Post on 06-Apr-2016
Sorgerechtsentzug und Fremdplatzierung
Nicole Ader
&Insa
Schulze
1. Gewalt in der Familie
Studie Schall/Schirrmacher 1995
das Risiko Opfer einer Gewalttat zu werden,
ist innerhalb des sozialen Nahraums mit
Abstand am höchsten
sexuelle und körperliche Kindesmisshandlung
und Vernachlässigung stellen die gravierendsten
Missstände in der Erziehung dar
1. Gewalt in der Familie
Studie Bussmann 2005
mind. 20% aller Kinder und Jugendlichen haben
während ihrer Erziehung mindestens einmal
schwerste Gewalt durch einen Elternteil erfahren
von derzeit 12,2 Millionen Kindern und Jugendlichen
in Deutschland haben mind. 2 Millionen
Misshandlungserfahrungen gemacht
1. Gewalt in der Familie
Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG
„Pflege und Erziehung der Kinder sind das
natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst
ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung
wacht die staatliche Gemeinschaft.“
§ 1666 Abs. 1 Satz 1 BGB
„Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl
des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind
die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die
Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die
Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der
Gefahr erforderlich sind.“
1. Gewalt in der Familie
2. Begriffsklärung
a) Sorgerechtsentzugb) Fremdplatzierung
a) Sorgerechtsentzug
erfolgt gemäß § 1666, 1666 a BGB auf Antrag
des Jugendamtes
nur zulässig, wenn die Gefahr für das Kindeswohl
in der Zukunft liegt
b) Fremdplatzierung
1. Private Fremdbetreuung:
Betreuung erfolgt durch Privatpersonen, außerhalb
der Herkunftsfamilie
benötigt eine Bewilligung der örtlichen
Vormundschaftsbehörde
b) Fremdplatzierung
2. Institutionelle Fremdbetreuung:
Betreuung erfolgt in einer professionellen
Institution
z.B. Großfamilien, Heime, andere Institutionen
3. Wichtige Gesetze
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor
Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG)
Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG)
Freiwilligengerichtsbarkeitsgesetz (FGG)
Strafgesetzbuch (StGB)
4. Kinder haben ein Recht...
auf Förderung ihrer Entwicklung
auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und
gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit
sich an das Jugendamt zu wenden und beraten
zu lassen
5. teilstationäre und stationäre Maßnahmen
pädagogische und therapeutische Leistungen
Erziehungsbeistand und Betreuungshelfer
sozialpädagogische Familienhilfe – Familienhelfer
Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie
Heimerziehung
vorläufige Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen
6. FallbeispielBis zum Zeitpunkt der Trennung der seit Jahren arbeitslosen Eheleute
Mühsam Anfang des Jahres 2003, die die leiblichen Eltern der jetzt
zehnjährigen Mandy sind, wurde das Mädchen sowohl vom Vater als auch
von der Mutter abwechselnd im gemeinsamen Haushalt versorgt.
Der Vater neigte seit Jahren zum Alkoholmissbrauch, der zwei- bis dreimal
jährlich dazu führte, dass er seine Tochter wochenlang wegen seiner
Trunkenheit nicht versorgen und betreuen konnte. In dieser Zeit stabilisierte
sich der Gesundheitszustand der oft depressiven und dann meist über
Monate tagsüber meist bettlägerigen Mutter regelmäßig derart, dass sie die
Pflege des Kindes übernahm und auch für einen regelmäßigen
Schulbesuch ihrer Tochter sorgte.
6. FallbeispielHatte der Vater seinen „Quartalssuff“ im Griff, der meist nach einigen Wochen
zu einer stationären Entgiftung in einer Klinik führte, und war er als sog.
trockener Alkoholiker wieder in der Lage, sich um seine Tochter zu kümmern,
zeigten sich häufig erneut die Depressionen der Mutter, die dann abermals
als Versorgerin des Kindes ausfiel.
Wiederholte Einsätze von Familienhelferinnen führten bei den miteinander
nur wenig kooperationsgeneigten Kindeseltern bisher nicht zu einer Stärkung
der elterlichen Autonomie.
Im Januar 2003 trennte sich schließlich der Vater in einer trockenen Phase
von seiner Ehefrau und nahm Mandy ihrem Willen entsprechend mit in die
neue Zwei-Zimmer-Wohnung, da die Mutter wiederum unter schweren
Depressionen litt.
6. FallbeispielDer Vater reichte die Scheidung ein und beantragte nach § 1671 BGB die
elterliche Sorge für sich allein. Bereits während des Scheidungs- und
Sorgerechtsverfahrens fiel der Vater ein weiteres Mal wegen anhaltender
Trunkenheit als Betreuer und Versorger des Kindes aus. Diesmal klangen
die Depressionen der Mutter zunächst nicht ab und fesselten sie tagsüber
an das Bett, während sie in den späten Nachmittagstunden bzw. frühen
Abendstunden größere Aktivitäten entfalten konnte.
Das Jugendamt stellte fest, dass Mandy nur noch unregelmäßig die Schule
besuchte. Darüber hinaus war das Mädchen in einer Art Rollenumkehr
bemüht, beide Elternteile in jeweils ihren Haushalten zu versorgen, für sie
einzukaufen und ihnen den Haushalt zu machen.
6. FallbeispielDeshalb nahm das Jugendamt das Mädchen gemäß § 42 KJHG in Obhut,
da die Eltern keine in Frage kommenden Bekannten und Verwandten
hatten, und beantragte nach erneuten erfolglosen Beratungsangeboten (§
17, 28 KJHG), beiden Kindeseltern die elterliche Sorge – hilfsweise das
Aufenthaltsbestimmungsrecht nach § 1666 BGB – zu entziehen und einem
Vormund bzw. Pfleger zu übertragen. Das Jugendamt brachte das
Mädchen wegen einer seiner Sicht nach akuten Kindesgefährdung
zunächst in den Kindernotdienst. Von dort wurde Mandy in einem
Kinderheim untergebracht.
7. Bearbeitung des Fallbeispiels
Bis zum Zeitpunkt der Trennung:
Eheleute sind seit Jahren arbeitslos
Mandy ist 10 Jahre alt
Depressionen der Mutter
Trunkenheit des Vaters
Mandy wurde sowohl vom Vater als auch von der Mutter
abwechselnd im gemeinsamen Haushalt versorgt
7. Bearbeitung des Fallbeispiels
Zeitpunkt der Scheidung:
Einreichung der Scheidung und Antrag auf alleinige elterliche
Sorge (§ 1671 BGB)
Ausfall des Vaters als Betreuer und Versorger wegen
anhaltender Trunkenheit
anhaltende Depressionen der Mutter
unregelmäßiger Schulbesuch
Rollenumkehr Mandy kümmerte sich um den Haushalt beider
Eltern und kaufte ein
7. Bearbeitung des Fallbeispiels
Weitere Verfahrensweise:
JA und FamG muss Eltern motivieren, sich in ärztliche Behandlung
zu begeben
Mutter:
Psychotherapie oder Langzeitbehandlung mit Psychopharmaka
Vater:
stationären Alkoholentzug Langzeitbehandlung in einer
Therapie- oder Selbsthilfegruppe
7. Bearbeitung des Fallbeispiels
Mandy:
Kurzzeitpflege, da in Frage kommende Bekannte und
Verwandte nicht vorhanden sind
ambulante Hilfen, um erneute Fremdunterbringung zu
vermeiden
Gericht:
Verfahrenspfleger § 50 FGG
7. Bearbeitung des Fallbeispiels
Gesetzeslage vor einer Fremdplatzierung:
Angebot zur Förderung der Erziehung
Angebot zur Förderung von Kindern in
Tageseinrichtungen und in Tagespflege
Hilfe zur Erziehung
7. Bearbeitung des Fallbeispiels
Beratung dient der:
Verwirklichung eines partnerschaftlichen
Familienmodells
Konfliktbewältigung
Sicherung der Kontinuität
7. Bearbeitung des Fallbeispiels
Tagespflege:
wird im Haushalt der Eltern durchgeführt
Ziel: bessere Koordination der Aufgaben in der Familie und
Erwerbstätigkeit
keine Hilfe zur Erziehung familienergänzende
Maßnahme
7. Bearbeitung des Fallbeispiels
Sozialpädagogische Familienhilfe:
pädagogische Dienstleistung
Ziel: Stärkung der Selbsthilfekompetenz
ambulante Hilfe, die sich auf die gesamte Familie erstreckt
Voraussetzung: Mitarbeit aller Familienmitglieder
7. Bearbeitung des Fallbeispiels
Inobhutnahme des Kindes:
vorläufige Maßnahme der Unterbringung Beratung und Unterstützung gemäß § 42 KJHG dient der Behebung einer akuten Gefährdung des
Kindeswohls
8. Unterbringung in einer Pflegefamilie
Ergänzungsfamilie Ersatzfamilie
= Die Gesamtheit aller
Bindungen des Kindes sind
von Bedeutung. Zur
Pflegefamilie sowie zur
Herkunftsfamilie um
Entwicklungshemmungen
zu vermeiden
= Der Kontakt zur
Herkunftsfamilie wird
aufgrund der schlechten
Erfahrungen abgebrochen
um die entstehenden
Bindungen nicht negativ zu
beeinflussen.
9. Beendigung der Pflegezeit
30-40% durch Formale Gründe
weitere 30-40% Rückkehr in die Herkunftsfamilie
20% durch Abbruch des Verhältnisses
10. Rückführung in die Herkunftsfamilie
ist nur innerhalb eines die kindliche Zeitperspektive
erfassenden Zeitrahmen möglich das Kind soll nicht
erneut entwurzelt werden
je jünger das Kind ist, desto kürzer ist der Zeitraum der
Kurzzeit Pflege
Rückführung muss angemessen vorbereitet werden
geschieht oftmals nicht jedes 3.-4. Kind wechselt
mehrmals die Familie
11.Heimunterbringung
Ende 1997 wurden 59.856 Kinder in einem Heim,
Wohngemeinschaften oder in einer eigenen Wohnung
betreut
91% Heimunterbringung;
7,5% Wohngemeinschaft;
1,3% eigene Wohnung
meistens ältere Kinder/Jugendlichen befinden sich in
Heimen
12. Heimunterbringung
soll gemessen am Alter und Entwicklungsstand die
Persönlichkeitsentwicklung und die Selbstständigkeit des
jungen Menschen fördern, um diese auf das weitere Leben
vorzubereiten
stellt nicht einen geeigneten Lebensort für Kinder dar, aufgrund
der fehlenden Betreuung und Unterstützung
aus diesen Gründen und Kosten hat die Unterbringung von
Jugendlichen in Pflegefamilien immer Vorrang vor der
Unterbringung in Heimen
13. Adoption
Die Annehmenden:
meist kinderlose Paare
können sich auf das „Elternwerden“ nicht angemessen
vorbereiten
Die Abgebenden:
oft alleinerziehende Mütter; der Vater bleibt meist unbekannt
1978 einzige umfassende und repräsentative Studie
veröffentlicht
13. Adoption
Alter der Mütter
11% der Abgebenden Mütter sind unter 20 Jahren
37,4% zwischen 20 und 26Jahren
21,5% zwischen 26 und 30Jahren
27,5% über 30Jahren
4,3% keine Angabe
13. Adoption
Beruflicher Werdegang
47,7% der Mütter hatten keine Berufsausbildung
12,3% waren angelernt worden
26,3% hatten eine Lehre abgeschlossen
8,1% hatten eine Fachschule besucht
1,0% hatten eine Fachhochschule oder Universität besucht
5,0% machten keine Angabe
14. Ablauf einer Adoption
1. Eignungsverfahren der „Adoptiveltern“
2. Adoptionspflege nach spätestens einem Jahr:
3. Gericht holt Stellungnahme von Vermittlungsstelle
4. Anhörung des Kindes vor Gericht
5. Annahme oder Ablehnung des Gerichts
Quellen
Balloff, R., 2004: Kinder vor dem Familiengericht. München/Basel
Deegener, G./Körner, 2005: Kindesmisshandlung und Vernachlässigung. Ein Handbuch. Göttingen u. a.
Ecarius, J., 2007: Handbuch Familie. Wiesbaden. Peuckert, R., 72008: Familienformen im sozialen Wandel.
Wiesbaden. www.gesetze -im-internet.de (Juli 2007)