HETEROPTERON · 2020. 11. 3. · Der HETEROPTERON ist als deutsch-sprachiges Mitteilungsblatt...
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HETEROPTERON Mitteilungsblatt der
Arbeitsgruppe Mitteleuropäischer Heteropterologen
INHALT Einleitende Bemerkungen des Herausgebers. ................................................................................................................... 1 Liste der Teilnehmer am 46. Treffen der „Arbeitsgruppe mitteleuropäischer Heteropterologen“ in Mallnitz. ................ 2 KLAUS VOIGT: 46. Tagung der "Arbeitsgruppe Mitteleuropäischer Heteropterologen" in Mallnitz (Kärnten,
Österreich). .................................................................................................................................................................. 3 MICHAEL J. RAUPACH: DNA Barcoding enthüllt neue Arten und mögliche Hybride in der Wasserwanzenwelt
Deutschlands (Heteroptera: Nepomorpha et Gerromorpha). ....................................................................................... 6 PETER GÖRICKE: Untersuchungen zu Wanzenzönosen im Deichrückverlegungsgebiet Elbaue bei Lödderitz
(Sachsen-Anhalt). ...................................................................................................................................................... 10 ANDREAS HILPOLD: Überblick über die Geschichte und aktuellen Stand der Erforschung der Südtiroler Wanzenfauna. (Teil 1 des Vortrags bei der Wanzentagung in Mallnitz (A)). .................................................................................... 15 ANDREAS HILPOLD: Wanzenerhebungen im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings Südtirol (Teil 2 des Vortrags bei der Wanzentagung in Mallnitz (A)) . ................................................................................... 18 KLAUS REINHARDT: Parasiten in Zuchten von Heteropteren, speziell von Bettwanzen (Cimicidae). ............................. 21 PETER KOTT: Rhyparochromus vulgaris (SCHILLING, 1829) – die Gemeine Lauf- oder Bodenwanze in Nordrhein-Westfalen (NRW) (Heteroptera, Lygaeoidea, Rhyparochromidae). ........................................................ 25 MICHAEL DREES: Zur Wanzenfauna zweier Wacholderheiden im Märkischen Kreis (Sauerland, NRW). .................... 28 HANS-JÜRGEN HOFFMANN: Ergänzungen zum Beitrag „Ein Neuzugang … das Journal of the Heteroptera of Turkey"
(HETEROPTERON 59, 38-39). ................................................................................................................................ 30 HANS-JÜRGEN HOFFMANN: Fossile Wanzen aus dem Oberoligozän von Rott bei Bonn. ............................................... 31 Wanzenliteratur: Neuerscheinungen. .............................................................................................................................. 36 [Inhaltsverzeichnisse früherer Hefte und Allgemeines s. www.heteropteron.de]
Einleitende Bemerkungen des Herausgebers
Wieder einmal ein kleines Jubiläum: 60 Hefte geschafft – dank Mitarbeit vieler Heteropterologen.
Trotzdem noch einmal die Bitte:
Der HETEROPTERON ist als deutsch-sprachiges Mitteilungsblatt konzipiert worden. Daher
sollten möglichst viele (alte und) neue Mitteilungen gemeldet werden, ebenso wie einzelne eigene
Veröffentlichungen. Nur so bleibt eine gewisse Übersicht über das weite Feld der Heteropteren gewahrt.
Eigentlich sollte es doch im Interesse jedes Heteropterologen liegen, sein Wissen oder seine Kenntnisse
einzubringen und weiter zu verbreiten – auch im Zeitalter des Internets findet man immer noch
genügend Unbekanntes. Die Zeiten, wo man sein persönliches Wissen im Zettelkasten mit
Literaturangaben, in Tagebucheintragungen und mit in der eigenen Sammlung versteckten Tieren
möglichst für sich behielt, sind im Zeitalter des Internets doch eigentlich Vergangenheit!
Heft Nr. 60 - Köln, Oktober 2020 ISSN 1432-3761 print
ISSN 2105-1586 online
2 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
Trotz CORONA-Pandemie hat das Treffen der „Arbeitsgruppe Mitteleuropäischer
Heteropterologen“ auch dieses Jahr geklappt, wenn auch leider mit deutlich geringerer Beteiligung. Das
vorliegende Heft bringt neben der allgemeinen Information zum 46. Treffen den Inhalt der vier dort
gehaltenen Vorträge.
Vier weitere interessante Beiträge zu sehr verschiedenen Themen füllen wieder das Heft, inkl.
einer Ergänzung zu HETEROPTERON 59, 38-39.
H.J. Hoffmann
Liste der Teilnehmer am 46. Treffen der „Arbeitsgruppe mitteleuropäischer Heteropterologen“ in Mallnitz
BRANDNER, JONNY 9 & MELANIE
2
BRÄU, MARKUS 14
& ♀
DOROW, WOLFGANG 1
FARACI, FRANCO 15
FRIESS, THOMAS 7
GÖRICKE, PETER 13
& MARION
HECKMANN, RALF 10
HEISS, ERNST 12
& INGRID
HILPOLD, ANDREAS 5
HOLZSCHUH, CAROLUS 8
HUBER, ELISABETH 6
KOMPOSCH, CHRISTIAN (FOTOGRAF)
MÜNCH, MICHAEL 11
& DORIS+ KINDER
NAWRATIL, JOSEF 4
RABITSCH, WOLFGANG 17
&
PEYTON, JODEY
RAUPACH, MICHAEL 16
VOIGT, KLAUS 3 & FRIEDLINDE
Die Teilnehmer am Treffen vor dem Tagungsgebäude (ohne einige ♀♀ u. Kinder) (Foto CH. KOMPOSCH)
9 10 11 12 13 14 15 16 17
2
1 3 4 5 6 7 8
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 3
46. Tagung der "Arbeitsgruppe Mitteleuropäischer Heteropterologen"
in Mallnitz (Kärnten, Österreich)
KLAUS VOIGT
Das 46. Treffen der AG mitteleuropäischer Heteropterologen fand vom 21. bis 23. August
2020 im österreichischen Luftkurort Mallnitz, der im alpinen Teil Kärntens liegt, statt. Rund 20
Teilnehmer aus Deutschland, Italien und Österreich hatten die Einladung von WOLFGANG
RABITSCH und THOMAS FRIESS angenommen und waren trotz CORONAzeit und großen
Entfernungen vom Heimatort mit Bahn oder PKW zum Nationalpark Hohe Tauern angereist. Sie
mussten es nicht bereuen, denn THOMAS FRIESS und WOLFGANG RABITSCH hatten die Tagung
ausgezeichnet vorbereitet und im CORONA-freien Kärntner Alpendorf Mallnitz ein ansprechendes
Tagungsquartier ausgesucht.
Manche Teilnehmer waren schon Tage vorher angereist und konnten daher vor der offiziellen
Eröffnung bei einer Exkursion ins Tauerntal auf 1800 m die alpine Bergwelt mit ihren
ökologischen Besonderheiten an Flora und Fauna kennen lernen. Bei sonnigem Wetter zeigten sich
die Almweiden und schütteren Lärchenwälder von ihrer besten Seite. Allerdings merkte man beim
Sammeln die Auswirkungen der lange andauernden Trockenheit sehr. Viele Kräuter, Laub- und
Nadelbäume zeigten Trockenstress, was sich auf die Vielfalt und Anzahl der nachgewiesenen Arten
auswirkte. Dennoch konnten alpine Vertreter der Miriden z.B. Calocoris alpestris gefunden
werden, während Lygaeiden, Coreiden und Pentatomiden selten waren. Auf den beweideten
Almwiesen fiel die Vielfalt der zahlreichen Kleinzikaden besonders auf.
Am Freitagabend wurde die Tagung offiziell im Vortragssaal des BIOS Nationalparkzentrum
Hohe Tauern, Mallnitz, nach einem kurzen Grußwort von KLAUS VOIGT, von WOLFGANG
RABITSCH feierlich eröffnet. Nach der Begrüßung der angereisten Teilnehmer stellte er kurz das
geplante Programm vor und bedankte sich bei der Verwaltung des Nationalparks Hohe Tauern im
Hinblick auf Vorbereitung und Durchführung dieser Tagung. Er äußerte auch die Hoffnung, dass
durch die vorgesehenen Exkursionen ein wertvoller Beitrag zur Erforschung der Insektenfauna des
Nationalparks und von Kärnten erfolgt. Außerdem wies er darauf hin, dass bei allen
Veranstaltungen in den Räumen des Nationalparkzentrums die strikten CORONA-19-
Verhaltensmaßregeln zu beachten sind.
KATHARINA AICHHORN, die Mitarbeiterin im Nationalpark Hohe Tauern, stellte in Wort und
Bild die einzigartige Vielfalt der Bergwelt und ihrer Tallandschaften des Nationalparks vor. Die
alpinen Landschaften charakterisieren das Gebiet, das sich von fast 4000 m hohen Gletscherbergen
bis zu Tälern um 1100 m sich erstreckt. Es darf keine Landwirtschaft und keine Jagd betrieben
werden; nur die herkömmliche Almwirtschaft und Holznutzung ist erlaubt. Der Naturschutz hat
oberste Priorität, was man auch an der Wiederansiedlung des Bartgeiers erkennen kann. Der
Nationalpark Hohe Tauern ist touristisch gut erschlossen und Wanderern und Sportlern frei
zugänglich.
THOMAS FRIESS ergänzte mit seinem speziellen Beitrag: „Kenntnisstand der Wanzenfauna
des Nationalpark Hohe Tauern“ den vorhergehenden fundamentalen Vortrag vorzüglich. Seit den
historischen Sammlungen von GREDLER (1870), STROBL (1899), FRANZ (1940) wurde der heutige
Nationalpark von Heteropterologen nur spärlich besucht, worauf die geringe Anzahl von 84
bekannten Wanzenarten aus 81 Fundorten hinweist. Doch beherbergt das Gebiet auch einige
Besonderheiten, die im Bild vorgestellt wurden. Dies sind Eurydema fieberi, Calocoris alpestris,
Horwathia lineolata, Stenodema algoviensis, Deraeocoris annulipes, Globiceps juniperi, Nithecus
4 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
jacobeae, Salda litoralis u.a. Die Artenzahl bekannter Wanzenarten kann durch die anwesenden
Spezialisten sicher noch erhöht werden.
Bedingt durch drohende Gewitter wurde die für den Nachmittag geplante Exkursion ins
Dösental auf den Vormittag vorverlegt. Steil ging es durch einen Schluchtwald bergan, an einer
historischen venezianischen Sägemühle vorbei, bis zur Hochebene bei der Dösener-Alm auf 1.450
m. An einem verpilzten Baumstumpf am Waldrand wurden zur großen Freude Aradus crenaticollis
entdeckt. Von dem Weideland führte der Weg nochmals steil bergan bis zur Konradshütte und der
Konradslacke, einem kleinen periodisch austrocknenden See (1.610 m). Am sandigen Seeufer gab
es verschiedene Saldula-Arten, im und auf dem See aber kaum Wasserwanzen. Doch talwärts
konnten auf dem Dösenbach an einigen Stillwasserbereichen Gerris und Velia gefunden werden.
Während die meisten Tagungsteilnehmer sich dem Sammeln und Dokumentieren der
Wanzenfauna widmeten, hatte FRIEDLINDE VOIGT ein Frauenprogramm organisiert. Es führte an
diesem Tag mit dem kostenlosen Wanderbus nach Flattach, wo sie das eindrucksvolle
Naturdenkmal Raggaschlucht mit ihren spektakulären Wasserfällen durchwanderten.
Pünktlich, bei beginnendem Regen, kam man wieder zum Besucherzentrum Mallnitz im NP
Hohe Tauern zurück, wo die Vortragsveranstaltung stattfand.
Den Reigen der Vorträge eröffnete MICHAEL RAUPACH, der neue Leiter der
Entomologischen Sektion der Zoologischen Staatssammlungen München, mit dem Thema: Ab ins
Wasser: Die neuen Forschungsschwerpunkte der Sektion Hemiptera an den Zoologischen
Staatssammluingen München. Nach seiner kurzen persönlichen Vorstellung zeigte er Beispiele
von durch Barcoding gewonnene systematische Ergebnisse seiner Untersuchungen an Sigara
distincta, S. falleni und S. iactans auf. Die Bearbeitung der mitteleuropäischen Wasserwanzen ist
schon sehr weit fortgeschritten (95 %). Ein weiteres Projekt ist australischen Wasserwanzen
gewidmet mit dem Ziel, sie mit Barcodices eindeutig bestimmen zu können. Man rechnet pro Tier
mit einer Woche Bearbeitung.
Danach sprach PETER GÖRICKE über: Untersuchungen zu Wanzenzönosen im
Deichrückverlegungsgebiet Elbaue bei Lödderitz (Sachsen-Anhalt). Durch die Deichrück-
verlegungen wurden neue Überflutungsgebiete geschaffen. Der Vortragende hat darin 24 spezielle
Untersuchungsflächen ausgewertet und dabei 175 Wanzenarten festgestellt. Ihre Verteilung auf
Grünland, Waldrand, Feuchtgebiete u.a.m. hat er ausgewertet und in Diagrammen und Tabellen
vorgestellt. Er ging auch auf die Probleme ein, die durch das Ausbleiben der Überflutung verursacht
wurden, wie z. B. dass die invasive Mittelmeerwanze Oxycarenus lavaterae sich dort fast
flächendeckend angesiedelt hat. Erfreulich war die Mitteilung, dass das bedrohte Biotop Aken vom
Land Sachsen-Anhalt als NSG anerkannt wurde. Außerdem wurden die gesamten Untersuchungen
vom Land Sachsen-Anhalt anerkennend gewürdigt und mit einer neuen Stelle für einen amtlichen
Betreuer ‚belohnt’ worden.
Einen erfrischenden Dialog boten THOMAS FRIESS & CAROLUS HOLZSCHUH an zum Thema:
12 Jahre entomologische Forschung im Hausgarten. Wanzendiversität auf 1.080 m2. Seit 2006
hat der pensionierte Förster und Forstschutzexperte C. HOLZSCHUH in seinem Villacher Hausgarten
intensiv die eindringenden Insekten beobachtet, gefangen und bestimmt. Die Vielfalt seiner
Gartenpflanzen, sowie eine variantenreiche Anwendung seiner Fanggeräte, Techniken und Plätze
brachten eine unglaubliche Artenzahl von Käfern, Fliegen, Wespen und Wanzen in seinem relativ
kleinen Biotop am Rande einer Stadt zusammen. 336 Wanzenarten, darunter viele Neunachweise,
konnte er für die Kärntner Fauna belegen, das sind 55 % der Landesfauna. Diese Erfolgsstory hat
das Duo mit launigen Episoden gewürzt und mit Bildern und Sammlungskästen demonstriert
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 5
anschaulich vorgetragen, was mit lang andauerndem Beifall bedankt wurde.
MARKUS BRÄU sprach über: Probleme zur Wanzenfauna Bayerns. Bei der Überarbeitung
der neuen Roten Liste Bayerns stellte sich heraus, dass der Mangel an Spezialisten bedeutsam ist
und zahlreiche Flächen des großen Bundeslandes unbearbeitet sind, weil sie abgelegen oder
anscheinend unattraktiv sind. Trotz seiner 60.000 Datensätze aus Privatsammlungen und Museen
können viele Lücken nicht beseitigt werden. Darum bittet er die Kollegen um Hilfestellung, in dem
sie ihm zur Vervollständigung einer flächendeckenden Karte Bayerns Daten aus ihren bayerischen
Fundorten zur Verfügung stellen.
WOLFGANG RABITSCH informierte über: Neues zu Wanzen in Österreich. Im Jahre 2005
waren 906 Wanzenarten aus Österreich bekannt. Bis 2016 kamen 13 Neunachweise dazu, z. B.
Beosus quadripunctata, Spilostethus pandurus, Corytucha arcuata, u. a. Durch Zuwanderer
vorwiegend aus Süden und Osten hat sich die Anzahl nachgewiesener Arten inzwischen auf 924
erhöht. Dies ist ein Rekord für Mitteleuropa.
ANDREAS HILPOLD, Forscher am Institut für Alpine Umwelt in Bozen/IT, gab einen
Überblick über die Wanzenfauna Südtirols und Einblick in die Erhebungen im Rahmen des
Biodiversitätsmonitoring Südtirols. Einleitend sprach er über die Geschichte der
WANZENFORSCHUNG in Südtirol seit dem 19. Jahrhundert und schloss mit dem heutigen Stand der
Erarbeitung. Alle dokumentierten und bekannten Arten, sowie ihre Fundorte und ökologischen
Daten wurden in einer Datenbank erfasst. Dabei wurden zahlreiche Lücken offenbar. Das Institut
für Alpine Umwelt/Eurac Research leitet u. a, das Biodiversitätsmonitoring Südtirol in
Zusammenarbeit mit dem Naturmuseum Südtirol und der Abteilung Natur, Landschaft und
Raumentwicklung der autonomen Provinz Bozen-Südtirol. Ein eigenes Projekt widmet sich der
Marmorierten Baumwanze (Halyomorpha halys) und einem möglichen Gegenspieler, der
parasitoiden Samurai-Wespe.
Am Ende seines interessanten Vortrags lud ANDREAS HILPOLD die "Arbeitsgruppe
Mitteleuropäischer Heteropterologen" zu ihrer nächsten Tagung 2021 nach Bozen ein. Das genaue
Datum steht noch nicht fest. Es wird voraussichtlich im Januar 2021 in dieser Zeitschrift
„HETEROPTERON“ bekannt gegeben.
Zum Abschluss der Tagung dankte KLAUS VOIGT für die vorzügliche Organisation und
Durchführung der Tagung WOLFGANG RABITSCH, sowie THOMAS FRIESS für die Auswahl und
Begleitung zu den interessanten Exkursionsgebieten. Allen, die schon am Sonntagmorgen sich auf
den weiten Heimweg machen müssten, wünschte er eine gesunde Heimfahrt mit dem Wunsch auf
ein Wiedersehen in Bozen 2021. Zum Schluss bat er noch, dass die Vorträge publiziert und die
Sammelergebnisse an W. RABITSCH weitergegeben werden. Die Zeitschriften „HETEROPTERON“
und „CARINTHIA“ drucken diese. Das Gruppenbild von CHRISTIAN KOMPOSCH erinnert an die
Tagung 2020 in dem beeindruckenden Besucherzentrum des Nationalparks Hohe Tauern.
Am Sonntag führte eine ganztägige Exkursion in das Seebachtal. Vom Parkplatz bei der
Ankogelbahn führte der Weg zum Stappitzer See (1.260 m), wo Feucht- und Nasswiesen, sowie
moorige Verlandungsstellen eine typische Wanzenfauna versprachen. Teratocoris paludum und
Gerris costae bestätigten dies. Im See waren leider kaum Corixiden zu finden, die Gerris und
Notonecta Arten waren noch im Larvenstadium. Der Wanderweg zur Schwussnerhütte entlang der
Südseite des Tales bot abwechslungsreiche Biotope zur genaueren Untersuchung an: Bergwald mit
Totholz, Gebüschsäume, Heidelbeersträucher und Farnplätze, Felsen, Tümpel und
Verlandungszonen am Seebachufer (Macrosaldula scotica), sowie ein ‚Eisloch’ nahe der
Schwussnerhütte. In der bewirtschafteten urigen Hütte auf 1.338 m konnte man sich von der
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dreistündigen Wanderung bei einem Imbiss und kühlen Getränken erholen und neue Kräfte für den
Rückweg auf der anderen Seite des romantischen Seebachtales sammeln. Bergab führte die Straße
an den Trombachwasserfällen, steilen Wiesenhängen und Geröllhalden vorbei wieder zum
Ausgangspunkt am Fußpunkt der Ankogelbahn, wo die Autos parkten.
Eine kleine Gruppe der Teilnehmer nützte den Montag bei bedecktem Himmel noch zu einer
kleinen Nachexkursion ins Tauerntal nahe der Stockerhütte (1.280 m). Der Bergwald und sein
Unterwuchs, sowie die große Schotterfläche eines Bergbachs konnten beprobt werden. An den
bepilzten Bäumen waren keine Aradiden zu entdecken. Doch auf den Schotterflächen mit ihren
zahlreichen Disteln wurden Tingis cardui und in der schütteren Bodenflora Halticus apterus und
Strongylocoris leucocephalus nachgewiesen. Leider verhinderte aufkommender Regen die weitere
Suche, so dass die Exkursion vorzeitig abgebrochen werden musste.
Die beiden zurückgebliebenen Frauen hatten den Tag zu einem Besuch in Spittal an der
Drau mit dem Zug genützt, wo sie einen interessanten Stadtrundgang machten und das Schloss
Porcia mit seinem berühmten Arkadenhof besuchten.
Am Dienstagmorgen reisten die letzten Teilnehmer wieder ab. Sie waren voll des Lobes über
die gelungene Tagung unter CORONA-19-Auflagen, mit informativen Vorträgen, Gesprächen und
Exkursionen in einer bezaubernden Berglandschaft und einer angenehmen Unterkunft.
Für wertvolle Ergänzungen und Hinweise sei W. RABITSCH gedankt. Anschrift des Autors:
Klaus Voigt, Forellenweg 4, D 76275 ETTLINGEN. e-mail: [email protected]
Zum folgenden Beitrag:
Abb.1: Neighbour-Joining-Topologie aller analysierten Exemplare der Gattung Notonecta LINNAEUS, 1758 (6 Arten, 94
Individuen) basierend auf K2P-Distanzen. Die Ziffern an den Knoten sind Bootstrap-Werte (1000 Replikate).
Als Außengruppe fungiert Anisops sardeus HERRICH-SCHAEFFER, 1849.
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 7
DNA Barcoding enthüllt neue Arten und mögliche Hybride in der Wasserwanzenwelt Deutschlands (Heteroptera: Nepomorpha et Gerromorpha)
MICHAEL J. RAUPACH
Zusammenfassung:
Innerhalb der letzten Jahre hat sich das DNA Barcoding als populäre Methode zur molekularen Identifizierung von Arten etabliert. Obwohl zwingend notwendig, sind Barcoding-Studien über die artenreichen und ökologisch diversen Heteropteren leider immer noch selten. In diesem Zusammenhang wurde für die semiaquatischen und aquatischen Wasserwanzen Deutschlands eine umfangreiche DNA Barcode-Bibliothek erstellt. Insgesamt wurden DNA Barcodes von 63 Arten und 686 Individuen generiert und analysiert. Die Ergebnisse dokumentierten identische Sequenzen für einige nah verwandte Arten, die möglicherweise immer noch hybridisieren, als auch eine überraschend hohe molekulare Variabilität innerhalb Cymathia coleoptrata (FABRICIUS, 1777) und dem Wasserzwerg Plea minutissima LEACH, 1817. Weiterführende morphologische und molekulare Untersuchungen finden aktuell statt. Abstract:
During the last years DNA barcoding has become a popular method for molecular species identification. Although demanding, comprehensive barcoding studies of the species and ecological diverse Heteroptera are unfortunately still scarce. In this context a comprehensive DNA barcode library of the semi-aquatic and aquatic true bugs of Germany has been established. In total, DNA barcodes for 686 specimens of 63 species were generated and analyzed. The results document identical sequences for a number of closely related species that may still hybridize, as well as a surprisingly high molecular variability within Cymathia coleoptrata (FABRICIUS, 1777) and pygmy backswimmer Plea minutissima LEACH, 1817. Additional morphological and molecular analyses are in progress.
Einleitung
Wenn wir in einem Supermarkt ein Produkt kaufen, wird dessen Identität sowie Preis mittels
eines Strichcodes („Barcode“) an der Kasse erfasst. Dieses Verfahren spart uns an der Kasse
mitunter viel Zeit und dem Kassierer/der Kassiererin viel Arbeit. Basierend auf diesen Eindrücken
kam vor etwas mehr als 15 Jahren PAUL HEBERT aus Guelph (Kanada) auf die Idee, ein ähnliches,
molekularbasiertes Verfahren zur Identifizierung von Organsimen zu entwickeln (HEBERT et al.
2004). Die von ihm entwickelte Methode, das sogenannte „DNA Barcoding“, verwendet die
Basenabfolge eines bestimmten, standardisierten Genabschnittes zur Art-Identifizierung. Bei den
Tieren fiel die Wahl auf einen Bereich des mitochondrialen Cytochrom-c-Oxidase Untereinheit I-
Gens mit einer Länge von rund 660 Basenpaaren. Eine Grundlage des DNA Barcodings ist die
Annahme, dass die innerartliche Variation dieses Genabschnittes geringer ist als die
zwischenartliche Variabilität und somit eine eindeutige Zuordnung eines Individuums ermöglicht.
In den letzten Jahren hat sich das DNA Barcoding als zuverlässige, schnelle und kostengünstige
Methode zur Artdetermination in der nationalen wie internationalen Forschungslandschaft fest
etabliert (u.a. WÄGELE 2016, GEIGER et al. 2016). In Kombination mit modernen Hochdurchsatz-
Sequenzierverfahren, die Zehntausende von Proben parallel analysieren, kann so ein effizientes
Biodiversitätsmonitoring durchgeführt werden (z.B. JI et al. 2013, BUSH et al. 2019, HAUSMANN et
al. 2020). Dies gilt insbesondere für die hyperdiversen Insekten, deren Bestimmung in vielen Fällen
aufwendig und die notwendige Expertise häufig nicht (mehr) vorhanden ist. Innerhalb Deutschlands
wurden im Rahmen des Barcoding Fauna Bavarica-Projekts (http://barcoding-zsm.de/bfb) sowie
des nachfolgenden German Barcode of Life-Projekts (https://www.bolgermany.de/wp/) erste
umfassende Sequenz-Bibliotheken für verschiedene Insektengruppen wie Schmetterlinge
(HAUSMANN et al. 2011), Käfer (HENDRICH et al. 2014), Heuschrecken (HAWLITSCHEK et al. 2017)
und Hautflügler (SCHMIDT et al. 2015) erstellt. Eine erste Studie, die rund 460 Arten und damit rund
51% der heimischen Wanzen abdeckte, demonstrierte das große Potenzial der Methodik auch für
diese Insektengruppe (RAUPACH et al. 2014). Auf Grundlage dieser Arbeit erfolgte der Aufbau einer
umfassenden DNA Barcode-Bibliothek der Wasserwanzen Deutschlands.
8 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
Warum gerade Wasserwanzen? Zum einen gibt es kaum ein stehendes oder fließendes
Gewässer, das nicht von Wanzen in oft hohen Arten- und Individuenzahlen besiedelt wird. Hier
nehmen Wasserwanzen mitunter eine zentrale ökologische Rolle ein. In Deutschland kommen 22
Arten der Unterordnung Gerromorpha und 47 Arten der Unterordnung Nepomorpha vor (STRAUSS
& NIEDRINGHAUS 2014, DECKERT & WACHMANN 2020). Zum anderen wurde die
Wasserwanzenfauna Deutschlands in der Vergangenheit gut erfasst, so dass eigentlich keine
Überraschungen zu erwarten waren. Allerdings gelten Wasserwanzen im Allgemeinen als recht
schwierig zu bestimmende Insektengruppe, was insbesondere auf die artenreiche Familie der
Corixidae zutrifft. Ferner ist bei manchen Arten, zum Beispiel bei Vertretern der Gattung Sigara
FABRICIUS, 1775, eine sichere Bestimmung nur bei Männchen möglich (JANSSON 1986).
Methoden
Informationen wie Fundort oder Sequenzchromatogramme der untersuchten Wasserwanzen
sind in dem öffentlich zugängigen Datensatz DS-BAHCE „Barcoding Aquatic Heteroptera of
Central Europe“ im Barcode of Life Datasystem (BOLD; http://www.boldsystems.org) hinterlegt
(RATNASINGHAM & HERBERT 2007). Näheres zur molekularen Aufarbeitung der Tiere sowie der
Datenanalyse findet sich in RAUPACH et al. (2014) und HAVEMANN et al. (2018).
Ergebnisse und Diskussion
Im Rahmen der Untersuchung wurden DNA Barcodes von 254 Individuen von 20 Arten der
Gerromorpha und 445 Individuen von 43 Arten der Nepomorpha analysiert (HAVEMANN et al.
2018). Somit beinhaltet die Studie 91 % der deutschen Fauna der Gerromorpha und 92 % der in
Deutschland dokumentierten Vertreter der Nepomorpha. Für 18 Arten (90 %) der analysierten
Gerromorpha war eine eindeutige Zuordnung von einer „Barcode Index Number“ (BIN) pro Art
möglich. Innerhalb der Nepomorpha gelang dies für 29 Arten (67 %). Abbildung 1 illustriert
exemplarisch die Auftrennung der verschiedenen Vertreter der Familie der Notonectidae in einer
Neighbor Joining-Topologie. Die Datenanalyse erbrachte allerdings auch einige überraschende
Ergebnisse, welche in HAVEMANN et al. (2018) detailliert beschrieben und diskutiert werden.
Hierunter fällt unter anderem das Auftreten von identischen Sequenzen bei den nah verwandten
Arten Sigara iactans JANSSON, 1983 und Sigara falleni (FIEBER, 1848), was eine eindeutige
Differenzierung beider Arten – sofern es sich um solche tatsächlich handelt – mittels DNA
Barcodes verhindert. Vergleichbare geringe zwischenartliche Distanzen treten unter anderem bei
Arctocorisa carinata (C. R. SAHLBERG, 1819) und Arctocorisa germari (FIEBER, 1848) sowie
Callicorixa praeusta (FIEBER, 1848) und Callicorixa producta (REUTER, 1880) auf. Ob es sich bei
diesen Artenpaaren um nahverwandte, aber distinkte Arten handelt oder zwischen den Arten noch
Genfluss stattfindet und es zu Hybridisierungen kommt, kann aktuell nicht geklärt werden und steht
im Fokus weiterer eingehender Studien. Im Gegensatz zu diesen geringen zwischenartlichen
Distanzen treten bei zwei Arten ungewöhnlich hohe innerartliche Werte auf. Bei Cymatia
coleoptrata (FABRICIUS, 1777) finden sich zwei Gruppen, die sich in bis zu 9,4 % voneinander
unterscheiden. Interessanterweise wird eine Gruppe durch das Fehlen von 16 (!) Aminosäuren
charakterisiert. Sehr hohe molekulare Distanzen wurden ferner bei Plea minutissima LEACH, 1817
gefunden, welche sich ebenfalls auf zwei Gruppen verteilen. Weiterführende morphologische als
auch molekulare Untersuchungen finden aktuell statt. Erste Resultate aber deuten an, dass hier in
beiden Fällen bislang jeweils eine Art übersehen wurde.
Unsere aktuellen Ergebnisse unterstreichen eindrucksvoll den Nutzen vom DNA Barcoding
als molekulare Methode zur Artidentifizierung als auch als taxonomisches Hilfsmittel. Es bleibt
abzuwarten, ob die angestrebte Erstellung einer gesamteuropäischen DNA Barcode-Bibliothek für
die Gerromorpha und Nepomorpha ähnlich überraschende Ergebnisse hervorbringen wird.
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 9
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Anschrift des Autors:
PD Dr. Michael J. Raupach, Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns,
Zoologische Staatssammlung München, Münchhausenstraße 21, D-81247 MÜNCHEN.
e-mail: [email protected]
10 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
Untersuchungen zu Wanzenzönosen im Deichrückverlegungsgebiet Elbaue bei Lödderitz (Sachsen-Anhalt) *)
PETER GÖRICKE
*) nach einem Vortrag beim 46. Treffen der „Arbeitsgruppe Mitteleuropäischer Heteropterologen“ vom 21. bis 23. August 2020 im Nationalpark Hohe Tauern in Österreich
Im Rahmen des Naturschutzprojektes „Mittlere Elbe“ wurde ca. 15 km elbabwärts von
Dessau bei Lödderitz eine Deichrückverlegung in einer Länge von ca. 5 km und einer Breite von ca.
2,5 km vorgenommen und in diesem Bereich ein neuer Deich errichtet (LANDESAMT FÜR
UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT 2018). Im Jahr 2017 wurde der alte Deich geschlitzt bzw. ganz
entfernt sowie Flutrinnen geschaffen und eine Fläche von ca. 600 Hektar wurde damit nach ca. 180
Jahren wieder der natürlichen Hochwasserdynamik der Elbe zugeführt. In den Jahren 2017 und
2018 wurden 26 Kontrollflächen im Gebiet zur Erfassung der Ausgangssituation sowie zur
Erfolgskontrolle der Renaturierungsmaßnahmen vornehmlich nach pflanzensoziologischen
Gesichtspunkten durch die BIOSPHÄRENRESERVATSVERWALTUNG MITTELELBE festgelegt. Eine
Erfassung der Wanzenfauna als Indikator für die verschiedenen Lebensräume und die den
dynamischen Prozessen unterworfenen Habitate im Deichrückverlegungsgebiet Lödderitz erfolgte
im Jahr 2019 durch P. GÖRICKE. Dazu wurden die faunistischen Untersuchungen in mehreren
Wiederholzyklen im Jahr 2019 als Ersterfassung zur Dokumentation der Ausgangslage
durchgeführt. Dabei kam den Untersuchungen die Tatsache zu Gute, dass seit der Deichöffnung im
Jahr 2017 keine Hochwassersituation herrschte und somit der faunistische Ursprungszustand der
aktiven, fossilen (d.h. nach Eindeichung nicht mehr den Hochwasserereignissen ausgesetzte
Flächen / Gelände hinter dem Deich auch nach der Deichrückverlegung) und reaktivierten Altaue
im Deichrückverlegungsgebiet bestimmt werden konnte. Zur Erfassung der Wanzenfauna auf 15
Wald-Dauer-Beobachtungsflächen (Abb. 1), 6 Grünlandflächen (Abb. 2) und 5 Gewässerhabitaten
wurden standardisierte und für die einzelnen Lebensräume differenzierte Methoden eingesetzt. Als
faunistische Erfassungsmethoden wurden vorrangig definierte Bodenkescher- und Motorsaugfänge
(jeweils 100x/UF) und Klopffänge (á 15'/UF) an 3 Terminen und Gelb-, Blau- und Weiß-
Farbschalenfänge über ca. 6 Monate und 4-wöchigem Wechsel sowie an den Stillgewässer-UF
Wasserkescherfänge (á 30'/UF) eingesetzt. Im Vortrag wurde u.a. daran erinnert, dass Saugfänge im
Gelände keine neue Fangmethode darstellt, sondern nur gegenwärtig öfter praktiziert wird. Bereits
REINHARD REMANE (1958) hat in den Jahren 1954 und 1955 Wanzen und Zikaden auf
Grünlandflächen im Weser-Ems-Gebiet quantitativ mit einem von den BLASATOR-Werken in
Leer/Ostfriesland entwickelten Prototyp eines benzingetriebenen Motorsaugers erfasst. Im Laufe
der Untersuchungen erwies es sich als zweckmäßig drei zusätzliche Flächen im Bereich des
Elbufers bei Obselau und eine zusätzliche Stillwasserfläche in die faunistischen Untersuchungen
einzubeziehen. Durch einzelne faunistische Methoden erzielte Beifänge anderer Insektengruppen
wurden sortiert nach den Taxa Carabidae, sonstige Coleoptera, Auchenorrhyncha, Hymenoptera
und Arachnida dem BIOSPHÄRENRESERVAT MITTELELBE als Alkoholpräparate in einer
Individuenzahl von ca. 20 Tausend Exemplaren zur Auswertung durch Artgruppenspezialisten
übergeben.
Bei den Untersuchungen zur Wanzenfauna im Gebiet wurden über 4.500 Individuen
ausgewertet und 175 Wanzenarten nachgewiesen. GÖRICKE & KLEINSTEUBER (2020) verzeichnen
insgesamt 706 Wanzenarten im Land, durch zwei Erstfunde im Jahr 2019 (GÖRICKE 2019) beträgt
der dokumentierte aktuelle Bestand in Sachsen-Anhalt jetzt 708 Heteropterenarten. Die 175
festgestellten Arten im Rahmen des Projektes „Deichrückverlegung Lödderitz“ repräsentieren dabei
24,7 % der Fauna des Landes. Von SIMON et al. (im Druck) werden für Deutschland 911
Wanzenarten angegeben. Die im Untersuchungsgebiet festgestellten Arten entsprechen damit einem
Anteil von 19,2 % der Deutschlandfauna. Von den insgesamt im Untersuchungsgebiet bei Lödderitz
festgestellten 175 Wanzenspezies sind 44 Arten in der bis vor kurzem bestehenden Rote-Liste der
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 11
Fauna Sachsen-Anhalts (BARTELS et al. 2004) und 29 Arten in der aktuellen sachsen-anhaltischen
Roten Liste (GÖRICKE & KLEINSTEUBER 2020) vertreten. 5 Arten besitzen einen Rote-Liste-Status
in Deutschland nach der Fassung des Jahres 1998 (GÜNTHER et al. 1998). In der sich im Druck
befindlichen Roten Liste Deutschlands (SIMON et al. im Druck) sind von den im
Deichrückverlegungsgebiet Lödderitz belegten Arten aktuell 15 Arten als gefährdete Rote-Liste
Arten der deutschen Fauna klassifiziert.
Bei den faunistischen Erhebungen im Jahr 2019 wurden auf den Grünland-Untersuchungs-
Flächen 124 Wanzenarten (hier u.a. Peritrechus nubilus an jeweils 2 UF der reaktivierten und
fossilen Aue) und hierbei 72 Arten auf den zwei (hier u.a. Sciocoris homalonotus) und drei Zusatz-
Fundorten in Elbnähe (hier u.a. Spathocera laticornis, Saldula arenicola und S. palustris) in der
aktiven Aue bei Obselau, 68 Arten auf den zwei Untersuchungsflächen in der reaktivierten Aue am
Försterfriedhof (hier u.a. Berytinus minor) sowie 79 Arten auf den zwei Flächen der fossilen Aue
am Klosterholz (hier u.a. in einer Blauschale 3 Exemplare von Oxycarenus lavaterae als damals
bekanntem Erstfund in Sachsen-Anhalt – siehe GÖRICKE 2019, 2020; BÄSE & DECKERT 2020)
festgestellt. Auf den 15 Wald-Dauer-Beobachtungsflächen im Gebiet wurden insgesamt 106 Arten
(hier u.a. Halticus luteicollis und Loricula exilis auf jeweils 6 UF, Plagiognathus fulvipennis von 4
UF) und davon 63 Arten auf den zwei Untersuchungsflächen in der aktiven Aue, 87 Arten auf den
zehn untersuchten Flächen in der reaktivierten Aue (hier u.a. Aneurus avenius von 3 UF, Tingis
ampliata auf 2 UF und Thyttus pygmaeus von einem Fundort) sowie 53 Arten auf den drei Dauer-
Beobachtungsflächen in der fossilen Aue (hier u.a. Campylosteira verna von 2 UF und einer Wald-
UF der reaktivierten Aue) belegt. Auf und in den fünf Gewässer-Untersuchungsflächen wurden 15
weitgehend kommune Heteropterenarten, darunter Aquarius paludum, Gerris argentatus,
Micronecta scholtzi, Sigara falleni und S. striata festgestellt. Außerhalb der untersuchten
Stillgewässer wurden vornehmlich in Elbnähe drei Saldidenarten (Saldula arenicola, S. palustris, S.
saltatoria) festgestellt. Insbesondere die faunistischen Untersuchungen an den Stillgewässern litten
an dem wiederum über dem langjährigen Mittel liegendem sehr warmen Sommer 2019 und
andauernder Trockenheit (Austrocknung einzelner Gewässer und hohe Wassertemperaturen).
Die drei Heteropterenarten Arocatus melanocephalus (FABRICIUS, 1798), Familie Lygaeidae
(Abb. 3), Mermitelocerus schmidtii (FIEBER, 1836) und Orthonotus rufifrons (FALLÉN, 1807),
jeweils aus der Familie Miridae (Abb. 4, 5), werden im Ergebnis der Untersuchungen als
kennzeichnende Arten des Lebensraumtyps LRT 91 FO (LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ
SACHSEN-ANHALT 2002) Hartholzauenwälder mit Quercus robur, Ulmus laevis, Ulmus minor,
Fraxinus excelsior oder Fraxinus angustifolia (Ulmenion minoris) sowie insgesamt als typische
Auwaldarten eingestuft.
Die ökologische Einordnung der festgestellten 175 Arten erfolgte auf Grundlage von Angaben
bei WACHMANN, MELBER & DECKERT (2004, 2006, 2007, 2008, 2012) unter Berücksichtigung von
FRIESS & RABITSCH (2009), MORKEL (2019) und spezifischer Beobachtungen des Verfassers in
Sachsen-Anhalt. Es ist festzustellen, dass im Untersuchungsgebiet neben den direkten
Gewässerarten weitere 5,7 % (10 Arten) hygrophil sind, der größte Anteil der im Gebiet
festgestellten Wanzenarten mit 57,7 % (101 Arten) mesophil sind und 25,1 % (44 Arten)
xerothermophil sind. Die bei den Untersuchungen im Jahr 2019 im Deichrückverlegungsgebiet
Lödderitz festgestellten Heteropterenarten teilen sich auf folgende ökologische Typgruppen und -
klassen auf: 9,2 % mit 16 Arten Gewässer Typ SG Stillgewässerarten; 53,1 % mit 93 Arten
Offenland, davon 31,4 % mit 55 Arten Typ MO mesophile Offenlandarten, 17,7 % mit 31 Arten
Typ XO xerothermophile Offenlandarten und 4,0 % mit 7 Arten Typ HO hygrophile
Offenlandarten; 19,4 % mit 34 Arten in Saumhabitaten, davon 13,7 % mit 24 Arten Typ MS
mesophile Saumarten und 5,7 % mit 10 Arten Typ XS xerothermophile Saumarten; 2,3 % mit 4
Arten Typ UK Ubiquisten; 16,0 % mit 28 Arten Wald, davon 12,6 % mit 22 Arten Typ MW
mesophile Waldarten, 1,7 % mit 3 Arten Typ HW hygrophile Waldarten und 1,7 % mit 3 Arten Typ
XW xerothermophile Waldarten.
12 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
Abb. 1: Habitat der Wald-Untersuchungsfläche DBF1 in der reaktivierten Aue bei Obselau
im Mai 2019 (Foto P. GÖRICKE).
Abb. 2: Grünland-Untersuchungsfläche GLF2 in der fossilen Aue am Klosterholz bei Lödderitz
im Juni 2019 (Foto P. GÖRICKE).
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 13
Abb. 3: Die im Gebiet an Ulme lebende Bodenwanzenart Arocatus melanocephalus ist eine typische
Auwaldart und wurde im Jahr 2019 im Deichrückverlegungsgebiet Lödderitz in Farbschalen am
Waldsaum von zwei Grünland-UF in der aktiven Aue bei Obselau und zwei Wald-UF der
reaktivierten Aue durch Klopffang an Ulmus festgestellt (Foto E. WACHMANN).
Abb. 4: Mermitelocerus schmidtii ist gleichfalls typisch in Auwäldern und wurde im Untersuchungsgebiet an
insgesamt 11 Fundorten, davon 9 Wald-UF und in Farbschalen am Waldrand von 2 Grünland-UF
aufgefunden (Foto E. WACHMANN).
Abb. 5: Die vornehmlich in der Krautschicht von Auwäldern lebende Miride Orthonothus rufifrons wurde
2019 im Deichrückverlegungsgebiet Lödderitz auf insgesamt 16 Untersuchungsflächen und davon auf
10 Wald-UF und allen 6 Grünland-UF festgestellt (Foto E. WACHMANN).
14 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
Danksagung:
ANNETT SCHUMACHER, HENDRIK PANNACH und LOTHAR HÄNDLER vom BIOSPHÄRENRESERVAT MITTELELBE und BIRGIT KRUMMHAAR vom FÖRDER- UND LANDSCHAFTSPFLEGEVEREIN BIOSPHÄRENRESERVAT MITTELELBE werden für ihre vielfältige Unterstützung der Untersuchungen gedankt. Für die Mitwirkung bei den Gewässeruntersuchungen wird WOLFGANG KLEINSTEUBER / Taucha gedankt. ANDREAS SCHÖNE / Dessau-Roßlau danke ich für Hilfe bei der Bearbeitung der Datenbankformate der faunistischen Datensätze und der Artentabellen. Dr. CHRISTIAN RIEGER / Nürtingen danke für die Determination und Nachprüfung einzelner Arten und Dr. HANNES GÜNTHER / Ingelheim für die Beschaffung von Literatur. Für die Zurverfügungstellung von Fotos wird Prof. Dr. EKKEHARD WACHMANN gedankt. Literatur: BÄSE, K. & DECKERT, J. (2020): Nachweise von Oxycarenus lavaterae (FABRICIUS, 1787) aus den ostdeutschen
Bundesländern (Heteroptera: Oxycarenidae) zwischen 2017 und Anfang 2020. – Heteropteron, Mitteilungsblatt der Arbeitsgruppe Mitteleuropäischer Heteropterologen (Köln) 58, 27-32.
BARTELS, R.; GRUSCHWITZ, W. & KLEINSTEUBER, W. (2004): Rote Liste der Wanzen (Heteroptera) des Landes Sachsen-Anhalt. – Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Halle) 39, 237–248.
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GÖRICKE, P. (2019): Zwei erstmals in Sachsen-Anhalt festgestellte Wanzenarten (Heteroptera: Coreidae, Lygaeidae) – Funde in den Biosphärenreservaten Mittelelbe und Karstlandschaft Südharz. – Entomologische Nachrichten und Berichte (Dresden) 63, 305-306.
GÖRICKE, P. (2020): Zur Ausbreitung der Lindenwanze Oxycarenus lavaterae (FABRICIUS, 1787) (Heteroptera, Lygaeidae) in Sachsen-Anhalt. – Entomologische Nachrichten und Berichte (Dresden) 64, 59-60.
GÖRICKE, P. & KLEINSTEUBER, W. (2020): Rote Liste der Wanzen (Heteroptera) des Landes Sachsen-Anhalt (3. Fassung, Stand August 2019). – Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Halle) Heft 1/2020, 525-546.
LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT (Hrsg.) (2002): Die Lebensraumtypen nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. - Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt (Halle) 39, Sonderheft, 1-368.
LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT (Hrsg.) (2018): Deichrückverlegung im Naturschutzgroßprojekt "Mittlere Elbe". – Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt (Halle) 55, Sonderheft, 1-129.
MORKEL, C. (2019): Bestandsaufnahme der Wanzenfauna (Insecta: Heteroptera) einer Agrarlandschaft im Naturraum Westhessische Senke. – Philippia (Kassel) 174, 289-347.
REMANE, R. (1958): Die Besiedlung von Grünlandflächen verschiedener Herkunft durch Wanzen und Zikaden im Weser-Ems-Gebiet. – Zeitung angewandte Entomologie (Hamburg) 42, 353 400.
SIMON, H., ACHTZIGER, R., BRÄU, M., DOROW, W.H.O., GOSSNER, M., GÖRICKE, P., GRUSCHWITZ, W., HECKMANN, R., HOFFMANN, H.-J., KALLENBORN, H., KLEINSTEUBER, W., MARTSCHEI, T., MELBER, A, MORKEL, C., MÜNCH, M.L, NAWRATIL, J., REMANE, R., VOIGT, K. & WINKELMANN, H., unter Mitarbeit von ARNOLD, K., KOTT, P., SCHMOLKE, F., SCHUSTER, G., STRAUSS, G., WACHMANN, E., WERNER, D. J. & ZIMMERMANN, G. (im Druck): Rote Liste und Gesamtartenliste der Wanzen (Heteroptera) Deutschlands. – In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands Band 3 Wirbellose Tiere. Bonn.
WACHMANN, E.; MELBER, A. & DECKERT, J. (2006): Wanzen 1. Dipsocoromorpha, Nepomorpha, Gerromorpha, Leptopodomorpha, Cimicomorpha (Teil 1). – In: DAHL, F.: Die Tierwelt Deutschlands, Bd. 77. – Keltern, 264 S.
WACHMANN, E.; MELBER, A. & DECKERT, J. (2007): Wanzen 3. Pentatomomorpha I. – In: DAHL, F.: Die Tierwelt Deutschlands, Bd. 78. – Keltern, 272 S.
WACHMANN, E.; MELBER, A. & DECKERT, J. (2008): Wanzen 4. Pentatomomorpha II. – In: DAHL, F.: Die Tierwelt Deutschlands, Bd. 81. – Keltern, 230 S.
WACHMANN, E., MELBER, A. & DECKERT, J. (2004): Wanzen 2. Cimicomorpha. – In: DAHL, F.: Die Tierwelt Deutschlands, Bd. 75. – Keltern, 288 S.
WACHMANN, E.; MELBER, A. & DECKERT, J. (2012): Wanzen 5. Supplementband). Dipsocoromorpha, Nepomorpha, Gerromorpha, Leptopodomorpha, Cimicomorpha und Pentatomomorpha. – In: DAHL, F.: Die Tierwelt Deutschlands, Bd. 82. – Keltern, 256 S.
Anschrift des Verfassers:
Peter Göricke, Fasanengasse 6, D-39179 EBENDORF; e-mail: [email protected]
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 15
Überblick über die Geschichte und aktuellen Stand der Erforschung der Südtiroler Wanzenfauna.
(Teil 1 des Vortrags bei der Wanzentagung in Mallnitz (A))
ANDREAS HILPOLD
Wanzenforschung von den Anfängen bis zur Gegenwart Im Vortrag wurde ein kurzer Überblick über die Erforschungsgeschichte der Heteroptera
Südtirols gegeben. Die Erforschung der Wanzen Südtirols begann mit den Arbeiten von GREDLER
(1870 und 1874) und DALLA TORRE (1882). Für lange Zeit waren dies die einzigen umfassenden
Abhandlungen.
Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gab es nur punktuelle Erhebungen und vorwiegend von
Experten anderer Insektengruppen, etwa vom Orthopteren-Spezialisten RAMME (1911) und dem
Formiciden-Experten MENOZZI (1931). Dies änderte sich mit dem Erscheinen des Trentiner
Wanzenexperten LIVIO TAMANINI grundlegend. Über mehrere Jahrzehnte hinweg behandelte er in
zahlreichen kleineren Arbeiten die Wanzenfauna der gesamten Region. Im Jahr 1982 schließlich
publizierte er eine umfassende Abhandlung mit Checklisten-Charakter über die Wanzenfauna
Südtirols.
Auf diese Grundlage aufbauend verfasste Ernst Heiss zusammen mit Klaus Hellrigl im Jahre
1996 eine Checkliste der Wanzen Südtirols in der „Tierwelt Südtirols“ (HELLRIGL 1996). HEISS
arbeitete bereits in den vorhergehenden Jahrzehnten aktiv an der Erforschung der Heteropteren
Südtirols mit und befasste sich ausführlich mit der Wanzensammlung des Käfer-Experten VON PEEZ
(Daten z.T. bereits in TAMANINI 1982 publiziert).
In den folgenden zwei Jahrzehnten folgten weitere kleinere Publikationen verschiedener
Autoren mit Wanzenangaben: einerseits in faunistischen Bearbeitungen kleinerer Gebiete oder
Lebensräume (z.B. HEISS 2001; HELLRIGL 2006; HILPOLD et al. 2017; FRIEß & HILPOLD 2017) zum
anderen auch mit Neu- oder Wiederfunden einzelner Arten (z.B. HEISS 2002; HILPOLD 2005;
HILPOLD & DEMETZ 2017). Schließlich erforderte auch das Auftauchen der Marmorierten
Baumwanze (Halyomorpha halys) und weiterer, für den Pflanzenschutz im Obstbau bedeutsamer
Wanzenarten eine intensivere Beschäftigung mit der Tiergruppe (z.B. BRADLWARTER 2003;
UNTERTHURNER 2016).
FloraFaunaSüdtirol Ein bahnbrechendes Ereignis für die Faunistik und Floristik Südtirols war das Jahr 2014. In
diesem Jahr wurde das Online-Portal FloraFaunaSüdtirol online gestellt (WILHALM et al. 2014).
Darin wird die Verbreitung einer Reihe von Tier- und Pflanzenarten sowohl in Rasterform als auch
in punktgenauer Auflösung dargestellt. Grundvoraussetzung für die Darstellung einer Gruppe ist,
dass alle publizierten Daten einer Gruppe sowie die Belegsammlung des Naturmuseums vollständig
aufgearbeitet sind. Zudem werden die Angaben auf Plausibilität geprüft. FloraFaunaSüdtirol erfüllt
daher auch eine Checklisten-Funktion für die jeweilige Gruppe. Seit dem Jahr 2018 wird auch die
Gruppe der Wanzen vollständig angezeigt (Betreuung Andreas HILPOLD). Es ist neben den Fang-
und Heuschrecken, Libellen und Tagfaltern die fünfte Insektengruppe, die im Portal einsehbar ist.
Daneben werden auch Webspinnen, Weberknechte, Skorpione, Amphibien, Reptilien, verschiedene
Kleinsäugergruppen, Vögel, Zehnfußkrebse und Rückenschaler, Regenwürmer und Nesseltiere
vollständig angezeigt. Bei den Pflanzen hingegen werden derzeit Gefäßpflanzen, Moose und
Kieselalgen dargestellt.
Die Darstellung der Wanzen beruht auf insgesamt 6.200 Einzelbeobachtungen. Davon
stammen etwa 4.200 aus 72 verschiedenen Literaturquellen. Zusätzlich werden 2.000 unpublizierte
Angaben angezeigt, wovon etwa 1.200 belegt sind. 800 Angaben beziehen sich auf im Feld leicht
16 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
bestimmbare Arten. Der derzeitige Erfassungsgrad für die einzelnen Wanzenarten ist sehr
unterschiedlich. So sind die Verbreitungskarten einiger bereits im Feld leicht ansprechbaren Arten,
etwa der Beerenwanze (Dolycoris baccarum, Abbildung 1) oder der Feuerwanze (Pyrrhocoris
apterus; Abbildung 2) bereits sehr aussagekräftig und lassen die tatsächliche Verbreitung dieser
Arten schon gut erahnen. Die Verbreitungskarten von Arten, die im Feld nur schwer anzusprechen
sind, oder die nur selten gekeschert werden (z.B. Polymerus unifasciatus oder Gastrodes grossipes,
Abbildung 3 und 4), sind hingegen noch sehr lückenhaft und wenig aussagekräftig.
Insgesamt werden im Portal im Moment 585 Arten angezeigt. Diese gehören den folgenden
Gruppen an:
Cimicomorpha (7 Familien, 281 Arten): Anthocoridae (28 Arten), Cimicidae (4), Microphysidae (5),
Miridae (191), Nabidae (9), Reduviidae (12) und Tingidae (34)
Dipsocoromorpha (2 Familien, 3 Arten): Ceratocombidae (1) und Dipsocoridae (2)
Gerromorpha (4 Familien, 17 Arten): Gerridae (10), Hebridae (2), Hydrometridae (2), Veliidae (3)
Leptopodomorpha (2 Familien, 16 Arten): Leptopodidae (1) und Saldidae (15)
Nepomorpha (5 Familien, 21 Arten): Corixidae (14), Naucoridae (1), Nepidae (2), Notonectidae (3),
Pleidae (1)
Pentatomomorpha (15 Familien, 247 Arten; die Familie der Lygaeidae wird derzeit noch als s.lat.
behandelt): Acanthosomatidae (7), Alydidae (3), Aradidae (15), Berytidae (12), Coreidae (11),
Cydnidae (13), Lygaeidae s.lat. (99), Pentatomidae (52), Piesmatidae (4), Plataspididae (1),
Pyrrhocoridae (2), Rhopalidae (13), Scutelleridae (12), Stenocephalidae (2), Thyreocoridae (1)
Es bleibt viel zu tun Die Erforschung der Wanzen Südtirols ist keineswegs abgeschlossen. Einerseits liegen in der
Belegsammlung des Naturmuseums eine Reihe von Belegen, die einen Neufund für die Provinz
darstellen, die aber noch auf eine Veröffentlichung warten. Andererseits sind zahlreiche
Lebensräume und Gebiete Südtirols noch ungenügend erforscht. Eine intensivere Erforschung der
Wanzen Südtirols hätte somit mit Sicherheit einen deutlichen Anstieg der Artenzahlen zur Folge.
Für eine detailliertere Charakterisierung der Wanzenfauna Südtirols blieb im Vortrag zu
wenig Zeit. In einem Satz ausgedrückt liegt der besondere Reiz der Südtiroler Wanzenfauna in der
Kombination aus verschiedenen biogeographischen Gruppen, die von (sub-)mediterranen Arten im
Süden Südtirols, über Steppenarten in den inneralpinen Trockentälern (v.a. Vinschgau) und den
Elementen der kühl-gemäßigten (nemoralen) Zone Mitteleuropas bis hin zu den Gebirgselementen
der Alpen reichen. Einen genaueren Einblick werden hoffentlich die Wanzentage 2021 in Südtirol
geben, welche vom Naturmuseum Südtirol in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Eurac
Research organisiert werden.
Wanzendaten gesucht: Für das Internetportal FloraFaunaSüdtirol suchen wir Wanzendaten aus Südtirol.
Willkommen sind alle verlässlichen Daten, sei es Daten aus Feldbüchern,
Exkursionsberichten, oder Sammlungsdaten aus privaten Sammlungen.
Folgende Daten sind unbedingt erforderlich:
Artname; Sammler/Sammlerin; Bestimmer/Bestimmerin; Fundort; Datum des Fundes.
Optimal wäre es, wenn auch Koordinaten für die einzelnen Funde vorliegen
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 17
Abb. 1-4, von links nach rechts: oben: Verbreitungskarte der Beerenwanze (Dolycoris baccarum) in Rasteransicht und
der Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus) in Punktansicht; unten: Verbreitungskarte von Gastrodes grossipes in Rasterdarstellung und von Polymerus unifasciatus in Punktansicht. Farben: gelb: Angaben vor 1920, hellorange: 1920 bis 1979, dunkelorange: 1980-1999, rot: 2000 bis heute.
Literatur: BRADLWARTER, M. (2003): Fruchtschädigende Wanzenarten. - Obstbau Weinbau 3/2003, 72-74. DALLA TORRE, K.W.V. (1882): Beiträge zur Arthropodenfauna Tirols. - Ber. nat.-med. Verein, Innsbruck 12, 34-41. FRIEß; T. & HILPOLD, A. (2017): Wanzen (Insecta: Heteroptera) ausgewählter Untersuchungsflächen der Science Wee in
der Umgebung von Matsch (Südtirol, Italien). - Gredleriana 17, 191-204. GREDLER, V.M. (1870): Rhynchota Tirolensia, I. Hemiptera heteroptera (Wanzen). - Verh. zool.-bot. Ges. Wien 20: 19-
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IT02 Montiggl, IT03 Lavazè, IT04 Pomarolo; Untersuchungsjahr 2000. Abteilung 32 Forstwirtschaft, Autonome Provinz Bozen Südtirol, Bozen.
HEISS, E. (2002): Neue Fundnachweise von Wanzen (Insecta: Heteroptera) aus den Provinzen Bozen und Trient. - Gredleriana 2, 7-10.
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HILPOLD, A., GASSER, S., BALLINI, S., CERESA, F., HOFER, D., KAHLEN, M., KIEBACHER, T., LADURNER, E., MÖRL, G.V. & PRAMOHLER, M. (2017): Floristische und faunistische Beobachtungen im Naturdenkmal Trumbichl (Feldthurns, Südtirol, Italien). - Gredleriana 17, 39-53.
MENOZZI, C. (1931): Contributo alla corologia degli Emitteri Eterotteri della Venezia Tridentina. - Studi trentini Sc. nat., Trento 12, 199-209.
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UNTERTHURNER, M. (2016): Die Marmorierte Baumwanze schmuggelt sich ein. - Obstbau Weinbau 4/2016; 21-24. WILHALM, T., KRANEBITTER, P. & HILPOLD, A. (2014): FLORAFAUNASÜDTIROL (WWW.FLORAFAUNA.IT). Das
Portal zur Verbreitung von Pflanzen- und Tierarten in Südtirol. Anschrift des Autors: Andreas Hilpold, Institut für Alpine Umwelt, Eurac Research; Drususallee 1, IT-39100 BOZEN
e-mail: [email protected]
18 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
Wanzenerhebungen im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings Südtirol. (Teil 2 des Vortrags bei der Wanzentagung in Mallnitz (A) )
ANDREAS HILPOLD
Das Projekt Auf Initiative der Südtiroler Landesregierung und unter der Leitung von Eurac Research
wurde im Jahr 2019 ein dauerhaftes Biodiversitätsmonitoring für Südtirol eingerichtet. Das
Monitoring dient nicht nur der Grundlagenforschung, sondern soll auch die wissenschaftliche
Grundlage für politische Entscheidungen, insbesondere im Zusammenhang mit Raumplanung,
Landwirtschaft und Naturschutz, liefern. Ziel des Biodiversitätsmonitorings ist die Erfassung von
Artengruppen, die sensibel auf Umwelt- und Landnutzungsänderungen reagieren. Die
Untersuchungsgebiete sind gleichmäßig über das Land verteilt und umfassen eine repräsentative
Auswahl von Lebensräumen (Abbildung 1). Besonderes Augenmerk wird dabei auf die
Lebensraumtypen der Kulturlandschaft wie etwa Weinberge, Apfelanlagen und Mähwiesen gelegt.
Im Jahr 2019 wurden erste umfassende Erhebungen von Gefäßpflanzen, Moosen, Flechten, Vögeln,
Fledermäusen und verschiedenen Insektengruppen wie Heuschrecken und Schmetterlinge
durchgeführt. Innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren werden insgesamt 320 Standorte
untersucht.
Wanzenerhebungen im Biodiversitätsmonitoring Wanzen sind zwar keine Fokusgruppe im Biodiversitätsmonitoring, allerdings kommen
verschiedene Fangtechniken zur Anwendung, bei denen Wanzen als Beifänge miterfasst werden. So
wird die krautige Vegetation eines jeden Standortes nach einem Standardprotokoll abgekeschert. In
Strauch- und Baumvegetation verwenden wir außerdem einen Klopfschirm, um Äste und Zweige
abzuklopfen. Auch dabei folgen wir einem Standardprotokoll. Um die oberflächenaktive wirbellose
Tierwelt zu besammeln, installieren wir zweimal jährlich Barberfallen: einmal im späten Frühling
oder frühen Sommer und einmal im Spätsommer/Frühherbst. In Hochgebirgslagen führen wir nur
eine Besammlung pro Jahr durch (d.h. in den Sommermonaten). Um die Bodenfauna zu erfassen,
werden Bodenziegel entnommen. Die Proben werden anschließend durch Hitzeeinwirkung
extrahiert.
Tabelle 1: Anzahl der untersuchten Standorte insgesamt und pro Jahr aufgeteilt nach den verschiedenen
Lebensraumkategorien
Lebensräume 5 Jahre pro Jahr
Wiesen 60 12
Weiden 30 6
alpine Standorte 60 12
Weinberge 20 4
Obstanlagen 20 4
Äcker 20 4
Wälder 60 12
Feuchtlebensräume 20 4
Siedlungsbereich 30 6
Summe 320 64
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 19
Abbildung 1: Verteilung und Lebensraumzuordnung der 320 Untersuchungspunkte des Biodiversitätsmonitorings in
Südtirol. Die Kategorie Landwirtschaft beinhaltet Wiesen, Weiden, Apfelplantagen, Weinberge, Mais- und
Getreideäcker.
Die Proben aus dem Jahr 2019 wurden bereits größtenteils sortiert. Ein Teil der Wanzen
wurde bereits bestimmt. Für die Zukunft sollen alle gesammelten Wanzenbelege bestimmt werden,
wobei nur ein Teil davon intern bestimmt werden kann. Für einen weiteren Teil ist die
Zusammenarbeit mit externen Experten notwendig. Alle Daten werden anschließend in die
Datenbank des Naturmuseums eingespielt und sind somit auch über das Internetportal
FLORAFAUNASÜDTIROL einsehbar. Die anfallenden Belege werden in die Nasssammlung des
Museums integriert. Auch eine kontinuierliche Publikation von Daten, allen voran von Neufunden,
aber auch von weitergehenden ökologischen Analysen wird angestrebt.
Spezialprojekte Zusätzlich zum jährlich durchgeführten Standardprogramm ist im Projekt die Untersuchung
spezieller Fragestellungen in Form von Spezialprojekten vorgesehen. Spezialprojekte können
vertiefende Studien innerhalb des Standardprogramms sein, z.B. die Erhebung einer zusätzlichen
Organismengruppe. Andererseits kann es sich dabei auch um Projekte handeln, die völlig
unabhängig vom Standardprogramm sind. Dabei können spezifische Forschungsfragen behandelt
werden, etwa die Auswirkungen einer landwirtschaftlichen Praxis auf die Biodiversität in einem
bestimmten Agrar-Lebensraum. Von den im Jahr 2020 durchgeführten Spezialprojekten betreffen
zwei ganz wesentlich auch die Gruppe der Wanzen.
Spezialprojekt 1: Biodiversität in den Windwurfflächen am Latemar Im Herbst 2018 wurden Teile der Südtiroler Wälder von einer Unwetterfront, dem Sturmtief
Vaia, stark in Mitleidenschaft gezogen. Insgesamt fielen 6.000 Hektar Wald in 86 Südtiroler
Gemeinden dem orkanartigen Sturm zum Opfer. Besonders beeinträchtigt wurde die Umgebung des
Latemars, also die Gemeinden Deutschnofen und Welschnofen. Dieses Projekt untersucht die
Biodiversität in den Windwurfflächen westlich des Karer Passes. Dabei vergleichen wir Flächen mit
verschiedenem Totholzanteil: solche, in denen alle toten Bäume entfernt wurden mit solchen, in
denen noch tote Stämme verblieben sind. Außerdem untersuchen wir Waldbereiche, die vom
Windwurf weitgehend verschont blieben. Ziel des Projekts ist es zu verstehen, wie verschiedene
Tier- und Pflanzenarten auf ein Windwurfereignis reagieren und wie sich verschiedene
Managementmaßnahmen auswirken.
Pro Kategorie (nicht betroffene Waldflächen, geräumte und nicht geräumte Windwurfflächen)
20 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
haben wir fünf Untersuchungsstandorte ausgewählt, welche einen Mindestabstand von 400 m
haben. Bei der Auswahl der untersuchten Organismengruppen haben wir vor allem solche
bevorzugt, die besonders auf Totholz reagieren (holzbewohnende Käfer, Rindenwanzen). Die
Artengruppen erfassen wir repräsentativ über standardisierte Methoden (Kreuzfensterfallen,
zeitstandardisierter Handfang). Außerdem führen wir Teile des Biodiversitätsmonitoring-
Standardprogramms durch (Erhebung von Vögeln, Fledermäusen, Bodentieren). Daneben
untersuchen wir auch Mäuse und weitere Kleinsäuger.
Das Projekt findet in Zusammenarbeit mit den Umweltbüros Ökoteam Graz und dem Instititut
für Angewandte Entomologie in Beverungen sowie mit dem Amt für Forstplanung (Aut. Prov.
Bozen-Südtirol) und der Landesdomäne statt.
Spezialprojekt 2: Verbreitung der Marmorierten Baumwanze und ihre Parasitierung:
Vergleich von Obstbaustandorten und naturnahen Standorten Seit einigen Jahren finden wir die aus Asien stammende Marmorierte Baumwanze
(Halyomorpha halys) auch in Südtirol, wo sie große Schäden im Apfelanbau verursacht: bei ihrer
Nahrungsaufnahme saugt die Wanze unter anderem an Äpfeln und beeinträchtigt dadurch die
Qualität der Früchte. Eine mögliche Bekämpfungsstrategie ist die Einfuhr von Gegenspielern,
welche die Eier der Marmorierten Baumwanze parasitieren. Besonders geeignet dafür sind
verschiedene parasitoide Schlupfwespenarten, v.a. die nicht-heimische Samurai-Wespe (Trissolcus
japonicus), aber auch die einheimische Art Anastatus bifasciatus. Diese Arten legen ihre eigenen
Eier in die Eigelege der Wanzen. Die heranwachsenden Wespenlarven fressen dann die Wanzeneier
von innen auf. Die Ausbringung von nicht-heimischen parasitoiden Wespen könnte jedoch einen
Einfluss auf die einheimische Wanzen- und Wespenfauna haben. Ziel dieses Projekts ist es
einerseits zu verstehen, welche Arten in den unterschiedlichen Standorten vorkommen und
andererseits die Auswirkungen der Freisetzung exotischer Gegenspieler zu erforschen.
Die Forscherinnen und Forscher untersuchen drei Obstanlagen aus dem
Biodiversitätsmonitoring. Dabei wurden ausschließlich biologisch bewirtschaftete Flächen
ausgewählt, um den Einfluss von Bekämpfungsmaßnahmen gering zu halten. In der Nähe der drei
Obstanlagen wurde jeweils ein weiterer naturnaher Standort ausgewählt, in dessen direkter
Umgebung keine Äpfel angebaut werden. Diese naturnahen Standorte besitzen ähnliche
Standortbedingungen wie die untersuchten Apfelanlagen (Meereshöhe, Ausrichtung usw.). An allen
Untersuchungspunkten wenden wir verschiedene Methoden zur Erfassung von Baumwanzen und
ihrer Parasitoiden an. So führen wir visuelle Kontrollen durch, wobei Wanzen-Eigelege und
Wanzen erfasst werden. Außerdem entnehmen wir Klopfproben mit einem Klopftrichter, um das
Vorkommen der Wanzen und ihrer Gegenspieler zu überprüfen. Daneben installieren wir Malaise-
Fallen und Farbschalen, mit denen sowohl Wanzen als auch verschiedene Hautflügler erfasst
werden können. Das Projekt findet in Zusammenarbeit mit dem Versuchszentrum Laimburg statt.
Eine Präsentation der Ergebnisse der zwei Spezialprojekte ist für die Wanzentage 2021 in
Bozen geplant.
Anschrift des Autors: Andreas Hilpold, Institut für Alpine Umwelt, Eurac Research; Drususallee 1, IT-39100 BOZEN
e-mail: [email protected]
Weitergehende Informationen über das Projekt Biodiversitätsmonitoring Südtirol gibt es unter der
Internetadresse http://biodiversity.eurac.edu/
Wir freuen uns auch über Anfragen!
Ansprechpartner Wanzen: Andreas Hilpold [email protected]
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 21
Parasiten in Zuchten von Heteropteren, speziell von Bettwanzen (Cimicidae)
KLAUS REINHARDT Zusammenfassung:
In 17 Jahren Zucht von mehreren Millionen Bettwanzen Cimex lectularius wurden etwa 5 Befälle mit Serratia marcescens, 5 mit Viren(?) und einer durch einen unbekannten Pilz festgestellt, der hier dargestellt wird. Eins von etwa 1000 Individuen von Afrocimex constrictus war mit einem Wurm unbekannter Art befallen. Die bekannten Parasiten von Bettwanzen werden aufgelistet.
Abstract:
Parasites in bedbug cultures (Cimicidae). During 17 years of culturing bedbugs Cimex lectularius, approximately five infections each were observed by the entomopathogenic bacterium Serratia marcescens, a possible virus, as well as one infection by an unknown fungus, which is depicted here. One out of 1000 collected Afrocimex constrictus was infested with a worm parasite. The known cases of cimicid parasites are listed.
Einleitung
Studiert man den Parasitenteil in WEBERs Grundlagenwerk Biologie der Hemipteren (WEBER
1930), fällt auf, dass sich dort viele Beobachtungen auf Parasiten von Blatt- und Schildläusen oder
Zikaden beziehen, viel seltener auf Heteropteren selbst. Es scheint, als ob Heteropteren im
Gegensatz zu Sternorrhyncha gut gegen Parasiten verteidigt sind. Unter jenen Parasiten, die
Heteropteren befallen, wurden vor und seit WEBER (1930) vor allem solche erforscht, die in den
landwirtschaftlich auch schädlich auftretenden Lygaeiden und Pentatomiden vorkommen, allen
voran Nezara viridula. So sind Eiparasiten bekannt aus den Wespengruppen der Trichogrammatidae
und der Scelionidae (WEBER 1930), Adulte und Larven werden von Raupenfliegen (Tachinidae),
z.B. der Gattung Trichopoda befallen (BROWN 1962, DAVIS 1964), in einheimischen Gefilden zum
Beispiel durch die schöne Phasia hemiptera. Außerdem befallen auch einige der
"Allerweltsparasiten" anderer Insektenarten Heteropteren: Brackwespen (Braconidae), Milben (z.B.
LEWANDOWSKI & SZAFRANEK 2005), Fadenwürmer (Nematoden) (z.B. TARLA et al. 2015) und die
entomopathogenen Pilze Entomophtora, Beauveria und Isaria (zuletzt z.B. AHMED et al. 2020).
Die womöglich gute Verteidigung von Heteropteren ließ es nicht seltsam erscheinen, dass ich
in 17 Jahren Zucht von Bettwanzen (Cimicidae) kaum Parasiten festgestellt habe. Seltsam ist
dagegen, dass aufgetretene Parasiten und deren Wirkung nicht immer sofort und detailliert
protokolliert und für Sterblichkeits-Experimente genutzt wurden (wie von COCKBAIN & HASTIE
1961). Vermutlich stand die Rettung der Kulturen im Vordergrund, und das Auftreten war zu
plötzlich, um abgetrennte Bereiche für Befallsversuche einzurichten.
Cimex lectularius wurde von mir in verschiedenen Laboren gezüchtet, meist bei 25 bis 27°C
und 40-70% relativer Luftfeuchte. Je nach Zuchtmöglichkeit und Forschungsfrage wurden sie
wöchentlich bis dreiwöchentlich gefüttert, je nach Karriere- und Wohnsituation des Autors
manchmal aber auch nur alle 8 bis 12 Wochen, zur bloßen Erhaltung der Zucht. Nachfolgend sollen
die wenigen Beispiele des Auftretens von Parasiten in meinen Cimiciden-Kulturen erwähnt und mit
anderen Bettwanzenparasiten verglichen werden. Ein endoparasitischer Wurm bei Afrocimex constrictus
Afrocimex constrictus wurde 2004 und 2005 am Mt. Elgon in Kenia gesammelt (REINHARDT
et al. 2007a). Um eine Zucht zu erreichen, wurden Maus, Mensch und Zebrafink angeboten, doch
selbst frisch aus mitgebrachten Eiern geschlüpfte Larven, deren Konditionierung auf neues Futter
im allgemeinen leichter ist, nahmen keine dieser Angebote an. Die letztendlich verendeten
Individuen wurden in Alkohol konserviert und in einer erwachsenen Wanze befand sich im Inneren
ein längerer, mehrfach (wasserschlauchartig) aufgewickelter Wurm. Bei dieser Wanzenart gibt es
22 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
eine merkwürdige Genital-Mimikry (REINHARDT et al. 2007b), so dass das ursprünglich notierte
Geschlecht Weibchen möglicherweise nicht korrekt ist. Leider wurde in Umzugswirren das
Röhrchen mit der konservierten Wanze zunächst vernachlässigt, es trocknete ein und Herr Prof.
Schmidt-Rhaesa konnte nichts mehr ausrichten, was die Bestimmung betrifft. Schade, es wäre der
erste Wurmparasiten-Nachweis bei Cimiciden gewesen. Herr SCHMIDT-RHAESA bemerkte dann
aber die interessanten Augen mit den Chitinbrücken und hat so von der Wanze wenigstens die
Augen in seinem Buch The evolution of organ systems (SCHMIDT-RHAESA 2007) abbilden können.
Parasiten bei Cimex lectularius
Von Cimex lectularius wurden mehrere Populationen getrennt gehalten, bisher etwa 20
verschiedene Populationen, die ihrerseits auf 5 bis zu >1.000 Gründerindividuen (zB REINHARDT et
al. 2010) beruhten. Die Dauerkulturen laufen immer in mehreren Hundert Individuen. Im Verlauf
der Zuchten habe ich größenordnungsmäßig mindestens 100.000 C. lectularius so betrachtet oder
präpariert, dass mir größere Parasiten aufgefallen wären, auch größere Endoparasiten (innere
Organe scheinen bei Cimiciden durch die Kutikula). In den 17 Jahren der Dauerzucht traten
Infektionen mit Serratia marcescens seltener als einmal in drei-vier Jahren auf. Serratia-Infektionen
sind daran zu erkennen, dass die Wanzen hellrot gefärbt sind und schnell sterben. Ebenso selten,
aber aus der Erinnerung heraus nicht zwangsläufig gleichzeitig mit Serratia (exakte Notizen dazu
fehlen aber leider!) trat eine Schwarzfärbung auf, die wohl einer Virusinfektion zuzuordnen ist.
Beide Infektionen, vor allem letztere führen zu sehr hohen Verlusten bis hin zum Totalausfall in
dem jeweiligen Zuchtgefäß.
Am 02.07.2019 bemerkte ich an einer einzeln gehaltenen, toten Wanze einen Pilzbefall. Der
Pilz wurde zunächst behelfsmäßig fotografiert. Auffallend waren hellgelbe bis gelborange, gestielte
Sporenbehälter, die vor allem an Intersegmentalhäuten im Kopf- und Brustbereich, zwischen den
Antennengliedern sowie am Anus hervortraten (Abb. 1). Derart gestielte Sporenbehälter sind
typisch für Aspergillus, jedoch auch für eine Reihe anderer Pilze. Die Wanze war nicht länger als
eine Woche tot, so dass ich davon ausgehe, dass es kein sekundärer Pilzbefall der toten Wanze,
sondern ein pathogener Pilz war. Obwohl tote Individuen in unseren Zuchten nur sehr selten
beseitigt werden, habe ich auch einen Pilzbefall toter Individuen noch nie bemerkt.
Nach Verschluss des Röhrchen wurde der Pilz noch wachsen gelassen. Bei erneuter
Fotodokumentation einen Monat später wurden kaum Veränderungen bemerkt. Die Vermehrung
des Pilzes auf der Platte hat leider ebenso wenig funktioniert wie die Sequenzierung nach erfolgter
DNA-Isolation. Somit muss die Identität des Pilzes offen bleiben, und es kann nur der seltene Fakt
des Pilzbefalls einer Bettwanze konstatiert werden.
Diskussion
Nach Tabelle 1 waren ein Virus(?)- und Wurmbefall sowie Fälle von Serratia marcescens bei
Cimiciden bisher noch nicht bekannt. Interessant sind in den genannten Fällen die Herkunft der
Parasiten. In unserem Labor hat sich Afrocimex constrictus leider nicht fortgepflanzt bzw.
entwickelt - hier ist klar, dass der Parasit im Freiland erworben sein muss. Bisherige Berichte von
Nematoden in Wanzen betreffen die Gruppe Mermithidae (z.B. TARLA et al. 2015).
Der Pilzbefall in REEVES' (2001) Laborkolonie stammt ebenfalls aus dem Freiland, wo die
Verpilzungen auch beobachtet wurden. Demgegenüber ist bei dem spontanen Auftreten von
Aspergillus flavus von COCKBAIN & HASTIE (1961), unseren Serratia-, Virus(?)- und Pilzauftreten
eher mit Laborquellen zu rechnen - Aspergillus und Serratia sind weitverbreitete Insektenpathogene
und könnten somit auch aus anderen Quellen stammen. In unserem Labor kämen dafür Grillen und
Taufliegen in Frage. Diese Krankheiten sind jedoch auch für diese Insekten tödlich und dies wurde
nicht bemerkt, so dass diese zumindest nicht sehr häufig auftreten.
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 23
Bei unserer Beobachtung ist merkwürdig, dass nur ein einzelnes befallenes Individuum
bemerkt wurde. Sowohl COCKBAIN & HASTIE (1961) wie auch REEVES (2001) schreiben, dass
jeweils ihre gesamte Kolonie betroffen war und dadurch ausgerottet wurde, auch die Formulierung
in USINGER (1966) deutet darauf hin. Das Absterben passierte bei COCKBAIN & HASTIE (1961)
innerhalb von 18 Tagen. Allerdings hielten COCKBAIN & HASTIE (1961) die Wanzen bei 30°C,
zweifellos nicht mehr im Optimum, was zugleich überraschend war, da längere Hälterung bei 30°C
zu Sterilität durch den Tod der Endosymbionten führt (CHANG 1974). Auch bei COCKBAIN &
HASTIE (1961) zeigten sich nur überraschend kurze Lebensdauern. KEMPER (1936) berichtet von
einer Parasitierung durch Milben, die ebenfalls die Kolonie von C. lectularius zerstörten.
Neben Zuchten zur Erforschung von wirtschaftlich wichtigen Aspekten der Biologie von
Wanzen - in denen aber auch kaum über Krankheitserreger berichtet wird - wird man auch unter
Heteropterologinnen und Heteropterologen Personen finden, für die Wanzenzucht eine plausible
Beschäftigung darstellt. Der Zweck dieser Notiz wäre erfüllt, wenn auch in Zuchten anderer Arten
bzw. anderweitigem Massenauftreten bestimmter Arten auf die Parasitenfauna geachtet werden
würde. Um in der biologischen Schädlingsbekämpfung wirtschaftlich zu sein, müsste außerdem
geklärt werden, wie spezifisch diese Parasiten für die jeweilige Wanzenart sind. So wären Serratia
und Aspergillus nicht einsetzbar, da sie andere Wanzen und andere Insekten befallen, und
Aspergillus sogar für Warmblüter gefährlich ist.
Andererseits können beim Studium von Wanzenparasiten interessante Entdeckungen gemacht
werden. So wurden verschiedene Parasiten an Wanzen überhaupt erst in den letzten Jahren
entdeckt: als Ausnahme bei Wanzen (nicht jedoch bei Zikaden) parasitische Fächerflügler
(Strepsiptera) (MELBER & POHL 1997) oder auch Microsporidien (hier wäre ein Mikroskop
erforderlich!) (HAJEK et al. 2018). Neben der durch viele Befunde nunmehr normal zu nennenden
Bakterienflora von Wanzen, die in Darm, Hämolymphe oder Geschlechtsorganen zu finden ist (z.B.
BELLINVIA et al. 2019, 2020) steht für verschiedene Parasiten noch immer im Raum, ob diese
überhaupt parasitisch sind oder als Vektoren in Wanzen gar keine Nachteile bewirken, so für viele
Vektoren von Pflanzenparasiten oder im Falle der Cimiciden Trypanosomen (PATERSON & WOO
1984) oder Arboviren (BROWN et al. 2001), die dann eher die Endwirte schädigen. Speziell bei
Bettwanzen ist ja sogar zu bedenken, dass Parasiten sich evolutionär hin zu Symbiose-Partner
entwickeln können, wie im Falle des intrazellulären Parasiten Wolbachia, der bei Bettwanzen nun
das Vitamin B bereitstellt (BALVIN et al. 2018). Alles in allem: ein weites Feld für Forschung an
Wanzenparasiten!
Literatur:
AHMED, K., FREED, S., SHOUKAT, R. F. & AHMAD, K. W. (2020): Efficacy of entomopathogenic fungi with insecticides mixtures against Oxycarenus hyalinipennis (COSTA) (Lygaeidae: Hemiptera). - Pakistan Journal of Zoology 52, 573-583.
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BELLINVIA, S., JOHNSTON, P. R., MBEDI, S, & OTTI, O. (2020): Mating changes the genital microbiome in both sexes of the common bedbug Cimex lectularius across populations. - Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 287, https://doi.org/10.1098/rspb.2020.0302.
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24 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
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Anschrift des Autors:
Klaus Reinhardt, Angewandte Zoologie, TU Dresden, D-01069 DRESDEN.
e-mail: [email protected]
Abb. 1. Pilzbefall einer Bettwanze, Cimex lectularius, an den Rändern bzw. Intersegmentalbereichen an Kopf,
Pronotum und Beinen (links) und am Anus (rechts).
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 25
Rhyparochromus vulgaris (SCHILLING, 1829) – die Gemeine Lauf- oder Bodenwanze in Nordrhein-Westfalen (NRW)
(Heteroptera, Lygaeoidea, Rhyparochromidae)
PETER KOTT
Rh. vulgaris wird zwischen 6,9 und 8,1 mm lang (WACHMANN et al. 2007). Sie lebt in
unterschiedlichen offenen bis halbschattigen Habitaten, z. B. am Boden trockener Wiesen, unter
trockenen Bodenblättern von Königskerzen, an Wegrändern unter Steinen und Kräutern, unter
lockerer Rinde von Bäumen und Zäunen. Sie kommt oft in Laubwaldsäumen oder halboffenen,
verbuschtem Gelände, und an Lagerstätten feuchten Holzes vor. Sie lebt auch auf Kulturland
(WACHMANN et al. 2007).
Die Tiere kommen in meinem Garten in Pulheim-Sinnersdorf zu mehreren in einem
Wildbienenhaus vor (Überwinterer!). Sie laufen zwischen den hohlen Stängeln und auf den
Holzflächen herum, kriechen aber auch in die Bohrlöcher und Stängel hinein (Abb. 1).
Eigene Messungen an Sammlungsmaterial aus NRW ergaben für die Männchen Körperlängen
von 6,8 – 7,4 mm (Ø bei 16 Messungen: 7,05 mm) und für die Weibchen von 7,6 – 8,3 mm (Ø bei
15 Messungen: 7,97 mm). Die Männchen sind also im Durchschnitt rund 0,9 mm kleiner.
Als deutscher Name bietet sich „Gemeine Bodenwanze“ an, obwohl der Name
Rhyparochromus aus dem Griechischen kommt und etwa „schmutzig Gefärbter“ (ρυπαρός -
unsauber, schmutzig, χρώμα n. - Farbe) bedeutet. Der deutsche Name "Gemeine Bodenwanze" ist
einfach zu verstehen und wird auch schon in verschiedenen Internetauftritten benutzt, so z. B. bei
http://www.schaedlingskunde.de oder https://www.deutschlands-natur.de/tierarten/wanzen/
rhyparochromus-vulgaris. Daneben findet sich als zweiter Vorschlag „Gemeine Laufwanze“. So
wurde für die Art von STICHEL (1955-1962) „Gewöhnliche Laufwanze“ vorgeschlagen und in dem
kürzlich erschienen Band „Die Wanzen Deutschlands“ (NIEDRINGHAUS et al. 2020) werden die
Rhyparochromidae als „Laufwanzen“ (S. 42) bezeichnet.
In NRW ist Rh. vulgaris für die Zeit vor 1950 und für die Zeit danach ausgewiesen
(HOFFMANN et al. 2011). Allerdings liegen für die Zeit vor 1950 nur Fundmeldungen von
WESTHOFF (1883) aus den Jahren 1876 und 1877 vor. Es folgt eine Fundlücke von mehr als 100
Jahren. Für diese Zeit gibt es eine Anmerkung bei REICHENSPERGER (1920/22), in der er die Art als
Aphanus vulgaris Schill. bezeichnet und feststellt, dass sie erst südlich vom heutigen NRW
vorkommt und ausgesprochen selten ist. Auch bei RADERMACHER (1913) wird die Art für das
Gebiet des heutigen NRW nicht genannt. Erst für 1994 gibt es die nächsten Fundmeldungen bei
HOFFMANN (1996) für Köln und dann für 1997 und 1999 bei DREES (2001) für den Raum Hagen. In
meinen eigenen Fängen finden sich Belegtiere oder Belegfotos für Köln-Roggendorf (2004),
Dormagen (2007), Köln-Esch/Volkhoven (2014) und für Pulheim in jedem Jahr seit 2014 (in
meinem Garten ist sie seit 2019 vorhanden). Am 18.03.2020 fand ich die Art zahlreich auch auf
dem Wildbienenhaus „Puppenstube“ in der Parkanlage von Schloss Dyck bei Jüchen am
Niederrhein.
Die Art ist in Deutschland insbesondere im Süden häufiger und wird nach Norden zunehmend
seltener. Vor allem im Westen gehen nur wenige Funde über die Mittelgebirgsgrenze hinaus.
(WACHMANN et al. 2007). Sie nutzt die Samen zahlreicher Pflanzen wie Erdbeeren, Brennnesseln,
Salbei und die auf die Erde gefallenen Früchte von Ulme, Birke usw., indem sie sie mit dem
Stechrüssel ansticht und aussaugt. Zur Überwinterung finden sich die Imagines ab August und
spätestens bis Ende September an geschützten Stellen ein, z. B. unter loser Rinde von
Baumstümpfen, in Holzstapeln oder in Spalten von Baumstämmen.
Häufig trifft man sie in größeren Aggregationen an (PÉRICART 1998). Sie überwintern nicht
selten auch in Brennholzstapeln und kommen dadurch oft in Wohnungen, wo man sie dann den
26 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
ganzen Winter über aktiv finden kann (eigene Beobachtung in Dormagen-Zons). Dort sind sie als
Lästlinge einzuschätzen. Menschen werden nicht gestochen. Meistens sterben sie im Haus wegen
der geringen Luftfeuchtigkeit auch ohne irgendwelche Maßnahmen ab.
Auch H.J. HOFFMANN / Brühl berichtete von Massenüberwinterung von Rhyparochromus vulgaris
bei Schloß Falkenlust / Brühl am 15.02.2020 (bei der Suche nach Oxycarenus lavaterae) unter der
losen Rinde eines abgestorbenen Ahorns(?); die Tiere rieselten bei Ablösung der Rinde nur so in
den Kescher. Ein Dutzend der extrem großen Tiere wurde für seine Sammlung präpariert. In seinem
Garten wurden seit Jahren regelmäßig Einzeltiere gesehen, letzte Präparate liegen vom 20.03.2020
vor. Bei einem seiner Nachbarn kamen vor vielen Jahren schon einmal Tiere in sehr großer Anzahl
ins Haus.
Literatur: DREES, M. (2001): Zur Faunistik der Boden-, Stelzen- und Feuerwanzen des Raumes Hagen (Heteroptera: Lygaeidae,
Berytidae, Pyrrhocoridae). – Dortmunder Beitr. Landeskde., naturwiss. Mitt. 35, 37-56.
HOFFMANN, H.-J. (1996): Zur Wanzenfauna der Großstadt Köln (Hemiptera-Heteroptera) – 1. Nachtrag. - Decheniana-Beihefte 35, 127-162. Bonn.
HOFFMANN, H.-J., KOTT, P. & SCHÄFER, P. (2011): Kommentiertes Artenverzeichnis der Wanzen – Heteroptera – in Nordrhein-Westfalen. Stand Januar 2011. – In: LANUV (Hrsg.): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen, Pilze und Tiere in Nordrhein-Westfalen. 4. Fassung. 2011 – LANUV-Fachbericht 36, Band 2, S.453 – 485.
NIEDRINGHAUS, R., STÖCKMANN, M. & WACHMANN, E. (2020): : Die Wanzen Deutschlands - Bestimmungsschlüssel für alle Familien und Gattungen. - Scheeßel. 202 S.
PERICART, J. (1998): Hémiptères Lygaeidae euro-méditerranéens. Volume 3. – Faune de France 84 C. 487 S. + 2 Farbtafeln, Paris.
RADERMACHER, P. (1913): Beitrag zur Kenntnis der Hemipterenfauna Rheinlands (Hemipt.). - Deutsch. Ent. Zeitschr. 1913, 457 - 461.
REICHENSPERGER, A. (1920/22): Rheinlands Hemiptera heteroptera. - Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der Preußischen Rheinlande und Westfalens 77, 35-77 (Bonn 1922).
STICHEL, W. (1955 - 1962): Illustrierte Bestimmungstabellen der Wanzen. II. Europa. (Hemiptera-Heteroptera Europae). – Verlag naturwissenschaftlicher Publikationen Dr. W. Stichel, Berlin-Hermsdorf. Bd. 1–4: 168 + 907 + 428 + 838 S. + 110 S. General-Index.
WACHMANN, E., MELBER, A. & DECKERT, J. (2007): Wanzen Band 3. – In: Dahl, F.: Die Tierwelt Deutschlands, 78. Keltern, 272 S.
WESTHOFF, F. (1883): Verzeichnis bisher in Westfalen aufgefundener Arten der Gruppe: Hemiptera heteroptera. - Jahresbericht der Zoologischen Section des Westfälischen Provincial-Vereins für Wissenschaft und Kunst 12, 33 - 46. Münster.
Anschrift des Autors:
Peter Kott, Am Theuspfad 38 , D-50 259 PULHEIM. e-mail: [email protected]
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 27
Abb. 1: Rhyparochromus vulgaris (Garten in Pulheim-Sinnersdorf)
28 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
Zur Wanzenfauna zweier Wacholderheiden im Märkischen Kreis (Sauerland, NRW)
MICHAEL DREES
Bezugspunkt ist eine Arbeit von WERNER (2004) über vier am Wacholder (Juniperus
communis) lebende Wanzenarten, die zum Teil auf exotische, bei uns angepflanzte
Zypressengewächse übergegangen sind. Von diesen konnte ich Chlorochroa juniperina in meinem
Untersuchungsgebiet nirgends nachweisen. Die drei anderen behandelten Arten kommen heute aber
dort vor.
Die beiden einzigen mir im untersuchten Gebiet bekannten, wild wachsenden, allgemein rück-
läufigen Bestände des Wacholders liegen im MTB 4611 (Hagen-Hohenlimburg).
1. Iserlohn-Pillingsen
Westhanglage, 250-270 m NN; Lage auf der Grenze vom zweiten (NO) zum vierten (SO)
Quadranten des MTB
Zwischen den Juniperus-Sträuchern wächst vorwiegend Calluna vulgaris, durchsetzt mit
einer weiß blühenden Galium-Art, dazu stellenweise etwas Vaccinium.
Untersucht wurde am 17. Juni 2020 mit dem Klopfschirm.
Beim Abklopfen der Wacholdersträucher wurde Cyphostethus tristriatus in großer Anzahl
gefunden; deutlich spärlicher, aber nicht gerade selten, kamen Gonocerus juniperi und Orsillus
depressus vor. Von diesen drei Arten, die sich auf die beerentragenden (weiblichen) Sträucher
konzentrierten, wurden auch Larven in Mehrzahl gefunden. In kleiner Anzahl trat Dichrooscytus
gustavi auf (ein Pärchen als Beleg).
Cyphostethus war dort bereits am 28. April 2018 gefunden worden; für die anderen genannten
Arten lag dieser Termin vielleicht jahreszeitlich zu früh.
2. Lohhagen bei Wiblingwerde
Gipfellage, ca. 490 m NN; Lage im 4. Quadranten (SO) des MTB
Zwischen den Wacholdersträuchern wächst überwiegend Gras, durchsetzt mit weiß
blühendem Labkraut (Galium), dazu stellenweise ein wenig Farn, heute aber kaum noch Calluna.
Zuletzt wurde die Fläche am 27. Juni 2020 von mir untersucht.
Auch hier wurde Cyphostethus in Anzahl und auch mit Larven gefunden, jedoch weniger
zahlreich als bei Pillingsen. Von Gonocerus und Orsillus fand ich nur je zwei Imagines, dazu von
letzterer Art eine Larve. Von Dichrooscytus wurde nur ein einzelnes Weibchen abgeklopft.
Die Befunde sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.
Fundort Pillingsen Lohhagen
Jahr 2020 2020 früher
Cyphostethus tristriatus +++ ++ 1994-2019
Gonocerus juniperi ++ + -
Orsillus depressus ++ + -
Dichrooscytus gustavi + + 1999
Myrmedobia coleoptrata - - 1999 und 2019
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 29
Demnach scheint der höher gelegene Wacholderbestand für die genannten Wanzen deutlich
ungünstiger zu sein. Bei früheren Besuchen, zuletzt noch am 6. Juli 2019, waren Gonocerus
juniperi und Orsillus depressus dort noch nicht zu finden gewesen, wohingegen Cyphostethus
tristriatus schon 1994 dort vorkam und seitdem mehrmals bestätigt wurde. Dichrooscytus gustavi
wurde dort erstmals 1999 gefangen und hat seitdem eher ab- als zugenommen.
Diese hoch gelegene kleine Wacholderheide ist aber der einzige mir bekannte Fundort von
Myrmedobia distinguenda, die dort am 21. Juli 1999 in mehreren weiblichen Exemplaren geklopft
und 2019 (zusammen mit Temnostethus gracilis) bestätigt wurde. Diese Microphyside ist jedoch
eher an Flechten und nicht an Wacholder gebunden.
Da Gonocerus juniperi unübersehbare Expansionstendenzen zeigt (s. auch AKKERMANS 2019,
WERNER 2011, 2016, 2017), wird man auf eine „Ver´rot´listung“ dieser Art wohl verzichten können
(vgl. WERNER 2004: 125).
Literatur: AKKERMANS, R. (2019): Wantsenstudiegroep Limburg: Was eine regionale Wanzen-Arbeitsgruppe leisten kann. -
Heteropteron H. 56, 21-24.
WERNER, D. J. (2004): Verbreitung, Wirtspflanzenwechsel und Naturschutzaspekte bei Wanzen (Heteroptera) an Zypressengewächsen (Cupressaceae) in Deutschland. - Entomologie heute 16, 117-240.
WERNER, D. J. (2011): Wiederfund von Gonocerus juniperi HERRICH-SCHAEFFER, 1839, in Nordrhein-Westfalen. - Heteropteron H. 35, 20.
WERNER, D. J. (2016): Gonocerus juniperi (Heteroptera: Coreidae) breitet sich auch in Norddeutschland aus! - Heteropteron H. 47, 44.
WERNER, D. J. (2017): Rezente Ausbreitung von Gonocerus juniperi HERRICH-SCHAEFFER, 1839, in Berlin. - Hetero pteron H. 48, 44.
Anschrift des Autors:
Michael Drees, Freiligrathstr. 15, 58099 HAGEN, e-mail: [email protected]
Anschauenswert ! Von ROLAND GÜNTER (Text & Fotos) finden sich unter: "Staunen, genießen und verstehen - Tiergeschichten, die berühren! Wissenschaftliche Bildreportagen, BLOG Fotoreportagen" vier heteropterologisch sehr interessante Präsentationen:
Der Irrwisch "Alydus calcaratus" (2014) Der Irrtum der Grauen Dicknase "Macrotylus herrichi" (2014) Mathilda, die Ameisenwanze – Himacerus mirmicoides (2013) Dinetus - Die Wespe mit dem Gummifaden-Effekt (2015)
(Man muss sich kostenfrei anmelden, um sie komplett zu sehen.) Link: www.naturbildarchiv-guenter.de/fotoreportagen
30 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
Ergänzungen zum Beitrag „Ein Neuzugang … das Journal of the Heteroptera of Turkey" (HETEROPTERON 59, 38-39)
HANS-JÜRGEN HOFFMANN
Nach der Vorstellung des neuen türkischen-HETEROPTEREN-Journals im letzten Heft des
HETEROPTERON freue ich mich über zwei Ergänzungen:
K. ARNOLD als Herausgeber informierte mich, dass von EDESSANA mittlerweile Band 7 im
Jahr 2017 erschienen ist. Der Inhalt aller bisherigen Bände mit bisher ca. 65 Publikationen
(überwiegend tropische Arten, aber auch einige die Sachsen-Fauna betreffend) soll in einem der
nächsten HETEROPTERON-Hefte aufgelistet werden.
Viel wichtiger erscheint mir der Hinweis auf das Polnische Journal
"HETEROPTERA POLONIAE - ACTA FAUNISTICA" ,
das bereits seit 2009 erscheint.
Hoffentlich bin ich nicht der einzige, dem seit Jahren das Erscheinen verborgen geblieben ist. (Zumindest hat es
keiner der Kollegen für nötig gehalten, mich darauf hinzuweisen. – Hoffentlich gibt es nicht noch weitere Unter-
lassungssünden! )
Es handelt sich um eine im Internet erscheinende Zeitschrift, überwiegend auf polnisch und
damit für deutsche Heteropterologen schwierig zu lesen, soweit das englisch-sprachige Abstract
nebst Summary nicht ausreicht. [Es sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass es mit
GOOGLEs Translator möglicht ist, Teile ins Deutsche übersetzt zu bekommen, wenn man die Teile
der pdf-Dateien eingibt.] Die Bände sind unter www.hetpol.wpt.uni.opole.pl/en/journal-home/ im
Internet einzusehen, die einzelnen Beiträge als pdf-Dateien herunterladbar. Herausgeber ist Prof. dr
hab. JERZY A. LIS, Opole University. Bisher sind über 110 Arbeiten verfügbar, die leider hier wegen
des Umfangs nicht aufgelistet werden können.
Das Journal stellt sich folgendermaßen vor:
Heteroptera Poloniae – Acta Faunistica,
published since 2009, is an open access, peer-reviewed journal that publishes original research articles as well
as review articles and opinions in all areas of heteropterology (Hemiptera: Heteroptera), except the taxonomic
descriptions of new taxa.
Contributions are published in Polish with English abstract and summary, or in English. There are no page
charges and no limits for page numbers of the published papers.
The journal passed the evaluation process succesfully and has been indexed on ICI Journals Master List
2018. The evaluation result for 2018 year is: ICV (Index Copernicus Value) 2018 = 73.85.
Heteroptera Poloniae – Acta Faunistica is archived in: Index Copernicus, POL-index, Zenodo and indexed in:
Google Scholar, ICI Journal Master List, OpenAIRE, Publons. ISSN 2083-201X.
Adres: Heteroptera Poloniae - Acta Faunistica, ul. Oleska 22, 45-052 Opole, Poland, tel. +48 77 452 60 12, e-
mail: [email protected]
Man kann sich für die Benachrichtigung bei Neuerscheinungen vormerken lassen.
Anschrift des Autors: Dr. H.J. Hoffmann, c/o Zoologisches Institut, Biozentrum der Universität zu Köln,
Zülpicher Str. 47 b, D-50674 KÖLN, e-mail: [email protected]
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 31
Fossile Wanzen aus dem Oberoligozän von Rott bei Bonn
HANS-JÜRGEN HOFFMANN
Heteropterologen haben mit den rezenten Wanzen schon so viel Arbeit, dass fossile Wanzen
nur relativ wenig bearbeitet wurden und werden. (Eine Ausnahme bilden z.B. die Arbeiten von
ERNST HEISS betr. Bernstein-Inklusen vor allem aus der Familie der Rindenwanzen.)
In der in jüngster Zeit erschienenen 2. Auflage der „True bugs of the world“ von SCHUH &
WEIRAUCH (2020) gibt es ein umfangreiches Kapitel zu den fossilen Arten mit einer fast 50-seitigen
Tabelle aller bisher beschriebenen Wanzen-Spezies. Da schaut man natürlich als erstes auf
„lokalpatriotisch“ interessante Objekte. Es finden sich zwar div. fossile Landwanzen aus dem
Oberoligozän von Rott, ca. 30 km südöstlich von Köln, Wasserwanzen von dort fehlen allerdings.
Da aber gerade von den Wasserwanzen extrem viel Material von dort bekannt ist (einiges befindet
sich sogar in meiner Sammlung), sollte die entsprechende Arbeit von G. STATZ (1950) vielleicht bei
einer 3. Neu-Auflage des vorgenannten Werkes ergänzt werden. Im Folgenden soll zugleich an den
Autor erinnert werden.
Bei Rott handelt es sich um einen kleinen Ort bei Siegburg, 12 km östlich von Bonn (50,6°N,
7,5°E). Dort wurde seit 1751 bis ungefähr 1920 eine Grube zur Gewinnung von Blätterkohle oder
Polierschiefer betrieben. Das Material (man vergleiche Grube Messel) wurde erhitzt zwecks
Gewinnung von Schweröl und ähnlichen Substanzen wie dem pharmazeutisch genutzten Ichthyol.
Dabei gingen natürlich evtl. vorhandene Fossilien verloren. Diese fanden sich aber bis zu den 70er
Jahren noch auf den Halden im Ort. Nach 1920 wurde die Grube stillgelegt, die Halden
verbuschten. Ein wissenschaftlich begründeter Wiederaufschluß zwecks Gewinnung von neuem
Fossilmaterial wurde zwar einmal andiskutiert, aber nicht verwirklicht. Sehr viele Details mit
zahlreichen farbigen Abbildungen finden sich in der anläßlich des Jubiläums „BONN 2000“ (s.
Vorwort des Herausgebers in der Ausgabe von 1989(!), letztere vielleicht als 2. Erweiterte Auflage
von 1996?) herausgegebenen Schrift von v. KOENIGSWALD „Fossillagerstätte Rott bei Honnef am
Siebengebirge. Das Leben in einem subtropischen See vor 25 Millionen Jahren.“ von 1989. Zur
Bedeutung schreibt WIKIPEDIA: „Die Fossillagerstätte Rott ist eine wegen des Reichtums und der
außergewöhnlich guten Erhaltung von fossilen Pflanzen und Tieren in der Paläontologie
weltbekannte limnische Lagerstätte von Fossilien aus dem Oligozän beim Ortsteil Rott der Stadt
Hennef (Sieg).“ Die Schichten stammen aus dem Spät- oder Oberoligozän (25 Mio. Jahre).
Im Folgenden soll im Hinblick auf die fossilen Insektenfunde der Schwerpunkt bei den
Heteropteren liegen: Es tauchen bei den Wanzenfossilien vor allem zwei Namen auf: A.
KASTENHOLZ und G. STATZ.
Zu G. STATZ habe ich einen persönlichen Bezug: Er hatte sich in Siegburg als Lehrer
engagiert, sich dort auch naturwissenschaftlich interessiert und war dabei auch auf die Grube Rott
mit den zahllosen Fossilien gestoßen. Er beschloss daher nebenberuflich 10 Semester in Köln im
Zoologischen Institut von 1925 bis 1930 Biologie zu studieren. Nach Abschluß blieb er aber
Volksschullehrer. Er sammelte sehr intensiv auf den Halden, z.T. mit Familie und Hilfsarbeitern,
brachte vor allem aber größere Plattenstapel mit nach Hause, wo er sie über Winter im Garten
auslegte um sie danach aufzuspalten. Zwei Abbildungen (leider in schlechter Qualität)
veranschaulichen dies sehr eindrucksvoll (Abb. 1 + 2).
Er fand riesige Mengen vor allem an Insekten-Abdrücken, die er auswertete und in mehreren
Arbeiten (z.B. über die hier interessierenden Wasser- und Landwanzen) publizierte. Er war aber
offensichtlich nicht nur Student in Köln, sondern galt danach auch als Gastforscher am Kölner
Zoologischen Institut und erhielt 1940 den Ehrendoktor der Philosophischen Fakultät der
Universität zu Köln.
32 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
Abb 1: Arbeit auf der Halde Abb. 2: Im Garten ausgelegte Platten (Quelle: Internet)
Als Doktorand am Zoologischen Institut der Universität zu Köln entdeckte ich auf dem
Speicher des alten Institutsbaues verstaubte, großformatige Sonderdrucke über fossile Insekten aus
dem Oligozän von Rott. Vor allem die Wasser- und Landwanzen-Bearbeitungen von G. STATZ bzw.
G. STATZ & E. Wagner wechselten sofort in meine Sonderdrucksammlung. Mein Mentor, der
Carabidologe H.U. THIELE, Assistent am Institut, erklärte mir später die Bedeutung von Rott, wies
aber auch darauf hin, dass er selbst schon Anfang der 60er Jahre auf den Halden in Rott praktisch
keine Fossilien mehr gefunden hätte. Alles sei völlig durchwurzelt. Zeitweilig brannten die Halden
auch. Heute sind das Grubengelände und die alten Halden als Naturdenkmal geschützt; eine ins
Gespräch gebrachte erneute wissenschaftliche Grabung fand wie schon angedeutet nie statt.
Stattdessen findet sich heutzutage darüber eine Golfanlage!
Bei der Bombardierung von Köln im Jahr 1944 wurde das Haus von G. STATZ durch einen
Volltreffer zerstört. Die Familie verschlug es kriegsbedingt für einige Zeit nach Bayern, konnte die
Sammlung jedoch noch erfolgreich in den Kellern des Geologischen Institutes in Köln gesichert
zwischenlagern. Angeblich „geschwächt“ durch die kriegsbedingten Entbehrungen starb G. STATZ
3 Monate nach Kriegsende. Seine umfangreiche Fossiliensammlung konnte aus finanziellen
Gründen leider nicht in Köln gehalten werden. 3.500 Insekten- und 2.300 Pflanzen-Fossilien kamen
über Nordafrika nach langen Verhandlungen mit der Tochter von G. STATZ im Jahr 1955 in die
USA an das Natural History Museum in Los Angeles. Im Jahr 2003 überließ das Museum wegen
der Schließung der paläobotanischen Sektion die Pflanzen-Fossilsammlung von G. STATZ
unentgeltlich dem GOLDFUß-Museum an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität, Bonn. G.
STATZ veröffentlichte zwischen 1936 und 1944 div. Arbeiten betr. Hymenopteren, Neuropteren,
Trichopteren, Coleopteren und Dipteren, posthum noch zu Zikaden und 2 Käfergruppen (Details s.
Literaturverzeichnis).
Daneben gibt es noch eine umfangreichere Sammlung von A. KASTENHOLZ (mit u.a.
zahlreichen Wanzen-Abdrücken unter den 978 Fossilien, davon 283 Pflanzen-Fossilien). Diese
Sammlung in einem kleinen Schränckchen, das ursprünglich für Nähgarn-Sortimente gedient hatte,
wurde vom Bonner Mineralien-Kontor KRANTZ erworben. Dort konnte ich in den 80er Jahren bei
der Suche nach fossilen Wanzen einige Stücke käuflich bei der Firmen-Inhaberin erwerben. Damals
hatte man offensichtlich die Bedeutung der Sammlung noch nicht erkannt. Jahre später hat sich das
geändert, die Sammlung wurde nämlich dem Paläontologischen Institut der Uni Bonn „zu einem
vertretbaren Preis“ (wie mir die Schwester der damaligen Firmeninhaberin schrieb) überlassen.
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 33
G. STATZ kannte offensichtlich die Sammlung von Herrn A. KASTENHOLZ sehr gut und
übernahm bei seinen Untersuchungen auch Material daraus. Die Wasserwanzen von Rott
bearbeitete G. STATZ sehr gründlich, die Ergebnisse und sein Manuskript wurden aber erst 1950
posthum publiziert (STATZ 1950). Das Landwanzen-Manuskript bearbeitete und vervollständigte
EDUARD WAGNER und publizierte die Ergebnisse im gleichen Jahr (STATZ & E. WAGNER 1950).
G. STATZ schreibt, dass Landwanzen insgesamt nicht häufig vorkamen, dass er 48 zur
Beschreibung geeignete eigene Fossilien vorliegen hatte und 5 weitere aus der Sammlung A.
KASTENHOLZ. Daraus beschrieb er 45 neue Arten, davon 28 ohne Artnamen oder mit "?" aus 9
Familien und 25 Gattungen. Zwei Arten waren schon beschrieben, je eine von VON
HEYDEN/MEUNIER und von MEUNIER, hinzu kamen jetzt zwei von E. WAGNER, die übrigen von
STATZ. 2/3 des Manuskripts und die 8 Tafeln stellte STATZ noch selbst zusammen, den Rest
übernahm E. WAGNER als Koautor.
G. STATZ führt im Wasserwanzen-Manuskript 10 (+1) Arten auf, die er auf 12 Tafeln
abbildet. Er schreibt, dass sich einige Arten in größerer Anzahl fanden: Notonecta heydeni 188 Ex.,
Soevenia heydeni 476 Ex. mit 188 Larven und 288 Imagines. Insgesamt finden sich in der Arbeit
mit Corixa rhenana und Corixa vidua zwei von G. STATZ neu beschriebene Arten, div.
Larvenstadien und 4 neue, bisher unbenannte Corixa-Arten (♂, ohne Artnamen). Vier Arten,
Naucoris rottensis v. SCHLECHTENDAHL, Notonecta primaeva V. HEYDEN und Soevenia heydeni
DEICHMÜLLER (Larven von G. STATZ beschrieben) und Corixa elegans VON SCHLECHTENDAHL
waren schon vorher beschrieben worden.. Bei der von GERMAR in der Reihe „Fauna insectorum
Europae“ abgebildeten Belostoma goldfussi (Heft 19, Abb. 17 von 1837: „Belostoma GOLDFFUSSII
GERM.“, FO „Rheinland nahe Bonn“) (Abb. 3) handelt es sich nach Auffassung von WILCKENS
(1926) wohl um Material aus einer Grube bei Orsberg bei Erpel/Neuwied. Er schreibt: „Auch die
von GERMAR beschriebenen Insekten stammen zum Teil sicher von Orsberg“. G. STATZ kannte die
Arbeit wohl nicht. Die noch immer in der PALAEOBIOLOGY DATABASE zu findende Angabe
„Fundort Rott“ für das in der Sammlung GOLDFUSS (dessen Funde alle von Orsberg) in Bonn
aufbewahrte Fossil ist somit fragwürdig, da in Rott zumindest unter den sehr zahlreichen Fossilien
kein weiterer Fund der Art auftauchte.
Abb. 3: Belostoma Goldffussii GERM. (Quelle: http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/germar1837/
0042+43, © Universitätsbibliothek Freiburg)
Fossile Wanzen sind, außer aus div. älteren erdgeschichtlichen Perioden wie Jura (s.
Solnhofen) oder Kreide oder aus jüngeren Perioden wie Obereozän (35 Mio. Jahre, s. Bernstein)
von der alttertiären Lagerstätte Messel (Mitteleozän, 50 Mio Jahre alt) bekannt. Dort herrschen –
außer den berühmten Wirbeltierfossilien – bei den im Vergleich zu Rott selteneren Insektenfossilien
die Landwanzen vor. Es dürfte sich hier nicht um ein zumindest nur zeitweilig existierendes
Süßwasser-Biotop mit Tümpeln u.ä. gehandelt haben. Ähnliches gilt für die ähnlich alten Schichten
im Eckfelder Maar, wo allerdings fossile Landwanzen häufiger gefunden werden. Die Grube
Messel wird weiterhin ausgebeutet und wissenschaftlich bearbeitet. Allerdings liegt hier der
34 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
Schwerpunkt auf den Wirbeltierfunden, während über Insekten extrem wenig veröffentlicht wurde.
Die Fossillagerstätte Rott ist eine zwar unter Fachleuten weltbekannte Lagerstätte für fossile
Pflanzen und Tiere. Da es aber seit über 50 Jahren keinerlei neues Material gibt, geriet die
Fundstelle weitestgehend in Vergessenheit. So erwähnen WAPPLER et al. (2007) in „Die
Fossilgeschichte der Heteroptera – ein Überblick“ leider Rott mit keiner Zeile, und bei SCHUH &
WEIRAUCH (2020) fehlen zumindest die Wasserwanzen.
Das Besondere an den ca. 25 Mio Jahre alten Fossilien von Rott ist einmal die ungeheure
Anzahl von Insekten-Funden. Bei den Wanzen ist besonders der ungewöhnlich große Anteil an
Wasserwanzen bemerkenswert. Es ist angeblich kein anderer Fundort mit solch einer Anhäufung
von fossilisierten Wasserwanzen bekannt. Normalerweise stehen die Landwanzen im Vordergrund
und Wasserwanzen treten nur in geringer Zahl auf. Man deutete das zunächst so, das von einem
Oberlauf eines kleineren Gewässers Tiere in die spätere Grube gespült wurden und dort unter
Luftabschluß fossil erhalten blieben. Neuere Untersuchungen lassen aber eher den Schluß zu, dass
sich in und an der Grube selbst kleinere Tümpel oder ein See befunden haben, in denen die Wanzen
lebten und z.B. bei evtl. Austrocknen fossilisierten, zusammen mit Blättern, kleineren Wirbeltieren
und anderem organischen Material, das dann zum Öl-Gehalt umgewandelt wurde.
Ich konnte seinerzeit 18 Fossilien von 4 Wasserwanzen-Arten (mit entsprechenden
Larvenstadien) und 2 Landwanzen-Arten käuflich für meine Sammlung erwerben, wobei die Fa.
KRANTZ/Bonn sich durchaus des Wertes bewußt war: Das Typusexemplar von Rhinocoris michalki
kostete mein damals knappes Budget immerhin 160 DM bzw. 80 €. Die Typus-Platte (Abb. 4 a-d)
soll hier erstmalig in Farbe vorgestellt werden. [Die weniger aussagekräftige Gegenplatte befindet
sich wohl in der Slg. G. STATZ (im Text schreibt E. WAGNER „Slg. des Verfassers“) in Los
Angeles.]
Literatur: (Schwerpunkt betr. G. STATZ, A. KASTENHOLZ publizierte wohl nichts) SCHUH, R.T. & WEIRAUCH, CH. (2020): True Bugs of the World (Hemiptera: Heteroptera): Classification and Natural
History. - Monograph Series Volume 8, Second Edition, 768 S., Manchester/UK.
STATZ, G. (1936): Ueber alte und neue fossile Hymenopterenfunde aus den Tertiären Ablagerungen von Rott am Siebengebirge. - Decheniana 93, 256-312.
STATZ, G. (1936): Ueber neue Funde von Neuropteren, Panaporten und Trichopteren aus den Tertiären Schiefern von Rott am Siebengebirge. - Decheniana 93, 208-255.
STATZ, G. & HORION, A. (1937): Ein fossiler Ptiliidenfund aus den mitteloligocänen Ablagerungen von Rott am Siebengebirge. - Entomologische Blätter 33, 8-10.
STATZ, G. (1938): Neue Funde parasitischer Hymenopteren aus dem Tertiär von Rott am Siebengebirge. - Decheniana 98 A, 71-144.
STATZ, G. (1939): Geradflügler und Wasserkäfer der oligocänen Ablagerungen von Rott. – Decheniana 99 A, 1-102.
STATZ, G. (1940): Neue Dipteren (Brachycera et Cyclorhapha) aus dem Oberoligozän von Rott. - Palaeontographica 91 A, 120-174.
STATZ, G. (1941): Wirbeltiere aus den Rotter Braunkohlensümpfen. - Rheinische Heimatpflege 13, 113-129.
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STATZ, G. (1943): Neue Dipteren (Nematocera) aus dem Oberoligocän von Rott. 1. Familie Bibionidae (Haarmucken). - Palaeontographica 95 A, 1-65.
STATZ, G. (1944): Neue Dipteren (Nematocera) aus dem Oberoligocän von Rott. 2. Familie Fungivoridae (Pilzmuchen). - Palaeontographica 95 A, 67-92.
STATZ, G. (1944): Neue Dipteren (Nematocera) aus dem Oberoligocän von Rott. 1. Teil 6. Familie: Tendipedidae (Zuck- oder Schwarmmücken). 2. Teil 7. Familie: Heleidae (Gnitzen) 3. Teil 8. Familie: Lycoriidae (Trauermücken). - Palaeontographica 95 A, 122-187.
STATZ, G. (1944): Neue Dipteren (Nematocera) aus dem Oberoligocän von Rott. III. Familie Limnobiidae (Stelzmücken). IV. Familie Tipulidae (Schnaken). V. Familie Culicidae (Stechmücken). - Palaeontographica 95 A, 93-120.
STATZ, G. (1950): Cicadariae (Zikaden) aus den Oberoligocanen Ablagerungen von Rott. - Palaeontographica 98 A, 1-46.
STATZ, G. (1950): Alte und neue Hydrocorisae (Wasserwanzen) aus dem Oberoligocän von Rott. - Palaeontographica 98 A, 7-96 + 12 Tafeln, Stuttgart.
HETEROPTERON Heft 60 / 2020 35
STATZ, G. & WAGNER, E. (1950): Geocorisae (Landwanzen) aus den oberoligicänen Ablagerungen von Rott. - Palaeontographica 98 A, 97-136 + 8 Tafeln, Stuttgart.
STATZ, G. (1952): Fossile Mordellidae und Lamellicornia (Coleoptera) aus dem Oberoligozän von Rott. -
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V. KOENIGSWALD, W. (Hrsg.)(1989): Fossillagerstätte Rott bei Hennef am Siebengebirge. - 82 S., Siegburg.
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Abb. 4 a-c: Rhinocoris michalki STATZ aus der Sammlung A. KASTENHOLZ
Abb. 4d: Rhinocoris michalki STATZ, Typus-Exemplar, Slg. H.J. HOFFMANN
Anschrift des Autors: Dr. H.J. Hoffmann, c/o Zoologisches Institut, Biozentrum der Universität zu Köln,
Zülpicher Str. 47 b, D-50674 KÖLN, e-mail: [email protected]
36 HETEROPTERON Heft 60 / 2020
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ENDRESTØL, A. & ROTH, ST. (2020): The firebug Pyrrhocoris apterus (LINNAEUS, 1758) (Hemiptera, Heteroptera) new to the Norwegian fauna – with an explosive expansion in Northern Europe. - Norwegian Journal of Entomology 67, 81-90.
GROSSO-SILVA, J. M., FRIAS, I. & VAN DER HEYDEN, T. (2020): Stephanitis takeyai DRAKE & MAA, 1955 (Hemiptera: Tingidae), new species for Portugal. – Arquivos Entomolóxicos 22, 371-372.
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PÉTREMAND, G. & HOLLIER, J. (2020): Tritomegas rotundipennis (DOHRN, 1862) (Hemiptera, Cydnidae) une nouvelle punaise pour la suisse. - Entomo Helvetica 13, 159-162.
TASZAKOWSKI, A., KIM, J., DAMKEN, C., WAHAB R.A., HERCZEK, A. & JUNG, S. (2020): Two new genera and species of the Gigantometopini (Hemiptera, Heteroptera, Miridae, Isometopinae) from Borneo with remarks on the distribution of the tribe. - ZooKeys 941, 71–89.
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VAN DER HEYDEN, T. (2020): First record of Leptoglossus cartagoensis BRAILOVSKY & BARRERA, 1998 (Hemiptera: Heteroptera: Coreidae) for Panama. – Boletín del Museo Nacional de Historia Natural del Paraguay 24, 55-56.
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ZIELIŃSKA, A. & LIS, B. (2020): Ocena możliwości potencjalnej ekspansji prześwietlika dębowego Corythucha arcuata (SAY, 1832), inwazyjnego gatunku z rodziny Tingidae (Hemiptera: Heteroptera), na tereny Polski [Evaluation of the possibilities of potential expansion of the oak lace bug Corythucha arcuata (SAY, 1832), an invasive species of Tingidae (Hemiptera: Heteroptera), into the territory of Poland]. - Heteroptera Poloniae – Acta Faunistica 14, 175-180.
In HETEROPTERON H. 59: HOFFMANN, H.J. (2020): Buchbesprechung: AUKEMA, B. & HERMES, D.J. (2020): Verspreidingsatlas Nederlandse
wantsen (Hemiptera: Heteroptera) - Deel V: Pentatomorpha II (Coreoidea en Pentatomoidea). - Heteropteron H. 59, 36-37.
HOFFMANN, H.J. (2020): Die Lindenwanze Oxycarenus lavaterae (FABRICIUS, 1787): Allgemeines zur Art und
Spezielles als Neueinwanderer in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen, nebst Bibliographie. - Heteropteron H.
59, 8-29. HOFFMANN, H.J. (2020): Ein Neuzugang bei den Heteropterologischen Zeitschriften: das "Journal of the Heteroptera of
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HOFFMANN, H.J. & HERR, K. (2020): Ein weiterer Nachweis von Holcogaster fibulata (GERMAR, 1831) in Deutschland.
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KAMBECK, C., MESSEMER, J., SANDERS, CH., SCHMIDT, L., TEMPELHAGEN, L., VOLZ, T., BRAUN, M., BRAUN, U. &
WAGNER, TH. (2020): Wasser- und Uferwanzen neu angelegter Tümpel im Rhein-Hunsrück-Kreis (Heteroptera:
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59, 5-7. TROCH, H.P. & HUSEMANN, M. (2020): Erstfund der Lindenwanze Oxycarenus lavaterae (FABRICIUS, 1787) aus
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