Post on 28-Jan-2021
Sammellust
Dr. Sabine Haag
Generaldirektorin
Kunsthistorisches Museum Wien
Burgring , Wien
© KHM
Autoren:
Gerlinde Gruber (Barocke Hängung, , , )
Barbara Herbst (, , , )
Rotraut Krall (, , , , , , , )
Manuela Laubenberger ()
Konrad Schlegel (, , , , , )
Renate Schreiber (Einleitung, )
Agnes Stillfried (, , , , )
Francesca del Torre Scheuch ()
Daniel Uchtmann (, , , )
Karoline Zhuber-Okrog ()
Andreas Zimmermann (, , , )
HERAUSGEBERIN
PARTNER
David Teniers d. J.Erzherzog Leopold Wilhelm (1614–1662) in seiner Galerie in Brüsselum 1650, Leinwand
ÖFFNUNGSZEITEN 17. Juni bis 28. September 2014Di – So, – Uhr; Do – Uhr Juni bis August täglich geöffnet!
Sammellust
DEViele Menschen gehen ihrer Sammellust mit
Enthusiasmus nach, doch nur wenige Samm-
lungen werden über Jahrzehnte oder gar Jahr-
hunderte gleichsam als Einheit bewahrt und ge-
schätzt. Zu diesen Ausnahmen gehört glück-
licherweise die außergewöhnlich qualitätvolle
»galeria« von Erzherzog Leopold Wilhelm
(–). Anlässlich der . Wiederkehr sei-
nes Geburtstages präsentiert das Kunsthistori-
sche Museum Wien eine Auswahl aus seiner
Sammlung, die einen grundlegenden Bestand
des Hauses umfasst. Mit Leidenschaft und ei-
nem großen Teil der ihm zur Verfügung stehen-
den Mittel hat der Erzherzog seine Kunstsamm-
lung zusammengetragen. Er nutzte sie auch ge-
schickt für sein Ansehen: Indem er seine
Meisterwerke durch gemalte und gedruckte Bil-
der international bekannt machte, etablierte er
seinen Ruf als exzellenter Kenner und Liebha-
ber der Künste.
Saal VIII bietet einen Eindruck von der Viel-
falt der Sammlung und wie Leopold Wilhelm
sie präsentierte. Zusätzlich werden in der Ge-
mäldegalerie und der Kunstkammer weitere
Meisterwerke aus dem Besitz des Erzherzogs
gesondert gekennzeichnet, und im Münzkabi-
nett findet sich eine ihm gewidmete Vitrine.
Folgen Sie der erzherzoglichen Sammellust
durch das Haus, es lohnt sich!
EINLEITUNG
17. JUNI BIS 28. SEPTEMBER 2014
LE
OPO
LD WILHE
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26■ Gemäldegalerie
■ Gemäldegalerie
0.5
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■ Kunstkammer Wien
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David Teniers d.J., Leopold Wilhelm in seiner Brüsseler Galerie, um 1651, © KHM
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Wir verschicken die Karte innerhalb der EU
für Sie. Die Box finden Sie im Shop.
grüsse aus Dem KunstHistori-scHen museum
Kurze Führungen zur Mittagszeit: Mittagszy-
klus “Sammellust” zur Sonderausstellung je-
den Dienstag um 12.30 Uhr im Juli und Au-
gust. Themen in unserem Monatsprogramm
und auf www.khm.at
Dr. Irene Schaudies, Archduke Leopold
Wilhelm and Jacob Jordaens
Irene Schaudies hat über Jacob Jordaens dis-
sertiert und mit Joost Vander Auwera und Jus-
tus Lange an der Ausstellung Jordaens und die
Antike in Brüssel/Kassel gearbeitet. Sie ist
freie Kunsthistorikerin mit Forschungsschwer-
punkt Flämischer Barock und hat bis jetzt über
Jordaens, Rubens und die Caravaggio-Rezep-
t ion in den Südl ichen Nieder landen
publiziert.
Vortrag
Fr 12. september 16 UhrVOrtragsraUm
mittags- füHrungen
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■ Ausstellung »Sammellust«
Sabine Haag (Hg.)
Broschur, 112 Seiten, deutsch
ISBN 978-3-99020-071-1
€ 14,95
Katalog
Frans Luycx
ErzhErzog LEopoLd WiLhELm
Zugeschrieben an: Alessandro Abondio
porträtmEdaiLLE
Jan Davidsz de Heem
EucharistiE
Augsburg zWEi pistoLEn mit FLintEnschLoss
David Teniers d.J.
VogELschiEssEn zu BrüssEL
Leonhard Kern
szEnE aus dEm drEissigjährigEn KriEg
Leonhard Kern
aBundantia
Pier Jacopo Alari de Bonacolsi, gen. Antico
atropos
Dionysio Miseroni
muschELFörmigE schaLE
Florentinisch
L'arrotino (dEr schLEiFEr)
Italienisch
ushEBti
Römisch
magischE gEmmE
Römisch
KaisEr Lucius VErus
Balthasar Herold, Johann Philipp Barth ErzhErzog LEopoLd WiLhELm
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Im Sonder-auSStellungS-Saal
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David Teniers d.J.
thEatrum pictorium
BarocKE hängung
David Teniers d.J.
ErzhErzog LEopoLd WiLhELm in sEinEr gaLEriE in BrüssEL
Tiziano Vecellio, gen. Tizian
jacopo strada
Antonello da Messina
maria mit Kind und hEiLigEn
Jacopo Robusti, gen. Tintoretto
BiLdnis EinEs WEissBärtigEn mannEs
Raffaello Santi, gen. Raffael
hL. margarEtE
Giorgione
diE drEi phiLosophEn
Carracci
BEWEinung christi
Jan van Eyck
KardinaL niccoLò aLBErgati
Pieter Bruegel d.Ä.
jägEr im schnEE (WintEr)
Anthonis van Dyck
gEFangEnnahmE simsons
Frans van Mieris d.Ä.
KaVaLiEr im VErKauFsLadEn
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Jacob Jordaens
FEst dEs BohnEnKönigs
Joachim von Sandrart
minErVa und saturn
Christoph Paudiß
hL. hiEronymus
Peter Paul Rubens
gEWittErLandschaFt mit jupitEr, mErKur, phiLEmon und Baucis
Peter Paul Rubens
haupt dEr mEdusa
Meister der Wiener Gregorplatte
hEiLigEr grEgor mit schrEiBErn
Pier Maria della Pescia Serbaldi, gen. Tagliacarne
poLyhymnia
Meister der Dosenköpfe
zWEi dosEnBödEn
Pier Jacopo Alari de Bonacolsi, gen. Antico
hErKuLEs und antäus
Leonhard Kern
christus in dEr ruhE
Gottfried Libalt
stiLLEBEn mit BüstE ErzhErzog LEopoLd WiLhELms
Zugeschrieben an: Jan van den Hoecke
aLLEgoriE auF ErzhErzog LEopoLd WiLhELm (1614 —1662)
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In der gemälde-galerIe
In der KunSt- Kammer
Obwohl der Westfälische Friede 1648 den Drei-
ßigjährigen Krieg beendet hat, befinden sich
Spanien und Frankreich weiter im Krieg. So
bleibt der Erzherzog im militärischen Einsatz.
Die Niederlande sind seit vielen Jahren das
Zentrum des Kunsthandels für ganz Europa.
Infolge der politischen Wirren in England ge-
langen zusätzlich vortreffliche Gemäldesamm-
lungen auf den Markt. Hier greift Leopold
Wilhelm begeistert zu, beraten durch seinen
Kammermaler Jan van den Hoecke. Später
übernimmt dieses Amt David Teniers d.J., der
mit verschiedenen Galeriebildern die inzwi-
schen zusammengetragenen Kunstwerke be-
kannt macht.
1656 legt Leopold Wilhelm auf eigenen
Wunsch sein Amt nieder und kehrt nach Wien
zurück. Ein halbes Jahr später stirbt sein Bru-
der, Kaiser Ferdinand III. Nach einer schwie-
rigen Kaiserwahl wird dessen junger Sohn
Leo pold I. mit 19 Jahren zum Kaiser gewählt.
Leopold Wilhelm steht ihm mit seinem Rat
zur Seite; beide verbindet ein sehr gutes Ein-
vernehmen.
1658 wird das obere Geschoß der Wiener Stall-
burg für die Aufstellung der umfangreichen
Sammlung des Erzherzogs adaptiert. Anton
Am 5. Januar 1614 kommt in Wiener Neustadt
Erzherzog Leopold Wilhelm als jüngster Sohn
des späteren Kaisers Ferdinand II. und der
Maria von Bayern zur Welt.
Als Nachgeborener wird er vom Vater für die
geistliche Laufbahn bestimmt. Frans Luycx
porträtiert den blond gelockten Prinzen, im
Alter von etwa 22 Jahren, im geistlichen Ge-
wand. Das Bild zeigt einen sensiblen, etwas
melancholisch blickenden Erzherzog. Tatsäch-
lich ist er mit seiner Bestimmung zum Bischof
(von Passau, Straßburg u.a.) und Hoch- und
Deutschmeister des Deutschen Ordens wenig
glücklich.
Sein Bruder Ferdinand III. überträgt ihm 1639
und 1645 zweimal den Oberbefehl über die
kaiserlichen Truppen im Dreißigjährigen
Krieg, eine Aufgabe, die der militärisch uner-
fahrene Leopold Wilhelm mit viel Einsatz,
aber wenig beständigem Erfolg übernimmt.
Im April 1647 reist Leopold Wilhelm nach
Brüssel und tritt im Auftrag seines Cousins,
König Philipps IV. von Spanien, ein politisch
schwieriges Amt an: die Statthalterschaft in
den Spanischen Niederlanden (heute etwa
Belgien und Luxemburg). Aus Wien begleitet
ihn als Kammerherr sein Vertrauter Graf Jo-
hann Adolph von Schwarzenberg.
1
Frans Luycx (Antwerpen 1604 – 1668 Wien)
ErzhErzog LEopoLd WiLhELm (1614 – 1662) in gEistLichEm gEWand, BrustBiLd
um 1638Leinwand, 85 x 56 cmInv.-Nr. GG 2754
2
Zugeschrieben an: Alessandro Abondio (1570/80 – 1648)
porträtmEdaiLLE (gnadEnmEdaiLLE) dEs LEopoLd WiLhELm
ohne Jahr (nach 1641)Gold (Prägung), 42,5 mm, 35,14 g (entspricht 10 Dukaten), Öse abgebrochenInv.-Nr. MK 2545bβ
Leopold Wilhelm war aufgrund seiner Her-
kunft und durch die Vielzahl seiner Wirkungs-
stätten mit den Medien der Münze und der
Medaille vertraut. Dennoch ist bemerkens-
wert, dass die Mehrzahl seiner Medaillen eine
Funktion als Geschenk und Auszeichnung in-
nehatte.
Auf der Vorderseite zeigen diese »Gnadenme-
daillen« sein betont geistliches Brustbild und
auf der Rückseite stets eine Komposition aus
Löwe und Lamm unter einem Kreuz, auf des-
sen Querbalken ein Zaumzeug, Lorbeerzwei-
ge und das Auge Gottes zu sehen sind. Die
Deutung ist nicht einfach. Das Lamm kann
als agnus dei interpretiert werden, es kann
aber auch für die Gerechtigkeit stehen, der
Löwe steht für die Tapferkeit und der Zügel
für die Mäßigung, der Lorbeer kann sowohl
für den Glauben als auch für den Sieg stehen.
Man wird nicht fehlgehen, dies als allegori-
sche Darstellung der Eigenschaften des Erz-
herzogs zu sehen, die in der stets damit ver-
knüpften Devise »TIMORE DOMINI« (»in
Gottesfurcht«) gipfelt.
van der Baren kümmert sich als Galeriedirek-
tor um den Umbau und verfasst 1659 ein Ver-
zeichnis aller Kunstwerke.
Am 20. November 1662 stirbt Leopold Wil-
helm in Wien. Einen Teil der Tapisserien ver-
erbt er seinem Vertrauten Schwarzenberg,
seine Gemälde dediziert er, »als das liebste
aus meinem Nachlaß«, seinem Neffen Kaiser
Leopold I.
Ein wesentlicher Teil dieser Sammlung trägt
bis heute zum Ruhm des Kunsthistorischen
Museums Wien bei.
// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal
3
Jan Davidsz de Heem (Utrecht 1606 – 1683/1684 Antwerpen)
EucharistiE, Von FruchtgirLandEn umgEBEn
1648 datiert Leinwand, 138 cm x 125,5 cm x 2,5 cmInv.-Nr. GG 571
De Heem malte dieses geistliche Stillleben
1648 für Leopold Wilhelm, dessen Devise
Timore Domini (in Furcht vor dem Herrn) so-
wohl seine persönliche Frömmigkeit als auch
seine vielen geistlichen Ämter widerspiegelt.
Bereits mit 11 Jahren wurde er zum Bischof
von Passau gewählt; es sollten noch zahlrei-
che Bistümer folgen. Geistliche Stillleben wa-
ren eine Spezialität der flämischen Barock-
malerei und wurden von den Jesuiten im Sin-
ne der Gegenreformation gefördert. Die
sinnliche Freude an der genauen Wiedergabe
paart sich in dieser Verherrlichung der Eucha-
ristie mit christlicher Symbolik: Messkelch
und strahlenumkränzte Hostie rahmen Früch-
te und Blumen, die Tod und Auferstehung
symbolisieren. So steht der Mohn für Christi
Leidensweg, die Kirsche für die Sünde und
ihre Überwindung, Kornähren und Trauben
für Brot und Wein der Eucharistie und der
Schmetterling für die auferstandene Seele.
Das Vogelschießen gehört zu den traditionel-
len Vergnügen der St. Georgs Armbrustgilde
in Brüssel, die im Zuge dieses Wettschießens
einen würdigen Jahreskönig ermittelt. Im Jahr
1651 nahm Erzherzog Leopold Wilhelm per-
sönlich daran teil und knüpfte an die Tradi-
tion Erzherzog Albrechts, eines seiner Amts-
vorgänger, an. In Anwesenheit der Mitglieder
der Schützengilde, zahlreicher Vertreter der
Stadt und Schaulustiger schoss der Statthal-
ter erfolgreich auf die Vogelattrappe, die auf
einer Stange in der Höhe des Dachreiters der
Liebfrauenkirche am Zavel befestigt war. Auf
der Estrade in der Mitte des Bildes nimmt Leo-
pold Wilhelm, die Armbrust noch in Händen
und als einziger Würdenträger mit einem Hut,
die Glückwünsche zu seinem gelungenen
Schuss entgegen. Teniers schildert meisterhaft
die verschiedenen Aspekte wie Historienbild,
Porträtmalerei, genrehafte Erzählung und vor
allem höfische Repräsentation.
4
David Teniers d.J. (Antwerpen 1610 — 1690 Brüssel)
VogELschiEssEn zu BrüssEL
Bez. links unterhalb der Wagenpferde: DAVID.TENIERS.FEC AV 1652;1652 datiertLeinwand, 172 x 247 cmInv.-Nr. 756
// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal
Ein selbstbewusst ausschreitender Offizier
stößt einer nackten jungen Frau einen Dolch
in den Rücken, biegt ihren Arm gewaltsam
nach hinten und schaut dabei spöttisch streit-
süchtig zum Betrachter. Nicht der geringste
Ausdruck des Schmerzes ist im Gesicht des
jungen Mädchens zu lesen. Drei Rosen auf
dem Wehrgehänge des Offiziers identifizieren
den Aggressor als Reinhold von Rosen, den
Spross einer livländischen Adelsfamilie, die
im Dreißigjährigen Krieg auf Seiten der Fran-
zosen an der Eroberung der Stadt Schwäbisch
Hall teilnahm. Die Alabastergruppe ist in ih-
rem Zeitbezug ungewöhnlich und stellt ver-
mutlich eine Allegorie auf die Bedrohung von
Schwäbisch Hall dar. Leonhard Kern, damals
Bürger dieser Stadt, könnte vom Erzherzog
persönlich damit beauftragt worden sein. Als
kaiserlicher Feldherr war er Gegner von Rein-
hold von Rosen und sah sich in übertragenem
Sinn auch als Beschützer der Reichsstadt.
6
Leonhard Kern (1588—1662)
szEnE aus dEm drEissigjährigEn KriEg
Schwäbisch Hall, vor 1659Alabaster, H. 34,3 cm Inv.-Nr. KK 4363
Pistolen zählten während des Dreißigjährigen
Kriegs zur Grundausstattung der Schweren
Reiterei. Diese sollte durch gezielte Attacken
die feindlichen Linien aufbrechen und die geg-
nerischen Truppen in die Flucht schlagen. Das
vorliegende Pistolenpaar stammt aus dem per-
sönlichen Besitz Erzherzog Leopold Wilhelms.
Es wird erstmals im Inventar seiner Samm-
lung von 1660 beschrieben: »Ein Niderlen-
disches par pistollen mit flintenschlössern, die
schäft von schildkhrotten, welche ihro hoch-
fürstlichen durchleichtigkeit etc. der herr graff
Forgätsch zue Prespurg verehrt hat.« Die Pis-
tolen zeichnen sich durch ihre elegante
Schlichtheit und die kostbaren Materialien
aus. Der aus Augsburg stammende Lauf wur-
de mit rot-schwarz geflecktem Schildpatt ge-
schäftet. Das Steinschloss ist graviert; die Be-
schläge sind aus vergoldetem Messing.
5
Augsburg
zWEi pistoLEn mit FLintEnschLoss
Mitte des 17. Jhs.Eisen graviert, Messing graviert, Schildpatt, jeweils L. 71,5 cm, H. 15 cm, T. 5 cmInv.-Nrn. HJRK A 1470, A 1471
// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal
8
Pier Jacopo Alari de Bonacolsi, gen. Antico(Mantua, um 1460 – 1528 Gazzuolo)
atropos
Mantua, um 1519Bronze, H. 32 cmInv.-Nr. KK 5545
Die Schicksalsgöttin schneidet den Lebensfa-
den des Menschen ab. Schere in der Rechten
und Spinnrocken in der erhobenen Linken
sind nicht mehr erhalten. Die qualitätvolle
Statuette befand sich neben weiteren Klein-
bronzen des Mantuaner Renaissancebildhau-
ers Antico (zu sehen in der Kunstkammer,
Saal 33) in der in der Wiener Stallburg ausge-
stellten sogenannten Kunstkammer Leopold
Wilhelms. Als der Erzherzog 1656 aus Brüs-
sel nach Wien zurückkehrte, wurde seine
enorm angewachsene Kunstsammlung zwei-
geteilt. Der Großteil seiner Sammlung wurde
in der Stallburg untergebracht und 1659 in-
ventarisiert – dokumentiert sind 1397 Gemäl-
de, 343 Zeichnungen und 542 Skulpturen,
Kleinplastiken und andere Kunstkammer-
stücke. Daneben ließ er aber auch seine soge-
nannte Schatzkammer in der Amalienburg der
Wiener Hofburg einrichten, wo sich über 800
Objekte kostbarer Schatzkunst befanden (s.
nächstes Objekt).
Die antike Göttin mit Füllhorn ist aus dem
spitz zulaufenden Ende eines Walrosszahns
geschnitzt, dessen unbearbeiteter Teil noch
im Kieferknochen steckt. Die Figur scheint
der spröden Naturalie entwachsen und reflek-
tiert auf diese Weise das für die Welt der
Kunstkammern im 16. und 17. Jahrhundert so
bezeichnende Wechselspiel von Kunst und
Natur. Das bemerkenswerte Objekt befand
sich im Besitz Leopold Wilhelms, noch bevor
dieser seine Statthalterschaft in Brüssel an-
trat. Als er 1647 Wien Richtung Brüssel ver-
ließ, wurde ein Inventar seiner Kunstsamm-
lung angelegt, worin es beschrieben ist. Zu
diesem Zeitpunkt umfasste die Sammlung des
Erzherzogs rund 470 Objekte. Es handelte
sich dabei vor allem um Reliquiare und ande-
re Sacralia, aber auch wissenschaftliche Ge-
rätschaften und sog. Exotica. Die noch eher
kleine Sammlung trug also Ansätze zu einer
enzyklopädischen Kunstkammer.
7
Leonhard Kern (Forchtenberg 1588 – 1662 Schwäbisch Hall)
aBundantia
Schwäbisch Hall, um 1635/45Walrosszahn, H. 37,7 cmInv.-Nr. KK 4547
// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal
10
Florentinisch
L'arrotino (dEr schLEiFEr) antiKEnrEduK-tion
2. H. 16. JahrhundertBronze, H. 25,8 cmInv.-Nr. KK 5760
9
Dionysio Miseroni (Prag um 1607 – 1661 Prag)
muschELFörmigE schaLE
Prag, 1656/57Bergkristall, H. 7,1 cm, L. 13,1 cm, B. 7,9 cmInv.-Nr. KK 1420
Ein Mann ist niedergekniet, um an einem
Stein sein Messer zu schleifen. Sein Blick gilt
jedoch nicht dem Messer, seiner Arbeit, son-
dern jemand anderem, zu dem er sein gequält
wirkendes Gesicht erhebt. Es ist Marsyas, dem
auf Befehl Apollos die Haut abgezogen wer-
den soll. Er fehlt hier, war aber Teil der sog.
Marsyas-Schleifer-Gruppe aus hellenistischer
Zeit. Die beeindruckenden Figuren dieser
Bronzegruppe wurden in römischer Zeit oft-
mals kopiert. Von Marsyas haben sich einige
lebensgroße Marmorkopien erhalten, von der
Schleifer-Figur allerdings nur eine einzige, die
im frühen 16. Jahrhundert in Rom gefunden
wurde und seit 1680 in den Uffizien zu sehen
ist. Von ihr gibt es Kopien, Varianten, Skiz-
zen zahlreicher Künstler des 16. und 17. Jahr-
hunderts. Sie diente auch dieser Kleinbronze
als Vorlage, mit der Leopold Wilhelm ein da-
mals viel besprochenes Stück zumindest als
Antikenreduktion in seiner Sammlung besaß.
Gefäße aus Bergkristall wie dieses des kaiser-
lichen Steinschneiders Dionysio Miseroni be-
fanden sich in der sog. Schatzkammer Leo-
pold Wilhelms in der Amalienburg der Wie-
ner Hofburg. Diese Sammlung, insgesamt ca.
814 Stück, inventarisiert 1660, umfasste auch
seine wertvollen Reliquiare, Uhren und Sil-
bergeschirr. Während in der sog. Kunstkam-
mer in der Stallburg also vor allem erzähleri-
sche, figürliche Objekte ausgestellt waren, um-
fasste die Schatzkammer in der Amalienburg
mehr Kunstwerke, denen der figürliche Cha-
rakter fehlt. Eine derartige inhaltliche und
räumliche Trennung einer fürstlichen Samm-
lung in »figürliche Kunst« und »Schatzkunst«
stellt ein deutliches Abrücken von der alten
Idee der enzyklopädischen Kunstkammer dar
und kündigt die Neuordnung der Habsburgi-
schen Sammlungsbestände in Spezialkabinet-
te an, die dann im 18. Jahrhundert im Geiste
der Aufklärung voll einsetzen wird.
// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal
12
Römisch
magischE gEmmE
Ouroboros-Schlangeund magische Inschriften2. JahrhundertChalcedon, H. 2,2 cmInv.-Nr. ANSA IXb 1230
Eine Identifizierung von antiken Kleinobjek-
ten der Sammlung Leopold Wilhelms anhand
der nur sehr allgemein gehaltenen Inventare
ist bisher leider nicht gelungen. Ein kleiner,
spezieller Bestand lässt sich jedoch nachwei-
sen: Es handelt sich um Gemmen (vertieft ge-
schnittene Edelsteine) aus dem 2. und 3. Jahr-
hundert n. Chr. mit magisch-okkulten Darstel-
lungen. Sie dienten in der Antike als
Amulette und Talismane. Der Leibarzt des
Erzherzogs, Johannes Chifletius (1588–1660),
publizierte diese Gattung erstmals: Herkunfts-
nachweis, Beschreibungen und Kupferstiche
von vier Steinen aus der erzherzoglichen
Sammlung: drei magischen Gemmen und ei-
ner Phalera, einer römischen Militärauszeich-
nung. Die Bilder auf ihnen – dämonenhafte
Mischwesen, Götterversammlungen, eine sich
in den Schwanz beißende Schlange (Ourobo-
ros, Symbol der Ewigkeit) oder magische In-
schriften – regten zu gelehrtem Disput an.
Diese Figur in der Sammlung Leopold Wil-
helms zu finden, mag auf den ersten Blick ver-
wundern, da das große Interesse an Ägypten
erst sehr viel später aufkommt. Dennoch kur-
sierten kleinere ägyptische Objekte schon in
dieser Zeit als sammlungswürdige Stücke des
Altertums, auch wenn sie noch die Ausnah-
me bildeten. Dieses Ushebti besticht durch
seine echt anmutende Ausführung. Es ist ein
Hieroglyphentext erkennbar, wenn auch nicht
alle Zeichen lesbar sind. Allerdings wurde
Bronze als Werkstoff für Ushebtis in Ägypten
nicht verwendet. Diese Figur dürfte daher
wohl ein Abguss eines echten Ushebtis sein,
wobei der Sockel, auf dem das originale Stück
montiert war, gleich mit abgeformt wurde. Ge-
rade der Bronzeguss bot eine willkommene
Möglichkeit, begehrte antike Originale, die
selten waren, nachzuformen, und diese dann
in Originalgröße oder als Reduktion in der
Sammlung zu besitzen.
11
Italienisch
ushEBti
um 1650?Bronze, H. 13,1 cmInv.-Nr. KK 5858
// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal
14
Balthasar Herold (1625—1683), Johann Philipp Barth (1657—1657)
ErzhErzog LEopoLd WiLhELm, BüstE
Wien, 1657 Bronze, H. 69,5 cmInv.-Nr. KK 8930
Die Bronzebüste folgt der vom Erzherzog be-
vorzugten Darstellung als Feldherr und Hoch-
meister des Deutschen Ordens. Balthasar He-
rold lieferte im Auftrag Kaiser Ferdinands III.,
des Bruders von Leopold Wilhelm, Bronze-
plastiken für die kaiserliche Kunstkammer,
darunter auch eine derartige Büste. Die Zu-
schreibung an Balthasar Herold erfolgte auf
Grund seiner Nennung in einer zur Zeit des
Ablebens des Kaisers (gest. 1657) noch nicht
bezahlten Rechnung. Herold wählte als Vor-
bild eine 1650 datierte und signierte Marmor-
büste des flämischen Bildhauers Jérôme II.
Duquesnoy (zu sehen in der Kunstkammer,
Saal 23). In überzeugender Weise schuf
Duquesnoy mit dieser distanziert-würdevol-
len Pose eine Porträtbüste repräsentativ-höfi-
schen Charakters und kam so den gemalten
Porträts von Anton van Dyck sehr nahe. He-
rold übertrug diese barock-klassizistische Ten-
denz perfekt ins Medium der Bronze.
Die antike römische Büste ist schon 1875 im
Inventar der Antikensammlung identifiziert
und auf dem in der Ausstellung gezeigten
Galeriebild (Inv.-Nr. GG 739) erkannt worden.
Erst kürzlich konnte man dessen prominente
Stellung – zwischen Leopold Wilhelm und
David Teniers – erklären: Man hatte in dem
Dargestellten Kaiser Mark Aurel gesehen, dem
als »Philosophenkaiser« seit dem Humanis-
mus eine besondere vorbildhafte Bedeutung
zukam. Nicht zufällig ist wohl auch die Bron-
zestatuette Leopold Wilhelms (Inv.-Nr. KK
6002), die auf das berühmte Reiterstandbild
des Mark Aurel vom Kapitol in Rom zurück-
geht, dargestellt (links auf dem Tisch).
Auf einem Stich aus dem Jahr 1660, im soge-
nannten Theatrum Pictorium, ist die Kaiser-
büste ebenfalls an zentraler Stelle abgebildet.
Offensichtlich schätzte Leopold Wilhelm
antike Objekte in seinem Besitz nicht nur als
Kostbarkeiten, sondern auch wegen ihrer Be-
deutung für ihn persönlich.
13
Römisch
porträtBüstE dEs KaisErs Lucius VErus
Mitte 2. JahrhundertMarmor, H. 100 cmInv.-Nr. ANSA I 115
// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal
16
David Teniers d.J.(Antwerpen 1610 — 1690 Brüssel)
thEatrum picto-rium
Brüssel 1660Bibliothek, Inv.-Nr. 14523
Dieses Werk gilt als der erste gedruckte und
illustrierte Katalog einer Sammlung schlecht-
hin. 1660 in Brüssel publiziert, präsentiert das
Theatrum Pictorium eine Auswahl von itali-
enischen Gemälden aus der Sammlung Erz-
herzog Leopold Wilhelms. Mit Künstler-
namen und Maßangaben versehen, geben 243
Radierungen ebenso viele Werke in drei Stan-
dardformaten wieder. Das Theatrum enthält
außerdem das Frontispiz mit Widmung an den
Erzherzog, die Vorrede Teniers', die Beschrei-bung und zwei Ansichten der in Wien neu auf-
gestellten Galerie. Die Publikation wandte
sich an ein breites Publikum, wie die auf La-
tein, Französisch, Flämisch und Spanisch ver-
fassten Texte erweisen, und diente zugleich
als Studienbehelf für Künstler und Kunstlieb-
haber. Teniers kopierte die Gemälde auf Tä-
felchen (sog. »Pasticci«), die nach der Über-
siedlung der Galerie nach Wien als Vorlage
für die Stecher dienten.
Das Wiener Galeriebild gibt die wichtigsten
italienischen Bildererwerbungen des Erzher-
zogs wieder. Der Großteil der hier dargestell-
ten Objekte befindet sich noch heute in der
Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Muse-
ums, wobei beim Vergleich mit den Origina-
len auffällt, dass Teniers die Bildgröße will-
kürlich vereinheitlicht hat. Elf nur geringfü-
gig variierende Fassungen sind heute noch
bekannt. Damit stellt das Galeriebild keine
historisch enzyklopädische Schilderung der
Sammlung dar, sondern betont die höfisch re-
präsentative Bedeutung der Sammeltätigkeit
des Erzherzogs. Dieser Charakter wird auch
durch die beiden Hunde, die im Vordergrund
an einem Stock zerren, verstärkt. Die Szene
ist zwar ein genrehaftes Element, das auf dem
niederländischen Sprichwort »Zwei Hunde
an einem Bein kommen selten überein« be-
ruht, aber auf die politischen Spannungen zwi-
schen der spanischen Krone und dem Statt-
halter hinweisen könnte.
15
David Teniers d.J. (Antwerpen 1610 — 1690 Brüssel)
ErzhErzog LEo-poLd WiLhELm in sEinEr gaLEriE in BrüssEL
um 1650Leinwand, 124 cm x 165 cmInv.-Nr. 739
// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal
Diese barocke Hängung ist vom Galeriegang
der Sammlung Leopold Wilhelms in der Stall-
burg inspiriert. Die sehr dichte Präsentation
niederländischer Gemälde ermöglicht eine
Vorstellung von einer damals als ideal erach-
teten Hängung. Dabei kommt es zu ungewohn-
ten Seh-Erlebnissen: Meisterwerke wie Die
Beweinung Christi von Peter Paul Rubens im
Zentrum dieser Wand werden heute gerne als
Solitäre mit viel Freiraum zelebriert.
Die Wand enthält nur Werke zeitgenössischer
Künstler, doch sind alle Themen vertreten:
Historie, Genre, Porträt, Stillleben. Zwei Ge-
mälde davon sind »biographisch«. Sie zeigen
Leopold Wilhelm in verschiedenen Situatio-
nen: in der Kathedrale von Antwerpen (rechts,
sich vor dem Geistlichen verneigend) sowie
beim Schlittschuhlaufen auf dem Stadtgraben
in Brüssel (rechts am Rand aus der Kutsche
blickend). Solche Werke, von denen Leopold
Wilhelm eine Reihe besaß – so auch das Vo-
gelschießen in Brüssel –, sollten neben Herr-
scherlob meist auch Volksnähe demonstrie-
ren und waren wohl Aufträge des Erzherzogs.
Die auffällig vielen Blumenbilder waren ein
relativ neues Genre. Leopold Wilhelm hatte
insgesamt über neunzig davon in seinem 1659
erstellten Gemäldeinventar, das 1397 Gemäl-
de listet. Darin wird auch immer ganz genau
die Autorschaft der Gemälde angegeben – in
17
BarocKE hängung
Antwerpen gab es damals eine deutliche Nach-
frage nach Gemälden, an denen erkennbar
mehrere Künstler gearbeitet hatten. So ist für
die Scheune mit Geschirr reinigender Magd
und Ziegen belegt, dass David Teniers nur die
Figuren und Cornelis Saftleven den Rest des
Bildes malte. Für Leopold Wilhelm war es ein
Vergnügen, die Hände scheiden zu können
und darüber zu diskutieren. Solche Kenner
wurden damals zu Recht ›Liebhaber der Küns-
te‹ genannt.
Leopold Wilhelm liebte italienische, insbeson-
ders venezianische Malerei des 16. Jahrhun-
derts. Wie viele andere Habsburger Sammler
schätzte er vor allem Tizian. Dieses berühm-
te Spätwerk scheint im Inventar von 1659 auf.
Wahrscheinlich stammt es aus altem kaiser-
lichen Besitz. Wir wissen, dass Leopold Wil-
helm auch solche Werke gern in seine Samm-
lung aufnahm.
Tizian war berühmt für seine Portraits und wie
meist erzählt er auch hier etwas über den Dar-
gestellten: Die Venus in Stradas Hand und der
antike Torso auf dem Tisch verweisen darauf,
dass er Hofantiquarius verschiedener Kaiser
und Fürsten war. Münzen und die Bücher auf
dem Kasten erinnern an Stradas Bücher über
antike Numismatik. Goldkette, Pelz und De-
gen dokumentieren seinen Stand. Wie in den
meisten seiner späten Bilder trägt Tizian die
Farbe mit dicken pastosen Pinselstrichen auf
und verzichtet auf klare Umrisslinien.
18
Tiziano Vecellio, gen. Tizian (Pieve di Cadore um 1488 – 1576 Venedig)
jacopo strada
1567/68Leinwand, 126 cm x 95,5 cm x 3 cmInv.-Nr. GG 81
In den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts hielt
sich Antonello da Messina in Venedig auf und
malte dort im Auftrag von Pietro Bono eine
Altartafel für die Kirche San Cassiano. Die
große Tafel mit Maria und Kind flankiert von
acht ganzfigurigen Heiligen wurde aus der
Kirche entfernt, 1620 zersägt und in einzelnen
Teilen verkauft, eine Praxis, die bei mehrfigu-
rigen Bildern einen profitableren Verkauf er-
möglichte und der steigenden Nachfrage der
Sammler nach hochwertigen Stücken »effek-
tiver« nachkam. Der mittlere Teil der Tafel
mit Maria und zwei Seitenteile mit je zwei
Heiligen gelangten über die Sammlung Ha-
milton in den Besitz Leopold Wilhelms. Die
damals Giovanni Bellini zugeschriebenen ein-
zelnen Tafeln wurden getrennt inventarisiert,
da man offenbar weder ihre Zusammengehö-
rigkeit, noch den eigentlichen Schöpfer des
Werkes erkannte.
19
Antonello da Messina (um 1430 – 1479 Messina)
maria mit Kind und dEn hLL. niKoLaus Von Bari, anastasia (?), ursuLa, dominiKus und (Vom rahmEn üBErschnittEn) hELEna
1475/1476Pappelholz, Mitteltafel: 115 x 63 cm, linke Tafel: 55,5 x 35 cm, rechte Tafel: 56,8 x 35,6 cmInv.-Nr. GG 2574
// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie
Raffaels Komposition der Hl. Margarete war
seit ihrem Bekanntwerden in Venedig beson-
ders verehrt. 1528 wurde sie in der Sammlung
des Advokaten Zuanantonio Venier hymnisch
beschrieben. Sein letzter venezianischer Be-
sitzer war der Prokurator Michiel Priuli, der
das Gemälde offensichtlich besonders schätz-
te. Als er es an den Herzog von Hamilton, ei-
nen Vertrauten des englischen Königs Charles
I., verkaufte, sei er vor Gram darüber die Trep-
pe hinuntergestürzt und verstorben. Im Zuge
des englischen Bürgerkrieges gelangte die
Sammlung Hamilton 1649 nach Holland und
wenige Wochen später in den Besitz Leopold
Wilhelms. Mit dieser Erwerbung legte der Erz-
herzog den Grundstock für seinen eigenen
Bestand italienischer Bilder des 16. Jhs. Wie
bedeutend Raffaels Gemälde für Leopold Wil-
helm war, zeigt die Tatsache, dass es in meh-
reren Fassungen der Galeriebilder prominent
im Vordergrund stehend dargestellt ist.
21
Raffaello Santi gen. Raffael (Urbino 1483 — 1520 Rom)
hL. margarEtE
um 1518Pappelholz, 191,3 cm x 123 cm x 3,5 cmInv.-Nr. 171
20
Jacopo Robusti, gen. Tintoretto (1519 – 1594 Venedig)
BiLdnis EinEs WEissBärtigEn mannEs
um 1570Leinwand, 92,4 x 59,5 cmInv.-Nr. GG 25
Dieses Porträt eines Würdenträgers gehört zu
den eindrucksvollsten Menschendarstellun-
gen aus der Hand des bedeutenden Venezia-
ners. Die Sammler aus dem Hause Habsburg
waren zur Zeit Leopold Wilhelms bereits mehr
als ein Jahrhundert besonders an veneziani-
schen Gemälden interessiert, womit sich der
Erzherzog in die Familientradition, beginnend
mit Karl V. und Philipp II., einreiht. Die Wert-
schätzung, die Leopold Wilhelm dem Gemäl-
de entgegengebracht hat, zeigt sich auch dar-
in, dass es u.a. auf dem Wiener Galeriebild
des David Teniers d.J. unter den Meisterwer-
ken italienischer Malerei zu erkennen ist. Te-
niers war dem Erzherzog beim Erwerb seiner
umfangreichen Sammlung mit seiner Kenner-
schaft behilflich. Er setzte seinem Herrn ein
dauerhaftes Monument, indem er den Ruhm
der Sammlung in dem illustrierten Katalog
Theatrum Pictorium verewigte. In diesem Mu-
seum auf Papier findet sich der Weißbärtige
Mann auf Tafel 97. Evtl. ist das Gemälde mit
einem Inventareintrag der Sammlung Hamil-
ton von 1643 identisch: »A blacke man in fur-
red gowne of Tintoret«. Leopold Wilhelm er-
warb nach der Hinrichtung Hamiltons einige
Gemälde aus dieser Sammlung.
// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie
23
Annibale Carracci (Bologna 1560 – 1609 Rom)
piEtà
um 1603Kupfer, 41 x 60 cmInv.-Nr. GG 230
In diesem kleinen Meisterwerk hat Annibale
Carracci auf engstem Raum und mit wenigen
Figuren ein Inbild von Trauer, Schmerz und
Tod geschaffen. Geschult an den Körperdar-
stellungen Raffaels, Michelangelos und der
antiken Skulptur erreicht er durch einen ganz
eigenen Einsatz der Farbe eine ungeheure
emotionale Intensität: Maria scheint ihrem
Sohn fast nachzusterben, so haben sich ihre
Lippen und Fingerspitzen bläulich verfärbt
und der Farbe des Leichnams Christi angegli-
chen. Das einzig tröstliche Motiv der beiden
Engelsköpfe steht in stärkstem Kontrast zu
den rechts auf dem Grab abgelegten Passions-
werkzeugen, an denen sich Blutspuren erken-
nen lassen.
Im Galeriebild von Teniers (Saal VIII) wird
Carraccis Pietà an herausgehobener Stelle im
Vordergrund präsentiert, was als Ausdruck
besonderer Wertschätzung wohl auch des
Sammlers verstanden werden darf.
22
Giorgio da Castelfranco, gen. Giorgione (Castelfranco um 1477 – 1510 Venedig)
diE drEi phiLoso-phEn
1508/1509Leinwand, 125,5 cm x 146,2 cm x 3,5 cmInv.-Nr. GG 111
Giorgiones Hauptwerk befand sich in der
Sammlung Bartolomeo della Naves, die der
später hingerichtete Herzog von Hamilton
über Vermittlung seines Schwagers, des eng-
lischen Botschafters in Venedig, angekauft
hatte. 1649 erwarb Leopold Wilhelm seine be-
deutende Sammlung. Der Erzherzog muss das
Gemälde sehr geschätzt haben, denn es taucht
in vielen seiner Galeriebilder auf. Ein Ver-
gleich von Original und Abbildung zeigt, dass
es im 18. Jh. links beschnitten wurde.
Nur wenige Bilder lassen sich wie dieses Gior-
gione mit Sicherheit zuschreiben. Hier stellt
er die Gründungsväter der abendländischen
Philosophie dar: Pythagoras mit Winkelmaß
und Zirkel sowie dessen Lehrer, Pherekydes
von Syros und den greisen Thales. Typisch für
Giorgione, einen der führenden Maler in Ve-
nedig um 1500, waren die poetische Stimmung
und die warme, alles verbindende Farbharmo-
nie, die auch Tizian und andere Zeitgenossen
beeinflusste.
// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie
25
Pieter Bruegel d.Ä. (Breda ? um 1525/30 – 1569 Brüssel)
jägEr im schnEE (WintEr)
1565 datiertEichenholz, 117 x 162 cmInv.-Nr. GG 1838
Seit Ferdinand II. verblieb der Kunstbesitz des
Hauses Habsburg im Besitz des jeweils Erst-
geborenen. Da Leopold Wilhelm seinen Nef-
fen, Kaiser Leopold I., als Erben einsetzte,
wurde seine Sammlung wohl schon als kaiser-
lich betrachtet, und er konnte sich in Wien
eine Reihe von Gemälden Pieter Bruegels d.Ä.
aneignen, die bereits von seinen Vorfahren,
Erzherzog Ernst bzw. Kaiser Rudolf II., erwor-
ben waren, darunter die heute berühmte Se-
rie der Jahreszeiten, von denen Jäger im Schnee
das bekannteste Bild ist. Bruegels Jahreszei-
tenbilder wurden in der Stallburg unterhalb
der Fenster gezeigt, sodass die gemalte Land-
schaft mit dem darüberliegenden realen Land-
schaftsausblick in Wettstreit stehen konnte.
Das einzige Gemälde Pieters, das Leopold
Wilhelm selber erstand und das heute noch
als Bruegel gilt, ist der Vogeldieb in diesem
Saal. Allerdings hielt man diesen für ein Werk
des ›jungen Breugel‹.
Erzherzog Leopold Wilhelm kaufte in Ant-
werpen auch einzelne Bilder von anderen
Sammlern oder Kunsthändlern. So erwarb er
Jan van Eycks berühmtes Portrait 1648 zusam-
men mit einem Vanitas Stillleben von Pieter
Aertsen (Christus bei Maria und Martha, Kab.
16) aus der Sammlung des Antwerpener Kunst-
händlers Peter Stevens. Es zeigt wahrschein-
lich Kardinal Albergati, der 1431 im Auftrag
des Papstes versuchte, durch Friedensverhand-
lungen den Hundertjährigen Krieg zu been-
den.
Jan van Eyck war Hofmaler des Herzogs von
Burgund und galt lange als Erfinder der Öl-
malerei. Das neue Medium erlaubte es ihm,
Oberflächenreize wie die welke Haut, die
Lichtreflexe in den Augen oder den Pelzbe-
satz zu malen. Jan van Eyck gibt alle Details
genau wieder, ohne sich in ihnen zu verlie-
ren. Trotz des kleinen Formats überzeugt das
Portrait durch seine innere Monumentalität,
die zugleich den Charakter des Dargestellten
reflektiert.
24
Jan van Eyck (Maaseyck bei Maastricht um 1390 – 1441 Brügge)
KardinaL niccoLò aLBErgati (1375 – 1443)
um 1435Eichenholz, 34 cm x 29,5 cmInv.-Nr. GG 975
// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie
27
Frans van Mieris d.Ä. (1635 – 1681 Leiden)
KaVaLiEr im VErKauFsLadEn
1660 datiertEichenholz, 54,5 x 42,7 cmInv.-Nr. GG 586
Sandrart berichtet in seiner 1675 erschienenen
Teutschen Academie von dem exorbitanten
Preis von 2000 Gulden, den Leopold Wilhelm
für den Kavalier im Kaufladen zahlte und be-
findet dies noch für »viel zu wenig / gegen
solcher schönen Arbeit«. Der Erwerb des 1660
datierten Bildes des damals erst 25-jährigen
Frans van Mieris zeigt, dass Leopold Wilhelm,
auch nachdem er 1656 die Statthalterschaft
der Spanischen Niederlande niedergelegt hat-
te und nach Wien übersiedelt war, noch bes-
tens über das ganz aktuelle Kunstgeschehen
auch in den protestantischen Nördlichen Nie-
derlanden informiert war. Frans van Mieris
ist neben seinem Lehrer Gerrit Dou (dem ers-
ten Schüler Rembrandts!) der Hauptvertreter
der sog. Leidener Feinmalerei, die eine gera-
dezu obsessive Fokussierung auf die Wieder-
gabe der stofflichen Qualitäten der im Bild
gezeigten Materialien kennzeichnet.
Der Erzherzog war auch an zeitgenössischer
flämischer Kunst sehr interessiert. Nur weni-
ge Jahre vor seinem Amtsantritt als Statthal-
ter der Spanischen Niederlande 1647 war der
aus Antwerpen stammende Anthonis van
Dyck in London gestorben (1641). Von ihm
besaß Leopold Wilhelm zehn Gemälde,
darunter Thetis empfängt von Hephaistos die
Waffen für Achill und Kopfstudie einer em-
porblickenden Frau (ebenfalls in Saal XI).
Die Gefangennahme Simsons wurde laut Gio-
vanni Bellori dem Erzherzog Leopold Wil-
helm von ›Signor Van Wonsel‹ geschenkt.
Damit sind wohl zwei Antwerpener Tuch-
händler gemeint, Marc und Joos van Woon-
sel, die van Dyck auch Aufträge vermittelt hat-
ten. Bellori berichtet vom Erzherzog zudem,
er habe alle seine Zeitgenossen im Studium
der Antiken, Medaillen und Gemälde über-
troffen, wie seine Galerie im Theatrum picto-
rium (in der Sonderausstellung) zeigt.
26
Anthonis van Dyck (Antwerpen 1599 – 1641 London)
gEFangEnnahmE simsons
1628/1630Leinwand, 146 x 254 cmInv.-Nr. GG 512
// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie
29
Joachim von Sandrart (Frankfurt am Main 1606 – 1688 Nürnberg)
minErVa und sa-turn BEschützEn Kunst und WissEnschaFt Vor nEid und LügE
1644 datiertLeinwand, 146 x 202 cmInv.-Nr. GG 1136
Erzherzog Leopold Wilhelm traf mit Joachim
von Sandrart erstmals 1646 zusammen, als er
den Maler auf dessen Gut Stockau im heuti-
gen Oberbayern besuchte. Ein dem Künstler
nahestehender Biograph schildert, dass der
Erzherzog Werke Sandrarts in den Sammlun-
gen der Wittelsbacher gesehen habe und neu-
gierig auf ihn geworden sei. Gemeinsam sei
man zum Pfalzgrafen nach Neuburg gereist,
um die sich die dort befindlichen Werke des
Rubens anzusehen. Aufgrund der Bekannt-
schaft von Leopold Wilhelm und Sandrart
entstanden mehrere Auftragswerke, so auch
diese Allegorie. Wahrscheinlich hat der Erz-
herzog auch das Thema vorgegeben, denn es
stellt eine Verherrlichung seines Mäzenaten-
tums dar. Die römische Göttin Minerva fun-
giert als Beschützerin der Künste, die putten-
haft klein vor den Allegorien des Neids und
der Lüge flüchten. Saturn bzw. Chronos, mit
Schild und Sense, ist der Gott der Zeit, der
mit seiner Tat die Künste der Vergänglichkeit
enthebt. Außerdem kann man in diesem Gott
auch die Hoffnung erfüllt sehen, dass die Zeit
die Lügen und den Neid entlarven.
Von Jacob Jordaens, dem wichtigsten flämi-
schen Barockmaler nach Rubens und Van
Dyck, besaß Erzherzog Leopold Wilhelm nur
ein Gemälde, obwohl Jordaens noch lebte, als
Leopold Wilhelm Statthalter der Spanischen
Niederlande war. Dieses eine Gemälde kann
jedoch als eine Art Quintessenz von Jordaens' Errungenschaften gelten: das Fest des Boh-
nenkönigs. Das mittlerweile zu einer Ikone
barocker Lebensfreude gewordene Gemälde
lässt sich auch direkt auf den Erzherzog be-
ziehen, da dieser seinen Geburtstag (5.1.1614)
gerne mit dem Dreikönigsfest feierte (6.1.),
welches in den Niederlanden mit diesem
Brauch verbunden war: Im Rahmen eines
feucht-fröhlichen Gelages wird der Bohnen-
könig mittels Los oder einer Bohne erkoren.
Jordaens schuf mehrere Bilder dieses Themas;
das Wiener Bild ist der besonders gelungene
Versuch, einen alten Brauch in großem For-
mat opulent zu erzählen.
28
Jacob Jordaens (Antwerpen 1593 – 1678 Antwerpen)
FEst dEs BohnEnKönigs
um 1640/1645Leinwand, 242 x 300 cmInv.-Nr. GG 786
// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie
31
Peter Paul Rubens (Siegen 1577 – 1640 Antwerpen)
gEWittErLand-schaFt mit jupitEr, mErKur, phiLEmon und Baucis
um 1620/1625Eichenholz, 146 x 208,5 cmInv.-Nr.-GG 690
Rubens schuf die beeindruckende, mytholo-
gisch verbrämte Gewitterlandschaft in den
20er Jahren des 17. Jahrhunderts und zwar zu
seinem Privatvergnügen: Sie wurde nie ver-
kauft und ist im Nachlass des Künstlers 1640
dokumentiert. König Charles I. bemühte sich,
diese Landschaft zu kaufen, war aber wegen
des englischen Bürgerkriegs daran gehindert.
Als Statthalter der Spanischen Niederlande
gelang es Erzherzog Leopold Wilhelm, sie zu-
sammen mit weiteren drei Gemälden aus dem
Nachlass zu erwerben (z.B. Das Mädchen mit
Fächer oder Isabella d'Este in diesem Saal); insgesamt besaß er elf Werke des Künstlers.
Bevor der umfangreiche Rubens-Nachlass zur
Versteigerung gelangte, war für den spani-
schen König ein Privatverkauf organisiert
worden, an dem die österreichischen Habs-
burger jedoch nicht teilgenommen hatten.
Mit dem Hl. Hieronymus hat Leopold Wil-
helm ein ganz aktuelles Werk eines protestan-
tischen Künstlers erworben, vielleicht sogar
direkt von diesem selbst, denn der aus Nie-
dersachsen oder Hamburg stammende Chris-
toph Paudiß war 1660 von Dresden nach Wien
gekommen, ausgestattet mit einem an den Erz-
herzog gerichteten Empfehlungsschreiben des
sächsischen Kurfürsten Johann Georg II.
Rembrandt, in dessen Werkstatt Paudiß in den
1640er Jahren tätig war, hat den hl. Hierony-
mus in Radierungen nicht weniger als sieben-
mal dargestellt: Der Kirchenvater, der die he-
bräischen und griechischen Heiligen Schrif-
ten neu ordnete und ins Lateinische übertrug,
war für protestantische Künstler und Auftrag-
geber genauso wichtig wie für den katholi-
schen Erzherzog. Neben Meditation und Buße
ist die Beschäftigung mit der Schrift ein wich-
tiges Thema dieses Bildes, das zu einem spä-
teren Zeitpunkt am unteren Rand beträcht-
lich beschnitten wurde.
30
Christoph Paudiß (Niedersachsen um 1625 – 1666 Freising)
hL. hiEronymus
1656/1658Leinwand, 136 x 124 cmInv.-Nr.-GG 395
// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie
33
Meister der Wiener Gregorplatte
hEiLigEr grEgor mit schrEiBErn
Lothringen (?), spätes 10. JahrhundertElfenbein, H. 20,5 cm, B. 12,5 cmInv.-Nr. KK 8399
Schon vor seiner Zeit als Statthalter der Spa-
nischen Niederlande erwarb der Erzherzog in
Wien neben anderen Objekten auch diese El-
fenbeinplatte. Als Sohn, Bruder und Onkel
von Kaisern empfand Leopold Wilhelm Wert-
schätzung für Erinnerungsstücke aus der Zeit
Kaiser Karls des Großen. Als ein solches Re-
likt galt die kleine Elfenbeintafel, ein ehema-
liger Einband eines Sakramentars, mit der
Darstellung des heiligen Papstes Gregor I.,
des Großen. Den Habsburgern verlieh ein
solches Besitztum als Nachfolger des ersten
nachantiken Kaisers des Westens zusätzliche
Legitimation in der Erhaltung der Kaiserwür-
de für ihre Familie. Der religiös-konfessionel-
le Inhalt dürfte auch dem kirchlichen Rang
des mehrfachen Bischofs Leopold Wilhelm
entgegengekommen sein, hielt er doch mit der
Elfenbein-Platte ein bedeutendes Zeugnis vor-
reformatorischer Zeit in Händen. Der schrei-
bende Papst erhält Inspiration durch die
Taube des Heiligen Geistes, wodurch die als
gottgewollt angesehene Gültigkeit katholi-
scher Liturgie im Zeitalter der Gegenreforma-
tion untermauert wird.
Das Haupt der Medusa erwarb Leopold Wil-
helm nicht für seine eigene Sammlung, son-
dern für seinen kaiserlichen Bruder, Ferdi-
nand III. Es diente der seit den schwedischen
Plünderungen sehr reduzierten Ausstattung
der Prager Residenz und wurde von dort erst
1880 nach Wien geholt. Ursprünglich stamm-
te das außergewöhnliche Bild aus der Samm-
lung des ersten Herzogs von Buckingham,
George Villiers, der in direktem Kontakt zu
Rubens gestanden und über 30 Gemälde von
ihm besessen hatte. 1628 wurde dieser einfluss-
reichste Günstling des englischen Hofes er-
mordet, aber es gelang seinem Sohn, während
des Bürgerkrieges große Teile der väterlichen
Sammlung nach Antwerpen zu bringen, wo
Jan van den Hoecke als Agent Leopold Wil-
helms das Haupt der Medusa zusammen mit
zentralen Beständen der Sammlung Bucking-
ham für die Habsburger sichern konnte.
32
Peter Paul Rubens (Siegen 1577 – 1640 Antwerpen)
haupt dEr mEdusa
1617/1618Leinwand, 68,5 x 118 cmInv.-Nr. GG 3834
// In der Gemäldegalerie // In der Kunstkammer
35
Meister der Dosenköpfe
zWEi dosEnBödEn mit porträts und dazugEhörigEdosEndEcKEL mit mythoLogischEn darstELLungEn
Nürnberg (?), 1525Nussholz, Birnholz, D. 22 cmInv.-Nrn.-KK 3878, KK 3879, KK 3893, KK 3894
Die beiden flachen hölzernen Dosen mit den
Porträts des sächsischen Kurfürsten Friedrich
des Weisen (1463–1525) und dessen Konkubi-
ne Anna sind im Inventar der Kunstkammer
Leopold Wilhelms von 1659 als Werke Alb-
recht Dürers beschrieben. Der Dosenboden
mit dem Porträt Annas trägt auf der Rücksei-
te eine Inschrift mit dem berühmten ligierten
Dürermonogramm. Eine Nähe zu Albrecht
Dürer ist zweifellos vorhanden, da dem Por-
trät des Kurfürsten ein bekannter Kupferstich
Dürers als Vorlage diente. Heute geht die
Kunstwissenschaft davon aus, dass Albrecht
Dürer selbst nicht bildhauerisch gearbeitet
hat, doch im 17. Jahrhundert war man davon
überzeugt. Die Bewunderung der Kunst Dü-
rers ließ Nachahmungen in verschiedenen Me-
dien entstehen. In einer fürstlichen Sammlung
durften Werke des großen Renaissancekünst-
lers nicht fehlen, und so war man von ihrer
Echtheit gerne überzeugt.
In dieser Büste der griechischen Muse des
ernsten Gesanges verdichtet sich das Vorbild
Antike in besonders intensiver Weise: in der
Wahl des Themas, der Art der Darstellung,
die ganz der Antike nachempfunden ist, und
der Wahl des Materials. Porphyr galt schon
in der Antike als besonderer Stein, der wegen
seiner Purpurfarbe den Kaisern vorbehalten
war; seine Härte erforderte eine besondere
Meisterschaft der Bearbeitung. Pietro Maria
della Pescia Serbaldi galt in seiner Zeit als
»großartiger Nachahmer der Antike«, der zeit-
genössischen Anekdoten zufolge sogar eige-
ne Werke in Rom vergraben ließ, die später
als antik gehandelt wurden. Nicht nur die
überzeugende Antikennähe der Büste, son-
dern vielleicht auch der dringende Wunsch,
antike Originale in der Sammlung zu besit-
zen, führte zu dem Vermerk im Inventar Leo-
pold Wilhelms von 1659: »Ein klein Brustpildt
von rothen Profil einer Frawen ... antic«.
34
Pier Maria della Pescia Serbaldi, gen. Tagliacarne (Pescia um 1445 – nach 1525 Rom)
poLyhymnia
Rom, um 1500Porphyr, H. 41 cmInv.-Nr. KK 3529
// In der Kunstkammer // In der Kunstkammer
Leonhard Kern rezipierte in seinen Arbeiten
einerseits Eindrücke seines Italienaufenthal-
tes, andererseits deutsche Kunst des frühen
16. Jahrhunderts. Diese Figur verrät sowohl
die Kenntnis des Torso vom Belvedere in den
Vatikanischen Sammlungen sowie der Werke
Michelangelos als auch von Albrecht Dürers
Holzschnitt des Sitzenden Schmerzensmannes,
dem Titelblatt der Kleinen Passion.
In der Kunstkammer Leopold Wilhelms be-
fanden sich einige Skulpturen, die der
»Dürerrenaissance« des 17. Jahrhunderts an-
gehören – Werke, die in retrospektiver Weise
zweidimensionale Kompositionen Dürers (vor
allem Druckgraphiken) ins dreidimensionale
Medium der Skulptur übertrugen, also nachah-
mend gewissermaßen neu erschufen. Der Erz-
herzog, der an Renaissancekunst sehr inter-
essiert war, scheint auf diese Weise seinen Be-
darf an der Kunst Dürers, die im Original
kaum bis gar nicht verfügbar war, befriedigt
zu haben.
37
Leonhard Kern (Forchtenberg 1588 – 1662 Schwäbisch Hall)
christus in dEr ruhE
Schwäbisch Hall, um 1625/35Alabaster, H. 25 cmInv.-Nr. KK 4429
Fast alle Bronzen Anticos der Kunstkammer
Wien lassen sich im Inventar der Kunstkam-
mer Leopold Wilhelms von 1659 nachweisen.
Wie eine mitgegossene Inschrift auf der Un-
terseite des Sockels von Herkules und Antäus
belegt (Abbildung s. auf dem Tablet-Compu-
ter im Saal 33, Kunstkammer), schuf Antico
die Statuette für Isabella d'Este, die kunstsin-nige Markgräfin von Mantua (1474–1539) und
bedeutendste Sammlerin der Renaissance in
Italien. Da antike Kunstwerke im Original
kaum zu bekommen waren, sammelte sie An-
ticos perfekte Nachahmungen antiker Skulp-
turen. 1627 verkaufte der überschuldete Man-
tuaner Herzog Vincenzo II. Gonzaga Teile
seiner Sammlung an den englischen König
Charles I. Als dieser im Zuge des englischen
Bürgerkriegs hingerichtet und sein Kunstbe-
sitz vom Commonwealth 1650 versteigert wur-
de, muss es Leopold Wilhelm gelungen sein,
die Anticos zu erwerben.
36
Pier Jacopo Alari de Bonacolsi, gen. Antico(Mantua, um 1460 – 1528 Gazzuolo)
hErKuLEs und antäus
Mantua, um 1519Bronze, H. 43, 2 cmInv.-Nr. KK 5767
// In der Kunstkammer // In der Kunstkammer
Die von seinem Kammermaler farblich bril-
lant ausgeführte kleinformatige Komposition
stellt eine inhaltsreiche Allegorie auf Erzher-
zog Leopold Wilhelm dar. Das Porträtmedail-
lon zeigt ihn als Feldherrn und Geistlichen.
Die linke Genie präsentiert ein goldenes Me-
daillon mit seiner Devise »Timore Domini«
(»In Furcht vor dem Herrn«), auf die auch die
Fama mit der Posaune hinweist. Minerva, de-
ren Schwertspitze fehlt, drückt die Sehnsucht
nach Frieden aus. Aber selbst in Zeiten des
Krieges kann Apoll, der Gott der schönen
Künste, seine unermessliche Pracht entfalten,
wie das Füllhorn in seinen Händen verrät. Ge-
genüber repräsentieren Hercules mit dem Lö-
wen und Prudentia, die Göttin der Klugheit,
weitere Tugenden des Erzherzogs. Dazu ge-
hört auch die Ehelosigkeit, symbolisiert durch
das Einhorn und den Eros, dessen Augen ver-
bunden sind.
39
Zugeschrieben an: Jan van den Hoecke (1611 — 1650 Antwerpen)
aLLEgoriE auF Erz hErzog LEopoLd WiLhELm (1614 — 1662)
um 1650Leinwand, 50,8 cm x 70,5 cm x 2,5 cmInv.-Nr. 9682
Dieses großformatige Stillleben des wenig be-
kannten Malers ist vermutlich ein Auftrags-
werk des Erzherzogs. Der Betrachter wird
schon von weitem vom dekorativen Muster
des über einen Tisch drapierten orientalischen
Teppichs in den Bann gezogen. Auffallend ist
die Büste, die den Erzherzog darstellt. Libalt
beruft sich auf eine Marmorbüste des Bildhau-
ers Jérôme II. Duquesnoy (KK 8932; das Ori-
ginal steht neben dem Gemälde in der Kunst-
kammer, Saal 23; die Kopie in Bronze ist in
der Sonderausstellung zu sehen). Im plasti-
schen Vorbild dominiert auf Grund des in die
Unendlichkeit gerichteten Blickes der reprä-
sentative zeitlose Charakter, den Libalt jedoch
im Gemälde mittels eines nachdenklich direkt
auf den Betrachter schauenden Erzherzogs
verlebendigt. Das realistische, auf haptische
Eindrücke ausgerichtete Stillleben wird zum
dekorativen Prunkstillleben mit politisch-al-
legorischer Aussage.
38
Gottfried Libalt (um 1610 — 1673 Wien)
stiLLLEBEn mit BüstE ErzhErzog LEopoLd WiL-hELms
1660 datiertLeinwand, 253 x 119 x 4 cmInv.-Nr. 7795
// In der Kunstkammer // In der Kunstkammer
„ein galeria nach meinem humor“
Gerlinde Gruber
Die Galerie Erzherzog Leopold Wilhelms
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Amator artis pictoriae – what else?
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Amator artis pictoriae – what else?
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