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Leitlinien-Report zur S2e-Leitlinie 084-001, Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie
aktueller Stand: 2.1.2019
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publiziert bei:
S2e-Leitlinie
Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie
AWMF-Registernummer 084-001
Leitlinienreport Stand 2. 1. 2019
Federführende Gesellschaft:
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie
Korrespondenz
Prof. Dr. Andreas Wiedemann
Urologische Klinik
Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke
Pferdebachstr. 27
58455 Witten
Tel. +49 2302 175 2521
awiedemann@evk-witten.de
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Arbeitsgruppe Inkontinenz der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie
(Autoren in alphabetischer Ordnung):
Klaus Becher, Barbara Bojack, Sigrid Ege, Silke von der Heide, Ruth Kirschner-
Hermanns, Andreas Wiedemann
1. Vorwort zum Leitlinienupdate 2019
Die Leitlinie „Harninkontinenz“ der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie wurde
erstmals 2005 und 2008 publiziert und 2009 bei der Arbeitsgemeinschaft medizinisch
wissenschaftlicher Fachgesellschaften eingestellt (Leitlinien-Nr. 84-001). Nach einem
update 2014 liegt nun ein erneutes update nach Ablauf der Gültigkeit 2019 vor. Mit
Ausnahme der Kapitel „operative Therapie“, „Duloxetin“, „Parasympathomimetika“
(hier keine aktuellen Entwicklungen) wurden alle Kapitel überarbeitet. Das Kapitel
„psychosomatische Aspekte“ wurde wegen der mangelnden Expertise der momen-
tanen Mitglieder der Leitliniengruppe aus dem update 2019 herausgenommen. Mit
dem Kapitel „instrumentelle Harnblasenlangzeitdrainage“ wurde ein neues, relevantes
Kapitel eingefügt.
1.1 Literaturrecherche Primäre Berücksichtigung fanden randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte
Studien sowie bereits vorhandene Leitlinien zum Thema. Wo keine randomisierten,
plazebokontrollierten Untersuchungen vorlagen oder aus methodischen Gründen
prinzipiell nicht durchführbar sind, wurden auch Publikationen anderen Designs (nicht
randomisierte Untersuchungen, Fallkontrollstudien) zur Leitlinienerstellung heran-
gezogen.
Die verwendeten Suchbegriffe und die Anzahl der Treffer sind jedem Kapitel des
Leitlinienupdates vorangestellt, die verwendeten Untersuchungen im Text benannt
bzw. zitiert.
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Wissenschaftliche Arbeiten zu geriatrischen Patienten im Sinne des hochbetagten und
multimorbiden Patienten lagen selten vor, so dass auch auf Untersuchungen über
andere Patienten zurückgegriffen wurde. Wenn spezielle Literatur zu geriatrischen
Patienten oder zu älteren Patienten herangezogen werden konnte, fand diese
besondere Erwähnung im Text.
1.2 Ausschlusskriterien Nicht berücksichtigt wurden Kasuistiken und Untersuchungen, die nicht in englischer
oder deutscher Sprache verfasst wurden. Ferner fanden keine experimentellen
Untersuchungen aus der Grundlagenforschung, tierexperimentelle Studien und solche
ohne Patientenkollektive Berücksichtigung.
In einem Gruppenprozess wurde die vorhandene und so extrahierte Literatur auf ihre
Relevanz für die Leitlinie überprüft und gemeinsam nach ihrer Qualität bewertet
(randomisierte Untersuchung? Plazebokontrollierte Studie? Durchschnittsalter der
Patienten? Geriatrische Patienten? Stichprobengröße? Studiendauer?). Die Studien
wurden dann mit einem Evidenzklassifizierungssystem (2016 AHRQ, 2019 SIGN)
kategorisiert.
Vorhandene Leitlinien wurden bei der Formulierung der Leitlinie für den geriatrischen
Patienten vergleichend hinzugezogen. Hierzu zählen die der Deutschen Gesellschaft
für Urologie bzw. Gynäkologie
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015007l_S2k_Ueberaktive_Blase_Add_2
014-07.pdf; http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043.
Deren Bewertung erfolgte unter dem besonderen Blickwinkel des multimorbiden,
multimedizierten, vulnerablen und von Chronifizierung sowie Autonomieverlust
bedrohten geriatrischen Patienten. Dies erklärt eine u. U. andere Gewichtung der
getroffenen Aussagen bzw. auch andere Schlussfolgerungen für den geriatrischen
Patienten.
Nach Erstellung des Leitlinientexters wurden alle Leitlinienempfehlungen nach dem
Überprüfungs- und Bewertungsprozess in der Gruppe in einem anonymisierten
Prozess zur schriftlichen Einzel-Abstimmung gebracht. Das Ergebnis findet sich mit
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dem Anteil der zustimmenden Mitglieder der Arbeitsgruppe angegeben in Prozent
hinter jeder Empfehlung. Die aktuellen Mitglieder der Arbeitsgruppe Harninkontinenz
der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie sind in der folgenden Tabelle in
alphabetischer Reihenfolge aufgeführt:
Dr. Klaus Becher Helios Hanseklinikum Stralsund Klinik für Geriatrie und Frührehabilitation Rostocker Chaussee 70 18437 Stralsund klaus.becher@helios-kliniken.de
Dr. Barbara Bojack Ärztin für Urologie Eichgartenallee 14 35394 Gießen bbojack@web.de
Dr. Sigrid Ege Robert-Bosch-Krankenhaus Geriatrische Abteilung Auerbachstr. 110 70376 Stuttgart sigrid.ege@rbk.de
Prof. Dr. Ruth Kirschner-Hermanns Universitätsklinikum Bonn Neuro-Urologie im Chirurgischen Zentrum Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn Neuro-Urologie, Neurologisches Rehabilitationszentrum Godeshöhe eV Waldstr. 2 – 10 53177 Bonn ruth.kirschner-hermanns@ukb.uni-bonn.de
Dr. Silke von der Heide Kasseler Landstraße 25 b 37081 Göttingen info@promotio.de
Prof. Dr. Andreas Wiedemann Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke Evangelisches Krankenhaus Witten gGmbH Urologische Klinik Pferdebachstr. 27 58455 Witten awiedemann@evk-witten.de
Tabelle 1: Mitglieder der AG Inkontinenz der DGG (Stand: März 2018)
Die Leitlinie wurde von den Mitgliedern der AG Inkontinenz neutral, unabhängig und
ohne Finanzierung oder Aufwandsentschädigung von dritter Seite im Auftrag der
Deutschen Gesellschaft für Geriatrie in personam des Präsidenten erstellt.
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Erklärung von Interessen und Umgang mit Interessenkonflikten
Im Folgenden sind die Interessenerklärungen als tabellarische Zusammenfassung
dargestellt. Die Interessenskonflikte sind seit der Erstellung der Leitlinienvor-Version
dem Vorsitzenden Prof. Wiedemann bekannt. Dieser hat als
Interessenskonfliktbeauftragter die Interessenskonflikte bewertet; sie wurden an
relevanten Stellen in der Leitliniengruppe diskutiert. Die potentiellen
Interessenskonflikte sind im Einzelnen:
Dr. Klaus Becher Helios Hanseklinikum Stralsund
Klinik für Geriatrie und Frührehabilitation
Rostocker Chaussee 70
18437 Stralsund
klaus.becher@helios-kliniken.de
- Berater- bzw. Gutachtertätigkeiten o Pfizer
- Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat (advisory board) o Ferring
- Bezahlte Vortrags- / oder Schulungstätigkeit o Pfizer
- Autoren- / oder Coautorenschaft o Springer Verlag: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie; Geriatrie-
Report o Thieme-Verlag: Deutsche Medizinische Wochenschrift
- Finanzielle Zuwendung für Forschungsvorhaben o Keine
- Eigentümerinteressen (Patent, Urheberrecht, Verkaufslizenz) o Keine
- Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswissenschaft
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o Keine
- Indirekte Interessen – Mitgliedschaften o Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG e.V.) o Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG e.V.) o Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM e.V.) o Deutsche Koninenzgesellschaft (DKG e.V.) o Bayrisches Rotes Kreuz (BRK e.V.) o Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Geriatrie in Bayern (AFGiB
e.V.) o Gesellschaft der Internisten-MV e.V. o Bund Deutscher Internisten (BDI e.V.) o International Continence Society o Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. o Landesverband Mecklenburg-Vorpommern o Gesellschaft für Altersmedizin MV e.V.
Dr. Barbara Bojack
Ärztin für Urologie
Eichgartenallee 14
35394 Gießen
bbojack@web.de
- Berater- bzw. Gutachtertätigkeiten o Keine
- Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat (advisory board) o Keine
- Bezahlte Vortrags- / oder Schulungstätigkeit o Keine
- Autoren- / oder Coautorenschaft o Keine
- Finanzielle Zuwendung für Forschungsvorhaben o Keine
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- Eigentümerinteressen (Patent, Urheberrecht, Verkaufslizenz) o Keine
- Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswissenschaft
o Keine - Indirekte Interessen – Mitgliedschaften
o Deutsche Gesellschaft für Geriatrie
o Deutsche Gesellschaft für Urologie
Dr. Sigrid Ege
Robert-Bosch-Krankenhaus
Geriatrische Abteilung
Auerbachstr. 110
70376 Stuttgart
- Berater- bzw. Gutachtertätigkeiten o Keine
- Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat (advisory board) o Keine
- Bezahlte Vortrags- / oder Schulungstätigkeit o Keine
- Autoren- / oder Coautorenschaft o Keine
- Finanzielle Zuwendung für Forschungsvorhaben o Robert-Bosch-Stiftung
- Eigentümerinteressen (Patent, Urheberrecht, Verkaufslizenz) o Keine
- Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswissenschaft
o Keine - Indirekte Interessen – Mitgliedschaften
o Deutsche Gesellschaft für Geriatrie
o Deutsche Kontinenzgesellschaft
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Prof. Dr. Ruth Kirschner-Herrmanns
Universitätsklinikum Bonn
Neuro-Urologie im Chirurgischen Zentrum Sigmund-Freud-Str. 25
53105 Bonn
Neuro-Urologie,
Neurologisches Rehabilitationszentrum Godeshöhe eV
Waldstr. 2 – 10
53177 Bonn
ruth.kirschner-hermanns@ukb.uni-bonn.de
- Berater- bzw. Gutachtertätigkeiten o Repha GmbH
- Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat (advisory board) o Keine
- Bezahlte Vortrags- / oder Schulungstätigkeit o Repha GmbH o Labore - Urodynamikkurse
- Autoren- / oder Coautorenschaft o Keine
- Finanzielle Zuwendung für Forschungsvorhaben o IPSN o MEC o ABC GmbH
- Eigentümerinteressen (Patent, Urheberrecht, Verkaufslizenz) o MRC o ABC Medical Care and Development in Aachen, Bonn, Cologene o ECO und Founder, 100% der Geschäftsanteile
- Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswissenschaft
o ABC Medical Care and Development in Aachen, Bonn, Cologene o ECO und Founder, 100% der Geschäftsanteile o Keine Aktien, Fonds etc.
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- Indirekte Interessen – Mitgliedschaften o Deutsche Kontinenz Gesellschaft (DKG) o Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) o Mitglied der Arbeitsgruppe: Funktionsdiagnostik Urologie und Urologie
der Frau o Mitglied der Arbeitsgruppe: Geriatrische Urologie Nordrheinwestfälische o Gesellschaft für Urologie (NRW) o Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) Arbeitsgruppe: Inkontinenz
der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie o International Consultation on Incontinence (ICI) o workgroup: Incontinence in frail elderly o Europäische Gesellschaft für Urologie (EAU) o Amerikanische Gesellschaft für Urologie (AUA) o workgroup: Geriatrisch Urologische Gesellschaft (GUS) o International Consultation on Incontinence Researchgroup (ICIR) o ICIQ Advisory Board Workgroup: Development of an incontinence
questionnaire for dependant frail elderly o AGUB-Arbeitsgemeinschaft für Urogynäkologie und plastische o Beckenbodenrekonstruktion e.V. o European Society for Sexual Medicine (ESSM) o DMGP (deutsche medizinische Gesellschaft für Paraplegie) o ISCOS (international spinal chord society) o DGNR (deutsche Gesellschaft für Neurorehablitation) o INUS (International Neuro-Urology Society)
Dr. Silke von der Heide
Kasseler Landstraße 25b
37081 Göttingen
info@promotio.de
- Berater- bzw. Gutachtertätigkeiten o Fa. Otto Bock Ortthesenentwicklung
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- Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat (advisory board) o Keine
- Bezahlte Vortrags- / oder Schulungstätigkeit o Fa. Abbvie-Rheumotion
- Autoren- / oder Coautorenschaft o Buch: Beckenboden, B. Carriere; Verlag Thieme, Kap. Beckenboden
und Vibrationstherapie - Finanzielle Zuwendung für Forschungsvorhaben
o Nein - Eigentümerinteressen (Patent, Urheberrecht, Verkaufslizenz)
o Nein - Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von
Unternehmen der Gesundheitswissenschaft o Gesellschafterin und Ärztliche Leitung Promotio GmbH Göttingen o Keine Aktien, Fonds etc.
- Indirekte Interessen – Mitgliedschaften o Arbeitsgemeinschaft Gynäkologie, Geburtshilfe, Urologie von Physio
Deutschland e.V. o AGUB e.V. o Beirat im Berufsverband der Ärzte für Physikalische und Rehabilitative
Medizin e.V. o DGG e.V. o Deutsche Gesellschaft für Sport und Prävention e.V.
Prof. Dr. Andreas Wiedemann Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke Evangelisches Krankenhaus Witten gGmbH Urologische Klinik Pferdebachstr. 27 58455 Witten awiedemann@evk-witten.de
- Berater- bzw. Gutachtertätigkeiten o Dr. Pfleger
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o Pfizer - Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat (advisory board)
o Dr. Pfleger o Pfizer
- Bezahlte Vortrags- / oder Schulungstätigkeit o Allergan o AMS Deutschland o Aristo o Astellas Pharma o Berlin-Chemie o Jansen o Lilly Deutschland o Meda o Dr. Pfleger o Pfiizer Pharma o Pohl-Boskamp
- Autoren- / oder Coautorenschaft o Keine
- Finanzielle Zuwendung für Forschungsvorhaben o AMS Deutschland o Boston Scientific o Dr. Pfleger
- Eigentümerinteressen (Patent, Urheberrecht, Verkaufslizenz) o Keine
- Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von
Unternehmen der Gesundheitswissenschaft o Keine
- Indirekte Interessen – Mitgliedschaften o Deutsche Gesellschaft für Urologie o Deutsche Gesellschaft für Geriatrie o NRW-Gesellschaft für Urologie o Deutsche Kontinenzgesellschaft
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1.3 Leitlinienreport
1.3.1 Geltungsbereich und Zweck • Begründung für die Auswahl des Leitlinienthemas
Geriatrische Patienten sind wegen ihres Alters und der geriatrietypischen
Multimorbidität eine besondere Patientengruppe. Oftmals kann Harninkontinenz nicht
als Einzelsymptom, sondern als geriatrisches Syndrom mit vielen Bezügen zu anderen
Erkrankungen und Auswirkungen nicht nur auf die körperliche, sondern auch auf die
soziale und psychologische Dimension des Betroffenen gesehen werden. Eine weitere
Besonderheit stellt die Rolle von betreuenden Angehörigen oder professionell
Pflegenden dar. Damit erfordert der geriatrische Patient eine eigene Bewertung
vorhandener Methoden in der Diagnostik und Therapie der Harninkontinenz. Dieses
soll in der vorliegenden Leitlinie geschehen.
• Zielorientierung der Leitlinie
Zielorientierung der vorhandenen Leitlinie ist das Herausstellen der Besonderheiten
des geriatrischen Patienten bei der Diagnostik und Therapie der Harninkontinenz.
• Patientenzielgruppe
Patientenzielgruppe ist der geriatrische Patient. Die Arbeitsgruppe versteht darunter
den zumeist älteren oder alten, in der Regel multimorbiden und in seinen
Funktionsreserven eingeschränkten Patienten. Es handelt sich dabei um ein breites
Spektrum von Betroffenen – sowohl um den schwerst pflegebedürftigen Patienten als
auch um den Patienten mit Rehabilitationspotential. Ungeachtet der Tatsache, dass
invasive Diagnose- oder Operationsverfahren in der täglichen Praxis bei geriatrischen
Patienten nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen dürften, wurden bewusst
alle Standardverfahren in Diagnostik und Therapie der Harninkontinenz auf ihren
Stellenwert und ihre Anwendbarkeit in der Geriatrie geprüft. Da diese im Einzelfall
klinisch tätigen Ärzten nicht in allen Details bekannt sind, erfolgte zu jedem
Leitlinienkapitel ein Abriss der entsprechenden Methodik.
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• Versorgungsbereich
Versorgungsbereich der Leitlinie ist die ambulante und stationäre Versorgung von
geriatrischen Patienten im ambulanten und stationären Sektor. Dieser umfasst
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.
• Anwenderzielgruppe/Adressaten
Adressaten der Leitlinie stellen Ärzte dar, die mit der Diagnostik und Therapie
geriatrischer Patienten im ambulanten und/oder stationären Bereich betreut sind.
1.3.2 Zusammensetzung der Leitliniengruppe: Beteiligung von Interessensgruppen
• Repräsentativität der Leitliniengruppe: Beteiligte Berufsgruppen
An der Leitlinienerstellung waren ausschließlich Ärzte aus den Bereichen Urologie und
Geriatrie beteiligt. Da es sich um eine Leitlinie der Dt. Gesellschaft für Geriatrie
handelt, in der ausschließlich ausschließlich Ärzte Mitglied sein können, war die
Beteiligung von anderen Berufsgruppen nicht möglich.
• Repräsentativität der Leitliniengruppe: Beteiligung von Patienten
Patienten waren an der Leitlinienerstellung nicht beteiligt. Hier ist es – im Gegensatz
zu anderen Leitlinien – in Anbetracht der zumeist über 80jährigen, multimorbiden und
häufig in Pflegeeinrichtungen lebenden Patienten nicht vorstellbar, betroffene
Patienten an der Leitlinienarbeit zu beteiligen.
1.3.3 Methodologische Exaktheit
• Formulierung von Schlüsselfragen
Wo immer sinnvoll, wurden Schlüsselfragen formuliert.
• Verwendung existierender Leitlinien zum Thema
Existierende Leitlinien wurden auf die Anwendbarkeit auf den geriatrischen Patienten
überprüft und in die vorhandene Leitlinie aufgenommen. Dies wurde im Leitlinientext
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entsprechend vermerkt. Hierzu zählen z. B. die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft
für Urologie bzw. Gynäkologie. Deren Bewertung erfolgte unter dem besonderen
Blickwinkel des multimorbiden, multimedizierten, vulnerablen und von Chronifizierung
sowie Autonomieverlust bedrohten geriatrischen Patienten. Dies erklärt eine u. U.
andere Gewichtung der getroffenen Aussagen bzw. auch andere Schlussfolgerungen
für den geriatrischen Patienten.
• Systematische Literaturrecherche
Eine EDV-gestützte Recherche („pubmed“, „medline“) identifizierte zu jedem
Leitlinienkapitel zunächst die vorhandene Literatur. Es erfolgte in allen Kapiteln die
Nennung der Suchstrategie und die Anzahl der Treffer seit 2009 bis zum Abschluss
der Literaturrecherche. Relevante Untersuchungen wurden zitiert und finden sich im
Literaturverzeichnis.
• Auswahl der Evidenz
Primäre Berücksichtigung fanden randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte
Studien sowie bereits vorhandene Leitlinien zum Thema. Wo keine randomisierten,
plazebokontrollierten Untersuchungen vorlagen oder aus methodischen Gründen
prinzipiell nicht durchführbar sind, wurden auch Publikationen anderen Designs (nicht
randomisierte Untersuchungen, Fallkontrollstudien) zur Leitlinienerstellung
herangezogen. Die verwendeten Suchbegriffe und die Anzahl der Treffer sind jedem
Kapitel des Leitlinienupdates vorangestellt, die verwendeten Untersuchungen im Text
benannt bzw. zitiert. Wissenschaftliche Arbeiten zu geriatrischen Patienten im Sinne
des hochbetagten und multimorbiden Patienten lagen selten vor, so dass auch auf
Untersuchungen über andere Patienten zurückgegriffen wurde. Wenn spezielle
Literatur zu geriatrischen Patienten oder zu älteren Patienten herangezogen werden
konnte, fand diese besondere Erwähnung im Text. Nicht berücksichtigt wurden
Kasuistiken oder Untersuchungen, die nicht in englischer oder deutscher Sprache
verfasst wurden. Ferner fanden keine experimentellen Untersuchungen aus der
Grundlagenforschung, tierexperimentelle Studien und solche ohne Patientenkollektive
Eingang in die vorliegende Leitlinie.
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• Bewertung der Evidenz
a) Version 4/2016
In einem Gruppenprozess wurde die vorhandene und nach inhaltlicher Relevanz
extrahierte Literatur auf ihre gemeinsam nach ihrer Qualität bewertet
(randomisierte Untersuchung? Plazebokontrollierte Studie? Durchschnittsalter der
Patienten? Geriatrische Patienten? Stichprobengröße? Studiendauer?). Für die
Einteilung in Evidenzgrade wurde die erste Klassifikation der Agency for Healthcare
research and Quality verwendet (siehe Tabelle).
Stufe /Evidenz-Typ
Ia wenigstens ein systematischer Review auf der Basis methodisch hochwertiger
kontrollierter, randomisierter Studien (RCT)
Ib wenigstens ein ausreichend großer, methodisch hochwertiger RCT
IIa wenigstens eine hochwertige Studie ohne Randomisierung
IIb wenigstens eine hochwertige Studie eines anderen Typs quasi-experimenteller
Studien
III mehr als eine methodisch hochwertige nichtexperimentelle Studie
IV Meinungen und Überzeugungen von angesehenen Autoritäten (aus klinischer
Erfahrung); Expertenkommissionen; beschreibende Studien
AHCPR Publication 1992, 92-0032: 100-107 siehe auch unter
https://web.archive.org/web/20130927204524/http://www.cochrane.de/de/evidenz-
empfehlung [ 20.11.2018]
Tabelle 2: Evidenzklassifikation nach AHRQ
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b) Version 1/2019
Im Rahmen des Überarbeitungsprozesses wurde die neu gefundene Evidenz
strukturiert nach dem SIGN Grading System (inkl. der Aspekte des Cochrane Risko
fo Bias Tools – in SIGN Checklisten enthalten) bewertet.
Stufe/Evidenztyp
1++ High quality meta-analyses, systematic reviews of RCTs, or RCTs with a very
low risk of bias
1+ Well conducted meta-analyses, systematic reviews of RCTs, or RCTs with a low
risk of bias
1- Meta-analyses, systematic reviews or RCTs, or RCTs with a high risk of bias
2++ High quality systematic reviews of case-control or cohort studies or
High quality case-control or cohort studies with a very low risk of confounding,
bias, or chance and a high probability that the relationship is causal
2+ Well conducted case-control or cohort studies with a low risk of confounding,
bias, or chance and a moderate probability that the relationship is causal
2- Case-control or cohort studies with a high risk of confounding, bias, or chance
and a significant risk that the relationship is not causal
3 Non-analytic studies, eg case reports, case series
4 Expert opinion
Harbour R1, Miller J.BMJ. 2001 Aug 11;323(7308):334-6.
Tabelle 3: Levels of evidence nach SIGN 2001
• Erstellung von Evidenztabellen
a) Version 4/2016
Erstmals wurden hier für das Kapitel „Verhaltensintervention“ (Kapitel 7)
Evidenztabellen erstellt
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b) Version 1/2019
In dem Leitlinien-update 1/2019 wurden nun zusätzliche für die Kapitel
Anticholinergika (6.1, 6.2), Botulinum Toxin (6.3), Mirabegron (6.4), DDAVP (6.6),
Toilettentraining (8), Physiotherapie (9), Hilfsmittel, (10), Qualifizierte Pflegekraft (11)
und Harnblasenlangzeitdrainage (12) Evidenztabellen erstellt
Formulierung der Empfehlungen und strukturierte Konsensfindung • Formale Konsensfindung Nach Erstellung des Leitlinientextes wurden alle Leitlinienempfehlungen nach dem
Überprüfungs- und Bewertungsprozess in der Gruppe in einem anonymisierten
Prozess zur schriftlichen Einzel-Abstimmung gebracht. Das Ergebnis findet sich mit
dem Anteil der zustimmenden Mitglieder der Arbeitsgruppe angegeben in Prozent
hinter jeder Empfehlung. Die aktuellen Mitglieder der Arbeitsgruppe Harninkontinenz
der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie sind im Vorwort der Leitlinie aufgeführt.
• Vergabe von Empfehlungsgraden Die Empfehlungsgrade wurden sowohl für die Version 4/2016 als auch für die
Version 1/2019 streng nach der zugrundeliegenden Evidenz vergeben in Anlehnung
an die damaligen AHRQ- Empfehlungen.
Grad A
Basiert auf klinischen Studien von guter Qualität und Konsistenz, welche spezifische
Empfehlungen gegeben haben und mindestens eine randomisierte Studie beinhalten
(konsistente Level-1- Untersuchungen)
Grad B
Basiert auf gut durchgeführten klinischen Studien, aber ohne randomisierte klinische
Studien (konsistente Level-2- oder-3- Studien)
Grad C
Basiert ohne direkt zutreffende Studien von guter Qualität (Level-4-Untersuchungen
oder Level-2/3-Untersuchungen mit mehrheitlicher Evidenz
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Tabelle 4: Empfehlungsgraduierung in Anlehnung an ehemalige AHRQ
Empfehlungen
Für die nächste Aktualisierung ist die Berücksichtigung weiterer Aspekte und die
konsistente sprachliche Formulierung entsprechend der Empfehlungsgrade geplant.
• Berücksichtigung von Nutzen, Nebenwirkungen-relevanten Outcomes
In der Leitlinie wurden Besonderheiten des geriatrischen Patienten im Hinblick auf
seinen kognitiven Zustand, seine häufig reduzierte Compliance, verminderten
Funktionsreserven und pharmakologische Besonderheiten berücksichtigt.
• Formulierung der Empfehlungen und Vergabe von Evidenzgraden und/oder Empfehlungsgraden
Die Klassifizierung der Evidenzgrade erfolgte gemäß dem schottischen SIGN Grading
System 1999 – 2012 (https://www.sign.ac.uk/assets/sign_grading_
system_1999_2012.pdf
1.3.4 Externe Begutachtung und Verabschiedung
• Pilottestung
Eine systematische Pilottestung der Leitlinie oder von Leitlinienteilen fand nicht statt.
• Externe Begutachtung und
• Verabschiedung durch die Vorstände der herausgebenden
Fachgesellschaften/Organisationen
Die Leitlinie wurde 2009 bei Erstellung und 2014 sowie Juli 2018 nach der jeweiligen
Aktualisierung dem Vorstand der Dt. Gesellschaft für Geriatrie zur Verabschiedung
vorgelegt. Nach Verabschiedung durch die Fachgesellschaft erfolgte die formale
Prüfung durch das AWMF-IMWi und die Aufnahme in das Leitlinienregister.
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1.3.5 Redaktionelle Unabhängigkeit • Finanzierung der Leitlinie
Eine „Finanzierung“ der Leitlinie lag von keiner Seite vor. Sie wurde weder durch die
auftraggebende Gesellschaft, noch durch Drittmittel unterstützt – alle Mitglieder der
Leitliniengruppe haben Reise- und Tagungskosten sowie die Kosten der
Literaturrecherche aus privaten Mitteln bestritten. Redaktionelle/Sekretariats-Arbeiten
wurden ohne Fremdfinanzierung durch die Mitglieder der Leitliniengruppe selbst
vorgenommen.
• Darlegung von und Umgang mit potentiellen Interessenskonflikten
Die Leitlinie wurde von den Mitgliedern der AG Inkontinenz neutral, unabhängig und
ohne Finanzierung oder Aufwandsentschädigung von dritter Seite im Auftrag der
Deutschen Gesellschaft für Geriatrie in personam des Präsidenten erstellt. Potentielle
Interessenskonflikte der Mitglieder wurden zu Beginn der Leitlinienerstellung
untereinander offengelegt. Es wurde vereinbart, bei möglichen Interessenskonflikten
im Abstimmungsprozess des entsprechenden Punktes nicht teilzunehmen.
1.3.6 Verbreitung und Implementierung
• Konzept zur Verbreitung und Implementierung
Nach Verabschiedung und Akkreditierung bei der Arbeitsgemeinschaft
wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften AWMF ist die Verbreitung der
Leitlinie über die Homepage der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie sowie eine
Publikation in einem urologischen Printmedium geplant. Vorgespräche haben hierzu
bereits stattgefunden.
• Unterstützende Materialien für die Anwendung der Leitlinie
Die Erstellung solcher Materialien ist nicht vorgesehen.
• Diskussion möglicher organisatorischer und/oder finanzieller Barrieren gegenüber der Anwendung der Leitlinienempfehlungen
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An einzelnen Punkten wurden die Kosten besonders für Personal bei
Leitlinienempfehlungen bzw. die Auswirkungen der Leitlinienempfehlungen z. B. auf
den Pflegeaufwand diskutiert.
• Messgrößen für das Monitoring: Qualitätsziele, Qualitätsindikatoren
Messgrößen für ein Monitoring wurden nicht definiert.
1.3.7 Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren • Datum der letzten inhaltlichen Überarbeitung und Status
Die Leitlinie „Harninkontinenz“ der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie wurde
erstmals 2005 und 2008 publiziert und 2009 bei der Arbeitsgemeinschaft medizinisch
wissenschaftlicher Fachgesellschaften eingestellt (Leitlinien-Nr. 84-001). Während
des Jahres 2013 wurde die gültige Version aus dem Jahr 2009, die die Literatur seit
2008 berücksichtigt hatte, aktualisiert. Neben der Anpassung und Eingabe aktueller
Literaturstellen von 2008 bis 2013 wurden die Kapitel „Hormonersatztherapie“ und
„Belastungsinkontinenz der Frau“ wegen der inzwischen vorhandenen eigenständigen
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie gestrichen und drei neue Unter-
Kapitel eingefügt: Botulinum Toxin, Glycosaminoglycanersatz und
Verhaltensmodifikation (Gewichtsreduktion, Coffein, Flüssigkeitsmanagement,
Diuretika, DDAVP, Stuhlregulation, Rauchen). Besonders hingewiesen sei auch auf
die Bewertung der seit 2008 neu auf dem Markt befindlichen Substanzen „Botulinum
Toxin“, „Fesoterodin“ und „Silodosin“.
Im vorliegenden update wurden neben einer Überarbeitung der Leitlinienversion 2014
die Kapitel „Mirabegron“ (diese Substanz wurde neu in den Markt eingeführt und ist
nach vorübergehender Nicht-Verfügbarkeit in Deutschland seit dem Herbst 2017
wieder verfügbar) und „Harnblasenlangzeitdrainage“ neu eingebracht.
Leitlinien-Report zur S2e-Leitlinie 084-001, Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie
aktueller Stand: 2.1.2019
Seite 21 von 21
• Aktualisierungsverfahren
Die vorliegende Leitlinienversion soll bis zum 1. 1. 2024 Gültigkeit besitzen.
Ansprechpartner für Kommentare ist der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Inkontinenz
de Dt. Gesellschaft für Geriatrie (Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Lehrstuhl für Geriatrie
der Universität Witten/Herdecke, Evangelisches Krankenhaus Witten gGmbH
Urologische Klinik, Pferdebachstr. 27, 58455 Witten,
awiedemann@evk-witten.de, 02323/175 - 2521).
Erstveröffentlichung: 05/2005
Überarbeitung von: 01/2019
Nächste Überprüfung geplant: 01/2024
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