© Gerd Bohner 2001 III. Themen der Sozialpsychologie (1): Einstellungen 1.Einstellungsforschung:...
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© Gerd Bohner 2001
III. Themen der Sozialpsychologie(1): Einstellungen
1. Einstellungsforschung: Themen und Trends
2. Einstellungsstruktur und -messung
3. Determinanten der Einstellungen: Persuasion und Verhalten
4. Konsequenzen von Einstellungen: Informationsverarbeitung und Verhalten
4. Bezug zu Grundprinzipien der SP
© Gerd Bohner 2001
1. Einstellungsforschung: Themen und Trends• Definition: "Eine Einstellung ist eine zusammenfassende Bewertung
eines Gegenstandes."– Was ist ein Einstellungsgegenstand? prinzipiell alles, was eine Person
wahrnimmt oder im Sinn hat, z.B. Personen, Gruppen, Dinge, Sachverhalte, man selbst; konkret oder abstrakt
Funktionen:• Wissensfunktion• Instrumentelle Funktion• Soziale Identität• Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls• E. beeinflussen Informationsverarbeitung und Interaktionen
© Gerd Bohner 2001
• Einstellungsforschung vielleicht größtes Teilgebiet der Sozialpsychologie.
• Forschungsschwerpunkte: Determinanten und Auswirkungen von Einstellungen (Schema nach Eagly, 1992, JPSP):
• außerdem: Einstellungsstruktur und –messung
Fokus auf...
Einstellung als...
unabhängige Variable: abhängige Variable:
Informations- verarbeitung:
Einstellungsabhängige Selektivität
Persuasion
Verhalten: Einstellungs-Verhaltens-Modelle
Verhalten als Einstellungsdeterminante
© Gerd Bohner 2001
2. Einstellungsstruktur und -messung
(a) Struktur• 2 Aspekte:
– Kognitive Verknüpfung von Einstellungen zu verschiedenen Gegenständen (z.B. Heiders Triaden)
– Innere Struktur einer Einstellung
• Innere Struktur: Repräsentation des Einstellungs-gegenstandes und seiner Bewertung + unterstützende Wissensstruktur (Pratkanis, 1989)
– Dreikomponentenmodell (z.B. Breckler, 1984)– Polarität: unipolar oder bipolar?– Einstellungsstärke (Petty & Krosnick, 1995)
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Dreikomponentenmodell
Quelle: Bohner (2001); © Blackwell Publishers
© Gerd Bohner 2001Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis
Polarität: bipolare Einstellungsstruktur
© Gerd Bohner 2001Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis
Polarität: unipolare Einstellungsstruktur
© Gerd Bohner 2001Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis
Einstellungsstärke
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Struktur der Beziehung zwischen verschiedenen Einstellungen
• Hierarchischer Aspekt: Einstellung gegenüber einer neuen Frage resultiert aus zentraleren und allgemeineren Wertvorstellungen
• Heiders Balancetheorie: man strebt Konsistenz zwischen verschiedenen Einstellungen an
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(b) Messung
• Direkte Verfahren oder Selbstberichtskalen– Likert-Skalen: Erfassung von "beliefs" (z.T. auch affektive
Reaktionen) – Semantisches Differential: Bewertung anhand von
Adjektivpaaren – Ein-Item-Skalen
• Vorteile direkter Verfahren– ökonomisch– inhaltsvalide
• Nachteile direkter Verfahren– motivationale Verzerrungen– Vp nicht immer in der Lage, ihre Einstellung zu berichten
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Discrimination against women in the labor force is no longer a problem in Canada. totally disagree 1 2 3 4 5 6 7 totally agree
I consider the present employment system to be unfair to women.* It is difficult to work for a female boss. In order not to appear sexist, many men are inclined to overcompensate women. In a fair employment system, men and women would be considered equal.*
Items einer Likert-Skala zur Erfassung sexistischer Einstellungen
(Neosexism Scale; Tougas, Brown, Beaton, & Joly, 1995)
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Deutsche
unsauber :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: sauber (-3) (-2) (-1) ( 0) (+1) (+2) (+3)
freundlich :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: unfreundlich
schlecht :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: gut
schön :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: hässlich
Semantisches Differential zur Erfassung der Einstellung gegenüber Deutschen
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Wie ist Ihre Einstellung zu Pizza?
sehr negativ 1 2 3 4 5 6 7 sehr positiv
Ein-Item-Skala
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(b) Messung
• Direkte Verfahren oder Selbstberichtskalen– Likert-Skalen: Erfassung von "beliefs" (z.T. auch affektive
Reaktionen) – Semantisches Differential: Bewertung anhand von
Adjektivpaaren – Ein-Item-Skalen
• Vorteile direkter Verfahren– ökonomisch– inhaltsvalide
• Nachteile direkter Verfahren– motivationale Verzerrungen– Vp nicht immer in der Lage, ihre Einstellung zu berichten
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• Indirekte Verfahren– Priming und Reaktionslatenz (z.B. Fazio et al., 1986)
– Implicit Association Test (IAT; Greenwald et al., 1998)
• Vorteile indirekter Verfahren– relativ sicher gegen willentliche Verfälschung
– geeignet zur Erfassung impliziter Einstellungen
• Nachteile indirekter Verfahren– hoher apparativer Aufwand
– Probleme der Validität: Was genau wird gemessen? (Kritik v.a. am IAT und verwandten Verfahren)
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wonderful
racial prime(315 ms)
interval(135 ms)
target adjective(until response key is pressed)
interval to next trial(2500 ms)
time axis
1 0
“good” “bad”response keysQuelle: Bohner & Wänke (2002);
© Psychology Press / Taylor & Francis
Priming-Verfahren zur Einstellungsmessung
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Sequence 1 2 3 4 5
Task description
Initial target-concept
discrimination
Associated attribute
discrimination
Initial combined task
Reversed target-concept
discrimination
Reversed combined task
Task
instructions
Irish English
pleasant unpleasant
Irish pleasant English unpleasant
Irish English
Irish pleasant English unpleasant
Sample stimuli
Casey Clark Duffy Brown Richardson Fitzpatrick Twoomey
diamond disaster heaven friend cancer rotten joyful
Driscoll happy Johnson joyful Flanagan abuse failure
Clifford Kelley Foster Stevens Duffy Johnson Clark
loyal Flanagan evil Clifford Kelley Foster lucky
Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis
Implicit Association Test (http://www.yale.edu/implicit/)
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weiblich männlich ThomasAlfred
MonikaBarbara
PeterBirgitPeter
RolandHeikeJulia
ThomasPeter
AlfredThomasMonikaRobertBirgit
RolandHeike
Monika
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Zuhause Arbeitswelt Buchhaltung
KücheLabor
FamilieFirmaGarten
HausarbeitBüro
ManagerKinder
BuchhaltungBüro
KücheLabor
FamilieGarten
HausarbeitFirmaGartenLabor
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Zuhause oder weiblich Arbeitswelt oder männlich ThomasFamilie
BuchhaltungMonikaFirmaAlfredPeterBüroLabor
FamiliePeterBirgitBüro
ThomasKüche
BarbaraLaborGartenRolandHeike
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männlich weiblich PeterBirgitPeter
BarbaraRolandHeikeJulia
RobertJuliaHeikeAlfred
MonikaThomasMonikaRobertBirgit
ThomasPeter
AlfredThomas
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Zuhause oder männlich Arbeitswelt oder weiblich ThomasFamilie
BuchhaltungMonikaFirmaAlfredPeterBüroLabor
FamiliePeterBirgitBüro
ThomasKüche
BarbaraLaborGartenRolandHeike
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3. Determinanten von E.: Persuasion• Persuasion = Einstellungsänderung als Folge von Informations-
verarbeitung, meist in Reaktion auf eine Botschaft
• Theorien thematisieren jeweils bestimmte Einflussprozesse:• Prozesse, die geringen Aufwand erfordern:
• Konditionierung (abgeleitet aus allg. Lerntheorien)• Stimmungen als Informationsquelle• heuristische Verarbeitung ( Menschenbild des "kognitiven
Geizhalses")
• Prozesse, die hohen Aufwand erfordern:• Lernen der Inhalte einer Botschaft ("message-learning approach")• aktives Denken (z.B. "bloßes Nachdenken")• kognitive Reaktionen ("cognitive response approach")
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• Aktuell: Theorien, die Prozesse mit niedrigem Aufwand und solche mit hohem Aufwand integrieren (Zweiprozessmodelle):– Elaboration Likelihood Model (Richard Petty)
– Heuristic-Systematic Model (Shelly Chaiken)
• Grundannahmen in ELM-Terminologie:– Kontinuum der der "Elaborationswahrscheinlichkeit" (EL) mit zwei
idealtypischen Prozessen: periphere und zentrale Route– Determinanten der EL: Motivation und Kapazität– Bei peripherer Verarbeitung bestimmen einfache Hinweisreize die
Einstellung; bei zentraler Verarbeitung die Qualität der präsentierten Argumente
– Zentrale Verarbeitung ist über kognitive Reaktionen vermittelt (vgl. "cognitive response approach")
• Schlüsselstudie zum ELM: Petty, Cacioppo & Goldman (1981)
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Petty et al. (1981): Hypothesen
1. Hoher Sachverstand des Kommunikators führt zu größerer Einstellungsänderung als geringer Sachverstand (periphere Route).
2. Überzeugende Argumente führen zu mehr Einstellungsänderung als schwache Argumente (zentrale Route).
3. Der Effekt des Sachverstands ist ausgeprägter bei geringer Involviertheit; der Effekt der Argument-qualität ist ausgeprägter bei hoher Involviertheit (Motivation als Determinante der Elaborations-wahrscheinlichkeit).
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Petty et al. (1981): Design
• Vpn hören eine Botschaft, die für zusätzliche Prüfungen an ihrer Uni plädiert. Später wird ihre Einstellung zur Einführung der Prüfungen erfasst (zentrale aV).
• Variation von drei Faktoren (uVn):• Sachverstand der Quelle:
- hoch vs. niedrig ("Carnegie Mellon Commission on Higher Education" vs. "a local high school class")
• Qualität der Argumente:- stark vs. schwach (z.B. statistische Evidenz vs. "Hörensagen")
• Involviertheit:- hoch vs. niedrig (Einführung "nächstes Jahr" vs. "in 10 Jahren")
© Gerd Bohner 2001Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis
Petty et al. (1981): Ergebnisse
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• Chaikens Heuristisch-Systematisches Modell (HSM) – Viele Übereinstimmungen mit ELM:
• Zwei idealtypische Prozesse
• Kontinuum des Verarbeitungsaufwandes
• Verarbeitungsaufwand bestimmt von Motivation und Kapazität
– Wichtige Unterschiede: • Heuristische Verarbeitung spezieller als periphere Route
• Explizite Unterscheidung qualitativ unterschiedlicher Motive (Streben nach Korrektheit; Verteidigung individueller Werte; Eindrucksmanagement)
• Annahmen zum Zusammenspiel der beiden Prozesse (z.B. Chaiken & Maheswaran, 1994).
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Chaiken & Maheswaran
(1994): Ergebnisse für
hohe Motivation
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• Fazit: – Beide Modelle hatten starken Einfluss auf die
Forschung.
– Wichtige methodische Neuerungen:• systematische Variation der Argumentqualität• Analyse von Gedankeninhalten bzw. -valenz
– Zahlreiche Studien belegen die Gültigkeit der Zweiprozessmodelle.
– ELM bildet breiteren Rahmen zur Einordnung empirischer Befunde; HSM ist zur Ableitung spezifischer Hypothesen besser geeignet.
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Verhalten als Bestimmungsfaktor von Einstellungen
• Reaktanz: erzwungene Verhaltensänderung bewirkt Einstellungsänderung in die entgegengesetzte Richtung
• Effekt der übermäßigen Rechtfertigung: hohe Belohnung für Verhalten kann intrinsische Motivation untergraben (Selbstwahrnehmungstheorie von Bem)
• Nicht hinreichende Rechtfertigung (Dissonanz): einstellungsdiskrepantes Verhalten ändert Einstellung in die Richtung des Verhaltens
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4. Konsequenzen von Einstellungen: Informationsverarbeitung
• Selektive Aufmerksamkeit: man wählt bevorzugt Informationen, die mit den eigenen Einstellungen kongruent sind
• Urteilsbildung: bei erzwungener Informationsaufnahme werden dissonante Informationen verzerrt (z.B. Quelle gilt als unglaubwürdig)
• Gedächtnis: kongruente Informationen werden besser erinnert, v.a. bei wichtigen Themen (Ausnahme: Gegenargumente können generiert werden, wenn man inkongruente Info erinnert)
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Einfluss von E. auf Verhalten
Wann stimmen Einstellungen und Verhalten überein?• Korrespondenzprinzip: E. und V. werden im gleichen
Spezifikationsgrad gemessen• Aggregationsprinzip: globale E. sagen aggregierte
Verhaltensmaße vorher• Theoretische Korrespondenz: wenn das, was bei der
Einstellungsmessung salient ist, auch bei der Verhaltensmessung salient ist (Beispiel: E. zu Getränk abhängig vom Image oder Geschmack)
• Bei starken Einstellungen
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Erwartung * Wert - Modelle
Theorie des überlegten Handelns (Fishbein & Ajzen):• Einstellungen und Normen sagen die Verhaltenstendenz vorher, diese
bestimmt das Verhalten
Theorie des geplanten Verhaltens:• Zusätzlich sagt die Verhaltenskontrolle die Verhaltenstendenz sowie
das Verhalten selbst vorher (diese Erweiterung ist wichtig bei schwierig auszuführendem Verhalten)
Erweiterungen der Theorie:• Früheres Verhalten bestimmt späteres Verhalten• Gewohnheiten bestimmen Verhalten
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5. Bezug zu Grundprinzipien der SP• Einstellungen repräsentieren den Aspekt der Bewertung
bei der subjektiven Konstruktion der Realität. Der subjektive Charakter tritt hier oft besonders deutlich zu Tage. Universalität sozialer Einflüsse wird deutlich an Einstellungsänderungen durch Kommunikation und als Ergebnis von Verhaltensänderungen im sozialen Kontext
• Verschiedene Motive (Kontrolle, Selbstwert, Beziehung zu anderen) steuern die Verarbeitung (im HSM: "Korrekt-heit", "Verteidigung", "Eindrucksmanagement").