habe, dass das,
waswirimletztenJahrerlebthaben,
irgendwieeinflüchtigesRendezvous
gewesenist.(...)Unddassdasnicht
einflüchtigesRendezvousimletzten
Jahr war, zeigt eben auch, dass die
Konflikte,vordenenvieleMenschen
geflohen sind, um bei uns Zuflucht
zufinden,janichterstimJahr2014
oder2015entstandensind,sondern
viel älter sind, manchmal jahrzehn-
te-, manchmal sogar jahrhunderte-
alte Konflikte, die sich dort immer
wiederneuBahnbrechenoderneue
GewinnerundneueVerliererhervor-
bringen. Und deshalb soll sich nie-
mand in Sicherheit wiegen, dass es
inZukunftsoseinwird,dassweniger
Flüchtlinge kommen werden. Viel-
leicht aktuell nicht, weil bestimmte
Routenzusindoderblockiert.Aller-
dingsmussjederauchwissen,wenn
man sich vergegenwärtigt, dass die
einoderandereRouteüberdenBal-
ANSPRACHEDESOBERBÜRGERMEISTERSANLÄSSLICHDERJUBILÄUMSFEIERAM17.JUNI2016
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kan versperrt ist für die Menschen,
die sich eben andere Wege suchen.
Und dass die Schließung von Bal-
kanroutenauchdazuführt,dassder
Anteil der Menschen, die im Mittel-
meer umkommen auf ihrem Weg
nach Europa, kontinuierlich dann
ebensteigt.Unddasistwahrschein-
lich etwas, das wir im vergangenen
Jahr auch hier in Essen sehr plas-
tisch vor Augen geführt bekommen
haben. Wir sind Teil einer Weltfami-
lie.Wir können nicht dieAugen ver-
schließen. (…) Und trotzdem ist es,
glaube ich, so, dass wir sehr stolz
daraufseinkönnen,waswirgemein-
sam geschafft haben. Und dass wir
das so gut schaffen konnten, auch
mit Ihrer Hilfe, hat auch damit zu
tun,dassSiein25JahrenvielKnow-
How, viel Fachkenntnis, aufgebaut
haben. Aufgebaut haben Sie auch
eingutesWechselspielzwischenden
Akteuren von Pro Asyl einerseits in
Kooperation und Zusammenarbeit
mit Migrantenorganisationen und
den Flüchtlingen selbst und auf der
anderenSeiteebenmitInstitutionen
vonderStadt,dieganzunterschied-
liche Aufgaben zu erfüllen haben.
(...) Das Thema Flucht und Vertrei-
bung wird uns weiter beschäftigen.
Es ist übrigens auch für eine Stadt
wie Essen gar nichts Neues, dass
wir uns mit Zuwanderung in ganz
unterschiedlicher Ausprägung aus-
einandersetzen müssen. Ohne Zu-
wanderunggäbeesdieStadtEssen,
wie wir sie heute kennen, gar nicht.
Aber wir wissen eben auch aus un-
serer Tradition, dass Zuwanderung
das eine ist, dasThema Integration
die größte Herausforderung dar-
stellt, und dass dies auch gelegent-
lich einer oder zwei Generationen
bedarf. Aber ich glaube, eine Stadt
wieEssenhatauchsehrschmerzvoll
erfahren müssen, dass Integration
und Bleibeperspektive immer sehr
eng zusammenhängen. Und da, wo
das nicht funktioniert, kann eben
auch Integration nicht so funktio-
nieren, wie wir uns das gemeinsam
wünschen, sondern die Perspektive,
auch das Gefühl, dazuzugehören,
angenommenzuwerden,sowieman
ist,istetwasganzWichtiges.(...)
Ich wünsche Ihnen zum 25-jährigen
Jubiläum erst einmal alles Gute,
herzlichen Glückwunsch. Ich sage
nicht, bleiben Sie, wie Sie sind. Das
ist meistens kein Kompliment.Aber
ich sage Ihnen: 25 Jahre ProAsyl,
bleiben Sie sich in Ihren Prinzipien
treu!Dasistvielwichtiger.Glückauf!
DiehierabgedruckteRededesOberbürgermeistersbasiertaufeinemTonmitschnitt.Siewurdestellenweisegekürzt.
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WAS BISHER GESCHAH …
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BerndBrack|Foto:KnutVahlensieck
Bernd,dubistvonAnfangandabei
undkennstwiesonstkaumjemand
die Geschichte von ProAsyl. Wie
kam es zur Gründung des Vereins
und inwelchemKontext isterent-
standen?
Eswar1991.ZudemZeitpunktgabes
inEssenauchschonandie40Stand-
orte von Übergangswohnheimen
und da hatten sich vielerorts klei-
ne Arbeitsgruppen gebildet. Heute
nennt man so etwas „Runde Ti-
sche“. Die machten die Kleinarbeit
vorOrt:Hausaufgabenhilfe,Spielen
mit den Kindern, Kleiderkammern
betreiben. Und irgendwannAnfang
desJahres1991habensichalleAr-
beitsgruppen bei einer Veranstal-
tung im Rathaus getroffen und da
habenwirbeschlossen:
„Das müssen wir beibehalten. Wir
müssen uns zusammentun! Und
zwar nicht nur, um hier und da zu
retten, was zu retten ist. Nein, wir
wollen auch stärker werden, damit
wir uns politisch einmischen kön-
nen.“AlsozumBeispielgegenüber
der Stadt, dem Land, dem Bund,
um auf Missstände hinzuweisen
und konkrete politische Forderun-
DASPROASYL-URGESTEIN–BERNDBRACKBLICKTZURÜCKAUFSEINEGANZPERSÖNLICHENERFAHRUNGENIN25JAHRENPROASYL/FLÜCHTLINGSRAT
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genzustellen.Undsokames,dass
wirnochimselbenJahrdenVerein
gründeten. Der hieß erst „ProAsyl
EssengegenRassismus“.Dannstie-
ßennachkurzerZeitdieMitglieder
des eingetragenen Flüchtlingsrats
Essen dazu und wir nannten uns
„ProAsyl/FlüchtlingsratEssen“.
WiewardasAnfangder1990erJah-
re?Wasbeschäftigteeuch?Welche
Problemegabes?
Die Probleme damals waren ähn-
lichwieheute.Siewarenjedochan-
fangsfürdieFlüchtlingenichtganz
so hart. Damals hatten wesentlich
mehr Menschen eine Chance, an-
erkanntzuwerden,weilesschlicht-
weg weniger Flüchtlinge gab als
heute. DieZahl nahm erst 1992 zu
als der Höchstwert von 440.000
Flüchtlingen in Deutschland er-
reicht wurde. Das war zurZeit des
Jugoslawienkrieges. Das Ganze
mündetedannindensogenannten
Asylkompromissvon1993,dasver-
schärfte Asylgesetz, wodurch viele
Flüchtlinge von Deutschland fern-
gehaltenwurden.
Welche Bedeutung hatte die Ver-
schärfung des Asylrechts für die
Geflüchteten?
Das Asylbewerberleistungsgesetz
wurde eingeführt, wodurch die
Menschen weniger Geld bekamen,
etwa zwei Drittel des damaligen
Sozialhilfesatzes,denDeutschebe-
kommen.AberderSchwerpunktlag
schondamalsaufderAbschottung
Deutschlands durch die Definition
sichererDrittstaaten.Weralsobei-
spielsweise über Italien einreiste,
konnte schon damals keinen Asyl-
antrag in Deutschland stellen. Das
warderUrsprungdessen,washeu-
te europaweit als „Dublin-Verord-
nung“bekanntist.
WelcheErfolgekonntestDu,konnte
ProAsylinalldenJahrenfeiern?
Es gab und gibt unglaublich viele
Erfolge, sonst könnte man die Ar-
beit gar nicht machen. Wenn alles
immer nur frustrierend wäre, dann
gingeesbestimmtnicht.Wirhaben
immer wieder Flüchtlingen helfen
können, auch wenn es manchmal
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nicht die gewünschte Lösung gab.
Erfolgreichwarenwiroft,indemwir
die Ausländerbehörde darauf auf-
merksam machten, dass es doch
noch unter Berücksichtigung des
Paragraphen XY die Möglichkeit
gäbe,denAufenthaltzuverlängern
oderzuverfestigen.Wirsindjaauch
sehr aktiv im Schreiben von Petiti-
onenundHärtefallanträgen.Dawir
mit diesenVerfahren durch unsere
lange Erfahrung sehr gut vertraut
sind, glaube ich, dass unsere An-
trägesehrsubstanziellundprofes-
sionellgestelltsindundeshatsich
gezeigt, dass wir damit schon oft
Erfolghatten.
Seit 25 Jahren bist du dem Verein
schon treu. Du warst haupt- und
ehrenamtlich aktiv und bist Ehren-
vorsitzender. Was ist für dich per-
sönlichdasBesondereanProAsyl?
WirberatenFlüchtlingewieandere
Organisationen auch. Der Unter-
schied ist,dasswirnichtvonstäd-
tischem Geld abhängig sind. Und
dasmachtunsnatürlich freier.Wir
können auch mal die Klappe auf-
machen. Wir können auch etwas
energischer mit Forderungen an
die Ausländerbehörde herantreten
und auf mögliche Ermessensspiel-
räume hinweisen. Natürlich wollen
wir nicht, dass ein Mitarbeiter der
Kommune Gesetze missachtet,
aber bei den meisten Paragraphen
gibt es Ermessensspielräume. Und
da wünschen wir uns immer noch,
unddasschonseit25Jahren,dass
doch öfter mal dieser Ermessens-
spielraum pro Flüchtling ausgelegt
würde. Leider haben wir bei man-
chen Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiterndasGefühl,dassgenaudas
eben nicht passiert. Und daran ar-
beitenwirnachwievor.
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Seit 25 Jahren macht sich Pro-
Asyl/Flüchtlingsrat Essen stark
für Menschen ohne gesichertes
Aufenthaltsrecht in Deutschland.
OftgenuggleichtunsereArbeitei-
nem Kampf gegen bürokratische
Windmühlen.Daskannmitunterer-
nüchternd, manchmal leider auch
frustrierendsein.UmsomehrKraft
geben uns die kleinen und großen
Erfolgsgeschichten, die wir in den
letzten 25 Jahren schreiben konn-
ten. An dieser Stelle sollen einige
dieserErfolgsgeschichtennochein-
malerzähltwerden.
Nach zwölf Jahren angekommen
1998 ist Mohsen Danepash aus
der iranischen Hauptstadt Teheran
nach Deutschland geflüchtet. 13
Jahre hatte er im Iran im Gefäng-
nis verbracht. Nach seiner Flucht
aus dem Iran über dieTürkei nach
Deutschlandbeantragteerzweimal
Asyl, zweimal wurde er abgelehnt.
VieleJahre lebteer in Duldung, bis
er zu ProAsyl kam.Wir motivierten
ihn,einendrittenAsylantragzustel-
len, weil uns in den Beratungsge-
sprächen bekannt wurde, was vor-
herniemandgefragthatte:Mohsen
war vor geraumer Zeit zum Chris-
WASUNSSEIT25JAHRENANTREIBT–ERFOLGSGESCHICHTEN,DIEMOTIVIEREN!
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tentum konvertiert. Damit hatte er
guteChancen,imAsylverfahrenan-
erkanntzuwerden:Christenwerden
imIranmassivverfolgt.
EinigeWochenspäterwaressoweit:
DieAnerkennungalsAsylberechtig-
terflatterteinsHausundveränder-
tealles.Plötzlichdurfteerarbeiten,
einDeutschkurswurdebezahltund
Mohsen begann eine Ausbildung
zum Altenpfleger. Nach zwölf Jah-
renisterangekommen.
Viereinhalb Jahre Kirchenasyl
Ende 2004 kam derAnruf des Su-
perintendenten: Eine kurdische Fa-
milie solle in die Türkei abgescho-
benwerden.IhrRechtsanwaltbittet
für sie um Kirchenasyl. „Bei uns in
der evangelischen Kirchengemein-
deHaarzopfgabeseinenVorabbe-
schluss, dass wir so etwas im Not-
fall machen“, erklärt Bernd Brack.
„HättenwirdiemonatlichePresby-
teriumssitzung abwarten müssen,
wäreeszuspätgewesen.“
„Als wir Frau Güler aufgenommen
haben, dachten wir, sie bleibt über
Weihnachten“, erinnert sich Ros-
witha Brack. Es wurden viereinhalb
Jahredaraus.
Die Frage, was ihr nach einer Ab-
schiebung zugestoßen wäre, über-
hörtsie.InihrenAktenistvonHaft
und Vergewaltigung die Rede. Die
Ausländerbehörde Krefeld glaubte
aber,dass„dieAntragstellerineine
von ihrfreierfundeneVerfolgungs-
geschichtevortrug“. Ihrkurdischer
MannwurdeindieTürkeiabgescho-
ben.AusAngst,dassesihrebenso
ergehenkönnte,versuchtesiesich
umzubringen. „Wir haben gebetet,
dass Frau Güler nicht durchdreht“,
sagtRoswithaBrack.
Die Kirchengemeinde Haarzopf
kümmerte sich vierJahre lang um
dieKurdinundihreKinder:Lebens-
unterhalt, Schulbesuch, ärztliche
Versorgung usw. wurden organi-
siert. Bernd Brack von ProAsyl
kümmertesichzusammenmitdem
Rechtsanwalt um die Zukunft der
Familie: Nach vier Jahren kam der
erlösende Brief von der Härtefall-
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kommission:SieempfahleineAuf-
enthaltserlaubnis. Frau Güler und
dieKinderlebenjetztzweiStadttei-
leweiter.
Abschiebung nach
Mazedonien verhindert
FrauFerhatovicwurde1977inMaze-
donien geboren, 1997 kam sie nach
Deutschland, weil sie eine schwere
dialysepflichtige Nierenerkrankung
hatte, die in Mazedonien nicht be-
handelt werden konnte. Daher be-
kam sie erstmals 2002 einen Auf-
enthaltstitel, der ab 2005 nicht
verlängertwurde,weilnunmehreine
Dialyse in Mazedonien möglich sei.
Seither wurde Frau Ferhatovic le-
diglichgeduldet,bissie2008abge-
schoben werden sollte. Das hiesige
Gesundheitsamt attestierte ihr Rei-
sefähigkeit, die Botschaft in Skopje
sagte zu, dass sie unmittelbar nach
erfolgterAbschiebungeinenDialyse-
platz zur Verfügung stellen würden,
und das Sozialamt Essen gewährte
eineKostenübernahmefürachtWo-
chen. Damit hatten alle ihre Schul-
digkeitgetan.
WiehättedieteureBehandlungnach
Ablauf der acht Wochen finanziert
werdensollen?Wiehättedieschwer
krankeFrauohneAngehörigeinMa-
zedonien Zugang zu Gesundheits-
versorgung und Wohnraum finden
können?UndwiehättesieihrenLe-
bensunterhaltsichernsollen?–Das
allesbliebunbeantwortet.
Mit einer Abschiebungsandrohung
in der Hand kam Frau Ferhatovic
in unsere Beratung. Wir rieten ihr,
einen Asylfolgeantrag zu stellen,
sammeltenschriftlichalleInforma-
tionen von den behandelnden Ärz-
ten und informierten das Bundes-
amtauch,alsFrauFerhatoviceinen
Herzstillstand erlitt und nach er-
folgreichen Wiederbelebungsmaß-
nahmen einen Herzschrittmacher
eingesetzt bekam. Für das Bun-
desamt war der Fall klar: Abschie-
behindernisseaufgrundeinernicht
behandelbarenErkrankungwurden
innerhalb weniger Wochen aner-
kannt. Frau Ferhatovic konnte in
Deutschland bleiben, weil man sie
nicht sehenden Auges in den Tod
schickenkann.
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PROASYL HEUTE
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WERWIRSINDUNDWASWIRMACHEN
In der Erstaufnahmeeinrichtung
(EAE)Overhammshofbietenwirden
BewohnerinnenundBewohnerndie
Möglichkeit, sich über das Asylver-
fahrenzuinformieren.Wirverstehen
unsalsVertreterfürdieBelangeder
Flüchtlinge und vermitteln diese an
die Akteure der Einrichtung. In der
VerfahrensberatungwerdendieBe-
wohnerinnenundBewohneraufihre
Anhörung beim Bundesamt für Mi-
gration und Flüchtlinge vorbereitet,
indem einige Details der Fluchtge-
schichte besprochen werden. Auch
gehtesdarum,dieseüberihreRech-
teaufzuklären.
Im Rahmen des Beschwerdema-
nagements können Probleme und
Konflikte,diesichinnerhalbderEin-
richtung ergeben, vertraulich und
intensiv besprochen werden. Es
werdenvielseitigeProblemevorge-
tragen, unter anderem geht es um
Kritik an der Versorgung und Ver-
pflegung,Konflikte imUmgangmit
den Behörden, den Sozialbetreue-
rinnenund-betreuernoderderSe-
curity. Oft wird auch eine ungenü-
gende physische oder psychische
Versorgung bemängelt. Viele Pro-
bleme haben weitreichende Kon-
sequenzen, wie zum Beispiel eine
fehlerhafte oder missverständliche
Übersetzung seitens der Dolmet-
scherinnenundDolmetscherinder
Anhörung. Dadurch haben wir die
Möglichkeit auf vorhandene Miss-
stände aufmerksam zu machen.
Nicht immer können wir Lösungen
dergeschildertenProblemebieten,
dennoch versuchen wir bestmög-
lich die eigenen Ressourcen der
Flüchtlinge zu bestärken. Zudem
besteht die Möglichkeit, Konflik-
te, die nicht mit den zuständigen
Akteur*innenvorOrtgelöstwerden
können,aneineübergeordneteBe-
schwerdestelleheranzutragen.
Durch die individuellen Einzelfall-
beratungen und unsere Informati-
onsveranstaltungen über das Asyl-
verfahren in Deutschland, können
wir dazu beitragen, dass die
Bewohner*innen ihren Hand-
lungsspielraum erweitern und sich
selbstbestimmter fühlen können.
Denn gerade das Gefühl der Unge-
wissheit über die eigene Zukunft,
26
das scheinbare Gemauschel hinter
verschlossenenTürenundbürokra-
tischerWirrwarr, der immer wieder
nur die Aufforderung „Abwarten!“
als vermeintliche Lösung aller Pro-
bleme bereithält, ist eine enorme
Belastung und kann enttäuschend
wirken.
In der Regionalberatung kommen
die meisten Menschen zu uns, die
seitlängererZeitinDeutschlandle-
ben,dasAsylverfahrendurchlaufen
haben und nun um Rat bitten, wel-
cherechtlichenMöglichkeitensiein
ihrer spezifischen Situation haben.
So werden in der ausländerrechtli-
chenBeratungdieVerlängerungvon
Aufenthaltstiteln, der Nachzug von
FamilienangehörigenundEinbürge-
rungsanträge thematisiert. Auch
Menschen ohne Papiere, die kei-
nen Asylantrag gestellt haben und
sich in der Bundesrepublik aufhal-
ten – so genannte „Illegalisierte“ –
erbitten Informationen über ihre
Handlungsmöglichkeiten.
Mitdertatkräftigenundmotivierten
Unterstützung unserer ehrenamtli-
chenBeraterinnenundBeraterbie-
ten wir Hilfe für das Ausfüllen von
Formularen für das JobCenter, So-
zialamt, Ausländerbehörde, Famili-
enkasseoderfürdieBefreiungvom
Rundfunkbeitragan.
AuchvermittelnwirunsereKlientin-
nenundKlientenweiteranAnwälte,
Psychologen, Sprachschulen und
andere Beratungsstellen. Oft wer-
denanunsauchProblemeherange-
tragen, diese reichen von Mängeln
und Beschwerden in den Flücht-
lingsunterkünftenoderWohnungen
über häusliche Gewalt bis hin zu
einer mangelnden medizinischen
Versorgung. Letztere Fälle können
wir, falls die Klientinnen und Klien-
tenkeinePapierehaben,anunseren
langjährigen Nachbarverein Medi-
netzEssene.V.weiterleiten.
Ein weiterer Schwerpunkt unserer
TätigkeitistdieVorbereitungvonun-
begleiteten minderjährigen Flücht-
lingen auf ihre Anhörung. Die Kin-
der und Jugendlichen werden vom
Jugendamt in Obhut genommen,
lebenmitanderenUmFinbetreuten
Wohngruppen und werden durch
einen Vormund in allen rechtlichen
Fragen vertreten. Zur Beratung er-
scheintderminderjährigeKlientmit
dem jeweiligen Vormund, der ihn
auch zurAnhörung in das Bundes-
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amt für Migration und Flüchtlinge
begleitet. IndiesenBeratungengilt
es vor allem eine vertrauensvolle
Atmosphärezuschaffen,dieesden
Jugendlichen ermöglicht, über die
Geschehnisse in ihrem Herkunfts-
landundihreFluchterfahrungenzu
berichten.Vielehabendurchethni-
scheoderpolitischeKonfliktesowie
Kriege ihre Eltern oder Sorgebe-
rechtigtenverlorenundhabenkeine
PerspektiveinihremHeimatland.
Manche Klienten beraten wir seit
mehrerenJahreninvielenLebensla-
gen.DiesteigendeAnzahlderAsyl-
bewerberunddamitanKlienten,die
von anderen Beratungsstellen an
unsweitervermitteltwerden,hatzur
Folge,dasswirwährendderoffenen
Sprechzeiten innerhalb von vier
Stundenbiszu55Klientenberaten.
Wir stehen somit derzeit vor einer
organisatorischen und personellen
Herausforderung, dennoch bemü-
henwirunsdarum,dieQualitätder
BeratungenbeiwachsenderQuanti-
tätderAnfragenzugewährleisten.
1.6001.400
1.200
1.000
800
600
400
200
0
Regionalberatung Verfahrensberatung
315
2008
445
2009
620
2010
518
2011
559
2012
520
2013
618
2014
881
2015
1084
2016 (bis August)
371
386
*:DiedargestelltenZahlenbeziehensichlediglichaufdieAnzahlderberatenenPersonen.DieAnzahlderBeratungenliegtdeutlichhöher,davieleKlient*innenmehrfachberatenwerden.
Klient*innen 2008 – 2016*
28
PROASYLWÄCHST–DIENEUENGESICHTER
Inunserer25-jährigenLaufbahnbei
ProAsyl/Flüchtlingsrat Essen e.V.
sind wir so viele Angestellte wie
nochniezuvor. Insgesamtsindwir
siebenanderZahl.
Wir freuen uns sehr, dass wir, Inka
Jatta, Kaveh Shoaei und Veronica
Unuane,seitdem1.April2016unse-
reneuenKollegen*innen,IsabellJa-
nik, Irmgard Ostermaier,Ami Niazi
undTorbenGewehrbegrüßenkön-
nen. Nun sind wir nicht nur in der
regionalenBeratung,sondernauch
inderEAEEssenfürdieVerfahrens-
beratungverstärktvertreten.
In der Regionalen Beratung bieten
wirnachwievordienstagsunddon-
nerstags unsere offene Beratungs-
sprechstundeinderZeitvon14.00
bis17.30Uhran.Eswarschon im-
mer so, dass wir viele Beratungen
hatten, allerdings hat sich diese
Situation seit Ende letzten Jahres
immer mehr zugespitzt. Aufgrund
der großen Nachfrage an Beratun-
gen verteilen wir nun seit knapp
zweiMonatenWartenummern.Nur
so ist es uns möglich, einen gere-
geltenAblaufderoffenenBeratung
zuwahren.Allerdingssindhiernoch
nichtdieBeratungen,diewirunab-
hängig von unserer offenen Bera-
tungssprechstunde anbieten, mit
eingerechnet. Hinzu kommen die
Verfahrensberatung und das Be-
schwerdemanagement in der EAE
Essen.EineAufstockungdesPerso-
nalswaralsozwingenderforderlich.
29
Für uns ist es sehr wichtig zu er-
wähnen, dass wir unsere Arbeit in
dieser Form nicht leisten könnten,
wennwirnichtdurchehrenamtlich
EngagierteinderRegionalberatung
unterstützt würden. Einige von ih-
nen sind schon von Anfang an bei
ProAsyl aktiv. Wir sind sehr stolz
und extrem dankbar, dass Sie Teil
unseres Teams und der ProAsyl-
Familiesind.
Aus diesem Grund bieten wir auf
dennächstenSeitenunsererehren-
amtlichen Mitarbeiterin Dorothea
Bollrath die Möglichkeit, in dieser
BroschürezuWortzukommen.
Wir möchten uns an dieser Stelle
herzlich für die Unterstützung, die
wir in den unterschiedlichsten For-
menindenletzten25Jahrenerfah-
rendurften,bedanken.Dankeauch
an die Ehrenamtlichen, die uns im
Beratungsalltag unterstützen, und
einenganzgroßenDankanunseren
ehrenamtlichtätigenVorstand.Die-
servertrittunteranderemdieInte-
ressen unseres Vereins, und noch
viel wichtiger, die Interessen der
Flüchtlinge in unserer Stadt nach
außen.
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EHRENAMTLICHESENGAGEMENTBEIPROASYL–EINERFAHRUNGSBERICHT
Nach dem Ausstieg aus dem Be-
rufslebenhabeichmichnachsinn-
vollen ehrenamtlichen Beschäfti-
gungen umgesehen. Sie sollten in
Essenseinundichwolltemöglichst
etwas tun, mit dem ich Menschen
helfen kann, denen es im Leben
nicht so gut gegangen ist wie mir.
SehrschnellbinichaufdasThema
Flüchtlingsarbeitgestoßen.DerBe-
darf ist offensichtlich. Seit Anfang
2015 arbeite ich ehrenamtlich bei
ProAsylEsseninderBeratungmit.
Es ist für mich ein Glücksfall, un-
ter all den Initiativen gerade hier
gelandet zu sein. In der Beratung
begegneichvielenMenschenande-
rerKulturenundbekommedasbe-
friedigendeGefühl,beigroßenund
kleinenNötenetwashelfenzukön-
nen. Man wird mit vielen abenteu-
erlichen Lebensläufen und schlim-
men Erfahrungen der Flüchtlinge
konfrontiert,aberauchmitLebens-
mut und viel Energie, einen Neu-
start unter schweren Bedingungen
zu versuchen. Außerdem habe ich
sehr angenehme Kollegen gefun-
den,FestangestelltewieEhrenamt-
liche,diemichvonAnfanganoffen
aufgenommen und einbezogen ha-
ben.EsherrschteinnetterTon.Die
„ProAsyler“,dieschonlängerdabei
sind,kennensichgutinderMaterie
aus und helfen immer gern, wenn
wirNeuerenmalnichtmehrweiter-
wissen.
Die Arbeit fordert mich auch. Die
Regelungen des deutschen Sozi-
al- und Aufenthaltsrechts und die
administrativen Vorgänge, welche
dieFlüchtlingebetreffen,sindkom-
plex. Es ist nicht verwunderlich,
dass Menschen, die kein oder nur
wenig Deutsch verstehen, sich im
vonDorotheaBollrath
31
Verwaltungsdschungel verfangen
undoftnicht richtig reagieren.Da-
beihelfenwirihnen,auchwennwir
manchmalnurRegelungenerklären
unddieOptionenaufzeigenkönnen.
Es kann frustrierend sein, wenn
man der syrischen Mutter, die als
Flüchtling anerkannt wurde, erklä-
renmuss,dasssieihreKindernicht
nach Deutschland holen darf, weil
sie schon über 18 Jahre alt sind;
oder Flüchtlingen aus Nordafrika,
dasssienacheineranstrengenden
undlebensgefährlichenFluchthier-
her keine reale Chance haben hier
zubleiben.Trotzdemistesfürdiese
Menschenwichtig,ihreSituationzu
verstehen.Darumistesgut,dasses
eineAnlaufstellewieProAsylfürsie
gibt.Undichfreuemich,dabeisein
zudürfen.
32
AUSBLICK
33
ProAsyl wird, wie in den vergange-
nenJahrzehnten,immeraufaktuel-
le politische Entwicklungen reagie-
ren. Flucht, Krieg und Vertreibung
lassen sich nicht prognostizieren
und nicht von uns beeinflussen.
Klar ist jedoch die Tendenz, wohin
dieReisegeht:DieEUschottetsich
stetig mehr ab, die Grenzschutza-
gentur ‚Frontex‘ wird mit Milliar-
denunterstützt,Zäunewerdenzur
Flüchtlingsabwehr gebaut und es
gibt zahlreiche Verhandlungspart-
ner außerhalb der EU, um Men-
schenerstgarnichtdieMöglichkeit
zugeben,inunsersicheresEuropa
einzureisen.
Wir müssen davon ausgehen, dass
zunehmendmehrKontingenteauf-
genommen werden, die außerhalb
eines inländischen Asylverfahrens
nachDeutschlandeinreisendürfen.
Die neuen Überlegungen zur Dub-
lin-IV-Verordnung,wonacheskeine
Überstellungsfristen mehr geben
soll, lassen vermuten, dass wir in
unsererArbeitnochmehralsheute
mit Überstellungen in andere EU-
Länderzutunhabenwerden.
ImZugedererhöhtenTerrorgefahr
müssen wir von vermehrten Ein-
schränkungen der Persönlichkeits-
rechte von Flüchtlingen ausgehen.
Durch die neue Wohnsitzauflage
für anerkannte Flüchtlinge werden
Probleme wie das Thema „Famili-
entrennung“ ansteigen. Die innen-
politischeSituationwirdsichinsge-
samtverschärfen,wennkeinnach-
haltiges Konzept zur langfristigen
Integration, welches alle Flüchtlin-
gevonAnfanganumfasst,erarbei-
tetwird.DafürmüssenmehrGelder
bereitgestelltwerdenalsbisher.
DIENÄCHSTEN25JAHRE–ZIELEUNDHERAUSFORDERUNGEN
34
Die ursprünglich hohe Hilfsbereit-
schaft ehrenamtlich Engagierter
und die überall propagierte „Will-
kommenskultur“ weicht aktuell
einer salonfähig gewordenen „Das
Boot ist voll“ – Mentalität. Die Un-
terteilungin„gute“Kriegsflüchtlin-
ge und sogenannte „Sozialschma-
rotzer“,führtdazu,dassbestimmte
Gruppennichtnuruntergesetzlich
vorgeschriebener Ungleichbehand-
lung leiden (sichere Herkunfts-
länder, positive Bleibeprognose,
Verschärfungen im Asylbewerber-
leistungsgesetz…), sondern auch
dazu, dass ein erhöhtes Konflikt-
potentialunterdeneinzelnenCom-
munitiesentsteht.Auchbestehtdie
Gefahr,dassFehlerausderVergan-
genheitwiederholtwerden,alsman
vielfach von einer kurzen Aufent-
haltsdauer (Stichwort: langjährig
Geduldete) ausging und deshalb
jede Integrationsmaßnahme abge-
lehnthat.SchließtmanganzeGrup-
penvonsolchenAngebotenaus,ist
diessozialpolitischerSprengstoff.
Das Asylrecht wird durch die
jüngsten Verschärfungen quasi
ausgehebelt. Tatsächlich sind die
überforderte Bürokratie und un-
zureichende soziale Infrastruktur
ursächlich für die teilweise chao-
tischen Abläufe im Asylverfahren
und bei der Aufnahme und Unter-
bringungindenKommunen.
ProAsyl wird sich weiterhin für alle
einsetzen,dieinDeutschland,insbe-
sondere inEssen,Schutzsuchen–
unabhängigvon ihrerHerkunft.Mit
welchen personellen Ressourcen,
wirdvonderjeweiligenLandesregie-
rung, den politischen Gegebenhei-
tenundderZahlderankommenden
Flüchtlingeabhängigsein.
Wir werden weiterhin auf ehren-
amtliches Engagement bauen, weil
es nach wie vor die Basis unserer
Arbeit ausmacht. Ebenso sind wir
auffinanzielleUnterstützungdurch
Förderinnen und Förderer ange-
wiesen, um unseren Einsatz für
die Rechte geflüchteter Menschen
auchindennächsten25Jahrener-
folgreichweiterführenzukönnen.
IntegrationistkeineEinbahnstraße,
sondernderdirekteKontaktaufAu-
genhöhe. Flüchtlinge sehen wir als
Ratsuchende mit großem Potenti-
al,wasesinsgesamtzunutzenund
förderngilt.
SpendenkontoIBAN:DE14360501050001600626BIC:SPESDE3EXXX
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ProAsyl/Flüchtlingsrat Essen e. V.Friedrich-Ebert-Str.30,45127EssenTelefon:0201–[email protected]
Redaktion:TorbenGewehr&KathrinRichter
Unsere Beratungszeiten:offene Sprechstunde:Donnerstags14.00–17.30UhrBeratungzumAsyl- und Ausländerrecht:nachtelefonischerVereinbarung
SpendenkontoIBAN:DE14360501050001600626BIC:SPESDE3EXXX
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