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kunstkantine | 01Markus Burger | Malerei & Druckgrafik12. Juni bis 22. August 2003 »Fensterbank und Küchentisch« eine Ausstellungin der Kantine von Radio Bremen, Bürgermeister-Spitter-Allee 45
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Sehr geehrte Damen und Herren,
eine Kantine kann man als einen Raum betrachten, in dem man seinen Körper zwischen zwei Terminen auf die Schnelle mit
Nahrung versorgt. Dies kann man so sehen. Man kann eine Kantine, insbesondere wenn diese als »Kasino« bezeichnet wird, aber
auch als einen Ort der Begegnung, der Pause, der sozialen Kommunikation und des Gedankenaustausches verstehen. Und dann ist
es schon sehr viel naheliegender, diesen Ort zu gestalten, beispielsweise durch bildende Kunst, durch das Gespräch über Kunst, die
Auseinandersetzung mit den Werken bildender Künstler.
Um diese Idee in die Tat umzusetzen, bildete sich eine veritable Kasino Kunst Kommission, der die Kasino-Chefin Bettina Lührs
sowie unsere Kulturredakteure Marilina Kolvenbach und Klaus Johannes Thies angehören. Sie haben sich nachhaltig Gedanken
gemacht und werden fortan zweimal im Jahr Künstlern Gelegenheit geben, ihre Werke bei uns zu präsentieren. Frau Lührs, Frau
Kolvenbach und Herrn Thies gilt an dieser Stelle mein besonderer Dank.
Fensterbank und Küchentisch Bilder von Markus Burger
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Für die erste Ausstellung hat unsere Kasino Kunst Kommission einen Künstler für uns entdeckt, dessen Werke in ganz besonderer
Weise in das Ambiente von Kochen, Essen und Gesprächen passen: Markus Burger, der in Bremen lebt und arbeitet. Sein Augen-
merk richtet Markus Burger insbesondere auf Themen des Alltags, von der Seife über den Blumenkasten bis zum Küchengerät. Mit
seinen Arbeiten, die er bei uns präsentiert, macht er uns so richtig Appetit, denn er versteht es, Nahrungsmittel zu Kunstwerken zu
machen. Davon können Sie sich durch einen Besuch im Kasino von Radio Bremen überzeugen.
»Die Kunst ist zwar nicht das Brot, wohl aber der Wein des Lebens.« Mit diesem Satz von Jean Paul wünsche ich allen Gästen unse-
res Kasinos einen Kunstgenuss und eine doppelt köstliche Sinnesfreude.
Ihr
Dr. Heinz Glässgen
Intendant Radio Bremen
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1995 hat Markus Burger für eine Ausstellung Seife gesammelt. »Altseife« um genau zu sein, schon benutzte oder abgenutzte
Seifenstücke, in einer Vielzahl von Farben und Formen. Die Fundstücke wurden in einer Vitrine arrangiert und präsentiert, begleitet
von einem selbst gebauten »Altseifensammelbehälter« (Ausstellungsort war das Foyer eines Schwimmbades) und einer zweiten
Vitrine, die drei aus Seife modellierte Skulpturen enthielt.
In dieser Arbeit zeigen sich wichtige Grundzüge von Markus Burgers Kunst, die vielleicht um so deutlicher hervortreten, als es sich
hier nicht um Malerei oder Grafik handelt, die Techniken denen er sich vor allem widmet. Die Aufmerksamkeit die ein bestimmtes
Stück Seife geweckt hat, setzt einen künstlerischen Prozeß in Gang, an dessen Beginn das Sammeln steht. Durch Arrangement und
Präsentation werden nicht nur die alltäglichen Dinge zur Kunst erhoben und dem bekannten Nutzwert des Dings ein ästhetischer
Wert gegenüber gestellt, sondern auch der Vorgang des Sammelns selbst dokumentiert. Burger interessierte nicht nur der ästhe-
tische Wert der Altseifen, sondern genauso sind ihm die einzelnen Stücke Erinnerung an Orte an denen er sie benutzt oder gefun-
den hat oder an Personen, die sich an der Sammlung beteiligten. So entsteht ein Netz von Orten, Handlungen und Personen - eine
einmalige Kombination, manifestiert in einem Arrangement benutzter Seifen - und schon werden die zuerst zu autonomen ästhe-
Im Dschungel der Möglichkeiten
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tischen Objekten und anschließend zu komplexen Bedeutungsträgern ernannten Stücke wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück-
geführt: Eingekocht zu Seifenrohmasse und zu Seifenskulpturen verarbeitet.
Neben der Aufmerksamkeit für das Alltägliche und Nebensächliche zeigt sich hier Burgers Interesse für Geschichte als formgeben-
dem Vorgang. Es sind die Spuren, welche Zeit und Benutzung an Dingen hinterlassen, die ihn zu Auseinandersetzung und
Neudefinition von Form und Funktion auffordern.
Die Serie Blumenkästen (2003) zeigt viermal die gleichen Motive in jeweils unterschiedlicher Farbigkeit. Die Vorlagen entstammen
einer Zeitschrift zum Thema »Zimmerpflanzen im Portrait« (wieder ein Fundstück), deren eigentümlich anachronistische Ästhetik
Burgers Interesse weckte. Die gemalten Bilder geben jedoch nicht diese Fotografien wieder, sondern steigern die angesichts des
Motivs und der Farbigkeit spürbare historische (und ästhetische) Distanz, indem drei der vier Reihen wie mit einer Patina des
Verblassens überzogen sind. Die Bilder zeigen weniger das Abbild eines Gegenstandes oder das Abbild einer Abbildung, sondern
vielmehr verschiedene Zustände von Bildlichkeit. So wird das Foto als ein Objekt kenntlich gemacht welches, genau wie das was
es abbildet, einem Verfallsprozeß unterliegt. Die vierte (grüne) Reihe ließe sich so als Steigerung dieser Darstellung von Zuständen
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»Törtchen 1-9« 2000, Acryl auf Nessel, je 44 x 44 cm
des Verschwindens sehen. Vielmehr jedoch erinnert ihre lichte, offene Struktur an ein noch nicht völlig entwickeltes Foto, einen
Zustand der noch nicht Bild ist. Die grüne Reihe stellt hierbei einen für Burgers Arbeit typischen »Ausreisser« innerhalb einer
Werkgruppe dar, durch den die selbst gesteckten Grenzen, innerhalb derer ein Thema bearbeitet wird, wieder verschoben werden
um zu neuen Variationen und Akzentuierungen zu kommen.
Ein Interesse an Motiven die, zumindest gemessen an der eigenen Biographie, schon historisch genannt werden können und somit
nostalgische aber auch durchaus ambivalente Gefühle auslösen mögen, zeigt sich in vielen von Burgers Arbeiten.
Auch den Törtchen (2002) ist diese Geschichtlichkeit eigen. Nicht nur die Arrangements wirken leicht angestaubt, sondern auch die
Farben, insbesondere das Blau des Untergrunds. Dieser hat aber noch eine Besonderheit: Von den Objekten, die eigentlich auf ihm
ruhen, fällt nirgends ein Schatten auf die blaue Fläche, obwohl die Darstellung der Törtchen selbst akribisch die Verläufe von Licht
und Schatten verfolgt. Somit wird die illusionistische Logik und Eindeutigkeit gebrochen und die realistische Abbildung tritt zurück
zugunsten einer enormen ornamentalen Qualität der Motive. Die Variationsmöglichkeiten innerhalb von Serien und Reihungen zu
einem Thema werden vor allem auch in den druckgrafischen Arbeiten Burgers ausgereizt.Am Motiv des Rührgeräts z. B. wird erneut
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der Weg vom Abbild des Gegenstandes, über die Stilisierung in Pop-Art Manier, zur abstrakt - zeichenhaft reduzierten Form deut-
lich. Der Eigenwert des Bildes gegenüber der Vorlage wird auch dadurch betont daß unklar ist welcher Druck die »richtige« Ansicht
zeigt und welcher seitenverkehrt ist. Stattdessen neigen sich die Rührgeräte Paare (???) einander kokett zu während die Rührgeräte
– Pictogramme eine Vielzahl formaler Beziehungen zueinander eingehen.
Wie anhand dieser Beispiele deutlich wird, steht Markus Burgers Kunst in vielen Traditionslinien. In seinen Bildern taucht die
Formensprache der Pop – Art ebenso auf wie in manchen seiner Arbeiten Ansätze der Arte povera und des Ready- made zu finden
sind. Ausgehend von dem was seine Aufmerksamkeit auf sich zieht und seine Sammelleidenschaft weckt, entwickelt er seine Werke
immer auch als Experiment mit Materialien und Techniken. Faszinierend an dieser Arbeit ist, wie sie mit Möglichkeiten der künst-
lerischen Aneignung spielt, ohne das der Gegenstand selbst dabei beliebig würde. Vielmehr entsteht Markus Burgers Kunst in der
Bewegung zwischen den beiden Polen, dem Gegenstand und der Vielzahl der Möglichkeiten.
Norbert Bauer
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»Lachse« 2000, Lithographie vom Stein, Serie mit 3 Blättern, je 14,5 x 52 cm, Gesamtgröße ca. 62 x 64 cm
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»Lachse« 2000, Lithographie vom Stein, Serie mit 27 Blättern, je 14,5 x 54 cm, Gesamtgröße ca. 180 x 180 cm
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»Tea-time« 2002, Lithographie vom Stein, Gesamtgröße 70 x 90 cm
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»Hummer« 2001, Lithographie vom Stein, aus einer Serie mit 33 Einzelblättern, je 31 x 41 cm
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»Dame unter der Haube 1« 2002, Lithographie vom Stein, je 26,5 x 37,5 cm
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»Dame unter der Haube 2« 2002, Lithographie vom Stein, je 27,5 x 32,5 cm
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»Rührgeräte-Paare« 2000, Lithographie vom Stein, je 26 x 39 cm
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2000, Lithographien vom Stein, je Motiv 12 x 20 cm
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»Blumenkästen« No. 3, 2003, Acryl auf Leinwand, je 50 x 80 cm
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»Blumenkästen« No. 4, 2003, Acryl auf Nessel, je 50 x 80 cm
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»Blumenkästen« No. 1, 2001, Acryl auf Nessel, je 50 x 80 cm
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»Blumenkästen« No. 2, 2002, Acryl auf Nessel, je 50 x 80 cm
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»Hummer mit alter Rezeptur« 2001, Lithographie auf Stein, je 27,5 x 37,5 cm
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»Hummer-Detail 1«, »Hummer-Detail 2« 1998, Graphit auf Bütten, 2 Arbeiten in Spiegelverkehrung gezeichnet, je 100 x 140 cm
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»Hummer-Detail« 1998, Graphit auf Karton, 70 x 100 cm
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Vita
1965 geboren in Ottersweier/Baden
1982–1984 Ausbildung zum Koch in Sasbachwalden
1984–1996 Tätigkeit als Koch in Köln und Bremen
1992–1996 Studium der Sozialarbeit/-pädagogik in Bremen
1993–1994 »Kunst erleben und verstehen«, Konzeption und Durchführung
von Bildungsurlauben
1994–1995 Teilnahme an Zeichenveranstaltungen von Prof. Wolfgang Schmitz
an der Hochschule für Künste Bremen
1999–2002 Arbeit in der Lithographischen Werkstatt von Klaus Zwick
1996–2003 Tätigkeit als Sozialarbeiter/-pädagoge an einem Schulzentrum in Bremen
1992–2003 freie künstlerische Tätigkeit in Ateliergemeinschaft
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Einzelausstellungen
1992 Restaurant »Der kleine Gourmet«, Bremen
1992 Buchladen Ostertor, Bremen
1993 Inneneinrichter und Restaurator Werner Beil, Bremen
1994 Vorraumgalerie, Bremen
1996 Hotel/Restaurant Talmühle in Sasbachwalden/Schwarzwald
1997 Restaurant Bandonion, Bremen
1999 Restaurant Globus, Bremen
1999 Auftragsarbeiten für Restaurant Pilsgarten u.a.
2000 Restaurant Globus, Bremen
2001 Jaques Weindepot Bremen und Borgfeld
2003 »Fensterbank und Küchentisch«, Radio Bremen
2003 »Kunst und Küche«, im Hotel Romantischer Winkel, Bad Sachsa
Ausstellungsbeteiligungen
1995 Restaurant Bondonion, Bremen, mit Norbert Bauer
1995 »Homunculi« im Bistro St. Pauli-Eck, Bremen
1995 »Kunst im Bad«, Seifenarbeiten »Use me«, Bremer Bäder
Kontakt
Markus Burger, Wulwestraße 12, 28203 Bremen,
Telefon: (0421) 74902, Mobil: 0163 2107657, E-Mail: [email protected]
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Impressum
Herausgeber: Radio Bremen
Organisation: Marilina Kolvenbach, Klaus Johannes Thies
Gestaltung: arneolsen.de|sign, Bremen
Text: Norbert Bauer
Fotos: Frank Scheffka, Atelier für Fotografie, Bremen
Druck: Headline, Bremen
© Bremen 2003
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