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7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1969 - 1970
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Die Jahre 1969-1970: Sachlich kritisch optimistisch
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1969 197
c ic , rit isc , o t imist isc
Weltbild
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Gisela Oechelhaeuser: Sachlich kritisch optimistisch . .. 7
1Kapitel: Sachlich kritisch optimistisch 9
Jochen PetersdorfDas Echo 10
Peter Gauglitz
Ein Beschwerdefall 12
John Staveer Kulturobmann am Nagel 15
C U Wiesner
Frisör Kleinekorte als Verschönerungsrat 18
Werner Troegner
Kleines Organon für den perfekten Schauspieler 21
2 Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes
Humorvolles aus dem lltag 23
Inge Ristock
\Varenhausgeflüster 24
Johannes Conrad\\Tenn die Neugier nicht wär 25
Ernst RöhlSchall und Rauch 26
Klaus Lettke
Individualität 27
Angela Gentzmer
Oma \Vanda 11nd Opa Friedrich
Sketch mit Helga Hahnemann und Alfred Müller 28
Renate Holland-MoritzGing-ging-gong-gong 32
Lothar Kusche
Ein Leben mit der Seife
Peter Gauglitz
Schwein gehabt
John StavePferd 11nd \Vagen
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38
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Inhalt
3 Kapitel: Lernen lernen nochmals lernen
Als wir Schüler und Pioniere waren
Renate Holland Moritz
Kindergeburtstag
Ernst Röhl
Pünktchen und Anton
Peter Hacks
Schulstunde spielen
Ottokar Domma
Wie man die Ferien verleben kann
John StaveErziehungsmaßnahmen
4 Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen
Wir Werktätigen in Stadt und Land
Irmgard AbeTagewerk
Hanskarl Hoernjng
Cosi non fan tutte
Ulrich Speitel
Bauen auf unserer Klitsche
Peter Gauglitz
Zeit Zeichen
Jürgen HartAlle Jahre wieder
5 Kapitel: Heißer Sommer
43
44
48
49
s
53
57
58
62
64
67
69
Von Ostseestrand Datsche und Jugendclubs . 71
C U Wiesner
Kleines Haus am Wald
Renate Holland MoritzWozu ist der Garten da?
Erwin F B Albrecht
Kofferstudie
Rudi Strahl
Meeresbiologische Erkenntnis
John StaveOstsee Aussichten
Auf der Kurpromenade
72
76
79
80
81
82
5
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6. Kapitel: Höher, schneller, weiter
Sportlich sportlich
Ernst RöhlDie vierbeinigen Sport-Freunde
Hans KrauseKnockout
Ralph WienerEin bescheidener Herr
7. Kapitel: Unter vier AugenÜber Verliebte und Verheiratete
Hansjoachim RiegenringDie Verführer
Lothar Kusche
Diskretion am TelefonJohannes Conrad
Interview mit einem Kämpfer
Erwin F B AlbrechtMerkt euch diesen Anschluß, Männer
Klaus Möckel
Poesie
Ernst Röhl
Flüchtlings-Gespräche
Klaus LettkeFortschritt
8. Kapitel: Wo wir sind, ist vornEs geht seinen sozialistischen Gang
Ralph WienerStart mit Scheibenbremse
Klaus Möckel
Verkehrte ZeitungPeter EnsikatBerlinisch for Sie
Heinz Helm
s tropft
Ein ganz besonderer Saft
Zeittafel
Rechtliches
Inhalt
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93
94
96
100
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105
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110
112
114
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Die inheit von Kopf und Zwerchfell 7
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So wäre sie gerne gewesen, die größte DDR der Welt, Frontstaat des Ostens gegen den
übermächtigen Westen. In Berlin wurde der Fernsehturm gebaut. Unter dem Jubel der
ganzen Republik wurde jeder Nagel in den Zaun der Großbaustelle am Alexanderplatz
eingeschlagen. Die DDR hatte eine gepflegte Hauptstadt. Ihre Hinterhöfe, die Bezirks
und Kreisstädte, versteckte sie lieber. Sie feierte ihren 20. Geburtstag. Walter Ulbricht
schenkte seiner Lotte zu diesem Anlaß den Karl-Marx-Orden. In den offiziellen The
sen zum 20. Jahrestag lesen wir: »Die sozialistische DDR ist dem imperialistische est
deutschland um eine ganze Epoche voraus.« Die Anerkennungswelle der DDR began ·
Kambodscha, Irak, Syrien, die VAR, Sudan und der Südjemen waren die mutigen Län
der, die gegen die Hallstein-Doktrin verstießen und die damit riskierten, die Wirt
schaftshilfe des Westens zu verlieren. Die Anerkennung der DDR bereitete der BRD
nämlich einiges Kopfzerbrechen.
Auf der Feier zum 20. Jahrestag in der Werner-Seelenbinder-Halle verkündete derGenosse Leonid Breshnew, Generalsekretär der KPdSU, vor Gästen aus 84 Ländern:
» .. daß sich in der DDR ein vollkommen neuer Menschentyp herausgebildet hat, der
Erbauer der sozialistischen Gesellschaft.« Leider klaute auch der neue Mensch undbereicherte sich kräftig am Volkseigentum. Wenn er schon nicht wirklich neu war, der
neue Mensch, so war er doch wenigstens schnell. Karin Balzer lief innerhalb von drei
Monaten drei Weltrekorde über 100 Meter Hürden, und bei der Leichtathletik-Europa
meisterschaft in Wien errangen die Sportler der DDR vor der Sowjetunion die meisten
Medaillen.
Ebenfalls in den Thesen zum 20. Jahrestag lesen wir: »In der DDR ist der alte ' raumder Einheit von Geist und Macht verwirklicht.« So lautete die Theorie, und wie gernehätte ich das geglaubt. Unser Alltag aber wurde bestimmt vom Kampf zwischen Theo
rie und Praxis. Auch unsere Kabarettprogramme lebten von diesem Widerspruch.
Jürgen Hart, der Chef der »academixer«, setzte dagegen lieber auf die »Einheit von Kopf
und Zwerchfell«. In einer Parodie auf den Goetheschen Erlkönig streiten sich Theorie
und Praxis um einen Studenten.
Student: »Siehst, Theorie, du die Praxis nicht?
Ich bin gegen die Praxis nicht immun.«
Theorie: »Du bist bei mir, sie kann dir nichts tun ...Student, Student, laß uns schnell gehenIch bin für die Praxis, doch ich will sie nicht sehn «
Am 21.10.1969 wurde Willy Brandt Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Fünf Monate später trafen sich der Ministerpräsident der DDR, Willi Stoph, und der
Bundeskanzler der BRD, Willy Brandt, die beiden deutschen Willis, in Erfurt, um über
die Beziehungen beider deutscher Staaten zu reden. Tausende DDR-Bürger riefen be
geistert »Willi«, und zum Glück konnte man nicht hören, ob sie den mit » « oder den
mit »Y« meinten, oder eben alle beide.
Gisela Oechelhaeuser
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8
5
>>Hier haben Sie was
Schönes für Ihre Zei-
tung Da erübrigt sich
ja wohl jede Kritik <<
Sachlich kritisch optimistisch
ochen Petersdorf
Meister Spatz arbeitet als Echo. Jedoch nicht auf der Oberho
fer Höh oder in einer Felsspalte der Sächsischen Schweiz, sondern in den Spalten der Zeitung. Natürlich nicht hauptberuflich.
Welche Zeitung hält sich schon ein hauptberufliches Echo
Meister Spatz ist richtiger Meister, so wie es sich gehört. Er
leitet im »VEB Werkzeuge« eine Brigade, die sich mit dem Pro
blem des Entrostens beschäftigt. Ein wichtiges Problem und
nicht gerade die feinste Arbeit, wie
man sich denken kann. MeisterSpatz hat die Brigade im Zug. Diesnur als Vorbemerkung - damit
nicht etwa ein falscher Eindruckentsteht von Meister Spatz.Nun zu seiner Echo-Tätigkeit. Die
begann vor einigen Jahren. Es war
ein heller Sonnentag. Aber mehrdraußen. Drinnen in der Entroste
rei zog der Staub in Schwadendurch den Raum und teilweise
auch durch den Abzug, so daß man
auf den Redakteur Bernd Wetzererst aufmerksam wurde, als ermächtig hustete. Meister Spatz
ließ die Schmirgelscheiben und die
Entrostungstrommeln anhalten.»Wo brennt s denn?« fragte Spatzden Redakteur.In der Redaktion, sagte Wetzer.Das heißt, er sagte es nicht so di-
rekt, denn er war ja Redakteur.Aber er gab zu verstehen, daß ein Echo fehlte. Ein Echo aufden Wettbewerbs-Aufruf der Kumpels vom VEB 8. März.»Noch gar nicht gelesen«, sagte Meister Spatz.Macht ja nichts, erwiderte Bernd Wetzer. Er sagte das natürlich nicht so direkt, denn er war ja Redakteur. Aber es wäre
eben schön, meinte er, wenn der Wettbewerbsaufruf sofort ein
Echo fände. Mit den Feinheiten könnte man sich ja später
immer noch vertraut machen.
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Sachlich kritisch optimistis h
»Da ist was dran«, meinte Meister Spatz, »und ein Wettbewerb
ist j im Prinzip auch immer eine gute Sache.«
Aus den letzten drei Wörtern machte Wetzer die Schlagzeile
und berichtete dann noch recht anschaulich vom lebhaftenEcho, das der Wettbewerb vom VEB 8. März bei den Entrostern
um Meister Spatz gefunden hat. Auf dem Foto war zwar wegen
der Staubschwaden so gut wie nichts zu sehen, aber weil dieLeser solche Fotos gewöhnt waren, wirkte alles sehr natürlich.
Ein paar Monate später machte der VEB 1. Mai von sich reden.
Mit einer großen Betriebssportinitiative. »Gesundheit«, rief Mei-
ster Spatz, als Redakteur Wetzer in der staubigen Entrosterei
nieste. Unter dieser Schlagzeile berichtete Wetzer tags darauf
vom lebhaften Echo, welches das Sportprogramm des VEB
1. Mai bei der Brigade Spatz gefunden hat. Den Volkskunstauf
ruf vom VEB 7. Oktober hatte Meister Spatz bereits morgens
in der Straßenbahn gelesen. Deshalb brauchte Redakteur Wet-zer diesmal erst gar nicht lange in der Entrosterei herumzuhu
sten, sondern konnte das Echo bereits um 9 30 Uhr telefonisch
entgegennehmen.Die telefonische Echo-Arbeit wurde von beiden Seiten als sehr
angenehm empfunden und beibehalten.Im Laufe der Zeit qualifizierte sich Meister Spatz so weit, daß
Redakteur Wetzer kaum noch etwas zu redigieren brauchte
und den Echo-Ruf gleich zur Druckerei durchstellen konnte.
Mit dieser Methode war er den anderen Redaktionen natürlichum Längen voraus, was i m allerlei Neid einbrachte. Meister
Spatz jedoch war in letzter Zeit sichtlich verstimmt. Seit Wo-
chen war nichts sonderlich Begrüßenswertes herausgekommen. Eine ausgesprochene Dürre.
Mißmutig stapfte er durchs Werktor. Da hörte er, wie der Pfört
ner zu einem Kollegen sagte: »Es war auch Zeit, daß die Jungs
mal was unternehmen betreffs Kultur am Arbeitsplatz.«
»Kann ich mal telefonieren«, fragte Meister Spatz. Der Pfört
ner reichte i m den Apparat durchs Schiebefenster. Als Re-
dakteur Wetzer Spatzens Stimme hörte, stellte er gleich zurDruckerei durch.
Heute früh las Redakteur Wetzer in seiner Zeitung den Be-
schluß der Entrosterbrigade Spatz, ihre Arbeitshalle staubfrei
er und kulturvoller zu gestalten. Wie weiter mitgeteilt wurde,
hat diese Initiative bereits ein lebhaftes Echo gefunden, das
man auf Seite zwei lesen könne.
Da mußte Bernd Wetzer unheimlich husten.
Zwei ehemalige
Direktoren begeg
nen sich im Ge-
fängnis. »Wo warst
du Direktor?«-
»Ich war Zirkus
direktor « - »Und
warum bist du
hier?«- »Ich habe•m vergangenen
Oktober ein Transparent am Zirkus
anbringen lassen.«
- »Und was stand
drauf « - »20 Jahre
DDR - 20 Jahrevolkseigener Zir-
kus Und du? «-
»Ich war Direktor
einer Textilfabrik
und hab auch einTransparent anbringen lassen.« -
»Und was stand
drauf?« - »Jeder
zweite Genosse einSpinner «
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12 Sachlich kritisch optimistisch
Peter Gauglitz
Letzte Woche trat ich meinen Dienst in der Kundendienst
abteilung des zentralen Warenhauses an.
»Wrr ziehen zur Zeit gerade den Monat der konsequenten Be-schwerdenachgehung durch«, steckt mir mein Leiter und läßt
auch was von Pluspunkten für gutes Nachgehen fallen. Kurzdarauf tritt ein Mann im Lodenmantel bei mir ein, nicht mehr
der Jüngste, der Herr Kunde. Ich biete ihm Platz, w o r ~ er sich
setzt und seinen grünfilzigen Hut zwischen den Händen dreht.
Gespannt frage ich ihn, welcher rt sein Anliegen sei.»Ich wollte mir ein Pfund Pflaumenmus in Papier kaufen«, er-widerte er, »oben bei Genußnahrungsmittel, aber der Fahrstuhl
ist nicht gefahren.«
»Und darüber«, nehme ich das Wort, »wollen Siesich beschweren?«
ualitätseinbrüche dürfen nicht auf
der Kappe der Endverbraucher lasten»Türlich, ist doch ne ziemliche Schlamperei«, sagt
er heftig,»das kann gar nicht laut genug ausgesprochen wer-den.«Flüssig notiere ich »Fahrstuhl verkehrt nicht « und sage:
»Immer dieser Fahrstuhl. Beine werde ich ihm machen. Beine «Der Lodenmantel blickt mich dankbar an. »Das haben Sie feingesagt«, sagt er. »Immer rauf aufs Schlimme Wenngleich ... «»Wenngleich?«»Nun, es ging auch so. Ohne den Fahrstuhl. Und wenn ichs
richtig überlege, wars gar nicht mal so übel, daß er nicht ge-fahren ist. Ich bin nicht die Treppe zu Nahrungsmittel raufge
stiegen, sondern unten geblieben. Im Erdgeschoß.«
»Ja, unser Erdgeschoß ... « werfe ich hin und streiche die Fahr
stuhlbeschwerde weg, »ist auch nicht ohne. Und hatten Sieetwa einen guten Einkauf?«
Der Lodenmäntelige stülpt sich den grünen Hut übers Knie.Jetzt hat er die Hände frei, breitet die Arme aus und zeigt mir
die leeren Handteller. »Einkauf? Wieso? Als ich kam, waren ge-rade Dosenöffner reingekommen. Richtige Büchsenöffner mit
spitzer Schneide, Kollege Ich stellte mich also an, und wie ich
endlich an die Reihe kam - entschuldigen Sie meine preußische
Ausführlichkeit, meine Eltern waren alles Potsdamer - da
sticht mich doch der Hafer, und ich erkundige mich, wie soeine Büchse mit dem Öffner aufgemacht wird. Leider hatten sie
keine einzige volle Büchse bei der Hand, nur zwei leere ...«
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Sachlich kritisch optimistisc_h
Unverzüglich verurteile ich die lückenhafte Handelsweise,
werfe »Keine bindende Kooperation Öffner - Vollbüchse - Ver-kaufskultur? «aufs Papier und bemerke: »Jawohl, die Beschwer
de leuchtet mir vollinhaltlich ein «»Nicht wahr«, sagt der Beschwerdeführer, »dagegen kann mangar nicht scharf genug, da muß man ... Wenigstens einerseits.
Andererseits ... «»Ja, bitte?«»Es hat auch wieder sein Gutes gehabt,
•ganz pnma sogar ... «
Enttäuscht betätige ich mich als Streicher von Beschwerden. Und der Mannerläutert mir ausführlich, was an demSchlechten das Gute war: Mit demBüchsenöffner wäre er gewiß losge
stiefelt und hätte nie im Leben amStrickstand ein paar hellrote Pulswär
mer aus Zellwollgemisch der Größe 48erstanden. Leider aber wären ihm diesebeim ersten Waschen bereits so einge-gangen, daß er sie doppelt gemoppelt
als unelastisches Uhrenarmband habe
tragen müssen Diesen nun, wahrhafthaarsträubenden Beschwerdefall vor
Augen, frage ich klipp und scharf: »Her-steller, Produktionsnummer, EVP? Mo-ment, ich läute gleich mal zum Einkauf
rüber - der kann sich vielleicht auf was
gefaßt machen «
1
•
»Was sein muß, muß sein«, erwidert der Grüne. »Aber trotzdem
wars schön - ach, wenn Sie wüßten, wie schön es war «»Wo? Etwa in den eingelaufenen Pulswärmern?«»Wieso Pulswärmer? Die hatte ich doch eine Woche später
schon ... «»Umgetauscht?« frage ich resignierend und ziehe den Finger
aus der Wählscheibe zurück.»Nein, bewahre, umgetauscht hat sie mir keiner.«Endlich, endlich wird mir klar, worüber sich mein Besucher
beschweren will: Für jene schundbaren Pulswärmer, Zellwoll-gemisch hellrot, wurde ihm, dem Kunden, kein Regreß
gewährt »Qualitätseinbrüche dürfen nicht auf der Kappe desEndverbrauchers lasten«, notiere ich begierig und lese meinen
Text dem Manne vor.
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»Was ist Philoso. hie?«»Wenn man mit
verbundenen. Augen in einem
verdunkelten Zimmer nach einerschwarzen Katzesucht.«»Und was ist derUnterschied zwischen materialistischer und idealistischer Philosophie?«»Materialisten
suchen n einem· dunklen 'Zimmer
mit verbundenen
Augen nach einerschwarzen Katze,die wirklich da ist.Idealisten suchenim gleichen Zimmermit verbundenen
Augen nach einerKatze, die gar nichtda ist.«»Und wie ist dasmit den DDR-Philosophen?«
Die suchen im .gleichen Zimmermit verbundenenAugen nach einer
schwarzen Katze,die nicht da ist,
·und rufen dabei
laut: Wrr haben dieKatze gefunden <«
sachlich kritisch optimistisch
»Richtig« sagt er. »Sie sagen es «Der festen Meinung, meinen Beschwerdefall unter Dach undFach zu haben, erkunde ich nebenher, was eine Woche später
denn gewesen wäre.
»Da hatte mir die Kollegin vom Wollestand die Pulswärmer
schon etwas angestrickt, gleich nen ganzen Pullover, obendran. Mit Norwegerhirschmuster.« Der lodengrüne Mann läßt
eine Pause eintreten, in deren Verlauf sein Gesicht sich mehr
und mehr verklärt. »Ja, ja, Verkäuferinnen gibts ... «
»Und wieder keine Beschwerde?« frage ich erschüttert und
streiche schon immer.»Nein«, sagt mein Visavis.
»Dann nennen Sie mir wenigstens den Namen der Kollegin. Er
kommt an die Wandzeitung, wegen hervorragender Kundenbetreuung.«
»Geht nicht. Gertrude ist weg. Nicht mehr im Kaufhaus.«Nun werfe ich, stark erschöpft schon, ein, auch das wäre der
Vorwurf einer Beschwerde. »Der Kunde gewöhnt sich an ein
freundliches Gesicht, und plötzlich ist es weg, verschwunden- elende Fluktuation «
»Ja, ja«, sagt der Mann. Das wäre nicht gerade angenehm. Jedoch das liebe Leben spiele nun mal so. »Nichts dran zu machen.«»Sie verzichten also wieder?« frage ich auf neunundneunzig.
»Klar, ich habe Gertrude doch geheiratet. Wir haben drei Kinder, Kollege, eins ist schon verlobt - mit nem ersten Verkäufer
sogar - und als der Fahrstuhl nicht fuhr, das ist nun auch
schon an die neunzehn, zwanzig Jahre her.«»Dann wollen Sie sich, in drei Teufels Namen, überhaupt nicht
beschweren?« frage ich und lasse alle Höflichkeit fahren.
»Doch, doch«, sagt mein Gegenüber. »Klar, will ich - und wie «»Nun sagen Sie bloß noch«, sage ich gereizt, »Über das Warenhaus vor neunzehn, zwanzig Jahren «
»Nein, über heute.«••
»Uber heute? Da rede ich die ganze Zeit mit Ihnen über heute,
und Sie meinen immer die Jahre von vorgestern - Herrgott
chen im Obergeschoß, was solls denn sein?«»Pflaumenmus«, sagt der Grüne. »Aber nicht die Konfitüre imGlas, sondern Mus in Packpapier. Das war damals um vier
Pfennig billiger ... «
Na endlich Die Kampagne und meine Pluspunkte waren gerettet.
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Sachlich, kritisch optimistisch
John Stave
»Ich mache jedenfalls den ganzen Zauber nicht mehr mit «
erklärte Bramberg kategorisch. »Ich hab mich damals breit
schlagen lassen: Bramberg, du bist der richtige Mann, du hastAhnung, du bist belesen, du schaffst das. Wir legen den Kul
turobmann in deine Hände So schmieren sie dir Honig ums
Maul. Natürlich, das hört jeder gerne: Wir brauchen dich Aberjetzt häng ich alles an den Nagel. Solln sie sich selber um ihre
Bildung kümmern. Ich habe über fünfzig Bücher zu Hause, undjetzt hab ich auch wieder Zeit für mein Theateranrecht und so
weiter.
':
. . -· -
. .1_
- ' '"
Weißt du, was sie dir obendrein noch machen? Frühjahrsputz
Vorwürfe - so siehts aus Da kann ich mich richtig erregenIch hab den Bildungsplan aufgestellt für letzten Monat. Ichhab manche freie Stunde rangehangen nur damit alles klappt.Und der Dank? Keine Resonanz. »Ich muß meiner Frau bei der
Wäsche helfen, ich muß die Kinder vom Kindergarten abho-
len, ich muß zum Durchleuchten, ich muß das und das und die-
ses und jenes.« So drücken sie sich. Aber wenn du dann mal
in die Oase reinsiehst, da sitzen sie in dem ganzen Qualm undtrinken Bier.
15
-- .. .
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16 Sachlich kritisch optimistisch
Ich mach das nicht mehr mit Ich kann auch mein Bier in der
Oase trinken, wie jeder andere auch. Ich kann auch sozusagen
meiner Frau bei der Wäsche helfen oder die Kinder gewisser
maßen abholen. Mit ein bißchen Phantasie geht alles. Man
macht sich ja lächerlich
Der Kollege Zwack zum Beispiel machte ein ganz süßsauresGesicht, als er mir die Vorteile des Kaufhalleneinkaufs
schmackhaft machte. Ich hatte dreißig Stühle schön halbrund
aufgebaut, aber kein Aas kam. Frieda Zibulski konnte ich nocham Schürzenzipfel erwischen, die kennst du auch. Ich sage,jetzt türmst du, aber der Vortrag ist wichtig für dich. Jetzt muß
ich einkaufen, sagt sie und reißt sich los. Noch schlim-Der Fernsehturm fiel vollkommen mer war die Sache am 28. Alles für die jungen Leuteins Wasser, weil Nebel war. organisiert. Der Kollege Scherbarth ist ein Phänomen
unter den Frisören, der Stolz der ganzen Innung Ichmußte regelrecht um ihn kämpfen. Drei Tage war ich alleine
deswegen unterwegs, alles für die Jugend. Und der Dank? Ichsaß alleine da, vollkommen alleine Aber das war noch nicht
das schlimmste. Wenn ich wenigstens Haare auf dem Kopf ge
habt hätte
Den Meister Scherbarth kriegen jedenfalls keine zehn Pferde
mehr in unseren Betrieb.
Der Doktor im Tierpark hatte noch obendrein Glück im Un-
glück. Gerade als ich ihm mitteilen wollte, daß kein Aas dawäre, kommt eine Rentnerbrigade mir wie gerufen und fragt,
ob sie im Extraraum Platz nehmen und Kaffee trinken könn
ten. Der Doktor Weber wundert sich natürlich, daß wir so ein
überalterter Betrieb sind. Gerade wir von der Elektronik, aber
wie er dann für seine Spitzschwanzelfen so riesigen Applaus
erntet, hat er das Alter vollkommen vergessen. Ich hab das
Dankschreiben von ihm noch oben, das kann ich mir an die
Wand nageln. Natürlich - ich hätte auch lieber was über Ele-
fanten, Nashörner, Löwen, Tiger, Känguruhs oder Schlangengehört, aber der Doktor Weber war der einzig greifbare MannAnfang des Monats, und er kann eben nur über Spitzschwanz
elfen, helf er sich. Ich war viermal deswegen auf dem
Gelände. Vier Abende, wo ich auch lieber in der Oase gehockt
hätte
Bei den Dachrinnen waren außer mir zwei ganze Personen,
der rothaarige Mechaniker Polzin und die kleine neue Botin,
die auch den Fahrstuhl mitunter führt und so ein bißchen hum-
pelt, aber kein Interesse für Dachrinnen und daß man sich
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sachlich kritisch optimistisch
dabei anseilen muß. Dauernd gequatscht, so daß ich ein paar
mal ordentlich zischen mußte.Der einzige der Referenten, der noch so ein bißchen mensch
lich mir gegenüber reagierte, war der Kollege Bade mit seinem
Kastenrudern, mit dem er j schließlich auch selber ankam.
Wilhelm, sagt er, mach dir nichts draus, wenn keiner kommt.
Es ist j nur gesellschaftliche Arbeit. Zu mir kommt fast nieeiner, höchstens mal aus Versehen. Aber ich hab trotzdem wunderbare Urkunden ...
Ich lehne das jedenfalls ab. Ich will Resonanz Zum Beispiel
auf den Rieselfeldern. Die Kollegin Pauske - noch eine sehr
reizvolle Dame Anfang fünfzig -, die die Führung machen sollte, war richtiggehend eingeschnappt. So ein interessantes
Thema, sagt sie, das wirklich jeden angeht Die kennt die Rie
selfelder, sag ich dir, wie ihre eigene Westentasche, muß na
türlich auch immer entsprechend Parfüm anspritzen. Rats auchnicht leicht Ich hab sie dann in den Marzahner Krug eingela
den, und da hat sie mir die ganze Geschichte vom Urschleiman erzählt, daß die Sache in Zukunft geklärt wird und so wei
ter. Hinterher wollte sie sich beinahe noch sofort mit mir ver
loben , weil ich so ein verständnisvoller Mensch wär. Brüderschaft war schon, aber ich hab dann lieber schnell bezahlt,
dann rein in den 0-Bus, weg war ich erst mal.
Der Fernsehtunn fiel vollkommen ins Wasser, weil Nebel war,
und bei den ägyptischen alten Steinen, war ich nicht auf demPosten, weil ich mich auf dem Rieselfeld vielleicht doch etwas
erkältet hab. Na ja, das ist j nun alles vorbei. Schon wegen
der Vorwürfe, die sie dir hinterher noch obendrein machen.
Hast du mit den Kolleginnen und Kollegen denn vorher disku
tiert? Hast du nach ihren Interessenkomplexen gefragt? Ichsage, da hört sich alles auf Ich kenne die Interessenkomple
xe: Oase, Fernsehen und so weiter. Ich war schon zufrieden,
daß ich die ganzen Vorträge und Exkursionen soweit alle unter
Dach und Fach hatte. Wenn ich noch jeden vielleicht extra ge
fragt hätte, hätten wir Weihnachten Kastenrudern können oder
zum Friseur gehen. Bei mir ist der Bart jedenfalls ab
Weißt du was? Ich pachte mir ein Häuschen an den Rieselfel
dern, und dann wandre ich mit Kollegin Pauske drüber hin. Und
ab und zu reinige ich die Dachrinne - ich weiß ja, Gott sei
Dank, Bescheid, wie das geht - und halte auch selber Vorträ
ge darüber. Wenn du erst mal Kulturobmann bist, kannst du
dich bei mir anmelden
17
Aus Solidarität mitder Sowjetunionerklärt die DDR
der VolksrepublikChina den Krieg.
In Peking wundert. .
man sich undschickt ein Tele
gramm »Bedenkt,ihr seid ein Volk
von 17 Millionen.Vielleicllt habt ihr
.
i
ejne Million unter ,: -Waffe r r dage- -
gen sind eineMilliarde undhaben 1_7 Millionenunter Waffen. 'lVollt .
ihr wirklich gegenuns antreten?<< .
In Berlih tr tt dasP-0litbüro zusam-
. .
men, beratschlagtund schickt ein
.
Alltworttelegfammfolgenden Inhalts:»Ziehen:die Kriegs
erklärung zurück.Wrr wüßten nicht,wohin mit so vielen
Kriegsgefangenen.« .. . • '
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18 Sachlich , kritisch, optimistisch
C U Wiesner
„
tlS t OI O
tlors Ö o r ~orto a s
srat
Nehmse Platz, Herr Jeheimrat Was gibsn Neues aufm Bau?
Wieder Nachtschicht gehabt? Was mir betrefft, ick werd wohlheut auch nich pünktlich Feierabend machen können, indem nä-
mich die janze Koppverschönerung sozusagen auf meine ge-
brechliche Schultern beruht. Nu werdense vielleicht denken,
Herr Kafforke sitzt wieder im Blauen Affen, sauft rum und bla-
miert seinen greisen Meister mittels dumme pullitische Reden,
wovon er sowieso nischt versteht. Aber nee - dazu hat er dies
mal jar keine Jelegenheit. Ick hab ihm nämich als meinen De-
lektierten versandt, nein, nich aufm Deutschen Frisörkongreß,
wo es bei Lichte besehn gar nich gibt. Nein, auch nich zumSchaufrisieren. Wo denkense denn hin Kuckense sich doch
mal Kafforkes Mohrrübenfinger an, den laß ick doch nich mal
an meine alten Stammkunden· ran. Na, nu haltense mal stille
und sindse nich so neugierig Dis isjewissermaßen einJeheim
nis, und ick bin doch keine Quasseltante, deß ick so was ausplaudere, wo es noch dazu obendrein um ne ziemlich brenzli
che Sache betreffen tut. Sagense mal, ham Sie eigentlich dieseSchampanje verfolgt, wo es als Motto immer lautete: Schöner
unsere Städte und noch ville schöner unsere Jemeinden? Wört-lich krieg icks auch nich mehr beisammen. Man erzählte sich
ja sojar, deß der Majistrat 'n künstlichen Mond an Fernsehturm
ranbammeln wollte. Wie ick Ihre Glatze noch tarnen soll, weiß
ick bald auch nich mehr. Na, jedenfalls soll et nur daranjeschei
tert sind, desse nich wußten, wie se dis mit die einzelnen Mond-
phrasen hinkriegen. Also wenn Se mir fragen, ick find den Na-
turmond ville preiswerter, jedenfalls solange, wie der Ami nich
wirklich anfängt, unsern blassen Heinrich da oben parzellen
weise an seine Mülljonäre zu verscheuern. Herrjottnochmal, icksag ja gamischt gejen die wüssenschaftliche Leistung, aber
mitm Sack voll Mondklamotten als Jebrauchsmuster fängts anund - nehmse mal den Kopp 'n bißken runter, sonst werdense
am hellerlichten Tage noch mondsüchtig, und ick verschnippe
le Ihnen noch den spärlichen Rest.
Moment mal Muttern, jeh doch mal kicken, ob sich Herr Kaf-
forke immer noch so dusselich anstellt Wenn nich, kannste
ihm auch n Töppchen Kaffe bringen. Tschuldigense, also
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Sachlich, kritisch optimistisch
wie jesagt, mir intressiert der Mond nich fürn Sechser. Ickkomm ja doch nich mehr rauf - und darum bleib ick lieberaufm Teppich. Sehnse, zum Beispiel die janze Verschönerungskiste, in Berlin, dis hat mir eigentlich richtigjehend jefreut, undda war ick auch mal ausnahmsweise von Anfang an nich da-gejen. Wenn Se sich noch erinnern sollten, ick hab schon vor
zwanzig Jahre zu meine Stammkundschaft jesagt, wenn diehier im Laden meckerten: Paßt mal auf, dis kommt noch villeschöner Hab ick natürlich janz anders jemeint, wo ich dochdamals nich wissen konnte, deß der Staatsrat dis janz wörtlich nimmt.Ick selber hab ja schon immer sehr auf Reinlichkeit jehalten,schon weil unsereinen die Hügüneordnung dis so vorschreibtAber son Reinemachefimmel wie beinah alle Berliner auf einenHaufen, den kriegt Muttern beispielsweise nur im Frühjahr.
Momentan siehts ja nu ziemlich manierlich inne Stadt aus,Jrünanlagen, Blumen schmuck und natürlichmeine Laube nichzu verjessen, wo ick eijenhändig neu anjepinselt und mit neueKletterrosen versehen habe. In jewisse Weiseisses aber auch zu einige Übertreibungen je-kommen wo ick mir sage, dis hätte nich seinbrauchen. Wissense, auf die eine Seite machtder Staat immer so mächtig auf der Arbeitertra
Dit war die jünstige Jelegenheit den
Staatsrat zu zeigen det ick würklich
auch alleine mitrejiere.
dition und wünscht in alle Fernsehspiele , deß man sich auf i rbesinnt. Und wie sieht die Wirklichkeit aus? Grade hier unsreGejend wo immer mehr so ein Proletenviertel war, was mani m auch ansah . und plötzlich kommense und kloppen dieletzten schönen vennurkelten ollen Fassaden runter und ver-putzen alles wie son richtigjehender Neubau. So werden einenebent die letzten Erinnerungen jenommen. Kaufmann Uppen-dahl wird Ihnen doch 'n Bejriff sind? Jenauso 'n privater Felsinne volkseigene Brandung als wie icke. Und über sein Ladenprangt immer dis Schild Colonialwaren. Gott wissense, der
olle Mann is ja so charakterlos. Dis schöne Schild, noch vonsein Opa eigenhändig jemalen, dis hat er sich überpinseln lassen. Bloß weil ihm die Natzjonale Front bei diese Gelegenheitgleich sein janzen Laden mitrenoviert hat. Janz so dusseligisses freilich auch nich. Kolonien gibs hier schon lange nichmehr; aber schließlich hamse bei uns auch die Herren abje-schafft - könnense mein Jedankenjang noch folgen? Ich über-lege ja auch schon dauernd, wie ick am jünstigsten unsere olleKüche renovieren lasse. Wenn ick mir nu bei die Natzjonale
19
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Zwei Schulfreundetreffen sich nachlanger Zeit wiederund erzählen, wasaus ihnen beruflichgeworden ist. Dereine, ein Stotterer,berichtet: »Ei-ei-ei
eigentlich wo -wo wollte i-i-ich ja Ru
Ru-Rundfunksprecher werden ... «Der andere: »Und
warum bist du esnicht geworden?«-»Wei-wei-weil i-i-ichni-ni-nicht i-in derP-P-P-Partei bin.
Sachlich kritisch , optimistisch
Front erbietig zeigte und sagen täte, die sollen statt Wtllem
Kleinekorte Herrensalong dreiste ranpinseln: KleinekortensWerktätigenverschönerung?Aber vermutlich würdense denn kommen und sagen: Der jroßeJeburtstag von ne Republik is vorbei, jetz gehts wieder ohne
Musike, und nu ham wir schon wieder janz andere Sorgen, alswie unsere Städte noch ville schöner zu machen. Die Mensch
heit is ja manchmal so kurz von Jedanken. Jestern hab ick mirmit Albert Wuttken, den Wirt von HO Blauer Affe, inne Wolle
jehabt. Wissense, wenns da nich so jemütlich wär, würd ick ja
in diesen ollen Räucherschuppen jar nich mehr verkehren. Al
bert, sag ick eijentlich könntste mal 'n paar neue Jardinen an
schaffen und 'n paar Vasen auf die Tische stellen, die paarHerbstastern spendier ick sojar aus mein }arten. Wie er mir dar
aufhin wie son anjeschossener Rehbock ankickt, werd ick mirdoch zu die Äußerung hinreißen lassen: Sinngemäß - dennsprech ick immer janz fein - hat der Staatsrat nämlich auchgemeint: Schöner unsere Eckkneipen Wissense, was Wuttkemir jeantwortet hat? Die janze Aktion is längst abjeblasen, unddis weiß er aus sicherste Quelle, von einen Majistratsangestellten, der jesagt hat: Endlich hamwa wieder unsere Ruhe
Mir hat dis ja nu keine Ruhe jelassen. Erstens war ick von
Natur aus schon immer 'n Schönjeist, und zweitens war dis die
erste jünstige Jelegenheit, den Staatsrat mal zu zeigen, deß ick
würklich auch alleine mitrejiere, zumündestens hier bei uns insHaus, da bin ick denn in solche Fälle wie Julius Cäsar. Ick alsojestern abend noch alle greifbaren Hausbewohner zusammenjetrommelt, Fritze Ladenthin, Dokter Lielke und so. Denn habickjeden erst mal 'n Doppelten einjeschenkt, mit se meine Ab
sicht nich so schnell durchschauen, und denn schlängelte ickmir so pöapöh an meinen Jeheimplan ran: Wie wärs denn, wennwir unsern ollen Hinterhof mal alle zusammen renovieren wür
den? Wissense, und nu kommt da 'n Buddelkasten für die Jören
hin dazu 'n Kletterjerüst und 'n klitzekleines Stück Rasen mitzwei Bäumchen. Die hab ick direkt überrumpelt, wo ickja auchnoch mitm guten Beispiel voranjegangen und für heute nachmittag Herrn Kafforke zum Dreckwegkarren delektiert habe.Sehnse, auf die rt jeh ick ebent doch meine eigenen Wege.
Aber erzählnses bitte nich weiter, sonst kriegt mir womöglich
der Majistrat anne Hammelbeine, weil ick so einfach ohne An
weisung die Verschönerungsschampanje auf eigene Faust ver
längert habe
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Sachlich, kritisch optimistis<;h
Werner Troegner
I OS
p r o to
Der Sprung von der Schauspielschule zum großen Ruhm ge-
lingt selten auf Anhieb. Es fehlte bisher eine wissenschaftliche
Anleitung. Allen ambulanten Verleihern von Geste, Mimik und
Stimme kann demnächst hilfreich unter die Arme gegriffen
werden. Ein sechsbändiges Standardwerk erscheint im Verlag
»Kunst und Karriere, Kalau«. Die nachfolgenden Ausführun
gen sind als Verlagsprospekt zu betrachten.
Band 1: Grußrecht und Grußpflicht. Für alle Spar
ten mit Anhang Kleinkunst.
Allgemeine Grüßordnung (darstellendes Fach).
Den Intendanten: Ernst grüßen. Kinn etwa 15 Se-
kunden unten lassen. Kann verkürzt werden, falls
dein Vertrag verlängert wurde. Unhöflichkeit zahlt
sich nie aus. Er hat den längeren Arm.
Den Regisseur (fest verpflichtet): Wenn du bleiben
willst, freundlich grüßen. Dazu empfehlen sich ei-
nige Worte über die letzte gemeinsame Arbeit,
etwa: »Schwerer Brocken Hat aber viel Spaß ge-
macht, viel gelernt Endlich mal gearbeitet wor-
den.« Wenn dein Bleiben sicher ist, genügt einnett-kollegialer Gruß. Dazu vielleicht Floskelnwie: »Aber nicht wieder nur die Wurzen, bitte «
oder »Daß du dem die Rolle geben konntest Da
hätte ich dir aber was anderes draus gemacht.«
(Stimmt immer. Wenn du gehen willst, grüße trocken und iro-
nisch. Dazu paßt dann: »Woanders wird das Stück vor der Pre
miere erst einmal inszeniert « Oder: »Gelernte Regisseure
kenne ich schon aus Perleberg.« Oder: »Man müßte irgendwo
mal wieder künstlerisch arbeiten können «Den Regisseur (als Gast tätig), wenn er a von einem größe
ren Theater kommt: Gruß geradezu herzlich. Du hast alle seine
Inszenierungen gesehen und findest sie »einfach toll«. Rede-
wendungen: »Ja, bei Ihnen wird künstlerisch gearbeitet Sie
holen aus den Leuten alles raus.« Kommt der Gastregisseur b
von einem mittleren oder gleichwertigen Theater, so wird ein
freundlicher Gruß in den meisten Fällen als ausreichend ange
sehen. Dazu dann: »Ich werde hier immer unterschätzt « oder
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Kabarettist und Schau-
spieler Werner Troegner
gibt in seinem Kleinen
Organon« hintersinnige
Ratschläge für die Kolle-gen Schauspieler.
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•
-
Aber sauen Sie nicht
alles wieder ein In
einer halben Stunde st
Feierabend < <
•
lles zum Wohle des Volkes
lnge Ristock
Morjen. Hat schon jemand gemerkt, daß ick zu spät bin? Mann,
seh ick aus Mann, is mir schlecht Ick hab vielleicht 'ne Nachthinter mir Also det muß ick dir erzählen. - Strumpfhosen?
Könn Se nich lesen? Ein Stock höher. - Blöde Kuh. Bei der Jah-reszeit Strumpfhosen Wo war ick stehngeblieben? Ach so: Ick
bin ja so unglücklich Gestern war ick doch bei der Manuela
aus de Miederabteilung zum Jeburtstag. Dis is vielleicht 'ne ar-
rogante Zicke Da war ooch ihr Kusäng, so 'n richtig einjebil
,
-
deter Pinkel. Jab furchbar an mitseim 'frabant, den er bestellt hat
Na, dachte ick, bei mir blitzt du ab.
Und richtig, will mir doch der Mak-
ker nach Hause bringen JungerMann, sage ick - ganz Dame, ver-
stehste? - ich bin ein anständiges
Mädchen, und vor der Düre stehn
und so is bei mir nich. Also sind wir
zu ihm. - Wenn die Zicke da drüben
jetzt zu mir kommt, also die bedien
ick nich. Die hat sich doch neulich
fünf Perlonblusen zeigen lassenund dann nich mal 'n Knopp je
kooft. Jetzt geht se zu'n Mänteln. -
Wo war ick stehnjeblieben? Ach so:
Bei ihm inne Wohnung. Eine Liege
hat der Gelb und lila. Aber zuessen hat er mir nischt anjeboten.
Hätt ja ooch nischt jenomm. Ick
wollte den Kerl ja nur verladen. Er
war ja so janz nett, aber ick bliebuff Distanks. Na, hör mal, man
weiß ja, was man sich schuldig is - Unterröcke? Da drüben.
Selbstbedienung. Steht dran. Aber wühln Se nich alles durch
einander, wir ham jestem erst sortiert. Wenn Se Ihre Größe
nich wissen, kann ich Ihn ooch nich helfen.
Um einsen wollt ick jehn. Da merk ick doch, daß ick mein
Haustürschlüssel vergessen hab. Eigentlich hatte ick ihmjajar
nich vergessen, aber ick dachte es. Er war inner Jackentasche.
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lleszum Wohle des olkes
Natürlich laß ick dummes Schaf, naiv wie ick bin, mir überre
den zu bleiben. Na, hör mal Ick steh doch nich sechs Stunden
im Rejen vor meiner eijenen Hausdüre Hätt mir ja'n Dood je-holt N e, Klingel is nich. Denn hab ick ihm 'n paar jelatscht
Warum? Mann, Kollegin, bist du aber naiv - Pullova ham wir
nur janz teure und janz billige. Und nur in Grün und Rosa. N e,in Blau nich. - Also, Freddy, hab ick jesacht, so heißt er näm-
lich. Und wenn man schon Freddy heißt, is bestimmt was faul
Freddy, wir kennen uns erst seit fünf Stunden und überhaupt:
Beim ersten Male nie Da hab ick meine Prinzipien. - Kostü-
me? Da hängen se doch. Die passen Ihnen sowieso nich. Die
sind nur für Schlanke. - Und jetzt kommt der Gipfel: Früh um
fünfe haut mich Freddy raus. Seine »Schwester« käme um sech
se von Schicht. Da hab ick ihm noch 'n paar jelangt. Warum?
Weil dis eine hundsjemeine Jemeinheit is Also Männer jibs,
nee Keene Moral im Leibe. Natürlich war nischt, weil ick nichwollte. Mir is janz schlecht. Hoffentlich krieje ick keen Kind.
Wo doch mein Bräutijamm seit acht Wochen uff Lehrjang is ...
Apropos Lehrjang. Weißte schon, daß wir alle 'n Lehrjang zurHebung der Verkaufskultur besuchen solln? Als ob wir nich
schon so jenug um die Ohren hätten.
Wo t t dio OIAtJior tieAt wär
Heute morgen schaltete ich wie üblich die Nachrichten des Ber-
liner Rundfunks an.In der Spitzenmeldung teilten mir die Kollegen Nachrichtenre
dakteure mit, daß drei Zwimerinnen des VEB »Spul mit «den
doppelten Auerbachknoten entwickelt haben, der so gut wiemaschenfest ist und einen jährlichen Nutzen bringt.
Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen schaltete ich
daraufhin die Nachrichten aus und eilte beschwingt zur Arbeit.
Im Betrieb erfuhr ich von einem Kollegen, der die Nachrichtenbis zum Ende gehört hatte, daß in der vergangenen Nacht aus
bisher noch ungeklärten Gründen Australien im Meer versunken ist. Daraufhin nahm ich mir vor, bei Nachrichtensendun
gen künftig auch die Unter-ferner-liefen-Meldungen anzuhören.
Denn irgendwie interessiert einen j doch, was sonst noch sopassiert.
Johannes onrad
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Hier st zwar nichts
los aber eine Planstellest eben eine Planstelle. «
lles zum Wohle des Volkes
Ernst Röhl
Auf den Namen kommt s nicht an, sagen manche Leute. Ich
denke anders darüber. Vor drei Wochen hieß ich noch Obermül-
ler. Aber sagen Sie selbst - Obermüller klingt das nicht ekel
haft unbescheiden? Als ob man sich aus den Millionenmassen
einfacher, werktätiger Müllers um jeden Preis herausheben
wollte. Vor drei Wochen bei meiner
Hochzeit, habe ich die Gelegenheit
genutzt und den Namen meiner Frau
angenommen. Nun heiße ich Gottsei Dank Müller.
Oder der Name meines Betriebs:
Volkseigenes Kombinat für kaltgepreßtes südsüdostsächsisches Lein-
öl und spezialgereinigte südsüdostsächsische Leinsaat, Sitz Sollsdruff,
Werk Kannsdruff, Betriebsteil
Darfsdruff. Gewisse Spottdrosseln
finden den Namen zu lang, weil sie
bei der Aussprache ein paar Mal
Luft holen müssen und weil bei der
Einstellung neuer Kollegen die Aus-weise für Arbeit und Sozialversiche
rung immer gleich voll sind. Ich da-
gegen gehe vom Positiven aus und
behaupte: Kein Wort ist überflüssig.
Der Name ist so kurz und genauwie
möglich. Völlig ausgeschlossen, daß
meine Bude mit dem Halbstaatli-
chen Kombinat für warmgepreßtes nordnordwestthüringisches
Rapsöl und allgemeingereinigte nordnordwestthüringischeRapssaat, Sitz Willsdruff Werk Mußdruff, Betriebsteil Möchts-
druff verwechselt wird. Und jeder, der den Namen hört, kannsich genau vorstellen, was wir den lieben, langen Tag treiben.
Leider gibt es noch eine Menge wenig aussagekräftiger Fir-
menschilder. Zum BeispielVEB Schlachthof. Wer oder was wird
geschlachtet? Zu welchem Zweck? Wird eventuell Fleisch ver-arbeitet? Wenn ja, wozu? Zu Buletten, zu Frikadellen, zu Le-
berwurst?
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8 lles zum Wohle des Volkes
Angela Gentzmer
11ta Wa11da ' - pa 1tiodtieA
Sketch mit Helga Hahnemann und Alfred Müller
Opa: Zeig mal unsern Wochenplan
Oma: Den hast du doch zwischen deinen Rentnerausweis undden Kurantrag gesteckt, damit wir 'n immer griffbereit haben
Opa: Wo denn?
Oma: Links Friedrich Neben deine Lesebrille
Opa: Na, die hab ich doch auf der Nase
Oma: Die is' doch die für die Feme Links is, wo der Daumenrechts ist
••
Opa: Ach ja, hier Liest: UbertragOma: Friedrich Jetzt haste die Sammelliste vonne Volkssolida-rität jejriffen Kannst du denn keine Ordnung in deine Ta-
schen halten? Jetzt wühlt Oma in seinen Taschen und holt ein
vollgeschriebenes lattPapier hervor: Nehmen wir dis solangeSo Nu lies mal vor, aber langsam Ich muß meine Optik erstsuchen Jetzt wühlt sie in ihrer Tasche
Opa: 6 Uhr Wecken
Oma: Zu früh
Opa: Nö Zu spätOma: Friedrich Wenn ich sage, zu früh, dann isses zu früh Wir
haben heute unsern Rommeabend Da kommen wir vor 11
nicht in die Federn Und gerade morgen will ich eben nicht
aussehen wie meine eigene Großmutter Weiter:Opa: 10 Uhr Abfahrt nach Bad Schandau mittels per ReisebusOma: Und Frühstück?Opa: Na, vorher, Wanda
Oma: Ich frage ja, wann?
Opa: 8.15 bis 9.10 Uhr
Oma: Geht gerade noch Sonst hab ich während der Fahrtimmer so'n hartnäckigen Schluckauf
Opa: 13 Uhr Essen 16 Uhr Kaffeetafel - anschließend Tanz
Oma: Hoffentlich ham se 'ne vernünftige Kapelle
Opa: Die »city-Kreis-rollers «
Oma: Na ja, die ham j 'n ganz vernünftigen Sound
Opa: Die sind auch laut genug
Oma: Der Tag ist jedenfalls hin
Opa: Der ist hin
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Alles zum ohle des Volkes
Oma: Sehen wir mal Dienstag
Opa: Der Dienstag ist für mich völlig ausgebucht 9.00 Uhr
Treff mit Jungen Pionieren Da halte ich einen Vortrag über
die Arbeiterbewegung - anschließend Diskussion, danach
Rennbahn
Oma: Rennbahn? Is Mittwoch Du bist wohl wieder inne falscheSpalte gerraten?
Opa liest: Ich meine j auch die andere Rennbahn: Die BollenBahn
Oma: Zeig mal her Mit Otto und Karl zur Bowling-Bahn
Mensch, Friedrich Ich denke, du hattest am Gymnasium inRezitation 'ne Eins?
Opa: Du sollst mich nicht immer korrigieren, Wanda Selbst ge
lernte Schauspieler brauchen auf der Bühne für ihren Texteinen Dompteur
Oma: Friedrich Auf welchem Postenstehen wir Mittwoch?
Opa: Bei dem vom »anderen Ufer«
Beim Friseur
Oma: Dis heißt, du 3 Stunden und ich
eine Da kann ich dann noch schnell
ein paar Besorgungen machen Du
brauchst unbedingt lange, wolleneUnterhosen Weiter
Opa: Dann sind wir auf »Haifischjagdin der Karibik«.
Oma: Müssen wir da alle beide hin?
Opa: Ja, selbstverständlich Da ist
doch wieder derselbe Doktor, der im
vorjen Jahr schon den Lichtbildervortrag gehalten hat Der
nimmt das nachher noch persönlich krumm, wenn einer fehltOma: Donnerstag?Opa: Schöner unsere Städte und Feierabendvorgärten Gemein
sames Unkrautzupfen mit Blasmusik Essen aus der Gulaschkanone Danach medizinischer Vortrag von Frau Dr. Bauerlein »Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an «
Oma: Bleibt uns dann noch Zeit, irgendwie unsere Pflicht zu
tun?Opa: Wenig, aber wir können es j versuchen
Oma: Können wir uns Donnerstag wenigstens ausschlafen?Opa: Wo denkst du hin? Donnerstag, Freitag, Sonnabend - da
geht's hier rund Besuch des Bürgermeisters - feierliche
9
Sketchpartner Helga
Hahnemann und Alfred
Müller: Mit 66 Jahren,
da ängt das Leben an
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.Eulen-Spiegelbild aus Senzig, Kreis. Königs Wuster- - • ""'" ii);,„„„ „„.„ : ","' „ hausen: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.
I Eine Kundin fragt einen Lehrling im Kaufhaus ~ ~ r r -
zeche Prellen?II • • IIAber nicht bei mir.
:;:::.;::..::==
nach Weißkohl. »Harn wa nich « Das hört der
Lehrausbilder. »Du gehst da falsch ran. Wenn
du nach Weißkohl gefragt wirst, sagst du,
Weißkohl haben wir nicht, aber Rotkohl ist vor
rätig.« Am nächsten Tag ist der Lehrling in der
Haushaltwarenabteilung. Kommt eine Kundin
und fragt: »Haben Sie Klopapier?« - »Nein«, sagt
der Lehrling, »Klopapier haben wir nicht, aberSandpapier ist vorrätig . .. <<
lat nita, dtn 28.03.6'9
U t i . . ~ . . J i - L ~ ll ,; b-1...n &• '
<l• :f.rei\11_;;, d•n 28.o3.l969,iet di• :.:eldtatelle S2' 11i\a
J ab lo.3o Ubr ••aea 13ttrdig11Dg &••obloslltll.
Eittge.ondt von Q. O. Patzte, So8nlt1
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Pikantes WOnflelsch Obetbocten mit loost
Wonnes Edtchen mit 9emi dltem SoJot.XStrammer Max
X Kotlsboder Sdlnlu.
l Omelett• mit Wiinfleiscn
Rühreier mit Sdilnken und Brat
Geffügefsalat mit Butter und Toost
Ungotisdier Rindrlehdu.alat mit Brot
) Ei&tSOlat mit Sdiinkensbeif;n
O.likote8-Fleisd\solot
J f i ö l k h e n m.Sohnemeenetltid'I
) Ge lliSÖlte Wurstplotte tnit Butter und Brot
Brotenplots. noch lut e s ~Speiials.chnitte
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32 lles zum Wohle des Volkes
Renate Holland Moritz
Opa Tiede ist ein Mensch und Staatsbürger, den man sich nicht
besser backen könnte. Irotz seiner siebzig Jahre immer nett
und kregel, bei allen Aufbauschichten dabei, hilfsbereit und
zuvorkommend gegen jedermann und vor allem ein großerBastler vor dem Herm. Wrr die Nachbarn von Opa Tiede, haben
noch nie über tropfende Wasserhähne, defekte Bügeleisen oderunbeschnittene Obstbäume zu klagen gehabt. Wrr brauchen
den jeweiligen Schaden bloß bei offenem Fenster zu erwäh
nen, und schon kommt Opa Tiede angeflitzt und bringt alles in
Ordnung. Gewiß, manchmal dauert so eine Reparatur ganz
schön lange. Aber schließlich war Opa Tiede vor seinem Rent
nerleben beim telefonischen Störungsdienst beschäftigt und
betreibt alle anderen handwerklichen Sparten als Amateur.
Irotzdem befaßt er sich mutig mit jedem heißen Eisen.
Ein solches Eisen war unsere Klingel. Das heißt, unsere Klin
gel war eigentlich noch ganz gut. Sie bestand aus einem leicht
verrosteten Drückapparat an der Gartentür, von welchem sich
ein vier Meter langes Kabel ins Haus zog und dort in einen al
tertümlichen Holzkasten mündete, der im Bedarfsfall heiser
scheppernde Laute von sich gab.
Zum letzten Geburtstag meines Mannes schleppte sein besterFreund ein kleines schwarzweißes Plast-Schächtelchen an.
Wenn man es ein wenig schüttelte, ertönte ein liebliches Ging
Gong-Geläut, wie man es aus den eleganten Komfort-Wohnun
gen kennt, die sich vorwiegend in DEFA-Filmen befinden. Und
in diesem Augenblick kam Opa Tiede. Er stürzte sich sofort auf
das Ging-Gong-Schächtelchen und vertiefte sich in die beilie
gende Beschreibung.»Großartige Erfindung« sagte er »und popelleicht zu verstehen.
Da will ich doch gleich ...«»Erst wollen wir mal anstoßen«, unterbrach ihn mein Mann.
Nach dem fünften Kognak stieß Opa Tiede aus Versehen an das
Ging-Gong-Gerät und war sofort wieder voll Tatendrang. Wrr
mußten ihm eine Trittleiter an den altertümlichen Schepperkasten stellen, den er sogleich abmontierte. Ein, zwei Stünd
chen später war auch das schicke schwarzweiße Kästchen be
festigt und ein Druck auf den Knopf an der Gartentür bewies,
daß Opa Tiede wieder einmal ganze Arbeit geleistet hatte:
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lles zum Wohle des Volkes
Wenn man scharf hinhörte war das liebliche Ging-Gong-Ge
läut durchaus zu vernehmen. Allerdings mußten zu diesem
Zweck Radio- oder Fernsehgerät ausgeschaltet und die Kinder
zu äußerster Ruhe ermahnt werden.
»Was Recht ist muß Recht bleiben« sagte Opa Tiede »dieses
Ging-Gong ist effektiv zu leise. Aber keine Angst ich finde
schon einen Ausweg.«Und er fand einen. Das heißt er fand ein zweites Ging-Gong
Kästchen in einem Geschäft für Wirtschaftsartikel und er prä-
sentierte es uns samt gepfefferter Rechnung. Wir waren wohl
etwas konsterniert aber Opa Tiede erklärte schnell er habe
schon einen wunderbaren Platz für das zweite Ging-Gong ge
funden nämlich im Keller. Er erziele damit einen feinen Dop
peleffekt und das natürlich doppelt laut. Also befestigte er das
Kästchen m Keller neben einer Abzweigdose führte Drähte
durch das Kellerfenster entfernte aus dem Gartenweg einenhalben Zentner Pflastersteine legte auf diese Weise das Kabel
SJAHREDDR 10JAHREDOR 1SJAHRE DDR
zu Ging-Gong Nr. 1 frei hielt sämtliche Drähte zusammen und
im Haus erscholl es von oben und unten sehr lieblich aber doch
hörbar: Ging-Ging-Gong-Gong.Opa Tiede verabschiedete sich stolz und müde denn über sei
nen vielerlei Anstrengungen war es später Abend geworden.
m nächsten Morgen kam er gleich nach dem Frühstück er
probte noch einmal durch Zusammenhalten der Drähte den
schönen Doppeleffekt verband dann die Kabel sachkundig
schippte den Gartenweg wieder zu klopfte die Pflastersteine
ein und begann seine übliche Ziererei wegen der Bezahlung.
»Ehe ich das Geld annehme wollen wir uns die Sache noch ein-
33
20JAHREDDR
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4
Der Leiter einesLandwarenhauses
will eine neue Yerkäuferin einstellen. ·. . . . . .
Er fragt: »Sind Sieverheiratet?« Die
Frau nickt. »Wie
viele Kinder habenSie?« Die Frau vol
ler Stolz: »Vier.« -»Leben Ihre Elternnoch?« - »Ja.« -»Schwiegereltern
auch?« - »Ja << -»Haben Sie Ge-
schwister?« - »Ja
fünf. Und die habenauch Familie 'und
wohnen alle in derNähe so daß man
sich auch mal ge
genseitig unterstützen kann.<< - )>Tut
mir leid« sagt derVerkaufsstellenleiter, »dann kann ichSie nicht anstellen.Von den Apfelsinen
.„· -
und Bananen, die
wir zweimal im
Jahr geliefert be
kommen müssenwenigstens ein
paar über demLadentisch ver
kauft werden.«
lles zum Wohle des Volkes
mal anhören«, sagte er mit falscher Bescheidenheit und drück
te auf den Klingelknopf. Es geschah nichts Weder Ging noch
Gong waren zu hören. Opa Tiede entfernte sich hochroten Kop
fes, um über das Phänomen nachzudenken.
Am nächsten Morgen buddelte er die Pflastersteine und da
nach das Kabel wieder aus, durchschritt das Wohnzimmer und
die Küche und stieg in den Keller. Hier hielt er die Drähte zusammen, und beglückt vernahmen wir das liebliche Ging-Ging
Gong-Gong. Opa Tiede atmete auf und reparierte in stunden
langer Arbeit den aufgerissenen Gartenweg. Als er den letzten
Pflasterstein eingeklopft hatte, ging er frohgemut zum Klingel
knopf, drückte und - nichts
Nun wurde Opa Tiede zum Stier. Er riß den Gartenweg wieder
auf als vermutete er darunter einen vergrabenen Goldschatz.
Er rannte ins Haus, durch das Wohnzimmer die Küche in den
Keller hielt die Drähte zusammen und lauschte bebend demdoppelten Ging-Gong. Dann rannte er aus dem Keller der Küche
und dem Wohnzimmer in den Garten, drückte auf die Klingel -
nichts Sein Marathonlauf zwischen Garten und Keller währte,
bis ihn seine Frau holen kam. Es war gegen Mitternacht.
Die Tortur wiederholte sich. Am nächsten Morgen am über
nächsten, am dritten. Wrr waren zu keiner Arbeit und zu kei
nem wie auch immer gearteten Familienleben mehr fähig. In
Wohnzimmer Küche und Keller war Opa Tiede durchgehend an
wesend. Sein Gesicht hatte einen manisch gehetzten Ausdruck,
aber er ließ dennoch nicht davon ab im Keller die Drähte zu
sammenzuhalten, versonnen dem doppelten Ging-Gong zu lau
schen, voll rasender Spannung nach oben zu rennen, durch
Küche Wohnzimmer in den Garten und erneut festzustellen,
was schon unzählige Drückversuche vorher bewiesen hatten:
Die Klingel funktionierte nicht. Da sich aber Opa Tiede trotz
minutiöser Nachforschungen und stundenlangen Nachdenkens
keiner technischen Unterlassungssünde bewußt wurde, ver
suchte er eben wundergläubig immer wieder sein Glück. Er
versuchte es drei Wochen lang, Tag für Tag. Seine Frau weinte sich bei uns aus, die fürchtete, er werde den Verstand ver
lieren, auch kränkten sie die ironischen Bemerkungen der
Nachbarn, die ihre Schäden allein reparieren mußten, weil wir
angeblich Opa Tiede bestochen hatten, nur noch für uns zu ar
beiten. Dabei hätten wir gern eine größere S11mme springen lassen, wenn wir dafür Opa Tiede losgeworden und wieder in den
Besitz unserer alten, scheppernden Klingel gelangt wären.
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lleszum Wohle des Volkes
Endlich geschah wirklich ein Wunder. Ein Kurantrag den OpaTiede schon vor Monaten gestellt hatte wurde günstig beschie
den, und er verließ uns schweren Herzens in Richtung Bad
Berka. rr waren dankbar und glücklich und es störte unsnicht im geringsten daß uns die stumme Klingel und der aufgerissene Gartenweg vor Zeitungskassierern Versicherungs
vertretern und anderen lieben Gästen bewahrten.
Doch nach vierzehn Tagen ungetrübten Glücks kam ein Telegramm. »Kur abgebrochen stop Fehlerquelle gefunden stop
Eintreffen morgen stop Tiede. «Vierzehn Tage und Nächte hatte••
der Armste über das Geheimnis•
• f f •
• •• •
•. .
••des lautlosen Doppel-Ging-Gongs
nachgegrübelt und plötzlich war
ihm aufgegangen was er uns nun
strahlend vorführte: Kellerlicht
und Klingel liefen wohl über
ein und denselben Draht waren
also gewissermaßen zusammenge
schaltet. Da er aber als ordent
licher und sparsamer Mensch bei
jedem Verlassen des Kellers das
Licht ausgeknipst hatte war damit
auch der Klingelstromkreis unter
brochen. Oder so ähnlich. Jeden
falls handelte es sich jetzt nur
noch um eine Arbeit von wenigen
Stunden und Opa Tiedes schön
ster Augenblick wurde durch einen
Druck auf den Klingelknopf miteinem lieblichen Ging-Ging-GongGong eingeläutet.
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»Wenn das kein Grund zum Feiern ist « sagte mein Mann und
holte eine Flasche Sekt aus dem Keller. »Geben Sie her«, sagte
Opa Tiede fröhlich »im Öffnen von Sektflaschen bin ich mindestens Europameister.« Er entfernte das Silberpapier und den
Draht und begann vorsichtig den Korken hochzuschieben. Imnächsten Augenblick ertönte ein gewaltiger Donnerschlag
etwas krachte und zerschellte und ein liebliches wenn auch
einfaches Ging-Gong untermalte die Szene musikalisch. Unddas alles nur, weil bei uns nie einer die Wohnzimmertür zumacht. Sonst hätte der Sektkorken niemals das hübsche schwarzweiße Plast-Kästchen treffen und total zerstören können.
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6
Die Tante aus Köln
schreibt an ihreVerwandten in der
DDR und schließtmit den Worten:»Hoffentlieh er-
reicht euch derBrief, man hört ja
· immer, daß die
Post bei euchdurch die Stasikontrolliert wird.«
Nach zwei Wochen
kommt der Briefzurück mit demAufdruck: »Nicht
befördert wegenVerleumdung derSicherheitsorganeder DDR. Es gibtkeine Postzensur.«
l les zum Wohle des Volkes
Lothar usche
Man hatte mich ins Variete geschickt, wo ich einen auftreten
den Künstler interviewen sollte, und ging also zu einem vondenen hin und fragte, wie lange er dort schon arbeite, und er
sagte: »Ich bin nicht zum ersten Mal hier. Ich arbeite seit fünf-
undvierzig Jahren. Das heißt: Ich arbeite seit fünfundvierzig
Jahren mit Seife.«»Stellen Sie Seife her?
»Aber nein«, sagte er, »ich arbeite mit Seife.«
»Aha. Sie waschen sich mit Seife.«
Er schüttelte sich. »Ich kann Seife nicht riechen. Wenn man
fünfundvierzig Jahre mit Seife gearbeihat, kann man sich damitnicht auch noch waschen. Ich benutze nur Badusan.«
Was er denn nun mit dieser Seife eigentlich täte?»Genaugenommen tue ich gar nichts mit ihr. Sie rutscht mir
bloß immerzu aus der Hand - das ist alles.« Das verstand ich
nicht ganz. Er sagte: »Ich verstehe es eigentlich auch nicht.
Aber waren Sie niemals im Variete? Sind Sie der erste Mensch,
der meine Nummer noch niemals gesehen hat? Seit fünfundvier-
zig Jahren lacht die ganze Welt über mich «
»Wie war doch gleich Ihr werter Name?«
»Mein Name«, brummte er, »tut gar nichts zur Seife. Sache,
meine ich. Ich heiße Plaschek. Auf der Bühne aber bin ich Knil-
ly, der urkomische Fensterputzer. Zuerst steige ich auf meine
große Stehleiter, und dann ... «
»Dann putzen Sie die Fenster ausgerechnet mit Seife?«
»Das ist doch scheißegal. Ich komme ja sowieso nicht zum Putzen. Schließlich handelt es sich nicht um Fensterputz-, sondern
um Unterhaltungskunst. Außerdem fällt mir die Seife sofort aus
der Hand. Und dann falle ich hinterher. Von der Leiter. Und das
mache ich fast jeden Abend - seit fünfundvierzig Jahren. Sind
Sie schon mal von der Leiter gefallen?«»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Na ja, Sie sind ja auch bloß Journalist - da braucht man so
was nicht zu können. Ich dagegen muß die Seife nicht bloß fal-
lenlassen, sondern sie auch wieder einzufangen suchen.
Schwierig. Die Seife ist naß. Sie rutscht immerzu weg. Und ichrutsche immerzu hinterher.«
»Und das«, erkundigte ich mich höflich, »kann man fünfund-
vierzig Jahre lang machen?«
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lles zum Wohle des Volkes
Knilly-Plaschek sah melancholisch in sein Teeglas und bemerk
te: »Es gibt Leute die knipsen sechzig Jahre lang Fahrkarten.Die sind großenteils nicht sehr glücklich; ich meine: die Leute
nicht die Fahrkarten. Im Gegensatz zu diesen Knipsern mache
ich den Leuten ein bißchen Spaß. Ein Fensterputzer der keine
Fenster putzt sondern bloß die Leiter herunterfällt und dannauf allen vieren seiner nassen Seife hinterherschleicht - das
ist etwas für das Herz der Menschen. Glauben Sie irgend
jemand hat einen besonderen Spaß daran
wenn ihm einer die Fahrkarte knipst? Ichsage es nur als Beispiel ich habe nichts
gegen Fahrkartenknipser. Aber die fallen j KUcH
nicht mal von einer Leiter runter.«Nun fragte ich ihn um dem Interview einenkleinen philosophischen Stich zu geben
nach seiner Ansicht vom Wesen der Seife.
Das aber hatte ihn niemals interessiert und
er sagte bloß: »Eine Definition könnte ich
Ihnen anbieten. Aus Berlin: Seife is wenn
du keene hast kannste ooch Bimsstein
nehmen. Das stimmt natürlich; aber das
habe ich vor fünfundvierzig Jahren auch
schon gewußt. Damals wollte ich noch kein
Seifenfänger werden sondern Flieger. Aber
ich war zu kurzsichtig. Das heißt ich bins
heute noch. Doch das stört nicht beim Run-
terfallen von der Leiter man kommt injedem Fall unten an. Schwerkraft und so.
Newtons Apfel falls Sie sich erinnern kön-
nen. Beim Seifensuchen ist die Kurzsich
tigkeit ausgesprochen vorteilhaft; die Leute lachen sich krumm
weil sie denken ich täte so als ob - dabei kann ich die Seife
wirklich kaum sehen. Das Geheimnis meines bescheidenen Er-
folges ...«»Verehrter Herr Knilly-Plaschek ich danke Ihnen für das Ge-
spräch.« Das muß man nämlich nach Interviews immer sagen.
»Darf ich mir gestatten Sie noch rasch auf ein Täßchen Kognak
in die Kantine einzuladen?«»Sehr freundlich« sagte er »aber bitte keinen französischen
Kognak ...«»Vertragen Sie den nicht? Ich hatte mir immer eingebildet es
sei der allerbeste?«
»Mag sein« sprach Knilly »aber er hat so ein seifiges Aroma.«
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• ••
Das Beschwerdebuch
gebe ich Ihnen nicht
Ich will doch nicht in
Teufels Küchel
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8 lles zum Wohle des Volkes
Peter auglitz
Abends spät rüttelt Erich bei mir an der Gartenhauspforte.»Stell dir vor, morgen früh ist Maxi dran, um halber acht «»Am Sonntag?«
»Ging nicht anders - wegen Fritze.«»Fri ze?«
»Das ist doch der, welcher - na, du weißt schon.«»Ach der, dieser ... «Auch mir will die Berufsbezeichnung des Fritzen, bei dem Maxidrankommen soll, nicht über die Lippen. So hart am Rande der
großen Stadt hat man eben noch seine eigenen herzlichen Be-ziehungen zu den Haustieren. Meine beiden Enten, Daphne und
Chloe, aßen, bis ich sie wegschenkte, beispielsweise in derKüche mit. Hinterher habe ich immer feucht nachgewischt. UndMaxi, die rundum rosige Maxi, welche Erich für einen Spott
groschen als Kümmerling von der LPG an Land gezogen, ihr
Unter anfeuernden Rufen tragen Frau
und fünf Kinderchen hinterher was
Maxis sterbliche Hülle hergegeben hat.
ein Dach übern Kopf gezimmert und sie darun
ter aufopfemd fettgepflegt hatte - morgen früh
also. Erich fährt sich mit der Daumenmaus
übers Auge weg. Dann sagt er, leicht erstickt,
daß er um halb acht mit mir als Freund rechne.
»Du kommst doch?«»Ich komme «Selbstredend bin ich hingegangen, nur nicht ganz so früh. Ich
mag nämlich jene betont schwermütigen Rückblicke auf diedahingegangene Existenz nicht, kann überhaupt keine kum-mervollen Nachgesänge aushalten. Und um der Wahrheit noch
die letzte Ehre zu geben: Ich habe auch Manschetten gehabt
vor Fritze, der Maxi ... So bin ich gegen Mittag mit weichen
Knien zum Tatort gestakst. Erichs Waschküche - ein einziger
Hexenkessel: Bullenhitze. Wurstbrühe siedet. Dampf wallt. Un-weit der xt mit kühnem Schwung im Stahl liegt lappig einMaxiohr am Boden. Das linke, das rechte? Erich, die Ärmel auf-geschürzt, knetet still Pfeffer unters frisch Gehackte.
Gequetscht stoße ich »Mahlzeit « hervor. Erich zweigt eine
Handvoll Hackepeter ab. »Schmeckt unheimlich - koste mal «»Danke, ich habe schon gegessen «
Inmitten Fleischdunst und Wurstwasserdampf ragt Fritze als
Fels aus der Brandung. So um die Sechzig rum, groß, bäuchig,
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Alles zum Wohle des Volkes
etwas ungeschlacht - ein Vollblutherr mit stimmungsvollen
Blauaugen. Fritze hält einen Darm um den andern ans Wurstmaschinenmaul. Drauf bindet er mit Strippe Zipfel ab und langt
in den Siedekessel.»Frische Leberwurst, so was Gutes kriegste in kein Konsum
nich « Fritzen kann ich nicht widerreden, Fritze lacht so gewin-nend. In die Leberwurst hineinhauend, staune ich dann nicht
schlecht über Erichs sonst immer affentierfreundliche Familie.
Unter anfeuernden Rufen tragen Frau und fünf Kinderchen hin-
weg, was Maxis sterbliche Hülle an Wurst- und Fleischware
hergegeben hat. Nun
bemerke ich pietät
voll-schlicht: »Gutes
Tierchen, schnuff
schnüff armes Tier-
chen «
»Maxi?« heult Erich.
»Das Vieh hat mir
gestern noch im
neuen Halbschuh ge-
bissen, Schweinerei « Von Erichs Un-
tierigkeit brüskiert,
halte ich mich an
den wurstpressenden Fritze. Scheint
=---- .
i SU l- ------ •
er mir doch noch am meisten Mensch geblieben zu sein. »So
ists recht«, freut sich Fritze. »Hol mal fix heißes Imiwasser mit
Bürste bei und schrupp den Hackklotz ab «
Den Hackklotz Aber zieren gilt nicht. Nicht bei Fritze, dem
Großen. Freundlichen. So flüstere ich mir behende ein, Tätig
keit lenke vom Greulichen ab, und werde Mitarbeiter.
Nachdem auch Hackepeterwolf und Schwungaxt sauber glän
zen, spanne ich mich als Mitesser von Schnauze mit Mostrichein. Nunmehr darf ich auch gleich beim Nachspülen mit Ver-
schnitt mithalten, der bald ausgeht, was wiederum eine Orts-verlagerung zum WEISSEN SCHWAN hin nach sich zieht. Und
alles Weitere geht saukomisch vonstatten - besonders meineSkatrunde mit Fritze um Maxis Ringelschweif, den ich prompt
verloren habe, weil ich immerzu an das liebe Tier denkenmußte. Aber Schwamm drüber: Morgen früh so halber achte,
ist Suse dran. Die Vierzentnersau vom Wrrt
9
•
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4
Zwei Volkspolizi-
sten stehen auf derStraße ·und weinen.Ein mitfühlenderPassant fragt, ,w s
denn los sei. ·»Uns ist der Streifenhund d von„
gelaufen «»Ach«, tröstet derBürger, »d s ist
doch nicht so. schlimm. Der findet· schon zurück zum
Revier.«
»Ja, der «
• l l es zum Wohle des Volkes
John Stave
r O
Ich habe mir jetzt kürzlich erst Pferd und Wagen zugelegt. Es
bot sich eine günstige Gelegenheit. Das Pferd ist ein Wallach,heißt Jupp und ist acht Jahre alt, während der Wagen mehr
einer Kutsche ähnelt, aber ohne Bock. So daß ich auch bei
Regen trocken sitze.
Wissen Sie, ich hatte es einfach satt, immer zusehen zu müs
sen, wie der Wohlstand um mich herum wächst, blüht und ge-
deiht, wie sich die Freunde und Bekannten ein Auto nach dem
anderen anschafften, während ich nach wie vor im Sommer mit
dem Rad, im Wmter mit der Straßenbahn ins Geschäft fuhr.
Dann geriet ich schon ins Gerede, daß ich Säufer wäre, nur weilich ein einziges Mal in einer Kneipe war, um mir Streichhölzer
zu kaufen. Natürlich habe ich mich einen Moment dort nieder
gelassen und anstandshalber ein Bier getrunken. Gleich hieß
es am andern Tag: Wir haben ihn wieder ( ) in der Kneipe ge-
sehen. Er trank allein für sich. Kein Wunder, daß er kein Geld
für ein Auto hat
Dabei waren das früher alles ganz vernünftige Menschen. Die
gingen nach Feierabend einen heben, trudelten ein bißchen,
sangen mitunter und stritten auch, aber waren ein Herz und
eine Seele. Bis der erste sein Auto hatte.
Es war ein ganz popeliger Opel P 4. Er bestand vorwiegend aus
Klappern - also Geklappere. Ich fand das recht komisch, weil
ich noch nicht ahnte, welche Weiterungen diese Anschaffung
nach sich ziehen würde. Wenn ich nur die Gesichter meiner so
genannten Freunde besser oder genauer betrachtet hätte, wenn
dieser schäbige Opel P 4 in ihr Blickfeld rollte
Dann ging es Schlag auf Schlag. Eddi kaufte sich einen alten
Hanomag. Paul einen F 7, Kurt einen F 8. Lothar einen P 70.
Heinrich einen F 9. Carl einen EMW, Klaus einen P SO. Maxeinen Wartburg. Theo einen Adler-Triumph, Johannes einen
Hansa Lloyd (über DHZ), Achim einen Opel Kapitän (ebenfalls
DHZ), Hans einen Trabant, Siegfried einen Skoda MB 1000.
Willi einen Moskwitsch und Franz einen Wolga. Ich kaufte mir
- wie üblich - eine Monatskarte.
Der Stammtisch war jetzt veiwaist. Ich erfand in der ersten Zeit
noch Trudelspiele, die man allein veranstalten konnte. Dann
blieb ich auch weg. Der Gastwirt nahm sich das Leben.
Die Frauen meiner Freunde wurden dicker. Sie paßten jetzt
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4 l les zum Wohle des Volkes
Selbst Kitti rief neulich an, ob ich mit ihr eine Radtour machen
wollte. Als ich ihr mitteilte, daß ich jetzt selber Pferd und
Wagen hätte, war sie natürlich sehr überrascht, nahm meine
entsprechende Einladung aber gern dankend an, ohne die Ho
senklammern von damals in den Mund zu nehmen. Vergange
nen Sonnabend nun kam Martin mit seinem Tatra vorgerauscht.
Ich wollte gerade anschirren gehen. Rechts um die Ecke bei
mir, die alte Tischlerei, die hatte sowieso einen Stall, und der
alte Tischlermeister Holzbach hat den Jupp mit offenen Armen
aufgenommen und untergestellt. Er pflegt ihn sogar kostenlos
- ist ja auch Rentner - und manchmal laß ich die beiden eine
Biege fahren. Also Martin. Ach, er stöhnte wegen seiner Atem
beschwerden. Setzte sich gleich auf den Rinnstein und japste.
»Du sollst jetzt einen Wagen ohne Motor haben? Ich meine.
einen Wagen, der ohne Motor geht?«
»Mit Pferd.«
»Wie denn: fährt? Welche fype? PS?«
Du kannst ja so ein Tier nicht nachts
unter der Laterne stehenlassen
»Ein PS.«
»Witzbold Verbrauch?«»Zentner Hafer die Woche . Es ist ein Hafer-
motor «
»Ein Pferd???«
»Ja, ein Pferd mit Wagen.«
Martin wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wieviel Kilo
meter hatten der Gaul runter?«»Ich weiß nicht. Aber jedenfalls läuft er acht Jahre ohne Gene
ralreparatur.«»Und die Puppen? Ich meine, die Mädchen sollen ja sehr beein
druckt sein. Kitti hat mir letzte Woche sogar einen Korb gege
ben.«
»Du kannst dir das Gefährt ja mal ansehen. Es ist gleich hier
um die Ecke.«»Ein Garagenpferd? Ich meine, ein Stallwagen?«
»Natürlich. Du kannst ja son Tier nicht nachts unter der Later
ne stehnlassen. «
»Ach so«, machte Martin verächtlich. »Dann kommt für mich
so was sowieso nicht in Frage. Dann kauf ich mir doch den
Tschaika de luxe. «
Sprachs, wälzte sich in sein Auto und brauste los.
Diesmal gebe ich aber so schnell nicht klein bei .Wenn der sich
tatsächlich den Tschaika de luxe anschafft, kauf ich mir ne
Quadriga.
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44 Lernen lernen nochmals lernen
Renate Holland Moritz
Die Geburtstage unserer Tochter verliefen seit ihrem dritten Le
bensjahr immer auf die gleiche Weise: Wrr rannten uns die Hak
ken ab, um etwa ein Zehntel ihrer Wünsche zu erfüllen,
schleppten Torten, Eisbomben, Würstchen und Brause, ferner
einen Sack voll kleiner Artikel wie Malhefte, Buntstifte, Autos
und Püppchen, die bei den Pfänderspielen verteilt werden soll
ten, behängten am Vorabend die Bäume im Garten mit Lampi
ons, die wir am Geburtstagsmorgen alle wieder abnahmen, weil
sie vom obligatorisch einsetzenden Regen völlig aufgeweicht
waren. Zum Kaffee erschienen vierzehn bis fünfzehn minder
jährige Gäste mit erwartungsvollen Augen und bunten Blumen-
sträußen, und dann gings los. Die
Erst tanzte er mit allen Mädchen Tango und
Walzer dann spielten wir Hänschen-piep-einmal.
Kleinen aßen die Früchte von den Tor
ten, bespritzten sich mit Schlagsah
ne, verschmähten Kakao und Milch
•
kaffee, bevorzugten einhellig eine Mixtur aus Eiscreme und
Brause, mußten mit Ersatzschlüpfern versorgt und teilweisesogar in die Badewanne gesetzt werden. Während der Pfänder
spiele gabs Jubelrufe und Verlierertränen. Wurden die Verlie
rer mit Trostpreisen bedacht, setzte es Prügel durch die gerech
tigkeitsfanatischen Sieger. Nach der abendlichen Salat- undWürstchen-Schlacht zogen die Kleinen glückstrahlend und mit
Geschenken beladen ab. Wir hingen kraftlos in den Seilen und
trösteten uns mit der einjährigen Schonzeit. So verlief der fei
erliche Tag viele Jahre lang. Tochter und Gäste wurden größerund gefräßiger, die Ratespiele komplizierter, allein die Strapa
zen und das Chaos blieben sich gleich. Bis zum letzten Mal: Das
liebe Kind sah seinem vierzehnten Geburtstag entgegen.
»Jetzt ist endgültig Schluß mit den Kindereien« sagte sie ho
heitsvoll. »Ihr braucht lediglich für ein kaltes Buffet und eineAnanasbowle zu sorgen, dann könnt ihr gehn. «
»Zu liebenswürdig«, sagte mein Mann »wann dürfen wir wie
derkommen?« - »So gegen neun, zehne. Paar Zigaretten für die
Jungs ist wohl zuviel verlangt?« - »Ist« sagte ich scharf. »Was
die Bowle betrifft, so gib dich keinen Illusionen hin. Ich werde
nicht Ananas noch Selters scheuen, mehr spielt sich nicht ab.«
»Mann o Mann« stöhnte das Kind »woanders werden wir mit
Sie angeredet Ihr denkt wohl wir bleiben ewig Babys?«
Wrr überschlugen uns wie alljährlich, waren aber trotzdem froh-
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Lernen lernen nochmals lernen
gemut denn der eigentlichen Katastrophe durften wir ja fern-
bleiben. Am Nachmittag nahmen wir die Gratulationscour ab.Wir erinnerten uns amüsiert manche der jungen Damen undHerren die aus lichten Höhen von 1 70 m bis 1 90 m auf unsherabsahen vor Jahren aufs Töpfchen gesetzt zu haben.
Schließlich zeigte unsere Tochter unmißverständlich zurUhr
und wir verdufteten.Das befreundete Ehepaar das wir besuchten hatte Bedenken.»Könnt ihr das verantworten?« sagte die Frau des Hauses. »Im-
merhin sind sie mitten in der Pubertät. Was da so alles passie-ren kann steht sogar in der >Jungen Welt< u lesen.«»Na ja« sagte ihr Mann ein Lehrer. »Ichwill euch ja nicht nervös machen aber inmeiner achten Klasse sind zwei Mädchenguter Hoffnung.«
Der Same des Zweifels war in unsere Her-
zen gesenkt. Wenn die vierzehn Vierzehn-
jährigen wirklich nicht mehr vorhatten alszu futtern zu tanzen und sich zu unterhal-ten hätten wir ja auch zu Hause bleibenkönnen. Von mir aus in einem anderenZimmer. Aber doch in Reichweite. Nach
••
kurzer Uberlegung beschlossen wir esnicht darauf ankommen zu lassen. Wir
schlichen nach Hause und postierten unsohne gesehen zu werden hinter einem geöffneten Wohnzimmer-
fenster. Die jungen Leute hatten den Tisch aus dem Zimmer ge-
schafft und die Sessel zu einem Halbkreis gestellt. Daraufsaßen alle wie die Ölgötzen und polkten Ananasstückchen ausihren Gläsern. Das Tonband donnerte Beatmusik.»Wat is eh« schnauzte unsere Tochter »wollt ihr einpennenoder is det ne Party eh?«»Sone schnellen Dinger kann ick nich« sagte Michael »nur
slow and swing eh. «Unsere Tochter ließ das Tonband schnel-ler laufen stoppte fuhr wieder schneller bis sie endlich einelangsame Musik gefunden hatte. Da sprang ihre beste Freun-din Ramona auf und holte Michael. Die beiden standen sichstumm und gelangweilt gegenüber und wackelten im Zeitlupen-tempo mit Armen und Beinen. »Blöde Kuh eh« sagte unsereTochter giftig und begann ihrerseits mit Detlef traumtänzerischeGesten zu vollführen. Andere folgten ihrem Beispiel bis derlangsame Titel vorüber war. Dann setzten sich alle wieder hin.
Einige aßen Salate und kleine Häppchen vom kalten Buffet.
5
Na schön. Wenn dir
Opi ufDauer zu lang-
weilig ist geben wir ihn
Tante Elfriede und du
bekommst deinen eige-
nen Farbfernseher.
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-
[n oer Schule
nen die Kinder, daßder Mensch vom -
Affen abstammt.Meint Fritzchen
.
z11m Lehrer: »Aber. .
-DDR-Bürger stam-
men bestimmtnicht vom Affenab « »Wieso
nicht?« - »Kein
ehemaliger Affe -.Hält es so lange ·
ohne Bananenaus «
•
Lernen lernen nochmals lernen
»Det fetzt ein eh«, sagte Peter »det Futter fetzt ein.«
»Du nich«, entgegnete Karin »ick denke du bist der Stim
mungsbomber eh Aber nee setzt sich hin und frißt hundert
Stunden. Ick finde dich urst ...«
»Wie bitte?« flüsterte mein Mann. »Wie findet sie ihn?«
»Langweilig denke ich«, flüsterte ich zurück.»Fernsehen jestern war cheffig«, sagte unsere Tochter »ein
fach urst eh.« Mein Mann guckte ratlos. »Gestern hats ihr noch
gefallen. Ich versteh das nicht.«
»Schorsch ist ein Unterheuler« sagte Wolfgang. »Detter gibt er
ne Eins bei zwölf Punkte und mir bei elfe ne Drei. Da kuckste
nich durch eh.«
»Hör auf mit Mathe« brummte Katja »oller Arithmetikpenner.
Am besten is Bio. Olle Josy is superurst einwandfrei eh.«
Wolfgang einer der schwächsten Schüler hatte kein Interes
se an diesem Gespräch. Er wandte sich an unsere Tochter:
»Weeßte noch vor zwee Jahre eh? Deine Alte hat prima Eis
angeliefert und bei Blindekuh hat sie sich aufn Appel gesetzt
und gelacht. Schaue Frau eh.«
»Dein Vater voriges Jahr einfach fetzig eh Stadt-Land mit er
schwerten Bedingungen det haut ein. Ick hab zwei Kugel
schreiber gewonnen.«
»Adrian sein einziges Erfolgserlebnis« kicherte Myriam. »'Irotz
dem, wo sind denn deine Ernährer? Ohne die is ja urst ...«
»Jetzt reichts« sagte mein Mann, dem das linke Bein einge
schlafen war. Wrr gingen ins Haus und wurden mit Freudenge
heul begrüßt. Erst tanzte er mit allen Mädchen Walzer und
Tango und ließ sich von ihnen die verrückten Beat-Sachen
beibringen ich tat desgleichen mit den jungen Herren. Dann
spielten wir »Hänschen piep einmal« Länderraten und Mau
Mau. Als Preise verteiltenwir aus eigenen Vorräten Bücher und
Singleplatten. Da es an diesem Tag ausnahmsweise nicht ge
regnet hatte begaben wir uns bei Einbruch der Dunkelheit in
den Garten zündeten die Kerzen in den vorjährigen Lampionsan und gerieten in eine richtiggehende Singebewegung. Um
halb zehn verabschiedeten sich alle in einwandfrei verständ
lichem Hochdeutsch von uns und versicherten es sei so schön
gewesen wie all die Jahre wenn nicht noch schöner.
Rechtschaffen müde fielen wir ins Bett. Mein Mann rieb sich
die schmerzenden Kniegelenke. »Was ist schon so ein bißchen
Muskelkater gegen das was da alles hätte passieren können«
sagte er milde.
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Lernen lernen nochmals lernen
rnst Röhl
Unser Anton ist nun schon ein halbes ahrSchüler, und ich muß
sagen, es geht besser, als wir gedacht hatten. Denn Herr Quin-
ten, sein Klassenlehrer, kennt allerhand Mittelchen, mit denen
er seinen ABC-Schützlingen die Schul-Arbeit leicht macht. Er
verteilt nicht bloß für jede Antwort Zensuren, sondern er drückt
Anton, wenn er fleißig war, auch hin und wieder einen Bien-
chenstempel ins Heft. Das stachelt unsern
Anton immer besonders an, denn für zwan-zig Bienchen gibt es ein schriftliches Lob.
Damit die Kleinen aber ganz genau wissen,
wohin der Hase in der Schule läuft, teilt
Herr Quinten außerdem noch Punkte aus.Für gutes Verhalten einen roten, für
schlechtes Verhalten einen schwarzenPunkt. Seit er Schüler ist, steht für Anton
nicht mehr der Mensch, sondern der Punkt
im Mittelpunkt.
Neulich zeigt er mir einen Marienkäfer mit
fünf schwarzen Pünktchen auf dem Buckel
und sagt: »Guck mal, Vati, der hat auch
nicht grade ne reine Weste « Na ja, das istso Kindermund. Aber seit das mit den Punk-
•••
••
••• • ••
ten geht, zieht meine Frau nie mehr die r ~ = ~schwarzgepunktete Kittelschürze an, die sie -
vorher in der Küche gern getragen hat. Mich dagegen bewun-
dert Anton hemmungslos, denn ich bin Hobby-Imker und habe
im Garten einen Bienenstock mit vier Völkern. Das sind knapp
gerechnet hunderttausend Bienchen.
Kurz und gut, auf Anton hat das Bienchen-Punkt-System sei-
nen Eindruck nicht verfehlt. Herr Quinten aber ist schon wie-der am Knobeln. Auf der Elternversammlung vor drei Wochen
erklärte er uns die verfeinerte Punktwertung System Quin
ten). Er meinte, daß untadelig gutes Verhalten und extrem
schlechtes Verhalten eigentlich selten vorkämen und rein rote
Punkte beziehungsweise rein schwarze Punkte folglich eben-
so selten vergeben werden dürften. Er hätte deshalb angefan-
gen, auch die Zwischenwerte zu erfassen. Nicht ganz gutes
Verhalten ergibt demnach einen rosa Punkt, nicht ganz schlech-
asPunktsystem
47
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48 Lernen lernen nochmals lernen
tes Verhalten einen hellschwarzen Punkt. Mittelmäßiges Ver
halten das bisher überhaupt nicht bewertet werden konnte
bringt einen rein weißen Punkt ein der bei schlechter Beleuch
tung allerdings unsichtbar ist. Ich finde diese Punktwertung im
Prinzip ausgezeichnet fürchte jedoch daß sie meinen Bien
chen-Nimbus untergräbt wenn Anton mir die schwarzen Punk
te ankreidet die ich in diesem Text aus grammatischenGründen setzen mußte. Es sind - I-Tüpfelchen Umlaute und
Doppelpunkte mitgerechnet - insgesamt zweihundertunddrei.
>>jetzt haben wir aber
eine Weile zu tun, bis
wir die wieder einge-
wohnt haben «
Butterbrot mit Ei
Ich bring dir was bei.
Goldne Berge sind aus Gold
Blechne Berge sind aus Blech
Kupferberge sind aus Kupfer
Wer mit Stullen wirft ist frech.
Butterbrot mit BratenIch will dir was verraten.
Es sprach der große Zoroaster:
Wer keinen Tabak hat raucht Knaster.
Es sprach der große Kasimir:
Wer keinen Branntwein hat trinkt Bier.
Es sprach der große Kammundbürste:Wer keinen Schinken hat ßt Würste.
Aber Junge dein Benehmen
Ist zum Schämen.
Man trägt keine Mäuse in den TaschenOhne ihnen die Füße zu waschen.
Und deine Haltung zu TreppengeländernMußt du auch ändern.
Butterbrot mit KäsSchwatz nicht ich sehs.
Butterbrot mit Speck
Du bist mir zu keck.
Butterbrot mit Mandelkernen
Warte bis man dich verdrischt
Alle Menschen müssen lernen
Nur der Lehrer der lernt nischt.
Peter Hacks
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•
••
•
•
In einer Leipziger Schule. Der Lehrer äßt die
Kinder Tee-Sorten und ihre Wirkung aufzählen.Fritzchen meldet sich "S-E-Dee « - So , sagtder Lehrer verwundert, und welche Wirkung
• · . soll das haben?" Fritzchen: Mein Vater sagt:um Einschlafen «
ras sind die vierVV4 •
schwersten Juit:e im ?
Leben eines Polizisten
»Die erste Klasse «
/
/
e ,
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5 Lernen lernen nochmals lernen
Ottokar Domma
OtlO
a
Das Wort Ferien heißt auf deutsch Urlaub und hat verschiede-
ne Auswirkungen: Man muß das einmal bei einigen Schülern
und Elternteilen untersuchen.
Die Ferien sind ein Ereignis, welches alle Jahre wiederkommt.
Vorher und nachher gibt es auch mal Ferien, aber bloß ein biß-
chen zum Rumeiem und Schularbeiten nachholen. Die richtigen
Ferien beginnen im Sommer und hören im Herbst auf. Dazwi-
schen fängt ein paar Tage die Schule an, damit wir uns wieder
an die Schulluft gewöhnen. Deshalb kann man die Herbstferi-
en mit zu den großen Ferien rechnen.
In unserer Klasse gibt es verschiedene Ferienfonnen. Die mei-
sten fahren in ein Betriebsferienlager. Ich war auch schon ein-
mal in einem solchen. Wir haben meistens appelliert, morgens
und abends, und wenn ein hoher Betriebsleiter oder so was
kam, appellierten wir zwischendurch noch einmal. Dann räum-
tenwir dauernd die Zelte auf und nahmen Befehle entgegen. Die
schönsten Stunden waren, wenn die Gruppenleiter Skat spiel-
ten, und das war oft. Jetzt konnten wir uns erst richtig freizeit-
beschäftigen. Dabei lernte ich ebenfalls das schöne Skatspiel.
Als wir wieder nach Hause fuhren war ich ziemlich dreckig.
Daraus muß man eine Lehre ziehen. Sie lautet, man soll sich
nie über ein Ferienlager beschweren. Als ich nämlich meinen
Elternteilen so ein bißchen erzählt habe, wie es war, schlug
meine Mutter die Hände übern Kopf und machte ein Faß auf,
indem sie auf der Betriebseltemteilversammlung sprach: »Man
muß die Bengels doch mal erinnern, daß sie sich ordentlich wa-
schen und sauber halten « Diese Kritik stimmte aber nicht,
denn meine Mutter hat sich selber gewundert, wieso meine Un-
terhosen und Hemden im Koffer noch ganz sauber waren. Bloßdie Sachen, die ich dauernd an hatte, waren nicht mehr so.
Auch mein Vater machte seinen Mund auf und ziemlich viel
Wmd weil ich nicht richtig Skat gelernt habe und nur mauem
kann. Diese Kritik ist auch nicht gerecht, denn mein Gruppen-
leiter hatte gar keine Zeit, uns das Skatspielen richtig beizu-
bringen, und er jagte uns beim Zugucken jedesmal weg indem
er ausrief, er kann Kiebitze nicht leiden. Und wir sollten lieber
mit der Dame spielen. Weilwir
keine hatten, sondern in einemKnabenzelt lebten, lehrte uns der Zeltknabe Horst Kubitzka
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Lernen lernen nochmals lernen
das Skatspielen. Mauem lernten wir nicht das kommt viel-
leicht erst in der 8. Klasse dran.
Als die Elternteile von der Versammlung kamen sagten sie es
ist besser wenn ich vielleicht einmal zu Hause bleibe und nichtins Betriebsferienlager mitfahre und es reicht was sie wieder
über mich gehört haben.Daraus muß man lernen dass man sich niemals nicht beschwe
ren soll. Denn eine Beschwerde kann man auch mit einem Echo
vergleichen. Sie kommt gleich wieder mehrstimmig zurück.
Ein paar aus unserer Klasse fahren zu einer Expedition. Hier
hätte ich auch gern mitgemacht. Aber unser Pilei rief ich war
voriges Jahr dabei andere wollen auch einmal.
51
Das stimmt. Voriges Jahr experimentierten wir
nach Kleinbeimersdorf und suchten Spuren. DieManche Schmeichler bringen dem
Lehrer sogar ein Geschenk miteinen mußten rauskriegen wer die ersten Genos-
senschaftsbauern waren und was sie damals dachten und die
anderen mußten erforschen wer heute Genossenschaftsbauer
ist und was heute gedacht wird.
Mein Freund Harald und ich haben uns einen ausgesucht der
damals schon drin war und auch heute noch denkt. Er warganz prima und wir schrieben alles auf. Als wir wieder zu
Hause waren brachte der Schweine-Sigi ein Stullenpaket mit
einer Zeitung drumrum mit. Dort war unser Genossenschafts
bauer schon fotografiert und der Reporter schrieb einen Arti-
kel über ihn aber viel mehr als wir und flotter und mit etwasweniger Fehlern. Deshalb muß man überlegen ob wir immer
richtig expedirieren und ob es nicht besser ist wenn wir gleich
zur Zeitung gehen und dort alles abschreiben? Auch gibt es bei
uns ebenfalls solche Genossenschaftsbauern und man mußnicht extra nach Kleinbeimersdorf eine Expedition machen.
Aber mein Freund Harald meinte unsere Genossenschaftsbauern kennen wir schon zu gut und es ist genauso als wenn wir
unsere Elternteile oder Lehrer beschreiben möchten. Und es
gibt dann bloß Knatsch und Tratsch. Deshalb ist eine Expedi-tion in andere Dörfer Wüsten und Urwälder besser. Dort kön-
nen wir wirklich aufschreiben was wir hören was wir aber bei
uns im Dorf hören das schreibt man lieber nicht auf.
Manche Kinder verreisen mit ihren Elternteilen. Der Pillenhei
ni fährt in diesem Jahr nach Ungarn und die dicke Mia in die
Hohe Tatra. Auch kennen sie schon mehrere solche Länder.Wenn sie wiederkommen geben sie immer mächtig an und fra-
gen ob sie schön braun sind. Als ich voriges Jahr der dicken
Mia antwortete sie und ihre Eltern sind ganz schön besengt
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52
Was möchtest du denn
mal werden «
>>Versetzt «
•
Lernen lernen nochmals lernen
petzte sie es gleich wieder. Mias Mutter hielt deswegen mit
ihrem Wartburg und frug mich zum Fenster raus wie ich das
meine sie sind besengt? Und die Mutter ist deshalb auf dem
Weg zum Direktor. Ich erwiderte dass am Schwarzen Meer die
Sonne mehr und länger sengt als bei uns und das wissen wir
von unserem Herrn Erdkundelehrer Burschelmann. Mias Mut
t r gab Gas und hinterließ einen elenden Gestank. Entweder
kam das vom Schock oder ihre Mischung haut nicht hin.
Der Pillenheini gibt jetzt nicht mehr so toll an. Denn als r er
zählte er ist mit der IL 18 über unseren Wald geflogen frag
ten wir ihn ob er einmal mit uns in den Wald fährt und wir zei-
gen ihm ein Geheimnis. Der Pillenheini holte
gleich freudig sein Rad und dann fuhr r
mit mir meinem Freund Harald dem
Schweine-Sigi und dem langen Schücht los.
Wir fuhren ein paar Kilometer ziemlich
kreuz und quer. An einer Stelle im Wald hiel
ten wir und stellten die Räder hin. Wir sag
ten zum Heini r muß sich jetzt die Augen
verbinden lassen damit er nicht das Ver
steck sieht wo wir unser Geheimnis aufbe
wahren. Wir nahmen dann leise unsere
Räder und hauten ab.
Der Pillenheini hat erst drei Stunden später
wieder zurückgefunden weil r den Waldbloß von der IL 18 aus kennt.
Manche Kinder schreiben aus den Ferien auch Ansichtskarten
an die Lehrer damit sie wissen wo sie überall gewesen sind.
Auch freuen sich die Lehrer darüber wenn sie aus den Karten
lernen welche Gasthäuser es in Thüringen oder woanders gibt.
Und manche Schmeichler bringen sogar dem Lehrer ein Ge
schenk mit sagen wir grüßende Fische die auf ihrem Rücken
verkünden daß sie aus Binz sind oder ein Perlmutterschiff
vom Brocken auf welchem eine Hexe sitzt auch hat sie einenSchlitz wo man Geld reinsteckt und schon ist die Sparkasse
fertig. So ein schönes Geschenk kann ich nicht machen weil
ich zu Hause bleiben muß. Aber ich werde unsere Kneipe »Zur
feuchten Grotte« fotografieren und unserem Herrn Burschel
mann schicken. Darauf schreibe ich: Das Wetter ist sehr heiß
und hier ist es sehr schön. Auch habe ich schon einen ziemlich
tollen Brand und eine gute Aussicht. Es grüßt Sie
Ottokar
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Lernen lernen nochmals lernen
John Stave
»Diese Rodelbahn ist viel zu gefährlich für so ein kleines Kind«,
sagte Anita Falke streng zu ihrem Mann Benno, der sich gerade in seinen zweitbesten Ulster warf. Die Mutter richtete den
Blick zärtlich auf ihren fast zehnjährigen Sohn Etzel, der be
reits in einen dicken Anorak gehüllt war, in Schihosen und
Schistiefel. Auf dem Kopf trug er eine sogenannte Teufelsmüt
ze, rot und blau gestreift.
»Heute wird der neue Schlitten eingeweiht und damit basta Ichbin ganz andere Todesbahnen schon als Sechsjähriger hinun
tergefahren und habe es auch überlebt. Und was hatten wir da
mals noch für Schlitten Sogenannte eiserne Enten, kreuzge
fährlich, mein Junge «
»Ja, Papa«, sagte Etzel Falke todesmutig.
»Ich nehme an«, bemerkte Anita, »dein Vater war der König der
Todesbahnen. Er ist nur zu bescheiden, es hinauszuposaunen.«
»Ich war nicht schlecht. Immerhin war ich der einzige von den
ganz Kleinen, die die Todesbahn auf dem Bauch liegend hinun
tersausten. Und nun komm «
Benno schulterte den im Korridor stehenden funkelnagelneu
en Schlitten und stakste - er trug ein paar Filzstiefel, die ihm
ein ehemaliger Straßenbahnfahrer für ein Spottgeld abgelassenhatte - gefolgt von seinem nunmehr doch etwas blaß werden
den Söhnchen, die Treppe hinab.
Die Straße war völlig vereist. Ein einziger Sommertag mitten
im tiefsten Winter hatte die ganze Schneepracht gewaltig
zusammenschrumpeln lassen, aber dann hatte der Frost das
Zepter sofort wieder an sich gerissen. Und nun wurden ältere
Bewohner der Stadt stark an die Eiszeit erinnert.
n den zur Straße abfallenden Hängen des großen Parks ver
suchten ein paar Kinder und Halbwüchsige ihr Rodelglück,doch die meisten scheiterten. Selbst ein Thomas Köhler hätte
bei diesen Bodenverhältnissen seinen Schlitten vermutlich so
wieso an den Nagel gehängt.
Nicht so Benno Falke, der es sich in den Kopf gesetzt hatte,
mit seinem Sohn Etzel Schlitten zu fahren. Und Benno ist nun
einmal ein prinzipienfester Mann.
Ein steiler Weg führte einen Berg hinauf, der durch Zuschüt
ten eines im Krieg zerstörten Bunkers künstlich entstanden
53
Ein Amerikaner,ein Russe und einDDR-Bürger wer
den von einemKannibalenstammgefangengenommen. Der Häuptlingwill wissen, auswelchem Land siestammen. Der
Amerikanertrumpft auf: »Ichkomme aus denVereinigten Staaten, dem größtenImperium der west
lichen Welt. «Der
Häuptling schütteltden Kopf: »Kenne
ich nicht, ab in den
Kessel.«Er fragtden Russen: »Ichkomme aus derSowjetunion, dermächtigsten Kraft
des Kommunis
mus. «- »Kenne ichnicht, ab in denKessel.«Als derDDR-Bürger seine
Heimat nennt,umarmt ihn derHäuptling: »DDR
gut - Solidarität,bei euch habe ichdoch studiert ...«
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5 lernen lernen nochmals lernen
war. Von der obersten Plattform dieser Anhöhe nahm die To
desbahn ihren Anfang. Benno wunderte sich insgeheim, daßihnen niemand begegnete oder folgte oder sie überholte, dennVater und Sohn hatten große Schwierigkeiten mit dem Auf
stieg und kamen nur langsam voran. Sie zogen sich an Gelän-••
dem und tief herunterhängenden Asten Meter um Meter in die
Höhe. Die Filzstiefel erwiesen sich hierbei als nicht sehr rutschfest, weil sie auch mehr zum Stehen auf der Plattform einerElektrischen angefertigt worden waren.Etzel fand mit seinen Schis iefeln besser Halt, deshalb durfteer den Schlitten ziehen.Nach gut zwanzig Minuten waren die Falkes oben angelangt.Und siehe da: die Abfahrtsluken der Todesbahn waren vernagelt. Ein Schild sprach unmißverständlich ein sogenanntes Ver-
bot aus. »Die Ro-del-bahn«, las der Knabe hoff-
Geteilte Freude ist doppelter Schmerz.
Paß auf wie es gemacht wird
nungsvoll, »ist we-gen Verrei-«»Steh nicht herum, hilf mir lieber«, herrschteBenno den Jungen an.
Der Vater schwang sich auf eine steinerne Begrenzung, zogden Schlitten zu sich herauf, dann den Knaben. Etzel segeltesofort zur anderen Seite wieder hinunter und wäre um ein Haarvorfristig auf die Todesbahn geraten, hätte er sich nicht geistesgegenwärtig an den funkelnagelneuen Schlitten geklammert,der ihm nun folgte. Und gleich nach dem Schlitten kam Benno
Falke mit seinen Filzstiefeln.»Hornochse«, knurrte Benno im freien Fall. »Hält sich am Schlit
ten fest.«»Du hast ja auch nicht losgelassen, warst ja selber dumm«,
verteidigte sich der jüngere der beiden Männer. Kein Wunder,
daß dem älteren die eine Hand ausrutschte. Plitsch - es wardie erste Maulschelle, die Etzel von seinem Vater im Liegenempfing.»Hör auf zu heulen Los, ich leg mich jetzt bäuchlings auf den
Schlitten. Du setzt dich obendrauf, auf meinen Rücken. Aberdie Quanten werden auf die Kufen gestellt, verstanden? Nichtim Schnee mit rumfuhrwerken. Putz dir erst mal die Nase «
Benno sah die Todesbahn jetzt aus einer längst vergessenenAugenhöhe, mehr aus der Froschperspektive, und zum erstenMal wurde ihm wieder bewußt, welche Ängste er vor dreißigJahren ausgestanden, wie er sich an einen Pflock geklammerthatte und wie die Großen schließlich seine Hände gelöst undihn mit Gewalt abgeschoben hatten.
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Lernen lernen nochmals lernen
Klein-Benno war damals während der Fahrt abgesprungen und
laut schreiend ohne Schlitten nach Hause gelaufen.
»Ich habe ganz echt Angst, Papi « sagte Etzel von oben herab
Benno spürte, daß der Knabe an allen Gliedern zitterte.
»Ach was«, sagte Benno, »jetzt geht die Post ab. Dein Vater ist
doch bei dir Halt dich schön fest. Eins, zwei, los <<
Es war gewissermaßen auch eine Erziehungsmaßnahme, be
ruhigte sich Benno auf den ersten Metern der Todesbahn.
»Mich haben sie damals auch ins Wasser geschmissen, und ich
konnte nicht schwimmen « rief Benno, und für einen Moment••
hatte er die Ubersicht verloren. Der Schlitten gewann an
Schnelligkeit, begann sich jedoch im
Kreise zu drehen wie eine bemannte Ra
kete, nur daß die Schwerkraft nicht auf
gehoben war.
Etzel Falke wurde wie die erste Stufeder Rakete in den Weltraum geschleu-
dert. Benno legte noch zehn, fünfzehn
Meter in einer recht eigenwilligen Tech
nik zurück: Er rutschte, auf der rechten
Seite liegend, Hände und Füße weit von
sich gestreckt, mit dem Kopf nach hin-
ten, quer über die Bahn. n einem Wall
kam Benno zum Halten. Der Schlitten
war umgeschlagen, aber weder Perso-nen- noch Sachschaden war entstanden.
»Ich habe dir extra eingeschärft, du sollst die Füße drauflas-
sen. Klar, daß wir aus der Bahn geraten mußten.«
»Ich kannja sowieso schon schwimmen, Vati«, versuchte Etzel
sein bißchen Haut zu retten.
»Hör auf zu singen Jetzt gehts noch mal nach oben«, befahl
Benno Falke.
»Nein, nein, liebster Papa«, bettelte der Knabe. »Ich hole auch
andauernd Kohlen aus dem Keller und Zigaretten und Bier undhelfe immerzu Mutti beim Abwaschen und will auch meine
Schularbeiten immer ganz schön erledigen und ... «
» ••• und stecke deine Rute ein«, äffte Benno den Jungen nach.
Die Erziehungsmaßnahme schien schon ein bißchen gewirkt zu
haben. »Das kennen wir. Aber damit du siehst, mein Sohn, daß
dein Vater auch gleichzeitig dein treuester Freund ist ...«
»Das ist ja schon Heini Pawliczek «
»Quatsch nicht Also weil ich dein treuester Freund bin, werde
So, und nun s i schön
vorsichtig, hörst du?«
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ich alleine hinunterfahren, damit du einmal siehst, wies ge-
macht wird.«»Ich kann doch dann gleich unten bleiben, Papsi«, schlug Etzelpraktischerweise vor.
»Nichts ist: Geteilte Freude ist doppelter Schmerz. Du kommstmit zum Start «Kühn und zuversichtlich machten sich die zwei erneut an denanstrengenden Aufstieg. Benno mehr kühn, aber Etzel mehr zu-
versichtlich, denn ihm konnte, falls der Vater sein Wort hielt,herzlich wenig passieren. Halb erschöpft, aber glücklich, langten sie nach einer guten Viertelstunde oben an. Etzel rieb sichverstohlen die Hände. Benno begab sich an den Start.»Paß auf, wie es gemacht wird « rief Benno, der bereits auf dem
Schlitten lag. »Eins, zwei ... «»Halt, im Namen des Parkgesetzes « ertönte da eine krächzende Stimme. Aus einem verschneiten Gebüsch tr t ein altesMännlein in der Dienstkleidung des Gartenamtes.»Mensch. Sie sind doch der ...« sagte Benno erfreut, »der mir
die Stiefel hier verkauft hat.«»Jetzt verkauf ich Ihnen was andres«, sagte der Parkwächter.»Hier, einen Ordnungsstrafschein in Höhe von fünf Mark .
••
Wegen Ubertreten eines Parkverbotes und wegen Sachbeschä-digung beim Übersteigen einer Absperrung «
»Aber lieber Freund«, begann Benno.
»Ich bin eine Amtsperson. Im Weigerungsfalle muß ich Sie derPolizei übergeben.«»Nananana, nun mal kurzgetreten, Herr General«, sagte Benno.
»Da haben Sie Ihre fünf Mark - machen Sie sich einen schö-
nen Sonntag. Und nun geben Sie die Bahn frei «
»Halt«, rief der Parkwächter wiederum und sprang wie ein junges Reh vor den startklaren Schlitten. »Das Wintersportgerätist konfisziert «Benno stand langsam auf. Er war zwei Köpfe größer als das
Männlein. »Ich weiche nur der Gewalt«, sagte Benno Falke,und sein Gesicht rötete sich schnell. »Wo und wann kann ichden Schlitten also wieder abholen?«»Unten an meiner Bude«, sagte das Männlein. »In einer Minu-
te.« Es schwang sich auf den Schlitten, stieß sich mit beidenBeinen ab, rief noch: »Es handelt sich um eine reine Erzie-
hungsmaßnahme « und sauste sicher zu Tale.»Deine scheiß Schlittenfahrerei«, sagte Benno zu seinem SohnEtzel. Dann machten sie sich an den Abstieg.
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8 Was des Volkes ände schaffen
lrmgard be
w r
Montags geht Rosi ganz gerne in die Stinkbude, montags hat
der Versand angenehme Arbeit, Sendungen an Kliniken oder an••
praktische Arzte, sauber und leicht zu verpacken. Kleine Kar-
tons, Zellstoff und Holzwolle, zum Schluß das neue hellgrüne
Packpapier - fertig sind die Päckchen an die Herrn Dr. med. in
Philadelphia, Leau oder Casabra, Namen, die fremd anmuten,
geheimnisvoll, oder auch solche, die Rosi einfach Spaß machen:
Butterlake, Wassersuppe, Hammelstall und Hundeluft.
Ab Dienstag siehts schon unfreundlicher aus, schmierige Ka
nister, große Korbflaschen, staubige Säcke mit immer densel
ben unpersönlichen Adressen - Piesteritz, Leuna, Bitterfeld.
Aber heute fängt ja alles erst an, heute ist Montag, und der Alte
hat grade die Listen verteilt. Rosi guckt sich ihre Posten an,Buchstaben G-K, da geht der Spaß schon los: Dr. med. Fried
rich Wilhelm Gänsicke, Ohnewitz - na bitte, hinein ins Vergnü
gen. Holzwolle griffbereit, passenden Karton aufgeklappt, wei
ter kommt sie nicht, denn Waltraud, L-0, winkt Rosi hinüber
an ihren Packtisch, da sind schon Inge, A-F, und Helga, P-S,
eifrig dabei, einen Geburtstagstisch herzurichten für Annchen,
T-Z. Annchen, selbstverständlich, ist noch nicht da, eine Vier
telstunde später kommt sie. Mit Kuchen. »Hat die Verwandt
schaft übriggelassen«, sagt sie. »Mann, war was los «
Die Kolleginnen der Versandabteilung trinken Kaffee. Annchen
berichtet, was los war, spendiert eine Runde Pralinen. Rosi be
geistern Annchens Tanten nicht, sie möchte kleine Päckchen
packen, sie sagt: »Wenn ich morgens rauche, wird mir schlecht.«
»Weder morgens noch abends«, sagt plötzlich eine Männerstim
me. »Aber wenn schon rauchen, dann feuer- und lebensver
sichert « Da hat sich der Verwalter des Materiallagers einge
schlichen, bringt eine Rolle hellgrünes Packpapier, und allewissen: So seltene Kavaliersgesten sollen in Versicherungs
policen umgemünzt werden, mit denen der Kollege Material
lager-Verwalter nebenberuflich einen Pfennig verdient. Aber er
wird lediglich eine halbe Stunde fabelhaft auf den Armgenom
men, von A-Z, das heißt, G-Kist auszuklammern, denn Rosi hat
sich zu ihrem Packtisch zurückgeschlichen, greift auch schon
tatendurstig in die Holzwolle - da zischt Annchen: »Der Alte «
Alle schnappen ihre Versandlisten, der Materiallager-Verwalter
wedelt mit dem Material-Entnahmeschein, trollt sich dann über
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asdes Volkes ände schaffen
den Hof in die Oxydanlage, vielleicht ist hier ein Pfennig zu ver
dienen. In den Raum poltert der Alte: »Kurze Pause. Bespre
chung.« Zu besprechen ist der geplante Abteilungsausflug, wie
macht mans am besten? Vorarbeiten? Haushaltstag? »Einer
muß auch kassieren.« Das zieht sich hin. Rosi steckt aufs neue
entschlossen die Hand in die Holzwolle, das raschelt, das macht
stutzig. »Tja«, sagt der Alte, »wir müssen weitermachen, überlegts euch, wir sprechen morgen noch mal drüber.« Und geht.
Die Kolleginnen der Versandabteilung sprechen gleich noch
mal drüber. Rosi fischt derweil aus hohen Regalen, was an den
ulkigen Doktor in dem ulkigen Dorf zu verschicken ist.
Da setzt draußen eifriges Laufen ein. Die
Kollegen der Oxydation, die Weißkittel von
der Pharmazie, Sekretärinnen der Werklei
tung, alles rennt zur Kantine.
»Der Röntgenzug«, sagt Rosi.Richtig Sie sind ja auch darauf eingerich
tet, also schnell die Ausweise, noch biß
chen überkämmen, bißchen frisch machenund hin. Da steht zwar eine ansehnliche
Schlange, aber zurücklaufen lohnt nicht,
gleich ist Mittag. Als die Kolleginnen der
Versandabteilung den letzten Blusenknopf
wieder schließen, tutet es. Essen.
In der Kantine, durch die Stuhlreihen.drängt sich der BGLer. Gibt auch Rosi ein
Zeichen. Rosi steckt den Nachtisch, zwei
Goldparmänen, in die Kitteltasche, geht zur
•• •
o•. . .- " •
•
•• ••
kleinen Baracke neben dem Hauptlabor: Versammlung der Ge
werkschaftsvertrauensleute. Hart, was da gesagt wird. Zuge
geben, der Versand hat keinen Einfluß auf Produktionszahlen,
die Frauen verpacken, was kommt, mal mehr, mal weniger,
trotzdem - Rosi denkt an ihren verlassenen Packtisch, an die
Liste G-K.Indessen, Rosis Packtisch ist keineswegs verlassen, hier
herrscht reger Betrieb. Der Kollege Materiallager-Verwalter
kam noch mal auf einen Sprung rüber, dokumentarisch zu
belegen, wie schnell der Mensch sich den Tod holen kann. Ein
mal leichtsinnig anziehen, Lungenentzündung, aus Die Doku
mente, Fotos, zeigen in der Tat leichtsinnig gekleidete Men
schen, und wenn die Kollegin genau hinsehen, überhaupt völ
lig unbekleidete Menschen. »Altes Schwein « sagt Annchen.
Von wegen Schwein. »Alles FKK « Sie ziehen den Kollegen ein
>>Weitermachen Der
Lochkartenlocher st
noch nicht repariert <<
9
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1969 - 1970
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Zwei F . r e u n o ~ .u:il ' : ;terhalten sich-üöen · ·
die neue Arbeit, ? ·der eine in einem ·VEB aufnehmenwill. »Machst halt -
den s t e l l v e r t r e t e n
wieder a c h k e n n t ~ ·•msse. <
as des Volkes Hände schaffen
bißchen auf. Materiallager-Verwalter für den FKK-Strand - so
ein Posten Keine Arbeit und mancher Pfennig nebenbei zu ver
dienen. Plötzlich Schritte auf dem Gang, angestrengtes Lau-
schen, prophylaktische Griffe zu Versandlisten. Gott sei Dank
- nur Rosi. Aber dann, hinter Rosi der Alte Fixes Mäuschen
huscheln. Der Verwalter verfatzt sich planlos und diesmal ohnejedes Papierehen. »Kurze Pause Arbeitsbesprechung«, wettert
der Alte. Dicke Luft.
Rosi wickelt das Päckchen ein. Das Päckchen an Herm Dr.
med. Friedrich-Wilhelm Gänsenicke, Ohnewitz, hastig, eilig,
dieses eine wenigstens soll heut fertig werden. Dann bricht
das Donnerwetter los. Seit fünf Jahren wird hier über die Be-
deutung der Postleitzahlen gesprochen Seit fünf Jahren geht
immer wieder was schief Also noch mal: »Wieviel Nester Naun
dorf gibt es?« - »Zweiundzwanzig.« - »Ja, das sitzt, das habt ihrbegriffen. Aber jetzt: Wieviel Petersdorfs?« - »Fünf.« - »Nein.
sechs«, sagt Rosi. »Einen in Berlin bei der Funzel.«
Aber das kommt heute nicht an. Weil eine Sendung nicht an-
gekommen ist, jedenfalls nicht bei Herrn Erich Müller, Arzt,
12101 Petersdorf, sondern bei Herrn Erich Müller, Bestattungs
institut, 12141 Petersdorf. »Also«, sagt der Alte, der Mann
kommt sich verscheißert vor. Aber darum gehts nicht. Es geht
um das Porto, das hier aus dem Fenster fliegt, 70 Pfennig, Tara
nicht gerechnet . . . Bares Geld, Volkseigentum Wann denktihr eigentlich im großen Rahmen, Donnerwetter «
Da tutet die Sirene, da ist Feierabend, und Annchen sagt: »Man
kommt reinweg zu nichts « und damit ist Schluß für heute, die-
sen Montag, in der Versandabteilung.
Nein, doch nicht Schluß und Feierabend. Da kommt j noch mal
- lange nicht gesehen und doch wiedererkannt - der Kollege
Materiallager-Verwalter. Roter Kopf und irrer Blick: »Wo sind
die Fotos?«Viel Gesuche, kein Erfolg, nirgends Fotos, nirgends
Nackedeis, verdammte Schweinerei. Vielleicht in irgendeinDoktorpäckchen eingepackt? »Los, alles aufmachen «
Da ist, gottlob, nicht viel aufzumachen, denn da ist, welch
Glück, nur ein Päckchen gepackt worden, an irgendeinen ulki
gen Doktor in irgendeinem ulkigen Dorf. Was bleibt - Rosi
reißt es wieder auf, da haben wir sie ja, und es gibt noch einen
nachträglichen Spaß, als Annchen sagt: »Ob der Doktor sich
beschwert hätte?« Aber das alles ist schon nach der Sirene, also
nach der offiziellen Arbeitszeit, und interessiert uns deshalb in
dieser Chronik nicht mehr.
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Anfrage des Landwirtschaftsministeriums an eine sächsische
LPG: > ~ G e n o s s e n könnt ihr die Milchproduktion um 10 Prozent
steigern?« - »Kein Problem.« - »Genossen, könnt ihr die Milch-
produktion um weitere 20 Prozent steigern?« - »Natürlich könnenwir auch das aber dann wird die Milch s hon seht dünn «
' -·., ._ fll .\t,
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6
l MKLEiPfBARACKE
»Dierbeit
in drei
Schichten klappt noch
nicht aber das Umklei-
den <<
•• •
Was des Volkes ände schaffen
anskarl oerning
os HOH a t t ~ t tZwei Straßen-Bauarbeiter
Erster: August, guck mal, das Loch ist immer noch in der Stra
ße, das gute alte Loch ...
Zweiter: Das dient doch jetzt der Wissenschaft. Gestern waren
schon die Archäologen da.
0
Erster: Wer war da?
Zweiter: Archäologen. Das sind Altertumsfor-
scher.
Erster: Die haben wohl deine Alte erforscht?
Zweiter: Ich weiß, daß du mit Cohrs in einer
Klasse warst.
Erster: Na mal im Ernst: Was wollten denn die
Archäologen?
Zweiter: Die sind in das Loch reingekrochen.
Die haben nach Werkzeugen gesucht, aus der
Steinzeit.
Erster: Haben se denn welche gefunden?
Zweiter: Freilich, jaja. Eine Hacke. Bloß im
Jahrhundert haben die sich geirrt. Das war die
die du vor zwei Jahren liegengelassen hast
Erster: Wieso haben die sich da geirrt, August?
Die Werkzeuge, mit denen wir arbeiten, die
stammen doch aus der Steinzeit.
Zweiter: Sage nichts gegen die Steinzeit, du.
Das Werkzeug damals hat wenigstens gehal
ten Komm pack mit zusammen, es ist gleich
Feierabend.
Erster: August, wir haben noch eine ganze Stunde Zeit.
Zweiter: Ach was ist denn heute für ein Tag?Erster: Donnerstag,
Zweiter: Na also. Wenn w r Donnerstag nicht wenigstens eine
Stunde vor Feierabend Feierabend machen, was ist denn da?
Erster: Ach so, ich weiß, da sind wir freitags müde.Zweiter: Und wenn wir freitags müde sind?
Erster: Da können w r am arbeitsfreien Sonnabend nicht rich-tig arbeiten.
Zweiter: Bei fünffachem Verdienst.
Erster: Genau. Das ist eben die Dialektik,
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asdes olkes ände schaffen
Zweiter: Seit wann machst denn du auf Dialektik?
Erster: Wenn s ums Geld geht, schreck ich vor nichts zurück.
Zweiter: Und wer zahlt uns den fünffachen Verdienst?
Erster: Na unser volkseigener Straßenbau, wer denn sonst.
Zweiter: st eine großzügige Bude, kann man nicht anders
sagen.
Erster: Bloß es gibt eben noch viel zuwenig Löcher.
Zweiter: Zuwenig? Mir langt schon unser Planungsleiter, das
Loch
Erster: Ich mein doch so ein Loch in der Straße. Das liegt und
liegt.
Zweiter: Ein Auto nach dem anderen fährt rein.
Erster: Eine Achse nach der anderen bricht.
Zweiter: Die Achsenbauer kommen gar nicht mehr mit der Pro-
duktion nach.••
Erster: Es sei denn, sie machen Uberstunden.Zweiter: Am arbeitsfreien Sonnabend ...
Erster: Bei fünffachem Verdienst.
Zweiter: Wie wir.
Erster: Und wem haben die Achsenbauer das zu verdanken?
Zweiter: Den Schlaglöchern ...
Erster: Die wir so liebevoll hegen und pflegen.
Zweiter: Siehst du, Paul, so wäscht eine Hand die andere.
Erster: Deswegen gibt es bei uns auch so viele saubere
Menschen
•
•• • •
63
Natürlich fällt das
unter Leistungslohn.
Oder ist das etwa keine
Leistung?<
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6 Was des Volkes ände schaffen
Ulrich Speitel
Bei uns, bei den Leuten vom flachen Lande, steht das Bauen
in hoher Blüte. Kein achtbarer Mensch, der nicht irgend etwas
zu bauen hat, Zäune, Garagen, Taubenschläge und Hollywood
schaukeln, nicht zu glauben, was alles gebaut werden kann.
Wir saßen zwei Jahre auf unserer Klitsche, mühten uns, hin-
ter den manchmal absonderlichen Baudrang der Leute zu kom
men und bauten nichts.
Es wurde gefragt: Was ist er für einer?
Es wurde geantwortet: Er baut nicht
Es wurde geredet: ein Bruder Leichtfuß, träg und ohne streb-
same Ader.
Wir wollten nicht als unstrebsam, träge und leichtfüßig geltenund beschlossen den Bau einer Badestube. Selbstverständlich
kann man um den Bau einer Badestube bei einem
Mit dem Bauen kam die sozialistische Baubetrieb nachsuchen. Doch dort klärte man uns
Nachbarschaftshilfe in Gang. auf, daß der Bau einer Badestube ins NAW Un-
terabteilung Eigeninitiative fällt. Die Eigeninitia-
tive beginnt mit der Suche nach einem Maurer der nebenbe-
ruflich noch hinreichend Mumm Zeit und Laune in petto hat,
eine Badestube hochzuziehn. Mumm und Laune waren bei allen
Maurern reichlich vorhanden, Zeit nicht.Nach hundertsechs Eigeninitiativkilometern endlich hattenwir
Glück. Ein Maurer kam und besah sich den Stall. Unser Stallenthielt derzeit außer Luft und zwei Schwalben lediglich drei
Hühner. rr planten, eine Stallecke zur Badestube hochzupo-
lieren. Der Maurer billigte unsern Plan und sah sich um.
»Material?«
Material hatten wir keins. Der Maurer strich sich bekümmert
die Backen. »Auto?«
Wir besaßen einen Trabant, das rettete uns.Es wurden nämlich Steine gebraucht und Zement, Kalk Kies
Bretter und sogenannte Sauerkohlplatten, dies für den Maurer
und für den Anfang.
Wir notierten das kurz und schätzten die Materialbeschaffung
auf zwei allerhöchstens vier bis sechs Wochen. Der Maurer sah
uns gutmütig an.
»Kommt ihr vom Zirkus? Könnt ihr zaubern?«
Da schwante uns, daß Baustoff irgendwie knapp sein mußte
und eine Steigerung unserer Eigeninitiative um 500 Prozent
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Was des Volkes Hände sch ffen
verlangte. Unser Maurer hatte geraten vom Material reichlich
zu bestellen etwa das Doppelte von dem was gebraucht wurde.Das ergab sich aus seinen Baustofferfahrungen. Wir hatten
auch unsre Erfahrungen und bestellten sicherheitshalber dasDoppelte von dem was gebraucht wurde an zwei auch drei ver-
••
schiedenen Stellen. Doch das Material hatte Ahnlichkeit mit
der Bahn: Es ließ sich Zeit.Wrr hüllten die Mutter in hübsch kurze Kleider brachten ihren
natürlichen Charme in Schwung und ließen sie auf die Hand
werker und auf andere Bau
stoffquellen los. Den Herbst
und den Wmter waren wir im
Prinzip unterwegs forschtenhier fragten da spielten mit
dem blöden Gedanken Fliesen
und sanitäre Keramik notfallsmit Spargelstangen zu lockern
merkten aber glücklicherweisebeizeiten: Es war alles alles
da. Gabs eine Fußbodenent
wässerung nicht in der Nähe -
nicht in Brandenburg oder Ro
stock - in Dresden lag eine
herum das war so gut wie fast
sicher. Ein Boiler fand sich in
• • •„ + •
. • „• • „ •. . . .
„ •. .... _ „
der Hauptstadt im Quartal darauf auch in Friesack und wasmomentan nirgendwo zu erstehen war hatten seltsamerweise
die Nachbarn im Schuppen.
Das wunderte uns da sahn wir nicht durch. Wieso hatten die
Nachbarn allerlei Material wenn Baustoff gewaltig knapp war?
»Na eben ... weils knapp ist« sagten die Nachbarn lächelten
weise und da sie inzwischen unsre Baulust bemerkt hatten
griffen sie uns mit anerkennenden Worten und mit ihren Ma
terialreserven unter die Anne. So kam mit dem Bauen zunächstdie sozialistische Nachbarschaftshilfe in Gang.
Später kam dann der Frühling und mit dem Lenz kam auch tat
sächlich der Maurer wieder. Später erschienen auch der Tisch
ler der Elektriker und der Klempner. Sie arbeiteten flott tran
ken mäßig hielten ihre Tarife in Grenzen.
Mich qualifizierten sie nebenbei zum Handlanger.Ich lief bestiefelt herum die Brust entblößt meine Muskeln ge
rieten in Form und türmten sich und ein seltsames Gefühl kam
mich an das Gefühl des Bauens.
6
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• . - • •. , . .
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Bis Wochenende muß
der Kabelgraben zu
sein. Montag fängt dieGasversorgung hier an
zu buddeln.
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))Schön vorsichtig, der
Mischer gehört unserem
Betrieb Wenn er kaputtist, kann ich ihn nichtmehr für Mark die
Stunde vermieten.
Was des Volkes Hände sch ffen
Bauen schien mir mit einemmal etwas Besonderes zu sein. Duschreibst eine Geschichte, sie wird gedruckt oder nicht, damit
hat sich der Fall. Oder du nähst einen Anzug irgendwer trägt
ihn - was bleibt? Aber wenn du was baust, mein Lieber das
steht eine Weile da ist was zu sehen, das erfreut noch Enkel
und weitere Kindeskinder, was du da hingeklotzt hast. So ein
Gefühl etwa kam mich an und wollte nicht wieder gehen. Alsdie Akazien blühten, bereinigten wir den Dreck, badeten an
und sahen mit einemmal, daß unsre Klitsche von allerhand üb-
riggebliebenem Baustoff bedeckt war. Was tun damit? Baustoffist keine Räucherware und hält sich nicht ewig. Der Zement
wird hart, auch der Kalk will verbaut sein.
Das Baugefühl in meiner Brust war noch mächtig zugange, und
• „ • -•
ich begann unverzüglich
die Waschküche abzuput
zen. Besenputz. Auf halbem Wege ging mir der
Baustoff aus. Ich holte
. .-
Nachschub heran, sicher
heitshalber ein wenig mehr
und behielt genug übrig,
um eine Hundehütte in An-
griff zu nehmen. Die Hun-
dehütte war kaum begon
nen, da wurde neuer Bau-stoff erforderlich. Ich be
schaffte ihn es ging wieder
nicht ohne Reste ab und so
wuchs die Hundehütte hin-
über ins Bienenhaus, das
Bienenhaus in massive
Zäune und Wege die Wege in eine Gartenlaube, ich komm aus
dem Bauen nicht mehr heraus, aber eins steht fest: Sobald ich
meinen eigenen Grabstein errichtet habe, mache ich SchlußKein Baustoffrest wird mich wieder verleiten, ich habe anderes mit ihm vor.
In der Nachbarschaft ist nämlich, ein Bruder Leichtfußzuge
zogen, träge und wenig strebsam, das sieht man gleich. Fast
ein ahr wohnt er hier, ohne irgend etwas gebaut zu haben.
Dem schenk ich die Reste.
Oder wart mal: Ich könnte natürlich auch einen luftdichten
Schuppen bauen, der mir das Restmaterial sicher beherbergt.
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Was des Volkes Hände schaffen
Peter auglitz
oit·
Jüngst habe ich ein hübsches kleines Erlebnis in der Verwal
tung gehabt. In Zimmer 112, beim jungen Kollegen Müllersohn. An der Tür finde ich das Schildchen »Komme sofort wie
der« vor.
Nachdem ich eine Viertelstunde brav Posten gestanden habe,
geht eine nette Brünette den Gang entlang.
»Kollege Müllersohn kommt gleich «
»Nein«, stelle ich richtig, »sofort. Da stehts.«
»Ist doch das gleiche.« Die Brünette verhält, und wir philoso
phieren über die Ungleichheit von gleich und sofort. So gehen
die nächsten zehn Minuten weg. Worauf derjunge Kollege Mül
lersohn erscheint.
»Zu mir? Gut, kommen Sie gleich mal rein «
Ich sage: »Sofort « und darf mich unverzüglich setzen. »Also,
ich möchte - mein Anliegen ist folgendes ...«
»Einen Moment, bitte «
»Bitte <<
Der junge Kollege Müllersohn schiebt einen Akt genießerisch
von sich, zieht einen anderen Vorgang heran, und nichts deu
tet darauf hin, daß Müllersohn, der »einen Moment« gesagt
hat, in den nächsten paar Momenten für mich momentan wäre.
»Hmmm-mmchch «
»Sagten Sie was, Bürger?«
»Ich habe gehüstelt.«
»Gesundheit « wünscht mir der Kollege Müllersohn. Darauf
greift er zum Telefon, pikt einen Stift in die Drehscheibe und
läßt sie über die Nummern schnurren.
»Wenn Sie sich noch einen Moment gedulden ... «
Noch einen
Müllersohn spricht in den Draht. In schöner Zeitlupe sagt erdem anderen Ende durch, das Wetter habe sich ja nun Gott sei
Dank verbessert. Aber das andere Ende muß die Verbesserung
nicht ganz mitgekriegt haben, denn Müllersohn wird deutli
cher. »Es ist umgeschlagen - ra-di-kal « Seitenblick zu mir:
»Augenblick noch « Gut, in Augenblicken kann mir keiner was
vormachen. »Ein Augenblick« habe ich mal gelesen, ist genau
die Zeit, welche ein Auge benötigt, um den Blick auf etwas zu
werfen. Bei Augenpaarblicken dauerts übrigens auch nicht län-
7
Ein Handwerker
stirbt und kommtzu Petrus. Der be-
grüßt ihn mit den· .
iW'orten: »Da d u- .
·ja endlich.« Darauf
der Handwerker:»War es denn wirk
. lieh nötig, mich so. .früh zu h o l e n ? ; ; ; . . .' '• ' - '" .. • . ' -_ -. , . , • , _ ; J i ~ i
~ > W i e s o ? « fragt Pe-
trus. »Na, ich bindoch erst 45 Jahrealt.« Petrus: »Das
· .kann nicht sein.
Wenn. ch mir Q ie · .
S t u n d e n z e t t e i a .
sehe, die du ausgefüllt hast, bist duschon über 80.«
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68
>>Was hat dieser nüll-
mann eigentlich erfu.n-
den?
>>Die Pausenzigarette.
???• • •
>>Brennt länger.<<
as des Volkes ände sch ffen
ger. Die Augenblicke gehen zu Hunderten ins Land. Was dem
jungen Kollegen Müllersohnjedoch nichts weiter ausz11machen
scheint. Ohne Anzeichen von nervöser Hast hat er sich mitt
lerweile in ein zweites Telefonat verstrickt. Geruhsam bespricht
er irgendeine Rosi, rund zwanzig Minuten lang. Dann aber, ge-
rade als Kollege Müllersohn mich mit dem vierten Augenblick
ehen abgefrühstückt hat, muß bei Rosi der Bürowasserkessel
gepfiffen haben. Müllersohn hält sich gelassen sein Ohr zu.
Dann legt er resignierend auf, und ich bin dran.
»Sie wünschen, Kollege?«
»Ich, ich ... In diesem
Moment läutet es.»Eine Sekunde «
Hurra, endlich etwas
Greifbares. Weiß ich
doch längst, daß Müller-
sohns »Eine Sekunde«
kaum länger als sechs
Augenblicke - zwanzig
Minuten andauern wird.
Aber dann wickelt sich
alles erheblich kürzer
angebunden ab. Müllersohn haucht »Müller-
sohn ... « in die Muschel.Worauf ein beachtlicher
Ruck in die eingesunke
ne Sitzgestalt des jungenKollegen fährt. »N eiin «
schreit er entgeistert auf. »Ist j entsetzlich Komme sofort
Fliege schon « Und jetzt kommt das Verrückteste: Der junge
Kollege Müllersohn schnellt hoch. Er überspringt in einem ein-
zigen gewaltigen Temposatz seinen Schreibtisch und meine
Beine. Wirft mir von oben herab den Ruf »Kleine Sekunde nur «zu und katapultiert sich schreckensbleich aus dem Zimmer in
den Gang. Wie einer, bei dem ein liebenswerter Angehöriger -
möglicherweise Trabant 601 - völlig überraschend das Zeitli-
che gesegnet hat. Doch nichts dergleichen war geschehen. Wie
ich eine kleine Sekunde (gleich dreißig Minuten) später von
ihm selbst erfahre, hatte Kollege Müllersohn in der Hast derMonate nur eine Kleinigkeit verschwitzt: Sich rechtzeitig in
die Urlaubsliste einzutragen.
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Was des olkes Hände schaffen
Jürgen Hart
Rudi: Na, ihr wollt wohl zu mir?
Produktionsleiter (zitiert aus einem Bericht): » • und so ist es
uns gelungen, den Halbjahresplan mit siebenundachtzigkom
mafünf Prozent zu erfüllen. Das ist ein schöner Erfolg Den-
noch sind bei uns keine Spuren von Selbstbefriedigung zu
verzeichnen. Bei weiterer kontinuierlicher Arbeit unserer Bri-
gade sollte es möglich sein, den Jahresplan mit fünfundneun
zig Prozent zu erfüllen «Kommt dir das nicht bekannt vor?
Rudi: Freilich, ist doch von mir
Produktionsleiter: Mehr fällt dir dazu wohl nicht ein?
Rudi: Nee
Sekretärin: »••• ist es uns gelungen, den Halbjahresplan mit sie-
benundachtzigkommafünf Prozent zu erfüllen?«
Rudi: Na und? Ist doch wohl stilistisch einwandfrei formuliert?
Sekretärin: Aber die Prozentzahlen
Rudi: Siebenundachtzigkommafünf Prozent ist viel, gelle?
Produktionsleiter: Aber wir hatten hundert ausgemacht
Rudi: Hundert Prozent? Das hättet ihr mir aber vorher sagen
können, das gabs ja noch nie. Und wenn ich mir das richtig
überlege, ist das auch gar nicht zu schaffen
Sekretärin: So, warum denn nicht?Rudi (aufbrausend): Na, was kann ich denn dafür, daß wir den
Paule im Winter vierzehn Tage zum Schneeschippen abstel
len mußten. Bis hierher stand uns der Schnee Und wenn der
Paule nicht geschippt hätte, na ich weiß nicht, wo er heute
stände Und dann gleich die Grippewelle Hundertfünfzig
Grad Fieber hatten wir in der Brigade
Sekretärin: Hundertfünfzig Grad?
Rudi: Natürlich, alle viere Jeder siebenunddreißigkommafünf
Jeden Tag ham wir aus eigener Tasche drei Flaschen Wodkagekauft, nur damit wir gerade an der Maschine stehen konn
ten Und dann kam noch der Sommer mit der Urlaubswelle.
Kaum wird es warm, schon rammeln die Leute in Urlaub
Sekretärin: Das kann man aber vorausplanen
Rudi: Wie wenn man vorneweg wüßte, wanns warm wird Ich
hab im Juli schon gefroren wie ein Hund, und im Februar hab
ich geschwitzt Man kann eben nicht planen, wann man
schwitzt oder friert Und trotzdem ham wir den Plan mit sie
benundachtzigkommafünf Prozent erfüllt
9
Walter Ulbricht ist
in Moskau zu Be-
such und hält sich
im Kreml auf.
Während er auf
Breshnew wartet,
beobachtet er einenkleinen glatzköRfi-
gen Kerl, der derHeizung hantiert.»Kennen wir uns ·nicht?« fragt er.
»Klar, ich bin doch
Nikita Chrusch-tschow.« - »Was
machst du denn,hier
als Schlosser?« -»Ich bin froh, daß
ich den Posten o- · . ~
kommen h a b e . < < ~' - -
»Mensch, du warstmal der erste Mann
im Staat. Das geht
doch nicht. Ich spre
che mal mit Leonid. «
Chruschtschow:
»Walter, sei vorsichtig, der braucht
auch noch einenTischler.«
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Warum gibt es .-- 1i'
keine Trabis, dieschVJarzlackiertsind?
as des olkes ände schaffen
Produktionsleiter: Ja, schon, aber wem solln wir denn das wei-
termelden
Rudi: Das ist eure Sache, wir ham gearbeitet, geschuftet, ge-
wühlt, durchgezogen, rangeklotzt ...
Produktionsleiter: Na, Moment mal? Wenn zum Beispiel der
Paule nicht Schnee geschippt hätte?
Rudi: Der hat aber
Produktionsleiter: Nur mal angenommen
Rudi: Welcher Paule?
Produktionsleiter: Na hier der ...
Rudi: Zickenpaule?
Produktionsleiter: Ja, derRudi: Der hat gar nicht geschippt Der Karnickelpaule hat ge-
schippt
Produktionsleiter: Das ist doch völlig egal
Rudi: Das ist eben nicht egal Der Zickenpaule hat sich doch
im Winter neunundfünfzig/sechzig die Ohren erfroren, den
kann man nicht in den kalten Schnee rausschicken
Produktionsleiter: Das ist mir jetzt egalRudi: Na, das ist vielleicht ein Arbeitsklima
Produktionsleiter: Jedenfalls hat der Paule nicht geschippt
Rudi: Aber ...
Produktionsleiter: Und wenn die Kaltwelle nicht getobt hätte
Rudi: Die Grippewelle
Produktionsleiter: Und wenn die Urlaubswelle nicht dazwi-schengekommen wäre, dann hättet ihr doch den Plan mit
hundert Prozent erfüllt?
Rudi versteht langsam: Ja, dann, mit hundertundein Prozent
Produktionsleiter: Na, dann melden wir doch einfach weiter,
daß die siebenundachtzigkommafünf Prozent nach unseren
neuesten präzisierten Plänen einer Planerfüllung von hun-
dertzwei Prozent entsprechen.
Sekretärin: ... hundertdrei Prozent entsprechen.
Rudi: Na , das ist eure Sache Hauptsache, die Jahresendprämiestimmt
Produktionsleiter: Na, das kriegen wir schon hin
Rudi: Wer weiß, wie lange noch?
Produktionsleiter: Wir ham da schon für die Zukunft vorge-
sorgt. Wir haben einen Patenschaftsvertrag mit der Rappbo-
detalsperre abgeschlossen. Sobald wir mit der Planerfüllung
nicht mehr hinkommen, werden dort Maßnahmen wirksam
Rudi: Die wolln uns dann wohl Arbeitskräfte schicken?
Produktionsleiter: Nein, die öffnen dann die Schleusen
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72 Heißer Sommer
C. U. Wiesner
»Und wenn wir nun doch zu Knauerhases Silvesterparty gehn?«
»Nein, Elisabeth. Da wird den ganzen Abend über Kunst undAutos gequatscht, nach Mitternacht trägt Knauerhose selbstgehämmerte Gedichte zur Gitarre vor. Pfui Deubel « - »Und
wenn wir nun doch mit dem Reisebüro irgendwohin fahren?« -»Nein, Elisabeth. Da weiß man nicht, wie die Quartiere sind.
Und dann Silvesterpunsch mit lauter fremden Leuten? Nee.
mein Kind « - »Und wenn wir nun ... es gibt noch Karten für
die Neunte. Und dann nach Haus, so ganz für uns und keine
Leute?« - »Nein, Elisabeth. Die Hausgemeinschaft feiert eine
Treppe höher, kuck mich nicht so an Die Leute, die man täg
Im Harze jodelt man wenn
man sehr fröhlich ist.
lich auf der Treppe trifft ... Man kennt das doch: So kurz
nach zwölfe klingeln sie bei uns - die armen Pfeiffers
sind allein. Dann traut man sich nicht, nein zu sagen,besäuft sich, andern Tags wird man beredet. Ohne uns,
Elisabeth «
Frau Pfeiffer hätte nach vielen Jahren mal wieder gern so rich
tig Silvester gefeiert. Sie war von Haus aus ein fröhliches Kind,
aber so herzensgut, daß sie ihrem Manne nie widersprach. Des-
sen Entschluß stand unumstößlich fest: Zurück zur Natur. Ein
Jahreswechsel ohne Tamtam. Ohne Leute.m Nachmittag des 26. Dezember verließen Pfeiffers in Mut-
zingerode den Kleinbahnzug. Herr Köpernitz, ein gemeinsamerguter Bekannter, seines Zeichens Leiter des Mutzingeröder Fe-
rienheimes, erwartete sie mit seinem Kombi vor dem Bahnhof.
»Ihr hättet natürlich«, sagte er, als sie am Ortsausgang das
idyllisch gelegene Heim passierten, »ohne weiteres hier im
Haus unterkommen können. Was meint ihr, was wir Silvester
für ein Faß aufmachen Tanz in allen Räumen, und das halbe
Dorf dabei.« Die arme Frau Pfeiffer warf einen hilflos flehendenBlick auf ihren Mann, doch der sah stur gradeaus und fragte:»Wie weit ist es noch?« Den letzten Kilometer mußten sie zu Fuß
gehen, denn der Weg ward schmal und steil. »Wenn ihr was
braucht«, so sprach Herr Köpernitz - er trug den größeren derbeiden Koffer - »'ne gute Stunde ist es bis zum Dorf.« - »Wir
sind mit allem eingedeckt«, entgegnete Herr Pfeiffer, der an
dem andern Koffer schwer zu schleppen hatte. »Sogar zum Fei-
ern ein paar Flaschen. Nee, mein Lieber, so ist das nun nicht.«
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1969 - 1970
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Heißer Sommer
Die Jagdhütte lag in einem tiefen dunklen Tann. Für gewöhn
lich wurde sie vom Heim nur in der Sommersaison mit Gästen
belegt. Nachdem sich Herr Köpernitz mit den Worten: »Na denn
guten Rutsch «verabschiedet und der jungen Frau noch einenmitleidigen Blick zugeworfen hatte, begannen sich Pfeiffers
einzurichten. Das Holz war feucht, und es dauerte geraume
Zeit, bis Herr Pfeiffer das Herdfeuer entfacht hatte. Unter an
deren Umständen hätte er wohl geflucht, so aber sagte er mit
einem etwas gequälten Jauchzen in der Stimme: »Elisabeth,
jetzt wirds gemütlich.«
ahrharfen
••. - ' „
Sein Weib, das teure, befühlte zer
streut die klamme Bettwäsche - seit
Tagen hatte es im Harz geregnet -und rief mit leiser Stimme: »Holdrio <<
Worauf Herr Pfeiffer wissen wollte,
was sie damit meinte. Vorm Fensterschwammen in der Dämmerung Ne
belschwaden. »Na, ich versuch zu jo
deln«, sprach Elisabeth, »m Harze jo
del t man, wenn man sehr fröhlich
ist.« Wortlos setzte Herr Pfeiffer
einen Kessel Wasser auf, um einen
Grog zu brauen, denn er sah, daß
seine Frau schon blaue Lippen hatte.
Und ein Unmensch war Herr Pfeiffernicht.
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Als sie am Morgen drauf erwachten
- ob es Morgen war oder Mittag,
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wußten sie nicht genau zu sagen; seine Uhr war stehngeblie
ben, ihre Uhr war liegengeblieben im Badezimmer in der Stadt
- fielen draußen dichte, weiße Flocken.»Die Pfähle dort vom Zaun«, sprach sinnend der Herr Pfeiffer
im Trainingsanzug, den er auch die ganze Nacht getragen hatte,
»sehn sie nicht aus, Elisabeth, als hätte ein Zaubrer sie mit weißem Pelz bedeckt?« Frau Pfeiffer widersprach wie üblich nicht.
Das dünne Eis der Waschschüssel klimperte unter ihren star
ren Fingern. Nachdem sie den Inhalt einer Fleischbüchse mit
einem unaussprechlich ungarischen Namen gegessen hatten,hielten sie Mittagsruh. Was hätten sie sonst machen sollen? Die
Tür ging nicht mehr auf. Es schneite unablässig. Und außer
dem, da drinnen wars gemütlicher. So meinte wenigstens Herr
Pfeiffer. Er wurde nur ein bißchen ungehalten, als er erfuhr, Eli-
73
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1
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· ~ „., -l>Nltl'I I . _ ~
In Berlin im Hotel Unter den Linden hängt einSchild: »Hier wird Russisch Englisch Französisch
und Spanisch gesprochen.« Der Gast versucht es in
allen Sprachen. Er wird nicht verstanden. Schließ-
lieh fragt er auf Deutsch: »Wer spricht denn hier
1 eigentlich diese Sprachen?«Darauf der Kellner:~ · ~ ~ ~ ~ U ? mein Herr, die Gäste «„ „ . 0 • : 1u11 Jitf1l IU l l U l l J l \ ~ i ; ; ~ ~ • - . .
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e rsc ic6en. Dieser
Sauf
dich
gesundl
fotografiert
im
Naherholungs.zentrum„Zum Possen•bel
Sondershausen
von Hans HOttnerS.1Jin
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eißer Sommer
Triebe nicht entfernt worden Der Strauch hat schon gar keine
Proportion mehr, sondern wuchert in die Gegend wie eine
Brombeerhecke. Wirklich, zum Brechen
Dann haben diese Leute so eine rt Weg in der Wildnis und
mitten auf diesem Trampelpfad wachsen ein paar Krokusse.
Man ist j als anständiger Gartennachbar gewissermaßen zurHilfe verpflichtet, deshalb habe ich schon vergangenen Herbst
gesagt, sie sollen die Zwiebeln ausgraben und sich einen Stein
garten anlegen, wo Krokusse immer sehr nett zur Geltung kom
men wenn sie als farbige Tuffs ein bißchen symmetrisch ver-
teilt werden. Aber nein. Rappelzundt, der Banause, schätzt es,
wenn ihm die Dinger um die Füße rumwachsen. Solchen Leu
ten dürfte von Rechts wegen gar kein Garten zustehen.
Mein Schwager Jürgen, der sich immer einstellt, wenn ihm die
Gute Luise in den Schoß fällt oder der Apfelwein ausgeblub
bert hat, würde das Rappelzundt-Grundstück gern übernehmen. Mein Mann hat ihm das schon mal aufgemalt, wo man ein
Spargelbeet hinsetzen könnte und etwas Frühgemüse, einge
rahmt von Küchenkräutern. Vor dem Haus natürlich ein Rosen
rondell und an den Zaun die Frühblüher, damit der wintermü
de Spaziergänger eine Freude hat. Aber Rappelzundt war stur.
Er braucht den Garten, sagte er. Wozu braucht er den Garten?
Er pflegt ihn nicht, liebt ihn also nicht, was will er denn damit?•m Nachmittag desselben Tages erhielten wir die Antwort. Es
war der 1. Juni, das Datum werde ich nicht vergessen. Da kam
Er will sich nicht in
unser Kollektiv einfü-
gen Er fährt nur her
um zu faulenzen <<
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8 Heißer Sommer
doch so eine Invasion aus dem Kinderheim wo die olle Rap
pelzundt in der Küche aushilft. Mindestens zehn Gören stürm
ten auf das Grundstück und freuten sich in einer Lautstärke
daß mir fast die Hacke aus der Hand fiel. So lange sie mit Kaf
fee und Kuchen vollgestopft wurden gings j noch aber dann
schwatzte ihnen Rappelzundt solche albernen Kinderspiele wieEierlaufen und Sackhüpfen und Wurstschnappen auf und da
gings mit Karacho über Stock und Stein.Mein Mann und ich hörten natürlich kaum hin. Wenn man sei
nen Garten in Schuß halten will hat man keine Zeit sich um
die lieben Nachbarn zu kümmern. Aber unsere Kinder standen
dauernd am Zaun und kuckten wie zwei Kühe wenns donnert.Ich wurde ganz schön sauer schließlich haben die Kinder
genug zu tun mit ihrem Radieschenbeet und für die Karnickel
müssen Butterstauden gestochen werden und von einem biß
chen Gießkannenschleppen sterben sie auch nicht gleich.
Da platschte ein Ball in die Pfingstrosen. Ich dachte mein
Mann wird nicht mehr. Voll Wut wollte er den Ball über den
Zaun schießen mit Zielrichtung Kaffeekanne aber
Gegen Gartenanarchie und Zweckent leider traf er eine Klamotte und mit dieser die
fremdung ist kein Kraut gewachsen. Hauswand wo sich an einem Spalier die Clema-
tis hochrankelte - bis zu diesem Augenblick. Die
Klamotte wurde zu ihrem Grabstein. Mein Mann schnauzte mit
schmerzverzerrtem Gesicht daß ihm der Rappelzundt für den
Schaden aufkommen muß egal wie er das machen will und
wenn er dem Herrn Förster in Barnim eine Clematis aus den
Rippen schneidet. Währenddessen hatten unsere Kinder den
Ball rübergebracht und sich von Rappelzundts einladen las
sen. Mein Mann verlangte daß ich dem Spuk sofort ein Ende
bereite aber man legt sich j nicht gern mit den Nachbarn an.
Als die Kinder nach Stunden zurückkamen schleppten sie
einen Haufen Luftballons Lampions und ähnliche Kinkerlitz
chen an und sagten das sei ein prima Kindertag gewesen und
wenns nächstes Jahr schön wäre dürften sie wieder mitfeiernin Rappelzundts Garten in dem es so richtig gemütlich ist.
Mein Mann hat sich schon an den Kulturbund gewandt und
an die Schiedskommission aber gegen Gartenanarchie
Zweckentfremdung und negative Beeinflussung anständiger
Kleingärtnerkinder is t kein Kraut gewachsen. Da versagt der
Gesetzgeber. Jedenfalls ist das ein gutes Thema für unsere Jah
reshauptversammlung im Kleingärtnerverein.
Den Kindertag feiern wir natürlich auch: Wenns am 1. Juni
nicht regnet gehen wir mit den Kindern ins Kino.
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Heißer Sommer
Erwin F B. lbrecht
r s t ~Der Koffer kommt in vielen Variationen vor von der heulendenMiniform »Kofferheule« bis zum voluminösen Schrankkoffer.
Variabel ist auch das Material der Koffer es reicht von derPappe über die Kunststoffe bis zum Krokodilleder wobei sichder Vermerk erübrigt daß beim Krokokoffer nicht nur das Material sondern auch die Preise nicht von Pappe sind.Die größten Kaffer nehmen nicht nur den Reisebedarf sondernauch die Reisenden selber auf haben unten Räder und heißen
Wohnwagen. Mit ihren Bewohnern haben sie eins gemein: Siehängen am Auto. Andere Reisende die wegen ihres Koffers besonders auf der Hut sein wollen stellen sich natürlich aufHutkoffer ein. Und wer bei dem unterwegs vorkommenden Ärgerleicht in die Luft geht besorgt sich einen Luftkoffer.
Verbleiben wir bei dem normalen Reisekoffer. Er wird entstaubt aber nicht entzettelt denn die Klebezettel bedeutenbeispielsweise für die Familie Kagelmann das gleiche wieStocknägel für den repräsentationshungrigen Wanderer. DerKlebezettel dokumentiert daß das Ehepaar Kagelmann nebstSöhnchen in Oberrumpelhausen das Hotel »Zum Waldgesäusel« beehrt haben in Quiekenhagen bei Berlin das HO-Hotel»Zum Goldbroiler« und natürlich in Vama das Strandhotel»Pfirsichblüte«.
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8 eißer ommer
Die Klebezettel bleiben also dran, während Mutti Kagelmannroutiniert zu packen beginnt und Vati die Kofferschlüssel sucht,
die auch Himmelsschlüssel heißen könnten, weil Vati minde-
stens dreimal flucht: »Himmel, wo hast du die Mistdinger bloß
verbuddelt, Frau « Schließlich finden sie sich in seiner Urlaubs
zigarrentasche.
Keiner versteht wie Mutti den Koffer bis auf den letzten Ku-
bikmillimeter vollzustopfen. In ihrem linken Winterhausschuh
(man kann nie wissen) bringt sie mindestens zwei Bürsten,
eine Dose Krem, drei Schuhlappen, eine Büchse Heringshap
pen (für alle Fälle) unter. Und es müßte mit dem Teufel zuge-
hen, wenn im rechten Schuh neben Vatis Elektrorasierer und
einer Rolle Klopapier nicht auch noch Flibol und Tipp ix Platz
fänden (wegen der Mücken).
Schließlich ist der Koffer voll. Um die Schlösser zum Ein-
schnappen zu bringen, muß sich die ganze Familie geschlossen auf den Deckel setzen. Aber erst nachdem gegen Sohnis
Protest die zusammenklappbare Kinderschaukel wieder raus
geflogen ist, hats geschnappt, und das gleich mehrfach: Die
Schlösser sind zugeschnappt, Sohni ist eingeschnappt, Mutti
schnappt nach Luft und Vati sich die letzte Flasche Pils.Und jetzt packt Kagelmann den Koffer, um mal das Gewicht zu
testen. Kricks, reißt das Ende des betagten Kunstledergriffs
aus dem Metallbügel. »Himmel und Zwirn « donnert Vati. »Das
ist j denn doch zum Kofferheulen «
MoorosOiollo9iseAo erl OHHtHiS
oi1tos O s t s o o ~ r a ~ O o r sDer albernste Fisch ist die Flunder:
Man tritt dauernd drauf,
und sie nimmts in Kauf -da ist ihre Plattheit kein Wunder
Das schlauste Vieh unter Fischen
ist sicher der Aal:
Den konnt ich nicht mal
geräuchert im Laden erwischen.
udi Strahl
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eißer Sommer
ohn Stave
sts
In wenigen Jahren wird es soweit sein: Da wird ein Tag kom-
men, an dem sämtliche Bürger der DDR (mit Ausnahme der
Bürger, die sowieso ans Schwarze Meer fahren am 1. Juli inder Ostsee baden wollen. Einer, der den Zug verpaßt hat,
kommt noch angerannt. In HERINGSDORF zur Kurverwaltung:
»Haben Sie noch ein Bett für mich?«
»Ja, wir haben hier noch ein Zweibettzimmer, das nicht richtig
ausgelastet ist. Es befinden sich erst 149 Urlauber drin«, sagt
die Kurverwaltung.
»Dann hab ich j noch mal Glück gehabt « ruft der letzte Ur-
lauber beglückt aus und geht ins Wasser.
Am Konsum in ZEMPIN stehen 4 789 Leute Schlange nach
Schrippen.
ZINNOWITZ beherbergt an diesem bewußten Tag allein 1,8Millionen Urlauber. Vor dem Selbstbedienungs-Gasthaus »Ein-
heit« werden die Hungrigen aus kleinen Kanonen mit Menüko-
Feinfrost-Buletten beschossen.
Der KOLPINSEE wird ausgebaggert, gekachelt und von der
Brause-Feuerwehr mit Limonade gefüllt. Die Getränkeversor
gung in Kölpinsee und Loddin ist damit gesichert.
Die Oberförsterei NEUPUDAGLA schießt alle frei herumlaufen
den Ochsen gleich mit Spießen, so daß nur noch Feuer unter
81
Wer an Land gehen
will empfängt sofort
eine tischfertige Konser-
ve ein Kl.appstühlchen
und zwei Flaschen
Brause. s ist verboten
die Sachen in der Stadt
zu verscheuern <<
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82
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WfRKt fl R.
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...-
TECHNiSCHERDiREKTOR
K A U ~ f t t h : N NDiREKTOR
eißer Sommer
den erlegten Tieren angemacht werden muß. Die Verteilung
der Ochsen am Spieß liegt in den Händen der Fischbratküchen
des HO-Kreisbetriebes WOLGAST
Das Kulturhaus in MURCHIN wird zur Snackbar für ganz U e
dom umgebaut.
Der Bürgermeister von KARLSHAGEN führt am Strand vor,
wie man ohne größere Verletzungen oder Brüche aus einer Tiefkühlassiette Sauerkohl essen kann.Die FDGB-Heime in Friedrichroda Thür.) werden nach BAN
SIN Us.) umgesetzt.
Unter Anteilnahme von 17559 unterkunftslosen Urlaubern wird
in AHLBECK durch den FDGB-Feriendienst ein Bettenhaus fürzwölf Personen eingeweiht.••
UCKERITZ: Vor 500000 begeisterten Zeltlem verspeist der Di-
rektor von Menüko eine in seinem Betrieb vorbereitete koch
fertige Kartoffel und geht daran zugrunde .Die Wassertemperatur beträgt an diesem Tag in TRASSEN
HEIDE elf Grad im Schatten. Luft: dick.
Wenn zwei sich flachsen, freut sich der dritte. Daher waren Wal
ter und Hans im ganzen Ferienheim so beliebt, und wo ein Witz
duell zwischen ihnen entbrannte, sammelten sich Zuhörer.So schlenderten wir auf dem Wege zum Kurkonzert wie zufäl
lig hinter den beiden her. Und schon ging s los.
»In deinem Betrieb herrschen j jetzt anscheinend wunder
bare Zustände«, sagte Walter, Angestellter des Berliner Magi
strats, zu dem Freund, »da scheint j jetzt wirklich alles zu
schlafen. Wohl den Sauregurkenschlaf?«
»Sauregurkenschlaf? Wieso denn?«
»Na, ich hab gehört, sie haben eurem BGL-Vorsitzenden vor
vierzehn Tagen aus Ulk den Schreibtisch zugenagelt.«»Na und?«
»Das hat der Mann bis heute nich jemerkt ...«»Och, det is noch jarnischt«, entgegnete der andere, »in euer
Rathaus soll doch neulich een entsprungener Löwe einjedrun
gen sein. Det haben se sojar erst nach vier Wochen jemerkt.«
»Das ist j nun Blödsinn, mein Lieber«, opponierte Walter.»Wovon soll denn der Löwe in der ganzen Zeit gelebt haben?«
Hans guckte sich um und zwinkerte uns zu. Dann meinte er
trocken: »Der hat jeden Tag een Abteilungsleiter jefressen ... «
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84 Höher schneller weiter
Ernst Röhl
Dieter Fromm und Jürgen Haase sind in aller Munde, wie man
so sagt. Schön. Doch wer spricht eigentlich von Fidelio der al
lein wesentlich schneller rennen kann als Fromm und Haase
zusammen? Im Sport-Echo drucken sie ellenlange Riemen über
Mittelstreckler die die Meile unter vier Minuten laufen. EinRennpferd Herrschaften das die Meile nicht in wenigstens
zwei Minuten schafft braucht sich gar nicht erst zum Ziel zu
bemühen sondern kann gleich den kürzesten Weg zur Pony
Diele einschlagen. So siehts doch aus. Im Mittelpunkt steht der
Rennpferde lassen in puncto Verkehrs-
sicherheit zu wünschen übrig
Mensch. Ein Pferd kann sich zehnmal die Hak
ken ablaufen; es rangiert in der Sportbericht
erstattung selbst dann noch unter »ferner liefen«, wenn es gewonnen hat.
Ich finde, es ist an der Zeit, mit diesem Brauch zu brechen und
auch mal Notiz von den Leistungen derjenigen Athleten zu neh
men, die ihren Sport auf vier Beinen ausüben.
Kürzlich fand in Wroclaw das Meeting der besten Vollblutpfer
de aus Polen Ungarn Bulgarien der Sowjetunion der CSSR
und der DDR statt. Während des vorausgegangenen Meetings
in Hoppegarten bei Berlin hatten unsere Pferde die Order, un
bedingt vor der Gegnerschaft im Ziel einzutreffen. Das gelangleider in keinem Rennen. Um einen derartigen Einbruch in die
sem Jahr zu verhindern packte ich meinen Koffer, eilte auf
dem Schienenweg schnurstracks an den Ort des Geschehens
und klopfte auf der Rennbahn Wroclaw-Partynice an die Stall
tür der DDR-Delegation. »Verstehen Sie denn was von Pfer
den?« fragte Trainer Lehmann. »Das will ich meinen«, sagte
ich. Schließlich habe ich schon im frühen Kindesalter ein un
gebärdiges Schaukelpferd zugeritten. Später beim Turnen über
sprang ich das Pferd nicht achtlos sondern demonstriertemeine Liebe zum Pferd stets indem ich mich rittlings auf dasselbe setzte. »Sind Sie jemals von einem Rennpferd abgesetzt
worden?« fragte der Trainer. »Von einem Rennpferd nie « ent
gegnete ich wahrheitsgemäß. Obwohl mich dieser Umstand als
Jockei empfahl verzichtete ich auf alle Ritte und ließ mich be
scheiden als Stallbursche engagieren. Und das war gut so, denn
wie ich kurze Zeit darauf feststellte lassen Rennpferde trotzder hohen Geschwindigkeit die sie entwickeln in puncto Ver-
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Höher, schneller weiter
kehrssicherheit zu wünschen übrig. Kein Lenkrad keine Hupe,
nicht einmal ein simples Katzenauge am Hinterrad. Das einzi
ge, was entfernt an ein Motorrad erinnert ist der Sattel.Um meinen Stallburschenverpflichtungen nachkommen zu kön
nen brauche ich nur noch ein Quartier. Leider ist im Stall keine
Boxmehr
frei, woich mein müdes Haupt auf einen Habersackbetten könnte. Die Hotels der Stadt sind gastlich aber leider
nicht gastfrei. Die Zimmervermittlung hat jedoch noch einwohnliches Stübchen in petto bei der duften Oma Grzeczuk. Ich
sage: »Dzien dobry ... «Sie: »Guten Tag.«Damit haben wir beide
unseren deutsch-polnisch polnisch-deutschen Sprachschatz
erschöpft. Immerhin ermittele ich durch Hoppe-hoppe-ReiterGebärden daß die wyscigowy, also die Rennbahn mit der Stra
ßenbahn zu erreichen ist. Allerdings dauert die Fahrt fast eine
St11nde. Das ist eine gewisse Härte denn das Tagwerk einesStallburschen verlangt den Heroismus des Frühaufstehers der
mir im Grunde fremd ist.Kaum daß ich zu Bett gegangen bin, stehe ich also wieder auf.
Es gelingt mir tatsächlich mich den Kollegen anzuschließen
die auf dem Weg zum Stall sind. Dort setzt freudiges Gewieher
ein, sobald die Renner die trauten Stimmen ihrer Pfleger ver
nehmen. Wahrscheinlich haben sie einen gehörigen Brand in
der Kehle. Wer könnte das besser verstehen als ich Dann
mache ich die Bekanntschaft der durstigen Seelen. Sie heißen
Fidelio, Wmton, Bergfried Angola, Monet. Ulkige Namen. Aberes kann ja nicht jeder Mike, Denis oder Kai-Uwe heißen wie
die Schulanfänger heutzutage. Ich halte mich nicht lange mit
Begrüßungsformeln auf sondern bringe Monet eilends den er
sehnten kühlen Trunk. Ein Glas Wasser bis zum Rand gefüllt.
Das ruft allgemeines Kopfschütteln hervor. Die vierbeinigen
Athleten wünschen die kalte Labsal eimerweise. Bitte sehr
gleich Einen Eimer Wasser für Monet. Er leert ihn im Hand
umdrehen bis zur Neige. So einen Zug habe ich noch nicht er
lebt zumindest nicht im Zusammenhang mit Wasser. Hernachgibts eine Portion Hafer samt Kraftfutter-Dessert.
Im Anschluß an die Fütterung werden die Boxen gesäubert.
Pferde machen Mist, wie man weiß. Einen Haken allerdings hat
die Sache: Der Apfel fällt nicht weit vom Pferd die launische
Angola, in deren Box ich mit Hand anzulegen versuche hat es
nicht nur faustdick hinter den Ohren. Sie hat auch eine lockere Hinterhand mit der sie mich schlagfertig begrüßen möch
te. Gewiß sticht sie Hafer. Es glückt mir, ihrem Hinter-Hand-
ufdie lätze ...
... fertig ...
. . los
•
8
• • •
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8
>>Wem sagen Sie das?
ei mir sinds die
Bäume die ausschla-
gen <<
Höher schneller weiter
schlag auszuweichen. Ich kann solche Vertraulichkeiten nun
mal nicht ausstehen, vor allem nicht auf nüchternen Magen.
Mittlerweile ist der Morgenspaziergang fällig. Die Jockeis und
Pfleger nehmen unerschrocken auf den Pferden Platz. Dann
geht es schrittweise im Kreis herum, Gänsemarsch. Es ist Sitte,
daß die Damen den Herren Vortritt lassen, damit letztere beim
Anblick des schönen Geschlechts nicht auf dumme Gedankenkommen. Auch Pferde haben kein Herz von Stein. Für Flirts ist
ohnehin keine Zeit, denn die Morgenarbeit beginnt. Die
Pferde müssen auf dem grünen Rasen ein paar hundertMeter »schnell gehen«, worunter etwa sechzig Sachen
••
zu verstehen sind. Ubung macht den Meister. Das Trai-
ning verläuft ohne Nervosität von Roß und Reiter. Zwei
Tage später allerdings, kurz vor dem Rennen, kann
Monet ein gewisses Startfieber nicht unterdrücken.
Wer wollte es ihm verdenken Schließlich ist er nichtim Ausland, um sich die Beine zu vertreten. Sondern
die Republik.
Die Rennbahn in Wroclaw hat ihren großen Tag. An
allen Ecken und Enden Fahnen und Schlachtenbumm
ler. Sie wollen ihre Favoriten gewinnen sehen, und sie
lassen sich das vor den Totalisatoren schon einen
Zwanzig-Zloty-Schein kosten. Sie nehmen Platz oder
setzen auf den Sieg ihres Pferdes.
Auf »los « gehts los. Auch in Wroclaw. Allerdings heißt»los « hier »jazda « Bis zu diesem Grad müssen Roß
und Reiter die Landessprache beherrschen. Nach fünf
Rennen hat das Publikum eine hohe Meinung von der
Höflichkeit unserer Pferde, die den Siegerkranz fünfmal an
dern überließen. Das sechste Rennen bestreiten Monet und Fi
delio. Fidelio übernimmt die Rolle des Schrittmachers, schlägt
gleich eine harte Gangart an und zermürbt die Gegner. Monet
sieht sich die Sache lange vom letzten Platz an, aber als das
Ziel näher rückt, macht er sich auf die Socken und siegt vorzwei starken polnischen und zwei ungarischen Gegnern. Tri
umph, Applaus, gewonnen Wetterlage an den Toto-Schaltern:
Moneten für Monet
Siegerehrung. Das Zaumzeug von Monet wird mit der rotwei
ßen Siegerschleife geschmückt. Die DDR-Hymne ertönt. Ich
stehe dabei, gerührt, siegesbewußt, Stolz in der Brust. An die
sem Sieg habe auch ich meine schwerwiegende Aktie. Schließ
lich spielte ich im Stall eine tragende Rolle. Ich trug - erinnern
Sie sich? - einen Eimer Wasser für Monet.
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Höher schneller weiter
Hans Krause
Nun bringt die Hausfrau wieder die Gefäße
aus Glas und Porzellan in Sicherheit.
Und in den Sesseln brüten die Gesäße
beim heißersehnten Fernsehdauerfight.
1
Herr Schultz begrüßt Europas harte Männer,
geht in den Tele-Clinch und simpelt fach.
Denn auch die weichen fühlen sich als Kenner
beim Bildschirmnahkampf unterm eignen Dach.
Man sitzt zu Haus in der neutralen Ecke
und führt bei einem Täßchen Tee Regie.
Man macht die einen innerlich zur Schnecke
und schenkt den andern seine Sympathie.
Man ist stets um zwei Conterschläge schlauer
und immer einen Uppercut voraus.
Man trifft gestochne Linke viel genauer
und wenn man punktet, punktet man gleich aus.
Trotz bester Kondition sind dann die Nerven\ nach ein paar Stunden meistens Häckerling.
Die teure Gattin muß das Handtuch werfen
und nimmt den Gatten kampflos aus dem Ring.
Noch im Pyjama tritt er vor den Spiegel
und meint: Wenn ich an deiner Stelle wär
Ein Blick der Hausfrau auf den Eisbeinhügel
hart unterm Brustbein - und er boxt nicht mehr
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Höher schneller weiter
Ralph Wiener
Die »Lauf-dich-gesund-Bewegung« war im vollen Gange. Alle
Bürger vom vierten bis zum vierundneunzigsten Lebensjahre
waren aufgefordert worden, am Sonntag früh um sieben zum
gemeinsamen Langstreckenlauf zu erscheinen.
»Die Sache hat etwas für sich«, sagte Herr Cornfeld und legte
rund um seinen Garten eine Aschenbahn an. Dann begann er
zu laufen. Jeden Morgen pünktlich um sieben zog er seine Krei
se. Er lief genau 1500 Meter. Keine besonders lange Strecke,aber es genügte. Die »Lauf-dich-gesund-Bewegung«wurde von
Herrn Comfeld beharrlich verwirklicht. Die verantwortlichenOrgane der Kreisstadt Polzau jedoch runzelten die Stirn.
»Was ist das für eine Art«, rief Bürgermeister Krone in einerStadtverordnetenversammlung aus. »Wir wollen uns alle in
einer modernen, gesundheitsfördernden Bewegung zusammen
schließen, wollen gemeinsam dokumentieren, wie positiv das
tägliche Laufen zu werten ist - und da läuft einer um seinen
Garten herum.«
»Individualist«, ertönte es aus der Versammlung.
»Außenseiter «
»Das soll gesund sein?«
Die Wellen der Empörung machten sich freien Lauf.Schließlich erhob sich der Redakteur der Kreiszeitung. »Mich
trifft dieser Vorfall am schwersten«, sagte er. »Was soll ich auf
unserer Sportbeilage berichten? Daß sich die >Lauf-dich-ge
sund-Bewegung< n den Garten des Herrn Comfeld verlagert
hat? Es ist schmerzlich genug, daß letzten Sonntag nur noch
zwei Teilnehmer zu unserem Lauf erschienen waren: ein Volks
korrespondent und unser Fotoreporter. Aber gegen solche
Entartungen, wie sie durch diesen Herrn Cornfeld praktiziert
werden, müssen wir entschieden vorgehen. Wenn wir etwasmachen, dann gemeinsam und öffentlieh «»Bravo « riefen die Stadtverordneten.
»Schluß mit der Geheimnistuerei im Sport«, befahl Kollege Jung
nickel. Dann schickte man eine Delegation zu Herrn Cornfeld.»Ich verstehe Sie nicht, meine Herren«, sagte der Gartensport
ler, »schließlich habe ich Ihren Aufruf genauestens befolgt. Ich
halte die Idee vom täglichen Laufen für sehr gut. Deshalb habeich ...«
9
Eine DDR-Sportle
rin zeigt ihrer Oma
auf dem Globus, wo
sie überall schongewesen ist. »Guck
mal, Oma, hier istAfrika. Und hier ist
Asien. Und hierwar ich auchschon, hier istAmerika.« Fragtdie Oma: »Und wo
ist die DDR?« Die
Enkeltochter zeigtes ihr: »Da, siehstdu, der klitzeklei
ne, winzige Punkt
hier, das ist dieDDR.« Da fragt die
Oma ungläubig:»Du, weiß das derHoneclier?«
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90 Höher schneller weiter
»Hören Sie zu«, unterbrach Sport-Sekretär Schilasky die Be
teuerungen. »Es geht nicht nur darum, daß Sie laufen. Wir wol
len über unsere >Lauf-dich-gesund-Bewegung< berichten. Anden Rat des Bezirkes und vielleicht noch höher. Verstehen Sie?«
Herr Cornfeld verstand nicht.
»Mann«, drängte Kollege Jungnickel, »wenn jeder für sich läuft,
davon haben wir nicht den geringsten Nutzen. Das spielt sich
im stillen ab. Was wir wollen, ist eine Massenbewegung, eine
Dokumentation der Volksgesundheit «
Aber da hatte Herr Cornfeld schon die Tür verschlossen.
»Irgendwas haben wir falsch gemacht«, sagte der Sport-Sekre
tä zu der übrigen Delegation, und KollegeWenn Cornfeld anerkannter DDR-Meister
wird, gibt das bei uns Großen Bahnhof
Jungnickel meinte, er wolle sich gelegent
lich etwas Besseres einfallen lassen.
Unterdessen lief Herr Comfeld treu und
brav seine Runden. Täglich 1500 Meter. Bei Wind und Wetter.Und von Woche zu Woche wurde er schneller.
So eifrig war er in sein tägliches Laufen vertieft, daß er gar
nicht merkte, wie sich der Vorsitzende der BSG Stahl, Sport
freund Weichleder, hinter einem Busch niederließ und interes
sehalber die Zeit stoppte, welche Herr Comfeld für die 1500Meter benötigte.
Nach Beendigung des Laufes blickte Weichleder auf die Uhr.
Seine Hand begann zu zittern. Schweiß stand auf seiner Stirn
Fiebernd vor Aufregung lief er zum Sportplatz der BSG, wogerade für die kommenden Bezirksmeisterschaften trainiertwurde.
»Das ist nicht möglich « rief er schon von weitem. »Das glaubt
ihr nicht, Leute. Seht auf meine Uhr « Die Sportfreunde umringten ihren Vorsitzenden. »Das braucht Comfeld für die 1500
Meter«, stammelte Weichleder. Freund Bachmann, ein erfahre
ner Leichtathletik-Trainer, blickte auf den noch zitternden Zeit-
messer.
»Das bedeutet Bezirksmeister«, sagte er.»Ein Bezirksmeister in Polzau«, rief Sportfreund Krause. »So
etwas hat es noch nicht gegeben «
»Wir stellen den Bezirksmeister « jubelten die Sportler.
Der Vorsitzende hob die Hand. »Moment « beschwichtigte er.
»Wir können den Bezirksmeister nicht stellen.«
»Warum nicht?« entgegneten die Sportler.
»Weil wir Herrn Cornfeld nicht melden können«, stellte Weich
leder fest. »Er gehört keiner BSG an.«
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Höher schneller weiter
»Aber er läuft die 1500 Meter in einer phantastischen Zeit « be
tonte Bachmann.
»Das schon«, stimmte Weichleder zu, »aber privat.«
Die Sportfreunde begriffen nicht.»Die Sache ist die«, erklärte der Vorsitzende, »um an einem
offiziellen Wettkampf teilzunehmen, muß man irgendwie organisiert, also Mitglied einer BSG sein. Herr Cornfeld läuft ledig
lich um seinen Garten herum. Wer soll den da vorschlagen?«
»Vielleicht die Kleingartensparte«, meinte Freund Krause.
Weichleder reckte sich empor. »Es bleibt nur ein Weg offen: Wrr
müssen diesen Herm Cornfeld überreden, unserer BSG beizu
treten.« Dann gingen sie zu Cornfeld.
»Wenn ich Sie recht verstehe«, sagte der Gartensportler, »wol
len Sie, daß ich an irgendwelchen Meisterschaften teilnehme.
Das ist es gerade, was ich nicht will. Nichts verachte ich so sehr
wie eitlen Ruhm. Ich laufe, um mich gesund zu erhalten. Aufbilligen Lorbeer bin ich nicht erpicht.«
»Menschenskind«, raunte Weichleder, der sich kaum noch be
herrschen konnte, »z m erstenmal in der Geschichte des Sports
hat unser Polzau die Aussicht, einen Bezirksmeister zu stellen
- und das wollen Sie uns versauen?«
»Ich bitte Sie«, sagte Herr Cornfeld, »wir wollen doch etwas den
guten Ton wahren. Oder ist es bei uns so, daß jemand gegen
seinen Willen gezwungen werden kann, einer BSG beizutre
ten?«»Das nicht«, gab Weichleder kleinlaut zu und zog mit den Sport
freunden unverrichteterdinge ab.
Die Bezirksmeisterschaften lagen einige Wochen zurück, als es
in der BSG Stahl eine ungeheure Aufregung gab.
»Ich werde wahnsinnig « schrie Weichleder. »Es st nicht zu
fassen Heute früh habe ich Cornfelds Zeit gestoppt. Der Mann
läuft DDR-Rekord Ein DDR-Meister in Polzau «
In Windeseile verbreitete sich die Kunde.
»Stell dir vor«, sagte Trainer Bachmann zu seiner Frau, »dieserCornfeld läuft DDR-Rekord. Wenn wir den in unsere BSG krie
gen, geht es mit uns allen bergauf. Ich, Trainer Bachmann.habe ihn so weit gebracht, wird es heißen. Das bedeutet, ich
werde vielleicht zentraler Verbandstrainer Na, und unser Bür
germeister erst Wenn Cornfeld anerkannter DDR-Meister ist,
gibt das in Polzau einen Großen Bahnhof. Der Bürgermeisterhält die Willkommensrede. Weißt du, was das bedeutet? Wrr
alle klettern eine Treppe rauf «
- ... ...
- -
91
J
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))Ist gut, wir glauben es
Ihnen ja «
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92
. . kann man f st
damit rechnen daß sich
jedermann entgegen-
kommend zeigt <<
Höher schneller weiter
»Aber nicht, solange der in seinem Garten rumläuft«, schränk
te Erna Bachmann ein.
»Da hast du recht«, gab der Trainer ernüchtert zu und versank
in angestrengtes Grübeln.
Eine Woche später berief der Kreisausschuß für Kultur, Bildung
und Sport eine Sondersitzung ein, zu welcher Herr Comfeld ein
geladen wurde.»Meister Cornfeld«, sagte Kollege Jungnickel, »durch unermüd
liches Training haben Sie den bisherigen DDR-Rekord im 1500-
Meterlauf eingestellt. Die Kreisstadt Polzau ist stolz auf Sie
Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß Ihnen
die Ehrenmitgliedschaft in der BSG
Stahl verliehen wurde und sie zu den
DDR-Meisterschaften nach Leipzig
delegiert werden.« .
Max Cornfeld lächelte einfältig. »IhreEntscheidung in allen Ehren«, erwi
derte er, »aber erstens nehme ich die
Ehrenmitgliedschaft nicht an, und
zweitens nehme ich prinzipiell an kei
nen Meisterschaften teil. Jeglicher
Ruhm ist mir zuwider.«
Kollege Jungnickel und Sekretär Schi
lasky nahmen infolge restloser Er
schöpfung ihren Jahresurlaub.Als sie zurück waren, lief Max Corn
feld Europarekord.»Dieser Gartensportler bringt uns alle
ins Irrenhaus«, schnauzte Bürgermeister Krone. »Wie könnten
wir dastehen Aber von jetzt ab weht ein anderer Wind: Er soll
sehen, wohin Eigenbrötelei führt Das Kollektiv der Stadt wendet sich von ihm ab.«
Das war für Herrn Cornfeld zuviel.
Er schwor den Polzauern bittere Rache und zog nach Wilkenau, einem Ort, der über dreihundert Kilometer von Polzau ent
fernt war.
Kurze Zeit später erschien eine Meldung in sämtlichen Zeitun
gen: »Max Comfeld, Mitglied der BSG Aufbau in Wilkenau, lief
bei den Olympischen Spielen im 1500-Meterlauf Weltrekord.«
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>>Und wenn du tausend-
mal Herzchirurg bist:Hör endlich auf dir
andauernd Notizen zu
machen <<
Unter vier ugen
Hansjoachim Riegenring
i ll r r r
Das Mädchen saß uns gegenüber und lächelte aus einem uns
unbekannten Grunde vor sich hin.
»Hübsch nicht?« sagte mein Freund Eduard.»Hm.«
»Diese Haare.«
»Hmhm.«
»Bestimmt hat sie grüne Augen.«
»Möglich.«
· -
»Und wie sie lächelt «
»Aber der Rock ist etwas zu lang.«
»Eine Frau, die so lächelt, braucht kei-
nen Minirock.«»Das stimmt«, gab ich zu.
»Sicher eine Ausländerin.«
»Wie kommst du darauf?«
»Ich habe einen Blick dafür.«
»Angeber.«
»Brauchst sie ja nur zu fragen.«
»Frag doch selbst.«
»In Ordnung« nickte Eduard. »Ich gehe
jetzt hin und frage, ob ich sie zu einemSpaziergang einladen darf.«
»Haha.«__ »Traust du dich etwa?«
»Natürlich. Aber ich mache das nicht so
plump. Ich sage etwa: Guten Tag meine
Dame gestatten Sie daß ich mich zu
Ihnen setze, ohne Ihnen nahezutreten?«
»Habe ich mir gedacht«, schmollte Eduard, »daß du es wieder
auf die Witzige versuchst.«»Sehen Sie werde ich weiter sagen, ich bin ein Mann der ...«
»Bedaure mein Herr« flötete Eduard mit Frauenstimme, »er-
stens lege ich keinen Wert auf Ihre Bekanntschaft, und zwei-
tens mache ich mir nichts aus Männern.«
»Darauf werde ich antworten: Das trifft sich gut. Ich auchnicht.«
»Weiß schon« seufzte Eduard, »dann muß sie lachen, und du
hast gewonnen. Aber eine Chance mußt du mir auch geben.«
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Unter vie ugen
»Ist gemacht. Sie nimmt also deine Einladung zu einem Spa-•
z1ergang an.«
»Danke. Ich frage, wohin sie gehen möchte, und sie sagt: Zum
Fernsehturm.«
»Meinst du?«
»Ja. Weil sie nämlich im Turmrestaurant Kaffee trinken will.«
»Interessant. Bin gespannt, wie du reagierst.«»Ich sage: Dafür ist es noch zu früh, mein Fräulein. Aber wenn
Sie nichts dagegen haben, leiste ich Ihnen bis zur Eröffnung
Gesellschaft.« Er zwinkerte mir listig zu. »Das ist etwa in einem
dreiviertel Jahr «
»Donnerwetter«, rief ich ehrlich erstaunt, »was sind wir heute
raffiniert und schlagfertig Was machst du n11n mit ihr?«
»Ich werde sie zum Tanzen auffordern«, sagte Eduard.
»Sie kann gar nicht tanzen.«
»Sie hat dir wohl einen Korb gegeben?«»So geht es nicht«, protestierte ich. »Wir müssen uns einigen.
Entweder sie kann tanzen oder nicht.«
»Sie kann nicht«, gab Eduard nach. »Bist du wenigstens damit
einverstanden, daß sie einen netten kleinen Schwips hat?«
»Einverstanden.«
»Gut. Eine Taxe fährt vor. Wrr steigen ein. Sie lehnt sich an
mich. Meine Hand legt sich auf ihre ... «
»Nun komm«, bremste ich, »laß mich auch mal ein Stück mit
der Dame fahren Sie lehnt sich an mich mit glücklichem Lä-cheln ...«
»Das habe ich vergessen«, sagte Eduard bedauernd.
»Ich streichle ihre Haare, ihren Nacken, ihren Hals, ihren ... «
»Ich weiß«, winkte Eduard ab, »du warst immer schon mutiger
als ich. Das letzte Stück gehen wir natürlich zu Fuß. Was hältst
du davon, daß sie übermütig die Schuhe wegschleudert?«
»Das machen viele. Nein, sie verdreht beim Gehen die Füße
ganz nach innen und fragt, ob ihr das gut steht.«
»Aha. Das kannte ich noch nicht.«
»Wrr kommen an die Haustür. Sie sieht mich lange an. Legt die
Arme um meinen Hals. Und dann ...«
»Ein Kuß.« Eduard schloß mit glücklichem Lächeln die Augen.
»Ein Kuß«, flüsterte ich, »ein langer heißer Kuß.«
Eduard boxte mich in die Seite. »Uns kann so leicht keine Frau
widerstehen, was?«
»Völlig unmöglich«, grinste ich. Dann standen wir auf und gin-
gen. An dem Mädchen vorbei.
9
Es lebe der Fernseh
turm mit Walter
llibricht an der
Spitze
•
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96 Unter vier ugen
Lothar Kusche
Man kann das Telefon für ein Instrument zur Vermittlung wich
tiger persönlicher Nachrichten halten man kann es aber auch
wie ein Spielzeug zur privaten Massenkommunikation handhaben und eben dies tut meine Freundin Natalie mit Leidenschaft.
Ich trete unverhofft in die Wohnung, den Hut noch auf dem
Kopf, weil der Nagel, da ich ihn selber eingeschlagen habe
längst aus der Wand gefallen ist werde mit der Andeutung
eines Kopfnickens begrüßt und höre: »Na, du alte Tüte; jetztversuch ich es schon zum vierhundertsten Mal. Was machen
denn die Kinder? So. Hm. Da geht das Fieber meistens genau
so schnell weg, wie es kommt. -Ach der ist gestorben? Na so
was. - Nu paß mal auf. Die neueste Super-Schote. Meinhard
D. Eb ·ttl ·i K lt Dippel ist rausgeschmissen worden. Ja, raus- e r sensuppe m erwe1 e zur a - . .
h 1 t t bl· kt b t bt . f geschmissen. Er hat sich an der Portokasse
sc a e ers arr c e ru zu mir au . griff I h ßt · d ußt · kver en. c wu eesJa asm eJa om-
men, er hatte schon immer diese knallbunten Schlipse ... waskocht bei dir über? - Na gut ich wollte dir das bloß mal erzählen. Tschöh. «
Inzwischen ist mir eingefallen daß ich meinen Hut auf den
gipsernen Franz Liszt plazieren kann der als Erbstück die
obere Seite unseres Klaviers ziert und ich will soeben einehöfliche Frage das Mittagessen betreffend in den Raum glei
ten lassen aber Natalies rastlose Telefonfinger sind schon wie
der mit dem Wählen beschäftigt.»Hier bin ich Rufe schon seit Tagen an. Sitzt ihr auf den Ohren?
Sag mal, du kanntest doch Dippel, nicht? Meinhard Dippel -
Ja, genau den meine ich. Nun stell dir mal vor, der war doch
bei Schneusenheim angestellt bei dieser Bude die solcheDingspieperichverschlüsse machen oder so was. Und nun haben
sie ihn gefeuert verstehst du? Er ist zackig auf die Straße geflogen wie ein altes Fensterleder weil er Briefmarken geklauthat. Doll, wa? - Ja meinem Alten gehts soweit gut der steht
hier rum und glotzt. -Also bis später dann. Grüß dich. Ja, denauch.«
Ich benutze die Pause um tief durchzuatmen doch schon wird
der nächste Partner drahtlos angesprochen.»Ich dachte schon euch gibts gar nicht mehr. - Ja, ja. - Also
ganz kurz. Dippels Meinhard hat seine dreckigen Finger etwas
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Unter vier ugen
zu tief in die Portokasse gesteckt, und darauflrin hat ihm der
alte Schneusenheim empfohlen, sich zu empfehlen. Dippel,
nicht Schneusenheim. Er liegt auf der Straße. Fristlos entlas
sen. Dippel, Mensch Nicht Schneusenheim. Dem seine Brief
marken waren es ja. Bis nachher «
Ich nehme im Sessel Platz, vorsichtig, weil der Sessel alt ist
und zuweilen knarrt wie alte Sessel und Menschen das an sichhaben. »Natalie«, hauche ich, und ein liebenswürdiges »Nu
warte doch mal einen Moment, du Affe« beglückt mich.
Dann werden Erna, Susanne, Jutta, Berta und die andere Jutta
darüber verständigt, daß Meinhard Dippel wegen Veruntreuung
von Portogeldem entlassen worden ist, was Natalie ganz genau
weiß, weil ihr die Dippeln, also Meinhards Frau Beate, dies per
sönlich gestanden hat.
Kaum sind zwei Stunden vergan
gen, da steht schon die nur nochwenig dampfende Erbsensuppe
(»den Inhalt des Beutels mit dem
Schneebesen in lauwarmes Wasser
einrühren, z11m Kochen bringen und
auf kleiner Flamme ca. 10 Min.
garen lassen«) auf dem Tisch. Ich
erhebe den Löffel, um ihn in die de
likate Speise zu versenken - da
klingelt das Telefon.
Dippels Gattin Beate spricht. Da ihr
Familienkrach verklungen ist, tut es
ihr leid, daß sie Meinhards Verbre
chen publik gemacht hat, und sie
bittet Natalie, die Schandtat des
Portokassenräubers unverzüglich
•• •
•.;:;- .
. . . •
. TfLEF0Niß9 Hf
Wro<AUFTRAGE....__... 14)
·
zu vergessen und niemanden davon in Kenntnis zu setzen.
Natalie: »Na, glaubst du wirklich, ein Wort wäre über meine Lip-
pen ...? Elfie hab ichs wohl gesagt, aber ich wußte doch nicht,
daß ... Na, nu halt mal, die Luft an - Irene sagt bestimmt nichtsweiter Gut, ich sage denen, daß sie nichts sagen sollen. Aber
höre mal Auf mich kannst du dich hochprozentig verlassen. -
Wie gehts sonst? Na, denn gehab dich mal.«
Die Erbsensuppe, mittlerweile zur Kaltschale erstarrt, blickt
betrübt zu mir auf.
Eine neue Amtsperiode der Fernspruchkammer beginnt, zum
zweiten Male wird das Fernsprechbuch durchgearbeitet. Elfie,
9
._.•,
Bei dem Personalman-
gel kann man ruhig mal
einen Mann ranlassen «
•
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. • \ i i e C S f : i A t i t i C me. ' l ·4i : W •„ ....... *I ' ~ • •
60JahreInternationaler
}irauentag
Dort kämpfer1 "wo das
Ich bin d m l ~ wirklich nur g e k o n ; m e ~ . ::m dir den Abschiedskuß zu ge en.
Kn i rp •.. der
liegen
Bitte um Abholung.
tlt
• 8. März 1970
•
t
Leben ist.Clara Zetkin
Die sowjetische Führung beschließt, ihrem Volk
1im Fernsehen Striptease zu zeigen. Als es so
weit ist, fragt der Chefideologe. »Und, ist die
Frau, die sichjetzt Millionen Sowjetbürgern
nackt zeigen wird, auch ihrer Aufgabe gewach-sen?« - »Aber ja, Genosse«, sagt Breshnew, »Sie
ist ein zuverlässige Genossin und hat ihr Parteibuch seit 1916.«
Daran lst efndeutfar zu erkennen.da8 umere Mädchen an der SPitze\Vie In der Brette stlrker aewnrd@"slncl Der war daran durchn __ 19 'A• .. - - - -- • --.i-- -
\ \1 KAlfl lt uTC o J 4r
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•
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1
Zu Hause sagt Wal
ter llibricht zu
Lotte: »Lotte, gehmal i1m den Tischherum.« Lotte:»Was soll denn
das?« Walter:Nun
mach mal. Und zieh
dabei langsam , ·,>
deine Blus'e u :1<>·
Sie zieht die Bluse·aus. »Und nun laßmal deinen Rockfallen.« So geht dasimmer weiter, bisLotte entkleidet da
steht. Da sinniertWalter: »Lotte, ich
kann einfach nichtverstehen, was die .Kapitalisten . n : i. {<',;
Striptease so toll ;finden.«
Unter vier ugen
Johannes Conrad
11torviow tit oi1t Ht
Reporterin: Woran denken Sie, Herr Kabbel, wenn Sie das Wort
Frauentag hören?Kabbel: Frauentag? Nun, das ist eben der Frauentag. Der in
ternationale Frauentag, nicht wahr. Das müßten Sie doch
wissen. Ist das nicht der sechste März?
Reporterin: Der achte
Kabbel: Richtig, der achte. Ich habe das jetzt mit dem Geburts-
tag von Hans Sachs verwechselt.
Reporterin: Hans Sachs? Wurde der nicht am 5. November ge-
boren?
Kabbel: Ich sagte ja, ich habe das verwechselt.
Reporterin: Gut Also, woran denken Sie bei Frauentag?Kabbel: Nun, an den achten März eben Er wurde zu Ehren der
Frauen im internationalen Maßstab von uns Männern er
kämpft, nicht wahr. Sozusagen ist er ein fortschrittlicher Eh
rentag. Auch für meine Frau.
Reporterin: Wie werden Sie den achten März begehen?
Kabbel: Ich weiß doch jetzt noch nicht, wie ich den achten
März begehe. Das weiß doch kein Mensch Wenn ich nicht
krank bin, werde ich sicherlich schuften. Meine Frau wird
auch arbeiten.Reporterin: Dann nehmen wir den achten März des vergange-
nen Jahres. Haben Sie da Ihrer Frau eine besondere Freude
gemacht?
Kabbel: Wenn ich Sie nun fragen würde, was Sie beispielswei-
se Ihrem Mann am 26. Juli für eine besondere Freude ge
macht haben, hähä
Reporterin: Aber der Frauentag ist doch ein besonderer Tag
Kabbel: Nun ja, für meine Frau eben. Der internationale Frau-
entag eben. Das haben wir ja erkämpft, nicht wahr. Er ist einEhren ...
Reporterin: Dann will ich mal direkt fragen: Schenken Sie Ihrer
Frau am Frauentag nicht wenigstens Blumen?
Kabbel: Blumen? Die bekommt sie doch im Betrieb
Reporterin: Sie schenken Ihrer Frau also nicht einmal Blumen?
Kabbel: Aber natürlich doch Zum Geburtstag kriegt sie meist
welche.
Reporterin: Und den Frauentag feiern Sie nicht?
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Unter vier ugen
Kabbel: Ich bin doch keine Frau, hähä. Bei Feiern fällt mir ein:
Wir Männer haben am letzten Frauentag die Frauen unseres
Betriebes in der Kantine bedient. Dabei trugen wir weiße
Tändelschürzchen, hähä. Sogar unser BGL-Vorsitzender Das
werden wirwohl in diesem Jahr wieder tun. Jetzt weiß ich es
wieder, weil ich am nächsten Morgen diese außerordent-
lichen Kopfschmerzen hatte.
Reporterin: Außerordentliche Kopfschmerzen?
Kabbel: Nun, das Ehrenbedienungspersonal hat sich nach der
Anstrengung noch auf einen kleinen Umtrunk begeben. Ver
dientermaßen sozusagen, nicht wahr.
Reporterin: Und die Frauen?
Kabbel: Die sind natürlich nach Hause geganqen. Wir konnten
doch nicht mit den Kolleginnen losziehen. Was hätten da unsere lieben Gattinnen gesagt
Reporterin: Wo waren denn Ihre lieben Gattinnen?
Kabbel: Die waren auch zu Hause. Wir konnten sie doch nicht
an ihrem Ehrentag auf diese dumme Sauftour mitnehmen
Reporterin: Dann wünschen wir Ihnen auch für dieses Jahr die
außerordentlichen Kopfschmerzen, Herr Kabbel Und ein hef
tiges Dankeschön für Ihre aufschlußreichen Worte
101
>Na und? Du si hst mich
doch sowieso nur von die-
ser Seite «
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1 2
Erwin F B Albrecht
or t o ~ä orl
Unter vier Augen
OSOH
»Du vertrottelst immer mehr, Otto«, stellten meine Skatkum
pane im »Blauen Affen« zu Pinneleben eines Abends fest undfuhren mit verteilten Rollen fort: »Schon wieder haste dir statt
ner Krawatte den Gürtel von deinem Bademantel um den Halsgewürgt.« - »Es wird wirklich Zeit, daß de heiratest Mann.
Brauchst doch nur die Null-null zu wählen.«
Nun, mir war wohlbekannt daß bei uns in Pinneleben über die
Null-null die probeweise eingerichtete Eheanbahnung der Deut
schen Post zu erreichen war. Ebenso wußte ich daß unser
Fernmeldeamt bei der Vermittlung von Ehen bereits mehr Er
folge aufzuweisen hatte als bei der Vermittlung von Ferngesprächen. Ich überwand also meine notorische Schüchternheit und
wählte andertags die Null-null.
»Eheanbahnung Platz 17. Tante Kornelia«, meldete sich eine
E.
1h F h tt . h . . nicht unflotte Amselstimme. Die Namensnennung
1ne so c e rau a e 1c 1n meiner .. hatte man eingefuhrt um den Verhandlungen
Schulzeit gesehen, auf dem Rummel, . . t· h · h Ch akt 1 ih di. . emen m 1msp ansc en ar er zu ver e en, eals Herkul1ssa, das Urwaldwe1b. B . h T t . d d. t d 111 i..eze1c nung » .an e« wie erum 1en e er vvGU1-
rung der gebotenen Distanz zwischen Amtsperson und Heirats
wütigen.»Gut, rufen Sie morgen wieder an und verlangen Sie Tante Kor
nelia«, schloß Tante Kornelia die Aufnahme meines Antrags.
Mit Hochspannung geladen rief ich wieder an. »Ihr Fall liegt
nicht sehr schwierig lieber Eheanwärter« sagte die Amsel
stimme. »Unser Computer hat für Sie die günstigsten Erfolgs
chancen in Form eines Besuches im >Alten Walzerhaus< in
Berlin errechnet. Es gibt dort einen Tischfernsehfunk und
sonnabends ist >Verkehrter Ball<, der verhilft auch dem Ver
klemmtesten zur Braut.«Ich fuhr nach Berlin. Eben hatte ich im »Alten Walzerhaus« bei
dem mindestens ebenso alten Ober ein Pils bestellt und kon
statierte gerade daß die erschienene mehr als reife Jugend wie
montags für den Filmfreund ausgewählt aussah als mein Tisch
fernseher klingelte. Ich stellte auf Empfang und hörte: »Schö
ner Mann Ihre Glatze stört mich nicht denn Ihr Mollenfried
hof strahlt soviel Wärme aus. Sie müssen der Meine werden.«
Schön und gut aber wie sah sie aus? Das Organ klang nach
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Unter vier ugen
Adele Sandrock mit einem Schuß Louis Armstrong. »Ich bin
eine noch unverbrauchte Schlächtermeisterswitwe, zart wie
Schabefleisch, aber ich weiß, was ich will. Versuchen Sie also
nicht, mir zu entrinnen. Alle Ausgänge sind von meinen ehe
maligen Klotzgesellen besetzt. Und nun bitte ich um den näch
sten Tanz ich habe den Kokswalzer für uns bestellt.« Richtigsetzte die Drei-Opas-Band mit »Mutter der Mann mitn Koks is
da« ein - da kam auch das Bild. Es zeigte Tisch Nr. 9 und eine
Dame daran, die ich so ähnlich schon mal in
1 3
dem Rummel. Als Herkulissa, das Urwaldweib ~ e f e e c ~ t w;„/J 1 1 < 4 . r ~ l f lt ·
das m t Männern jonglierte. Jetzt erhob sie sich y c>zu einer Länge, die sie zur Alpinistin prädesti- ' '
nierte. Ein Klimmzug und sie war oben auf dem
Matterhorn. Und nun kam die Schlächterin
näher, l1m mich als willenlosen Kalbsbraten auf
das Parkett zu schleifen.Da sprang ich auf, hechtete durch ein offenes
Saalfenster, landete in einem Gebirge ausge
fegter Papierschlangen und fuhr wieder nach
Hause, um mich zu beschweren.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte die Amselstim
me »wir haben inzwischen den Fehler auch
schon bemerkt. Sie sollten nicht zum >Alten
Walzerhaus< sondern Sie müssen sich am nächsten Heiratswunschkonzert bei Radio DDR
3. Programm beteiligen. Ich wünsche vollen
Erfolg.«
Knapp einen Monat später hielt ich einen Brief in der Hand den
ich immer wieder las. >>Lieber alter Strolch Wie freue ich mich
daß uns das Radio wieder zusammenführt Weißt Du noch, wie
wir als echte Berliner Rotznasen den Müggelsee unsicher
machten und wie Du verrückt nach meinem Pferdeschwanz
warst? Ich bin seit zehn Jahren als erfolgreiche Tapetenkunst-schaffende tätig, fühle mich aber in meinem Landhaus auf dem
Weißen Hirsch so allein. Was hat Dich den begabten Apothe-
ker, nach Pinneberg verschlagen? Du sollst mir die Stadt zei-
gen und ich möchte Dich dieserhalb mit meinem Wolga besu-
chen. Vielleicht blüht uns beiden ein spätes Glück? Wann darf
ich kommen? Immer Deine Ingelore.«
Der Wolga kam, ich sah, sie siegte. Zwar war Ilo für meinenGeschmack ein wenig zu dünn, zu bunt, zu mini - aber na,
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- ~ . . . . . . . . . . . . . - = - - - - . . . . . . _,,. .
. ·j ; .
Warum gibt es - <
in der DDR keine
staatlich geregelte Familien-
·. planung?•. Die erforderlichen·, ·. ·
Produktionsmittelligen immer nochin privater Hand.
Unter vier ugen
sagte ich mir, man muß sich an neue Tapeten eben erst gewöh
nen.Ich zeigte der Jugendfreundin unsere Sehenswürdigkeiten, das
Geburtshaus des bekannten Lyrikers Arthur Müller-Pinnele
ben und das Sterbehaus von August Leberecht Knobel, dem Er
finder der Knobelbecher. Schließlich schliefen wir im Hotel
»Stadt Pinneleben«, Zimmer 8 und 9.
Am nächsten Morgen war meine Zukünftige weg. Auf meinemNachttisch lag ein Zettel. »Strolchi Sei nicht böse, aber ich
konnte Dir doch nicht sagen, daß ich noch zwei andere Anwärter testen muß, die ich in die engere Wahl gezogen habe, einen
Ingenieur aus Rostock und einen Oberlehrer aus Greifswald.Nachdem die beiden mir ihre Städte gezeigt haben, werde ich
mich entscheiden. Wenn sie nicht mehr aufweisen als Du mit
Deinem ausgesprochenen Murmeltier-Temperament, komme
ich auf Dich zurück Küßchen Ingelore.«
Noch vom Hotel aus wählte ich die Null-null, um mich über die
neue, falsche Verbindung zu beschweren. Mit einem beachtli
chen Prozentsatz Krähe in der Amselstimme erklärte Tante
Kornelia: »Mein Gott, Sie haben auch immer was zu meckern
Schließlich sind wir doch ein Probebetrieb.«
Ich aber war nun nicht mehr zu halten. Vor vier Wochen habe
ich geheiratet. Na, wen schon Die Amselstimme mit dem Pro
zentsatz Krähe und sonstigem Zubehör, das man treffend eine
dufte Serpentine nennen könnte: Kurve an Kurve. Und bei unserm ersten Waldspaziergang hat Kornelia gestanden: »Es war
uns doch erlaubt, nach Feierabend die Elektronenanlage für
uns selbst zu benutzen. Und da hat der Computer mir geraten,
ihn bei der Bearbeitung Ihres Antrags zweimal falsch zu füt
tern, so daß ich statt Ihrer Daten die von einem alten, auf ein
Abenteuer scharfen Hafenkapitän und das andere Mal von
einem jungen Innendekorateur einspeiste. Dann wurde ich auf
Geheiß des Computers Ihre Kundin ... «
» .. um Krügerolbonbons und Spalttabletten zu kaufen, obwohlSie nicht mal'n Bandwurm haben, bloß um mich zu schnappen«,
rief ich glücklich, »bis mein Gespür sich nicht mehr bremsen
ließ und ich Sie als Platz 17 erkannte.«
Zehn Minuten später waren wir verlobt, und meine frischeBraut nahm mich mit nach Hause, um mir ihre sechs munte
ren Kinderchen vorzustellen. Denn Tante Kornelia war schonmal. Aber schuldlos geschieden. Die lieben Rangen heißen Ala
rich, Beowulf, Cäcilie, Desdemona, Epaminodos und Feodosia.
Doch vor Quinctilius möchte Kornelia nicht aufhören, sie fin-
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Unter vier ugen
det den Namen so schön. Von mir aus machen wir auch bis Za-
charios durch, ich schrecke vor nichts mehr zurück, denn das
mit dem Murmeltier laß ich mir nicht noch einmal sagen.
In acht Monaten erwarten wir den Buchstaben G Gregorius
oder Geraldine. Und vorige Woche meinte Kornelia: »Es wird
nun auch langsam Zeit Otto daß du dich von deinen Kneip-
kollegen trennst. Du vertrottelst immer mehr. Als du gestern
zu deinem Bierlachs gingst, haste dir statt ner Krawatte den
Gürtel von deinem alten Bademantel um den Hals gehängt.«
Seitdem gehe ich nicht mehr zum Skat, sondern studiere Elek-
tronik. Außerdem habe ich für meine Freizeit eine produktive
Nebenbeschäftigung übernommen. Als Aushilfe bei unserm
Fernmeldeamt. Und wenn ein an unserer Damenkollektion mit
dem ständigen Eingang von Neuheiten interessierter Postkunde einmal unsere Null-null wählen sollte, kann er unter Um-
ständen meine pappihaft strahlende Stimme hören: »Hier Ehe-
anbahnung Platz 18, Onkel Otto.«
oosio
Da war ich jung
Du hast mir Verse vorgelesen
Von mir
hast du gesagt
ich hab's geglaubt
Was bin ich damals
für ein dummes Ding gewesen
Ich hab ir dies und das
und noch viel mehr erlaubt
Heut weiß ich längst
die Verse warn von Heine
und du ein Schuft
Mein Gott
bin ich allein
Das BUCH DER LIEDER
träumt
im Lampenscheine
Könnt ich nur einmal noch
wie früher
dämlich sein
KT aus öckel
1 5
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1 6 Unter vier A u ~ e n
Ernst Röhl•
••ospr e
Mensch, Habersack, alte Pfeife Gibts dich auch noch
Aber in alter Frische.
Und was trinkst du?
Wie früher.
Otto, zwei Pils, zwei Spezi
Na, wie siehts aus, was machen Frau und Kinder?
f - , „ ' . , - • -- --/• - r _ - -• f> t • • - ......... /· (
' '
Keine Ahnung, lange nicht gesehn.
___ _ _ _ ·- 1 ·
Wieso? Bist du nich mehr verheiratet?
Theoretisch ja. Aber ich leb nich mehr mit
der Alten zusammen. Und wie gehts Hilde?Von der bin ich geschieden. Ging einfach
nich mehr. Von morgens bis abends das Gemecker: Du hast die Wahl - entweder der
lt1
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„,. , .. 'I -./
ale bloß ni ht den
Teufel an die Wand <<
1
1
l•1•1
Schnaps oder wir
Und?
Da is mir die Wahl nich schwergefallen. Na,
erst mal Prost, alter Hund Prost, Haber
sack
Und du? Immer noch in der Kfz-Bude?
Schon lange nich mehr. Hat mir nich mehr
gefallen mit der Zeit. Bin zum Schlachthofrüber.
Was denn, du als gelernter Schlosser?
Den Beruf konnte ich dann nich mehr aus
üben. Vom Schlachthof bin ich rüber zum
Kohlehandel.
Warum denn das?
Hat mir nich mehr gefallen. Beim Kohlehandel hab ich auch
bald in den Sack gehaun. Dann Kartoffeln ausgeladen, Möbel
getragen und momentan bin ich bei der Schädlingsbekämpfung. Nagervertilgung, wenn dus ganz genau wissen willst. Ich
bin auf einer Stelle immer bloß so lange geblieben, bis mjrs nich
mehr gefallen hat. Aus Prinzip.
Und wann hats dir nich mehr gefallen?
Immer wenn der Lohnpfändungsbeschluß eintrudelte.
Mann, da gehts dir genau wie mjr. Prost
Zum Wohl, Habersack Otto, noch mal zwei Pils, zwei Spezi.
Ich hab auchn Haufen Stellen hinter mir. Sieht ja nich gut aus
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•
Unter vier ugen
im Arbeitsbuch, aber mach was. Hilde hat sich natürlich gleich
hinters Gericht geklemmt. Vor der Hochzeit die große Liebe,
nach der Scheidung Paragraph 141. Zahlemann und Söhne. Ich
kenn die Weiber, mein Lieber. Aber erst müssen se Vatem malzu fassen kriegen.
Hast du eigentlich wieder was von dem Schimmelpfennig ge
hört?
Allerdings. Von dem nimmt kein Hund mehr ein Stück Brot.
Wieso?
Der sitzt ...••
Mach kein Arger
Wollte ja immer hoch hinaus. Zuletzt war er Buchhalter. Hab
mir gleich gedacht, daß das nich gut geht.
Weißte, was der füm Ding gedreht hat?
Na?
Zweitausend Eier unterschlagen.
Das Saustück Schimmelpfennig ein Krimineller Da kannste
mal sehn. Mal ehrlich, das hätte ich ihm doch nich zugetraut.
Nee, ich auch nich.
Sag mal, warum glotzt du andauernd so dußlig zur Tür?
Reine Notwehr
Versteh ich nich.
Meine Frau hat mal zu mir gesagt: Wo du hingehst, da will
auch ich hingehn. Stell dir vor, die findet mich
Haste viel Rückstand?Na ja, mittel. Höchstens zweieinhalb Mille.
Genau wie ich. Na denn, prost
Prost, Habersack
Eins will ich dir sagen - man muß im Leben konsequent sein.
Konsequent, das ist das Wichtigste. Ich hänge mit der Miete.
Mir hamse Strom und Gas abgedreht. Die Raten füm Fernse
her sind überfällig. Und jetzt frage ich dich - soll ich ausge
rechnet bei den Alimenten anfangen? Is das konsequent? Na,
sag mal selbstMeine Alte tut so, als wärse wer weiß wie arm. Dabei hatse
erst vergangenen Herbst ihm Meister gemacht. Weiß doch
jeder, was solche Leute nach Hause bringen. Verlogen is das
Aas, du glaubst es nich.Was hab ich gepredigt damals: Vorsicht
is die Mutter der Porzellankiste, hab ich gesagt. Wo ne Pille
is, is auch ein Weg. Aber nee - ihr Kinderlein kommet Nu
stehtse da. Tja, wer nich hören will muß fühlen. Und ich würde
ja zahlen, kannste glauben. Wennse mir nich so fürchterlich un-
1 7
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>>Endlich haben wir sie
soweit und jetzt wirdwieder Naturfarbe mo-
dern <<
Unter vier Augen
sympathisch wär Aber die is mir zuwider, das kann sich kei-
ner vorstellen. Wo se geht und steh denktse nur ans Geld. Mir
tun bloß die armen Kinder leid.
Laß den Kopf nich hängen, Junge Prost
Prost, Habersack Na ja, ich hab ne ziemlich kaputte Leber.
Wenn mirs zu bunt wird, laß ich mich auf Rente setzen.Da mußte aber viel Schwein haben. Da lassense unsereins nich
so schnell ran.
Wenn ich damit nich durchkomme, verzieh ich mich einfach.
Nach Leipzig oder Dresden. Mal sehn. Wohin der Wind uns
weht.
Du bist schön blöd. Irgendwann schnappense dich auch da.
Aber wie soll ich denn sonst untertauchen, Habersack?
Machs wie ich Ich hab wieder geheiratet.
Na und?
Ich habe den Namen von meiner Frau angenommen. Gestatten- Lehmann, geborener Habersack
ortseAritt
Es war einmal ein Känguruh,
das nähte seine Tasche zu
und sagte stolz zu seiner Sippe:»Mein Sohn geht in die
Kinderkrippe.«
Klaus ettke
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11 .
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o wir sind ist vorn
Ralph Wiener
t rt tit
Der Zug setzte sich in Bewegung. Erst stockend dann zügiger.Bäume flogen vorbei vereinzelte Häuser Gartenzäune und
plötzlich ein langes riesiges Transparent:Wir Eisenbahner begrüßen stürmisch die Konferenz zur breiteren
Entfaltung des umfassenden ufbaus der Produktivkräfte und st
dies ein weiteres Bollwerk bei der Festigung ...Mehr konnte man nicht lesen denn der Zug fuhr
schnell und das Transparent drohte auf Nimmer
wiedersehen zu entschwinden. Aber da hatte es
nicht mit Herm Lilienstein gerechnet der geistes-gegenwärtig aufsprang und die Notbremse zog.
Es gab ein ohrenbetäubendes Knirschen der Zug
verringerte seine Geschwindigkeit bis er schließlich stand. Herr Lilienstein sprang aus dem Wagen
und lief zurück in Richtung Transparent.Als das Zugbegleitpersonal Herrn Lilienstein zu
rückgeholt hatte schrie der Schaffner den Ausreißer an: »Warum haben Sie die Notbremse gezogen?«
- »Wegen des Transparentes« verkündete Herr Li
lienstein mit ruhiger Stimme. »Wegen was?«
Der Frevler holte zu einer näheren Erklärung aus:»Als ich vorhin durch die Scheibe sah fiel mir ein
Transparent ins Auge. Ich konnte nicht mehr lesenbei welcher Festigung die Konferenz ein Bollwerk
sein sollte und da habe ich ...« - »Da haben Sie die Notbrem
se gezogen?« schrie der Schaffner und schlug die Hände über
dem Kopf zusammen.»Das mußte ich jawohl tun« sagte Herr Lilienstein. »Sehen Sie
Herr Schaffner da haben sich die Eisenbahner soviel Mühe ge
geben und eine Losung an der Bahnlinie aufgestellt. Ich findedie Achtung vor ihnen gebietet es den Reisenden zu ermögli
chen den Text unverstümmelt aufzunehmen. Es war meinePflicht ...«Der Schaffner hielt es nicht für geraten sich in einenDisput mit dem sonderbaren Herrn einzulassen. Er stellte schnell
noch dessen Personalien fest qann fuhr der Zug weiter.VierWochen später saß Herr Lilienstein dem Reichsbahn-Amt
mann Merkel gegenüber. »Sie wollen die Strafe für unberechtigte Betätigung der Notbremse nicht zahlen?« fragte der Amt-
mann.
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owir sind ist vorn •
»Wie komme ich dazu?« entgegnete Lilienstein. »Wenn die
Reichsbahn an der Bahnlinie ein Transparent aufstellt, erwartet sie damit zugleich, daß man es lesen soll.«
Der Amtmann wischte den Schweiß von der Stirn. »Sie mes-sen der Sache einen zu großen Wert bei.«
»Da protestiere ich aber energisch « unterbrach Lilienstein.»Meinen Sie etwa, daß Ihre Kollegen Eisenbahner das Transparent nur aus Jux dort angebracht haben?«»Also hören Sie zu«, beschwichtigte ihn der Amtmann, »ich
werde feststellen, wer die blödsinnige Idee hatte. Kommen Sie
in vierzehn Tagen wieder «
Die Untersuchungen des Amtmanns ergaben, daß eine Maler-
brigade des Reichsbahnausbesserungswerkes das besagteTransparent hergestellt hatte, weil in ihrem Quartalsarbeitsplan die Verpflichtung enthalten war, »zwölf moderne Losungen
grafisch zu gestalten und im Bahnbetriebsgelände zu verbreiten«. Da bereits alle Türen und Wände in Bahnhofsnähe versorgtwaren, hatte sich Kollege Falkner bereit erklärt, ein Transparent an der Bahnlinie in der Nähe seines Wohnhauses - er wohntsechs Kilometer vom Bahnhof entfernt - anzubringen.»Die Losung wird sofort entfemt «befahl Amtmann Merkel derMalerbrigade.»Entfernen?« fragte Brigadier Graumann entsetzt. »Eine Lo-
sung?« - »So schnell wie möglich « bekräftigte der Amtmann.
»Emma«, sagte ein paar Tage später Kollege Falkner zu seinerFrau, »wir sollen die Losung da drüben wieder entfernen. Du
kannst das nachher gleich mal machen «
»Ich?« fragte Emma empört. »Ich soll eine Losung abreißen?«Kollege Falkner versuchte es noch mit seinen Kindern, aber daswaren junge Pioniere, und zu so etwas waren sie nicht bereit.Überall stieß er auf eisige Ablehnung.»Ihr Beispiel macht Schule « sagte Amtmann Merkel zwei Wo-
chen später zu Herrn Lilienstein. »Inzwischen ist schon wieder
zweimal die Notbremse gezogen worden. Auf Grund dieser Vor-gänge haben wir entschieden, daß Sie die Strafe nicht zu zah-
len brauchen. Es ist das Recht jedes Staatsbürgers, Losungenvollinhaltlich in sich aufzunehmen. Aber in Zukunft, verehrtester Herr Lilienstein, werden wir das Ziehen der Notbremse zuverhindern wissen «
»Nehmen Sie das Transparent weg?« fragte Lilienstein.»Wo denken Sie hin « seufzte der Amtsmann. »Wenn bei unsirgendwo eine Los11ng hängt, bleibt sie hängen. Aber der Ma-
lerbrigade spielen wir einen Streich: rr leiten die Züge um <<
1 1 1
Warum fand das
Treffen WtllyBrandts mit WilliStoph in Erfw:t;µn.gnicht in ßerliri,statt?Antwort: In Berlinhätte der Eindntckentstehen können,daß man Brandteinen Bären aufbin-den wollte. In Erfurtdagegen konnteman durch die ·Blume sprechen .
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2
•
1 1 \ \ \1
o wir sind ist vorn
laus Möckel
o i t ~Auf Seite eins sehr schwarz und fett
Lokales
Fernsehtipsdas Wetter
die Gärtnerpostein bißchen Bett
ein Mord
jedoch in kleiner LetterAuf Seite zwei sehr knallig
SPORT
in Ganzaufnahme unsre Mannen
Das setzt auf Seite drei sich fortmit Kämpfen
wo wir nicht gewannen
Für Technikfreunde finden wir
was von MotorenMikrofonen
dazu Kultur auf Seite vier
drei Verse
und zwei Rezensionen
Danachwas in der Welt geschieht
wer wo auf welche Art regiertewas man für Konsequenzen zieht
wie gut man selbst die Wirtschaft führte
Die großen Reden endlich kleinzum Schluß
soweit die Seiten reichen
Und das soll UNSRE Presse sein
sagt ihrAch bitte nicht erbleichen
Es ist ja bloße Phantasie
Wenngleichganz praktisch wär s gewesen
für jene Bürger nämlich
die
ihr Blatt gespanntVON HINTEN LESEN
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•
•
~ ~ ~ ~ ~ . · ~ · ~ ~ - - r y i ~ _ , , . - , , - - : t- . . ' .. i)1
»Keine Anstrengung mehr. Der Jahrestag ist vorbei.t<
r .. , . w , ; - „ . . ; i t ' l f ~ J < ' ~
1 < . f r t r l r l „ ~ t q f 1rddw i~ o & k s s n \ i d a r i i a l
•
0
• • t. oger Ko men z - •·
l 11
Am Morgen seines zweiten Besuchstages in den USA
wird Breshnew von Präsident Nixon gefragt, was er denn
geträumt habe. »Ich habe vom Capitol in Washington ge
träumt, und auf dem Dach wehte eine rote Fahne « - ))Na
so was«, sagt Ford, l>und ich habe vom Kremlpalast
geträumt, auf dem wehte auch eine rote Fahne <c Bresh-
new lächelt überlegen: »Die können sie doch dort immer
sehen - »Na ja, auf der Fahne stand noch irgend etwas
~ ~
geschrieben.« - »Und was?c< - »Ja, das weiß ich nicht, ich
kann doch nicht C ~ h ~ i n ~ e : s ~ i s ~ c ~ h c _ . . . ~ ~ : - . : : : ; : ~ ~ - : : : : : ~ ~ ~ ~ = = = = : =llien d 21 hhresgses ,J:,lDR WU1' ' von
' "Zu l ib M ~ i t e r n 4 t S ~ o e r Kon1um-
Kombihates der ob t- undaemilse-
verarbeitenden Industrie ~ l ß e n~ n e u e ~ ~ s Gench:, -. _
M a ~ a -IJ.W
-Ua-IJ.l a - ./U..a- Jta -,_' .
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körtnen• • •Aus. d•in J1.1nl.tl•ft
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20 Jahre DDR -
20 Jahre MITROPAauf neuen Wegen
»Warst du zur letzten Parteiversammlung?«
»Ach, wenn ich gewußt hätte, daß es die letzte war ... «
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4 Wo wir sind ist vorn
Peter nsikat
Lehrer: Meine Damen und Herren Um einem dringenden Be-
dürfnis aller Zugereisten mit und ohne Zuzugsgenehmigung
für unsere Hauptstadt zu entsprechen, hat sich der DeutscheFernsehfunk entschlossen, ab sofort »Berlinisch for Sie« in
sein Lehrprogramm aufzunehmen. Mein Mitarbeiter, der Ber-
liner Sprachwissenschaftler Professor Orje, und ich wollen
versuchen, Sie in die Geheimnisse des Berliner Mundwerks• •
emzuwe1sen.
Professor: Det heeßt, wir lern Sie det, wa.
Lehrer: Zunächst aber einige allgemeine Bemerkungen über
den Berliner und sein Verhältnis zur Sprache. Denn daß er
was mit ihr hat, steht fest. Da, wo der Sachse gemütlichdurch die Syntax <latscht, während er seinen
Der Berliner ersetzt die Grammatik durch Guchen ditscht, wo der Mecklenburger auf sei-
seinen unwiderstehlichen Charme nen s-pitzen S-teinen hockt und so lange nach-
denkt, bis er findet, daß es kaum noch was zu
sagen gibt, da redet der Berliner so lange, bis die Zuhörernachdenklich werden. Das aber, liebe Schüler aus Sachsen
und Anhalt, ist der erste Fehler, den der Zugereiste macht:
Er meint, der Berliner meine etwas, wenn er redet. Merke
aber: Reden gehört in Berlin zum Stoffwechsel.Professor: Wenn ick Ihnen freundschaftlich daroff hinweise,
detse wat aufm Keks ham, denn is det nischt Ehrnrührijet,
sondan der Anfang eines Berlina Jedankenaustauschs.
Lehrer: Normalerweise hat der Berliner den Mund ständig auf.
Ja, er scheint schon mit offenem Mund geboren zu sein, so
daß man sein kleines, goldenes Herz sehen kann. Und läßt
einfach rausfallen, was kommt. Kommt zum Beispiel ein jun
ges Mädchen vorbei, so wird der Berliner es nie schweigend
hinnehmen. Er wird sie so lange vollquatschen, bis sie nurnoch wünschen kann, er hätte sie schweigend hingenommen.
Professor: Mann Ejon, kiek ma den steilen Zahn, da möcht ick
ma anne Schuhe fassen. Na Puppe, haste Ausjang? Wenn de
mir einladen tust, laß ick mir breitschlaren. Ick steh off
blond Det se mit de Neese nich anne Obaleitung komm, denn
is detjanze Mekapp im Eima Haste detjesehn Ejon, nich mal
flörten will se sich lassen. Merke - der Berliner kennt weder
Komma noch Strich; er zieht alles durch.
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•
Wo wir sind ist vorn
Lehrer: Aber bis Sie, meine lieben Anfänger, es so weit brin
gen, werden Sie wohl noch viele hübsche Mädchen still ansich vorüberziehen lassen müssen. Beginnen wir zunächst
mit einfachen Ausspracheübungen. Lassen Sie alles hängen
und bullern Sie aus Leibeskräften. Ein normaler Umgangs-
ton würde Sie nämlich sofort als Nicht-Berliner entlarven.Dann fügen Sie überall das schöne Wort »möh«, auf deutsch»Mensch«, ein.
Professor: Wat denn »mÖh«, det soll 'n Auto sein, möh? Det isej doch keen Auto möh, det haste wohl uff'm Weihnachts
markt als belegtes Brötchen gekooft.
Lehrer: Was immer Sie an grammatischen Regeln gelernthaben, müssen Sie auf der Stelle vergessen.
Professor: Also dieset spärliche Männeken da w ll mir in puncto
Auto wat vormachen. Na klar hatt'ste Vorfahrt, Mann Abawenn de mir so dusselig ankiekst, denkt doch keena, daß dedet weeßt. Merke - der Berliner sagt immer mir. Auch dann,wenn's stimmt.
Lehrer: Ein Berliner, angesprochen auf das Alter einer nicht
mehr jungen Dame, wird stets die Form wahren.Professo: Also alt isse nich, aba 'ne janze Weile schon off der
Erde.
Lehrer: Da, wo der Normalverheiratete scheinheilig fragt: Juckt
es dich etwa, Liebes? wird der Berliner praktisch raten.Professor: Nicht kratzen Puppe, waschen.
Lehrer: Und wo in normalhochdeutschen Kreisen der Tod eines
Bekannten Ratlosigkeit und Entsetzen auslöst, bemerkt derBerliner nur ...
Professor: Na, wenna sich vabessat hat
Lehrer: Sie merken schon, liebe Schüler, Berlinisch kann man
nich wie andre Sprachen lernen. Berlinisch kann man nurdenken. Dann aber kann man fast alles sagen, auch das, was
man eigentlich nicht sagen kann. Zum Beispiel zu einemMädchen, dessen Minirock auch das Notwendigste kaum be-deckt ...
Professor: Puppe, da mußte aban Schal vom Mund lejen, sonsthaste Durchzuch
Lehrer: In der Hoffnung, daß auch Sie, liebe Nicht-Berliner, soetwas bald über die Lippen bringen, schließen wir unsereerste Lektion »Berlinisch for Sie« mit dem Hauptmerksatz:
Der Berliner ersetzt die Grammatik durch seinen unwider
stehlichen Charme. Den allerdings müssen Sie mitbringen.
11 5
Ein Flugzeug stürztab, an Bord befan-den sich Breshnew,
Husak, Kadar und
Gomulka. Wo istdie Trauer amgrößten?In der DDR
· Warum?Weil Ulbricht nicht
dabei war.
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Frage: Wie verhält ·man sich bei einem.eventuellen Einsatzvon Atomwaffen?Antwort: Sofort ·.
den Kopf mit ein emweißen s c h e n ·;·:„ ;
' ' '
tuch bedecke$ ,_. gemessenentes zum Ftiedh(JF · J;, '.· ·;·
_ _
gehen. ..Nachfrage: Wa.ru..tll ·gemessenen Schrittes?Antwort: Damit in
der ganzen Kater;. •
strophe nicht noclieine Panik ent-steht. ·
Wo wir sind ist vorn
Heinz Helm
Ort: Eisenbahnabteil 1. Klasse
Personen: Otto, Emma, seine Frau, Handelsreisender, Monteur,Kulturfunktionär, Schaffner, Zeitungsleser
Otto (faßt sich an den Kopf und sieht nach oben): Es tropft.Handelsreisender: Wie bitte?Otto: Es tropft Da ist irgend etwas undicht.Kulturfunktionär: Ja, da oben. Anscheinend das Dach. Ist ja
kein Wunder bei dem Regen.Handelsreisender: Kein Wunder, na hören Sie mal
Otto: Meine Schwiegermutter war neulich in Westdeutschland,die sagt, da regnet es nie durch. Das ist typisch für unsereVerhältnisse. Irgendwas ist immer undicht.
Handelsreisender: Die Ausnutzung der Wasserkräfte ist letzlich der entscheidende Schritt zur Durchsetzung der weitgehenden Elektrifizierung im Kommunismus - Lenin
Otto: Wohltätig ist des Wassers Macht, wenn sie der Menschbezähmt, bewacht - Goethe
Monteur: Zitate hin - Zitate her, es regnet durch.Emma: Jetzt habe ich auch einen Tropfen auf den Kopf bekom
men Otto, kannst du das nicht dicht machen?Otto: Erstens bin ich kein Dachdecker und zweitens habe ich
Urlaub.Kulturfunktionär: Aber man muß etwas unternehmenMonteur: Wir können ja wetten, auf wen der nächste Tropfen
fällt.Handelsreisender: Lassen Sie doch diese albernen ScherzeZeitungsleser (sieht von der Zeitung hoch): Was ist denn das
für eine Streiterei?
Kulturfunktionär: Haben Sie nicht gehört, es tropftZeitungsleser (sieht nach oben): Ja, aber von oben. (liest weiter)Otto: Packen Sie doch mal Ihre blöde Zeitung beiseite und
sagen Sie was.Zeitungsleser: Das könnte Ihnen so passen Das habe ich ein-
mal gemacht in meinem Betrieb. Seit der Zeit warte ichimmer erst ab, wie sich die Mehrheit äußert.
Kulturfunktionär: Darum geht es ja gar nicht. Wir müssenetwas unternehmen.
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owir sind ist vorn
Zeitungsleser: Solange das Wasser von oben kommt, ist kein
Grund zur Besorgnis.
Monteur: Na, von unten kann es ja nicht tropfen. Dies ist doch
kein Dampfer.
Zeitungsleser: Sehen Sie
Emma: Otto, ich werde naß Unternimm doch mal wasOtto: Heute ist nicht Frauentag. Setz dir meinen Hut auf.
Emma: Huch, jetzt ist mir das ganze Wasser in den Hals ge-
laufen
(Otto schlägt sich auf die Schenkel und lacht.)
Emma: Was lachst dudenn so albern, Otto?
Otto: Ich warte schonlange darauf, daß du
den Hals einmal vollkriegst.
Emma: Taktgefühl hattestdu nie.
Otto: Als letzten Winter
meine Nase tropfte,
hast du ...
Kulturfunktionär: Aber
streiten Sie doch nicht.
Wir verderben uns dieganze Kleidung.
Otto: Ich kann mit meiner
Frau streiten, so oft ich
will.
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Kulturfunktionär: Ist denn kein richtiger Werktätiger dabei,
der etwas tut? rr müssen etwas unternehmen.
Handelsreisender: Das sagen Sie schon zum vierten Mal.
Kulturfunktionär: Nein, zum dritten ...
Handelsreisender: Zum viertenEmma: Wir müssen die Notbremse ziehen
Otto: Bloß nicht, nachher kommt da auch noch Wasser raus
Zeitungsleser: Aber Kollegen. Das sind doch alles nur kleineUnzulänglichkeiten. Wie sah es denn 1945 aus? Da gab's
überhaupt kein Wasser. Man muß alles im Zusammenhang
sehen. Die Sonne scheint auch schon wieder.
Otto: Das steht wohl in Ihrer Zeitung?
Zeitungsleser: Nein, aber ich habe bisher noch keinen Tropfen
abbekommen.
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J
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Also wirklich ich freue
mich sehr über die Ur
kunde. Aber Idioten-Al-
fred war eigentlich nur
mein Spitzname in der
Schule.
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118 Wo wir sind ist vorn
Monteur: Hä, Kunststück, das Wasser läuft ja auch von oben
in Ihre Tasche reinZeitungsleser: Was (Springt auf, nimmt die Tasche aus dem
Gepäcknetz, öffnet sie, es läuft Wasser heraus.)Emma: Otto, er macht mir die Füße feucht Beschütze mich,
oder ich lasse mich endgültig von dir scheiden und ziehe
mein Geld aus dem GeschäftOtto (springt auf): Herrrr Sie haben meine Frau von unten naß
gemacht
Kulturfunktionär: Wie die
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Ci • • CA "" r „' v ----
A <;.. r VOIJ. \
lA'-' i
kleinen Kinder
Zeitungsleser: Da, sehen Sie,
der BKV ist durchgeweicht
und die Zeitung ist auch
nicht mehr trocken.
-
- - - -
Schaffner (tritt ein): Was ist
denn das für ein Lärm?
Kulturfunktionär: Bitte, Herr
Schaffner, Sie müssen uns
helfen, es läuft durch
Schaffner: Wer hat hier ge
raucht?Monteur: Ich, das sehen Sie
doch
Schaffner: Rauchen ist hierverboten. Paragraph drei
zehn der Eisenbahnverkehrs
ordnung. Sie zahlen fünf
MarkMonteur (zahlt): Und daß es
hier durchläuft, stört Sie
wohl nicht?
Schaffner: Durchlaufen ist nicht verboten.
Kulturfunktionär: Sie müssen uns helfenSchaffner: Das werde ich auch Wenn wir in Dresden sind,
schreibe ich die fünfte Mängelanzeige - es kommt ja doch
keiner.Monteur: Ich kann mir denken, woran das liegt. Da ist das Ab-
flußrohr vom Wasserbehälter undicht.
Schaffner: Nicht mein BierMonteur: Hören Sie, ich weiß, woran das liegt
Schaffner: Na, denken Sie , ich nicht?
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owir sind ist vorn
Monteur: Dann stellen Sie's doch ab Sie brauchen nur hier
draußen das Ventil zweimal herumzudrehen.Schaffner: Dafür bin ich nicht zuständig. (Geht ab.)
Kulturfunktionär: Junger Mann, Sie wissen doch mit so was Be
scheid, Sie sind doch ein Werktätiger. Retten Sie uns Sie wis
sen, wo das Ventil ist.Monteur: Damit er mich noch mal in die Pfanne haut
Zeitungsleser: Für die sozialistische Menschengemeinschaft
darf uns kein Opfer zu groß sein.
Monteur: Ich gehe ja schon. Aber auf Ihre Verantwortung.
(steht auf und dreht an einem Ventil.)
Handelsreisender: Es hört auf.
Kulturfunktionär: Wenn Denken und Handeln eine Einheit sind
- das ist Marx in der Praxis.
Monteur: Das Ventil war nicht richtig festgeschraubt. Das ist
Murks in der Praxis.
Schaffner (kommt zurück): Na, tropft es noch?
Kulturfunktionär: Gott sei Dank nicht mehr Der junge Mann
hat es abgestellt. Es gibt eben noch Eigeninitiative.
Schaffner: Was heißt hier Eigeninitiative? Gemäß Paragraph
drei der Eisenbahnverkehrsordnung gibt es keine Eigeninitia
tive, denn das eigenmächtige Hantieren der Reisenden an
den Einrichtungen der Reichsbahn ist streng verboten. Sie
zahlen zehn Mark Strafe und stellen sofort wieder an
»Spenden Sie Ihr Blut für den Betrieb, für den Stadtbezirk oder
direkt fürs Rote Kreuz?«
»Eigentlich hatte ich mehr an Menschen gedacht ...«»Ich meine, statistisch gesehen.«
»Geben Sie's dem, der es am nötigsten braucht.«
»Nötig brauchen brauchen's alle; für die Quartalsabrechnung.«»Ach, Sie stehen im Wettbewerb?«
»Erraten.«
»Taj, ich arbeite beim Stadtbezirk ... «
»Sie befinden sich aber in unserer Betriebspoljkljnik. Wissen
se was, ich schreib Ihr Blut unserem Betrieb gut.«
»Und der Stadtbezirk?«
»•.• der soll sich für den Quartalsbericht was aus den Fingern
saugen.«
9
Familie Meyer hateinen Papagei, derimmer »Die Sau
kommunisten Nie- - . .
der mit der SED «
krächzt. EinesTages kündigt einSED-Funktionärseinen Besuch an.
Die Hausfrau putztdie Wohnung blitz
blank, aber wohinmit dem Papagei?
Der landet im Tiefkühler. Der Mann
. kommt, agitiert ein
bißchen und geht · ·
wieder. Drei Stunden danach denkt
die Hausfrau an
den Papagei undholt ihn aus dem
Tiefkühler. Da
krächzt er nurnoch: >)Liebe Kom
·munisten Niedermit dem Kapitalismus «
Die Hausfrau fragterstaunt, warum er
. .
seine Meinung ge-
ändert habe. Dar
auf der Papagei:
»Drei Stunden Sibi- ·rien reichen mir «
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Zeittafel 969•
20. März
22. März
17. April
8. Mai
12. Mai
12.-25. Mai
14. Mai
16. Mai
28.-30. Mai
Jurek Beckers Lustspiel >>Jungfer Sie gefällt mir<< nach Kleist
wird von Günter Reisch für die DEFA verfilmt
DEFA-Kinderfilmpremiere >>Mohr und die Raben von Lon
don<< nach dem Roman von llse und Vilmos Korn.
Nach der Zerschlagung der tschechischen Reformbewegung
tritt Alexander Dubcek als Vorsitzender der KPC zurück.
Als erstes nichtkommunistisches Land nimmt Kambodschadiplomatische Beziehungen zur DDR auf. Im laufe des Jah
res erkennen der Irak, der Sudan, Syrien, die Demokratische
Volksrepublik Jemen und die Vereinigte Arabische Republik
die DDR völkerrechtlich an.
Der Vorsitzende der DDR-CDU, Gerald Götting wird zum
neuen Präsidenten der Volkskammer als Nachfolger des ver
storbenen Johannes Dieckmann gewählt.
Die DDR wird Mannschaftssieger bei XXII. Friedensfahrt.
In Rostock wird der erste Museums-Neubau der DDR, die Ro
stacker Kunsthalle, eröffnet.DEFA-Filmpremiere >>Mit mir nicht, Madam<< mit Manfred
Krug und Annekathrin Bürger.
Auf dem VI. Deutschen Schriftstellerkongreß wird ein neues
Statut angenommen.
Was ist der Unterschied zwischen einer Fuhre Langholz und derKulturpolitik der DDR?
Bei einer Fuhre Langholz kommt erst das dicke Ende und danndie rote Fahne.
30. Mai
10. Juni
11.-13. Juni
27. Juni
2. Juli
12. Juli
22. Juli
26. Juli
BRD-Regierung beschließt, daß jede Anerkennung der
DDR weiterhin als unfreundlicher Akt gewertet werde
modifizierte Hallstein-Doktrin).
Gründung des Bundes der Evangelischen Kirche in der
DDR. Damit wird die bislang bestehende juristische und
organisatorische Einheit der Evangelischen Kirche Deutsch
lands EKD) beendet.
Der 2. Frauenkongreß tagt unter dem Motto: >>Der Frauen
Herz, Wissen und Tat für unseren sozialistischen Friedens
staat<<. Fast die Hälfte aller Frauen ist berufstätig.
DEFA-lndianerfilmpremiere >>Weiße Wölfe<< Co-Produk
tion DDR/Jugoslawien).
Die 250er MZ ETS Trophy Sport wird im Zschopauer
Motorradwerk gebaut.
Roland Matthes schwimmt in Santa Clara über 200 m
Rücken Weltrekord.
Die Bundesregierung beschließt, künftig das Hissen der
DDR-Nationalflagge und das Abspielen der DDR-Staatshym
ne bei Sportveranstaltungen nicht zu behindern.
Eröffnung des V. Turn- und Sportfests in Leipzig.
2
ünter Reisch
Zum ehemaligentschechischen Parteichef Dubcekkommt ein Engelund sagt: »Du bistein echter Kommunist darum will ich
dir drei Wünsche er
füllen. «Dubceküberlegt nicht langeund sagt: »Die Chi
nesen sollen in dieTschechoslowakeikommen und sie be
setzen und wiederabziehen.« - «Und
der zweiteWunsch?«
Nach mal das glei
che. Und der dritte?
Nach mal das gleiche. Der Engel wun
dert sich und fragtvorsichtshalbernoch mal ob er sichdas gut überlegt
habe. Dubcek:»Selbstverständlich.
Da müssen die Chi
nesen sechsmaldurch die Sowjet-
•UllIOn .«
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22
Karin alzer
Sowjetisch-chinesischer Krieg: Sowje
tische Siegesmeldung am ersten Tag:»100 000 chinesische Kriegsgefangene.« Siegesmeldungam zweiten Tag: »1Million chinesischeKriegsgefangene.«Siegesmeldung am
dritten Tag: »10 Mil
lionen chinesischeKriegsgefangene.«Am vierten Tag
trifft ein Telegrammaus Peking ein:
»Gebt auf, sonst ergeben wir uns alle «
27. Juli
29. Juli
Zeittafel 969
Weltrekord von Karin Balzer über 100 m Hürden auf demV. Turn- und Sportfest.Walter Ulbricht stellt fest, daß die Freundschaft zur Sowjetunion in eine neue Qualität übergegangen ist.
Anfrage an den Sender J,erewan: »Ist es wahr, daß sich die Liebeder DDR zur Sowjetunion ständig vertieft?«
Antwort: »Ja, sie hat soepen einen Tiefpunkt erreicht.« .. .- . .
1. August Die 20-Pfennig-Münze kommt in Umlauf.
23.-24. August Die Frauenmannschaft gewinnt in Budapest den Europapokal im Schwimmen.
27. August Der Ministerrat beschließt eine Erhöhung des staatlichenKindergeldes: Ab 1. Oktober gibt es ab dem 3. Kind statt 20nun 50 Mark Kindergeld monatlich.
28. August Zentrales Fest der jungen Talente in Artistik und Schlager.
10.-14. September Der DDR-Achter gewinnt die Goldmedaille bei der RuderEM der Männer in Klagenfurt Österreich).
13.-20. September Die DDR-Mannschaft gewinnt das Weltpokal-Turnier imVolleyball der Männer.
16. -19. September Verhandlungen zwischen Ministerien der DDR und der BRD
über Verkehrs- und Postfragen.
16. September DEFA-Filmpremiere >>Seine Hoheit, Genosse Prinz<< von RudiStrahl mit Rolf Ludwig und Rolf Herricht.
20. September Uraufführung von Rudi Strahls Komödie >>In Sachen Adam
25. September
29. September
2. Oktober
3. Oktober
und Eva<< eines der meistgespielten DDR-Stücke, in Magde
burg.Die ersten Fünfmarkmünzen kommen in Umlauf.
DDR unterzeichnet Atomwaffen-Sperrvertrag.
Neues Wahrzeichen für den Alexanderplatz: die Weltzeituhr.Sie wird zu einem der beliebtesten Treffpunkte in Berlin.Das zweite Programm des DFF beginnt zu senden. ErsteFarbfernsehsendung im französischen SECAM-System. Absofort erscheint die Fernsehzeitung FF-Dabei in Farbe.
Eine japanische Delegation besucht das Gelände des DDR-Fern
sehens in Berlin-Adlershof. Nach dem Rundgang sagt der Delegationsleiter: »Ein schönes Fernsehmuseum haben Sie hier.Und woproduzieren Sie?«
3. Oktober Der Fernsehturm in Berlin 365 m hoch) wird feierlich eröffnet. Das sich drehende Cafe im Turm ist eine besondere Attraktion.
Vom Berliner Fernsehturm kann man vier Meere sehen - untenein Häusermeer, oben das Wolkenmeer, im Westen das Lichtermeer und im Osten gar nichts mehr.
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Zeittafel 969
4. Oktober
4 Oktober
In Berlin eröffnet der Vergnügungspark Plänterwald.
Die 4x 800-m-Staffel der Frauen Schmidt, Hoffmeister, Pöh
land, Wieck) läuft Weltrekord in Potsdam.
7 Oktober Am Altmarkt in Dresden wird der neuerbaute Kulturpalasteröffnet. Zum Auftakt erklingt Beethovens 9. Sinfonie.
9.- 20. November V Internationaler Robert-Schumann-Wettbwerb in Zwickau.
12. November 550. Jahrestag der Gründung der Universität Rostock. Festansprache Willi Stophs.
15.-22. November XII. Internationale Dokumentar- und Kurzfilmwoche für
Kino und Fernsehen in Leipzig.
19. November Die Puhdys geben in Freiberg ihr erstes Konzert. Gilt als
Gründungsdatum der Band.
28. November Abkommen zwischen der DDR und der Sowjetunion über
visafreien Reiseverkehr zwischen beiden Ländern.
30. November DEFA-Kinderfilmpremiere >>Der Weihnachtsmann heißt
Willi<<.
4 Dezember DEFA-Filmpremiere >>Weite Straßen - stille Liebe<< mit JuttaHoffmann und Manfred Krug.
18. Dezember Käthe-Kollwitz-Preis der Deutschen Akademie der Künste
an Theo Balden verliehen.
18. Dezember StaatsratsvorsitzenderWalter Ulbricht schickt Bundespräsi
dent Heinemann einen Brief mit dem Entwurf eines Vertra
ges über die Aufnahme gleichberechtigter Beziehungen zwi
schen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland.
19. Dezember Uraufführung der Oper >>Lanzelot<< von Paul Dessau an der
Deutschen Staatsoper Berlin Text: Heiner Müller).
29. Dezember Die Zeitungen sprechen vom kältesten Dezember seit 1893.
Rekordminustemperaturen führen zu Engpässen bei Nah
rungsmitteln und Brennstoffen.
1969 verlassen 16 975 DDR-Bürger das Land.
Sportler des Jahres:
Roland MatthesSchwimmen)
Petra Vogt
Leichtathletik)Volleyball-National
mannschaft der Männer
Torschützenkönig der
Oberliga:
Gerd Kostmann vom
FC Hansa Rostock mit
18 Treffern
Fernsehlieblinge:
Lissy Tempelhof
Günter HerltKarl-Eduard von
SchnitzlerHans-Georg Ponesky
Benito Wogatzki
Klaus Feldmann
Annemarie Brodhagen
Kollektiv Sandmännchen
Karl-Heinz Gerstner
Heinz Florian Oertel
Manfred Krug
neue Bücher:
Stefan Heym
>>Lassalle<<
Erwin Strittmatter
>>Ein Dienstag imSeptember<<
Jurek Becker
>>Jakob der Lügner<<
Peter Edel
>>Die Bilder des Zeugen
Schattmann<<
Helmut Sakowski
>>Wege übers Land<<
123
Dieter irrvon den Puhdys
. .
·Oberliga-Plazlerung .1969 .
• 1 F€ vorwärts Bertin'
2. FC Carr Zeiss Jena3 ·1._ C ·Magdeburg
.
· 4:. J C Hansa Rostock
s BSG SachseRring ···· . ·Zwicka·u
\ :· .
· BSG.Chemie Leipzig
. .' FC M a r x ' . S t a d t' . . .
8. fCRot-Weiß Erfurt.
· 9 ssG-Wismut Aue: .
1 Ber1iner FC.Dynamo
11 ..Haliescfier FC ·· -. · Ghemie · · ·
·1.2. BSG Stahl Resa. . .
13. 1 FC Union Bertin ·
. 1 4. 1. FC Lok: Leipzig. .
große Hits:
>>Mach dir keine Sorgen<<
Andreas Holm
>>Schön fängt jede
Liebe an<<
Michaelis Chor
>>Kleines Boot<<
Kathrin und Klaus
>>Was so begann<<
Roland Neudert
>>Verliebt<<
Klaus Sommer
>>Es fängt ja alles erst an<<
Rosemarie Ambe
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24
\
Götz riedrich
Zeit tafel 197
197
6. Januar Horst Queck wird Sieger der internationalen Vierschanzen
tournee.
13. Januar In Berlin-Mitte legt Oberbürgermeister Herbert Fechner den
Grundstein für die neue Leipziger Straße.
20. Januar Oskar Fischer löst Otto Winzer als Außenminister ab.
22. Januar Bundeskanzler Willy Brandt schlägt dem Vorsitzenden des
Ministerrates der DDR Willi Stoph Verhandlungen über
Austausch von Gewaltverzichtserklärungen vor.
24. Januar Gershwins Porgy and Bess mit Manfred Krug hat in der
Regie von Götz Friedrich an der Komischen Oper Premiere.
2.-3. Februar Die Landwirtschaft der DDR kann die Bevölkerung nicht
ausreichend versorgen mit der Sowjetunion werden baldi
ge Lieferungen vereinbart.
Rostacker Hafen. Ein Mann beobachtet die einlaufenden Schiffe ..
Ein Wachoffizier.spricht ihn an. »Was machen Sie liier?« .»Ich warte um zu sehen wie die sowjetischen Schiffe voll mit
· Weizen beladen aei uns eintreffen.«..
Der Offizier: »Dann gucken Sie nicht so viel aufs Meer, gucken. .
Sie in die Zeitung « .
3.-9. Februar Gabriele Seyfert holt sich den Europameistertitel im Eis
kunstlauf in Leningrad.
15.-21. Februar Das 1. Festival des politischen Liedes findet in Berlin statt.
24 . Februar
3.-8 . März
18. März
DDR-Singeklubs Gruppen und Solisten aus aller Welt tref-
fen sich von nun an jedes Jahr. Dieter Süverkrüp Miriam
Makeba die chilenische Gruppe lnti lllimani sind dabei.
Erste Folge des fünfteiligen Fernsehfilms >>Ich Axel Cäsar
Springer<< mit Horst Drinda in der Titelrolle .
Gabriele Seyfert wird Weltmeisterin in Ljubljana .
Einen Tag vor dem Besuch Brandts in Erfurt wird im DFF die
Fernsehdokumentation >>Bei Kuhnerts war man Sozialde
mokrat<< ausgestrahlt.
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Zeittafel 197
19. März Treffen von Bundeskanzler Brandt und Ministerratsvorsit
zendem Stoph zu Verhandlungen in Erfurt. Die Willy-Willy-
Rufe gelten Willy Brandt.
Als Willy Brandt und Willi Stoph in Erfurt zusammentreffen, un-
terhalten sie sich über ihre Hobbys. Brandt: »Ich sammle Witze,
die man über mich macht. «
Darauf Stoph: »Und ich sammle die, die Witze über mich gemachthaben.{(
26. März
125
Die Botschafter der drei Westmächte in der Bundesrepublik
und der sowjetische Botschafter in der DDR nehmen Ver-
handlungen zu einem Viermächte-Abkommen über Berlin runo Apitz
7. April
16. April
16. April
17.April
auf.
Der Schriftsteller Bruno Apitz stirbt in Berlin.
DEFA-Filmpremiere >>Unterwegs zu Lenin<< nach Alfred Ku
rella (Co-Produktion DDR/UdSSR).
In Wien beginnen amerikanisch-sowjetische SALT-Verhand
lungen, Gespräche zur Begrenzung strategischer Rüstung.
Beschluß über Umtausch der Parteidokumente der SED-Ge
nossen, mit 99,6°o der Mitglieder und Kandidaten werden
persönliche Aussprachen geführt.
19. April An der Berliner Leninallee wird das Lenin-Denkmal des Bild
hauers Nikolai Tomski eingeweiht.. - ,;\ . . . ·ß . „ _ ~ r c ~ ; ; ;
, · · · ' • · , i - ' iHermann Axen geht spazieren und k o l J ~ t am Lenin.:Dehkmalvorbei· Da hört er jemanden stöhnen. Verwundert schaut er Lenin
an und hört ihn sagen: »Alle haben ein Pferd, nur ich muß stehen.Besorg mir ein Pferd <<Hermann rennt zu Walter und erzählt ihm
d a v o n ~ Beide gehen zum Denkmal. Als Lenin Walter sieht, sagt
er: »Hei;tnann, du solltest mir ein Pferd pringen und keine Ziege «-• • ' E •. . ..
22. April
29. April
7. Mai
8.-9. Mai
14. Mai
21.-24. Mai
Der 100. Geburtstag Lenins wird mit zahlreichen Veranstal
tungen begangen, u. a. mit den Ausstellungen >>Im Geiste
Lenins - mit der Sowjetunion in Freundschaft unlösbar ver
bunden<< im Alten Museum und >>Ein neuer Mensch - Herr
einer neuen Welt<< in der Akademie der Künste.Beilegung des jahrelangen Streits um den Kostenausgleich
bei der Post zwischen DDR und BRD.
Die DDR eröffnet ein Außenhandelszentrum in Paris.
Der sowjetische Film >>Befreiung<< hat in der DDR aus Anlaß
des 25. Jahrestages der Befreiung feierliche Premiere.
Landeskulturgesetz regelt Umwelt- und Landschaftsschutz.
Bei der Judo-EM in Berlin siegen Rudolf Hendel (Halbmit
telgewicht) und Klaus Hennig (offene Klasse).
·Warum sind Parteiausschlüsse gefähr-lich? ·
Sie drohen die Rei-
hen der Parteilosen••
zu verwassem.
·sehen zwei Lenm-.denkmälem.«
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126
Anfrage an den Sen-der J rewan: »Dartein kleiner Funktio
när einen großenkritisieren?«
Antwort: »Im Prin
zip ja aber es wäfeschade um n
• -1
nen.«
Wolfgang ordwig
9.-14. Juni
12.-14. Juni
21. Juni
26. Juni
27. Juni
1. Juli
4.-6. Juli
26. Juli
28. Juli
Zeittafel 197
Bei der Europameisterschaft der Ringer in Berlin gewinnt
Heinz-Helmut Wehling im Klassischen Stil Federgewicht),
Klaus-Peter Göpfert Leichtgewicht) und Horst Stottmeister
im Freistil (Mittelgewicht).
Die 12. Arbeiterfestspiele finden im Bezirk Rostock statt.
Schiedsrichter Rudi Glöckner pfeift das Fußball-Weltmei
sterschaftsfinale in Mexico-City.Der erste Olsenbanden-Film kommt in die DDR-Kinos.
DEFA-lndianerfilmpremiere >>Tödlicher Irrtum<< mit Gojko
Mitic, Annekathrin Bürger und Armin Mueller-Stahl.
Exportwaren werden ab sofort nicht mehr mit >>Made in
Germany<<, sondern mit >>Made in GOR oder >>Hergestellt
in der DDR gekennzeichnet.
Peter Frenkel erreicht im 20 km Gehen Weltrekord, Burglin
de Pollak gelingt mit 5406 Punkten Weltrekord im Fünf
kampf.Weltrekord über 100 m Hürden durch Karin Balzer.
Erich Honecker reist nach Moskau, um mit Breshnew ge
heim über Ulbrichts Ablösung zu beraten. Breshnew kriti-
siert an Ubricht: >>Er will mir Vorschriften machen.<<
Bei Erich Honecker klingelt spät abends das Telefon. Als Erich ab-
nimmt legt der anonyme Anrufer auf. Das wiederholt sich. Beim
dritten Mal nimmt Erich ganz schnell den Hörer ab und ruft:
»Mein lieberWalter wenn du das jetzt noch einmal machst dann
nehme ich dir das Telefon auch noch weg.«
10. August Eröffnung des neuerbauten Spreewaldhafens.
12. August Moskauer-Vertrag zwischen BRD und SU wird geschlossen
Gewaltverzicht, Anerkennung bestehender Grenzen).
29./30. August In Stockholm sichert sich die Leichtathletik-Männermann
schaft den Europa-Pokal.
3. September Wolfgang Nordwig springt Weltrekord im Stabhochsprung
bei der Studentenweltmeisterschaft in Turin.
3. September DEFA-Filmpremiere >>Netzwerk<<, Drehbuch und Regie RalfKirsten.
5. September Auf der Leipziger Herbstmesse sprechen Außenwirtschafts
minister Horst Sölle und Carsten Rohwedder aus dem Bon
ner Wirtschaftsministerium über Handelsfragen. 1969 hatte
sich der Handel BRD und DDR um 25 Prozent ausgeweitet.
15. September Gründung der Akademie der Pädagogischen Wissenschaf
ten der DDR.
27. September Volksbühnen-Premiere der ersten Regiearbeit von Fritz Mar
quardt in Berlin, Katajews >>Avantgarde<<.
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Nachweise
Die Karikaturen stammen von
Dietrich Bauer: 33Heinz Behling: 61 u. 65 68 81 113 o.
Manfred Bofinger: 48 m. 48 u. 52 86 92 94 99 m. 99 u. 103 118
Henry Büttner: 73 88 110
Peter Dittrich: 13 15 31 u. 35 77
Heinz Jankofsky: 26 117Harald Kretzschmar: 120 121 122 123 124 125 126 127
Lothar Otto: 61 o. 75 u.
Harri Parschau: 10 47 48 66 75 o./m. 79 82 106 108 112 113 u.
Louis Rauwolf: 31 m. 37 45 59 61 u. 62 63 85 87 o. 97 101 105
Karl Schrader: 8 18 24 41 48 o. SO 55 87 1. 99 o.Wolfgang Schubert: 31 o. 61 m. 87 u. 91
Fotos:
Klaus Winkl er: 29
Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck danken wir den
Autoren Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns ge-lungen Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtigte Honoraransprüche bleiben gewahrt.
Impressum
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