Post on 18-Sep-2018
Magazin der Berufsbildungswerk Adolf Aich gGmbH 1|20121|2013
Freiwillige Dienste:Lernen fürs LebenSeite 16
Jubiläum:15 Jahre RAZ UlmSeite 28
Titelthema: TeilhabeSeite 4
Rinderflüsterer:Tipps vom ExpertenSeite 24
Inhalt
2 | Auf Kurs 1-2013
Unsere Autoren in diesem Heft: Inhalt
Titel: Seit 15 Jahren: Ausbildung im regionalen Ausbildungs-
zentrum (RAZ) Ulm (Foto: Kästle)
Standpunkt 3
Titelthema: : Teilhabe 4
Neue Heimat: Jugendliche Flüchtlinge im BBW 5
WfbM: Mittendrin im Schreinerzentrum 6
Josef-Wilhelm-Schule: eine Schule für alle 7
Interview: Psychologin Gabriele Schneider über
Autisten im BBW 8
Der Politik ganz nahe: Azubis auf Berlin-Reise 10
Rein in den Job: Qualifizierungsmaßnahmen im BBW 12
BVE und KoBV: Neue Zielgruppen 13
Ein neues Leben: BBW-Ausbilder Volkan Akarsu 14
Inklusion: Mitarbeiter nehmen Stellung 15
BBW im Überblick
Monate voller Erfahrung: Freiwillige Dienste im BBW 16
Kurz und kompakt: Aktuelles aus dem BBW 18
Serie: Ausbildungsberufe im BBW
Berufe rund um Backstube und Fleischtheke 20
Josef-Wilhelm-Schule
Schüler unterstützen Kunstprojekt Hungertuch 21
Assisi und Korsika: Schüler unterwegs in Europa 22
Girls only: Mädchensporttag im BBW 23
Spende für krebskranke Kinder 23
Bildung und Arbeit
Arbeitssicherheit: Praxistipps vom „Rinderflüsterer“ 24
Fachdienste
Motorik-Training: Die richtige Balance finden 25
AUFWIND-Training©: Raus aus der Opferrolle 26
Lernen trotz Autismus: Fachtag im BBW 27
Schillerstraße 15 Ulm
15 Jahre Regionales Ausbildungszentrum Ulm 28
Guck mal: RAZ-Impressionen 1998 bis 2013 30
Kurz und kompakt:
Aktuelles aus der Schillerstraße 15 31
Erfolgreicher Kickboxer: Azubi Ilhan Cillinger 32
Einen Augenblick bitte…
Johannes Hettrich 33
Service
Ausbildungsangebote 34
Übersicht 35
Impressum 2
Christof Klaus Freier Mitarbeiter
Liebenau Teamwork Kommunikation
Claudia WörnerFreie MitarbeiterinLiebenau Teamwork Kommunikation
Lioba ScheidelFreie MitarbeiterinLiebenau Teamwork Kommunikation
Elke Benicke Freie Mitarbeiterin
Liebenau Teamwork Kommunikation
Klaus Hagmannstellvertretender
SchulleiterJosef-Wilhelm-Schule
Wolfgang Dreyer Leiter AbteilungWohnen und Freizeit
Elvira Ruf LehrerinJosef-Wilhelm-Schule
Jutta DickmannsLehrerin
Josef-Wilhelm-Schule
Catherine BourLehrerinJosef-Wilhelm-Schule
Maria Fuchsloch Lehrerin
Josef-Wilhelm-Schule
Impressum
Auf Kurs
Magazin der Berufsbildungswerk
Adolf Aich gGmbH
Herausgeber:
Berufsbildungswerk Adolf Aich gGmbH
www.bbw-rv.de
Redaktion:
Liebenau Teamwork Kommunikation GmbH
Helga Raible (verantwortlich), Christof Klaus
Siggenweilerstraße 11
88074 Meckenbeuren
Tel.: 07542/10-1181
Fax: 07542/10-1117
E-Mail: christof.klaus@teamwork-kommunikation.de
Auflage: 2200
Erscheinungsweise: 2 Ausgaben pro Jahr
Druck: Druckhaus Müller, Langenargen
Auf Kurs 1-2013 | 3
Leitartikel
„Es gibt keinen Weg zurück.“ Mit diesem Satz beschrieb der
Ravensburger Landtagsabgeordnete Manfred Lucha bei ei-
ner Podiumsdiskussion im Berufsbildungswerk Adolf Aich
(BBW) jüngst recht deutlich den Stand der Dinge in Sachen
Inklusion. Es gehe um das Grundrecht auf Partizipation in ei-
ner offenen Gesellschaft für alle. „Und alle heißt alle“, so der
sichtlich vom Inklusionsgedanken beseelte Grünen-Politiker.
Teilhabe für alle. Miteinander statt nebeneinander. Gemein-
sam statt separat. Das ist der Geist der Inklusion, den inzwi-
schen alle spüren. Sozial- und Bildungseinrichtungen werden
in den nächsten Jahren ihr Gesicht verändern. Es mögen vie-
le, vielleicht sogar die meisten Fragen noch offen sein. Aber
eines ist klar: der Inklusionszug rollt. Nun gilt es aber, die
Akteure mitzunehmen. Die Träger, aber eben auch die Be-
troffenen selbst: Junge Menschen, die sich an einer sensib-
len Schnittstelle zwischen Schule und Beruf befinden, an der
die Weichen für eine nachhaltige Teilhabe gestellt werden.
Aber ist das gegenwärtige Ausbildungssystem den enormen
Herausforderungen der Inklusion überhaupt gewachsen?
Das bezweifeln viele. Zu unterschiedlich sind die Bedürfnisse,
Wünsche und Voraussetzungen der Klientel sowie die Anfor-
derungen des Arbeitsmarktes. Eine gemeinsame Berufsschu-
le? Was ist mit autistischen Azubis? Eine reine betriebliche
Ausbildung? Was ist mit psychisch kranken Menschen? Nein,
diese etwas komplizierteren Lebensläufe, die typisch sind
für das BBW des Jahres 2013, brauchen differenzierte Ange-
bote. Hier ist nicht damit getan, ein paar Rollstuhlrampen
aufzustellen, ein bisschen Nachhilfeunterricht zu geben.
Hier braucht es das BBW-eigene Netz aus Bildungsbegleitern,
Psychologen, Lehrern, Erziehern und Ausbildern. Und auch
die UN-Behindertenrechtskonvention selbst – quasi das
Grundgesetz der Inklusion – schließt besondere pädagogi-
sche Maßnahmen in speziellen Institutionen nicht aus.
Es wäre auch töricht, dieses nachweislich erfolgreiche Sy-
stem, dieses in vielen Jahren gewachsene Know-how durch
ein resolutes „Ganz oder gar nicht“ abzuschalten und damit
jungen Menschen eine bewährte Anlaufstelle zu nehmen,
die sie selbst meist eben nicht als Bildungsghetto empfin-
den, sondern als positiven Wendepunkt, als Start in ein
eigenständiges Leben. Das mag in manchen Fällen auch an-
derswo funktionieren (vorausgesetzt, die fachlichen und
finanziellen Mittel werden bereitgestellt), viele würden aber
garantiert auf der Strecke bleiben. Denn gerade das Gesamt-
paket BBW mit seinen aufeinander abgestimmten und um-
fassenden Hilfen ist für nicht wenige der letzte Ausweg aus
einer Biografie, die ansonsten nicht in der Gesellschaft, son-
dern an deren Rand enden würde.
Zur Inklusion gehört auch die Wahlfreiheit: Menschen mit
Förderbedarfen haben das Recht auf Berufsvorbereitung
und Ausbildung in Spezialeinrichtungen, wenn das für sie der
bessere Weg ist. Ihr Wohl steht schließlich über allem. Inklusi-
on darf keine Mogelpackung sein, auf der Teilhabe drauf-
steht, aber im Endeffekt doch die Ausgrenzung Einzelner
herauskommt. „Notwendig ist ein bedachter Weg zu mehr
Gemeinsamkeit, unaufgeregt und ohne ideologische Zuspit-
zung, der auch institutionelle Differenzierungen zulässt“,
wie Prof. Bernd Ahrbeck vom Institut für Rehabilitationswis-
senschaften an der Humboldt Universität zu Berlin einmal
über schulische Inklusion schrieb. Das gilt so auch für die
berufliche Bildung. Natürlich ist Inklusion eine großartige
Vision, ein wichtiger Leitfaden. Und natürlich gehört jede
Institution früher oder später auf den Prüfstand. Aber eine
Revolution, die ihre eigenen Kinder frisst, darf Inklusion nicht
sein. Und der Inklusionstrend darf auch nicht missbraucht
werden, um Kosten zu Lasten der Menschen mit Teilhabe
bedarfen zu sparen. „Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif“,
betonen deshalb auch die BBW-Mitarbeitervertreter in ihrer
Stellungnahme (siehe Seite 15).
„Es gibt keinen Weg zurück.“ Den Weg nach vorne hat das
Berufsbildungswerk Adolf Aich schon vor Jahren eingeschla-
gen und ist von der einst eng definierten Sondereinrichtung
für Lernbehinderte heute so weit entfernt wie nie zuvor in
seiner über 30-jährigen Geschichte. So unterschiedlich die
Teilnehmer sind, ihr Ziel ist dasselbe: Teilhabe. Und schon
der Weg dorthin ist praxisnah und inklusiv. Da ist der Ausbil-
dungsbetrieb „Café Miteinander“ in der Ravensburger Innen-
stadt, da sind die vielen Praktika in den unzähligen Partner-
betrieben des BBW in der ganzen Region, da ist die auf
betriebliche Ausbildungsphasen setzende Verzahnte Aus-
bildung mit Berufsbildungswerken (VAmB), deren Anteil bis
zum Jahre 2020 auf 20 Prozent steigen soll. Und da sind die
vielen Qualifizierungsmaßnahmen für Menschen jeglichen
Alters.
Das BBW ist kein schwerfälliger Dinosaurier, kein Auslauf
modell mit Methoden von gestern. Nein. Dass es flexibel,
innovativ und zukunftsgerichtet ist, hat es längst bewiesen.
Dass es bereit ist, sich neuen Herausforderungen zu stellen,
auch. Aber der Wandel muss durchdacht sein und nicht zu-
letzt von den Kostenträgern auch ordentlich finanziert wer-
den. Ein gesundes und handlungsfähiges Berufsbildungswerk
wird seine Ressourcen voll einbringen können und Verant-
wortung übernehmen in einer zukünftigen Bildungsland-
schaft. Vielleicht irgendwann einmal unter ganz anderen
strukturellen Vorzeichen, vielleicht in anderer Form, viel-
leicht – wie Lucha philosophierte – tatsächlich als Art „Han-
delsvertreter in eigener Sache für benachteiligte Menschen“.
Aber – auch das betonte der Mandatsträger: Politische
„Schnellschüsse“ darf es nicht geben, und das BBW mit sei-
nen anerkannten Kompetenzen muss mit im Boot sitzen.
Berufsbildungswerke haben also auch in Zeiten der Inklusion
nicht nur eine Daseinsberechtigung. Vielmehr spielen sie eine
ganz entscheidende Rolle bei der Aufgabe, Menschen mit
Förderbedarf ganz selbstverständlich Teilhabe zu ermögli-
chen. Als eine kompetente Inklusionsagentur, die jeden Ein-
zelnen dort haben will, wo er hingehört: in die Mitte der
Gesellschaft.
Christof Klaus
Inklusionsagentur BBW
Guck malTeilhabe
Vom Jugendlichen mit einer geisti-
gen Behinderung bis hin zum Studi-
enabbrecher, vom Autisten bis hin
zum Kriegsflüchtling, von der Al-
leinerziehenden über den Migran-
ten bis zum Arbeitslosen über 50:
Über dreißig Jahre nach seiner
Gründung richtet sich das Berufs-
bildungswerk Adolf Aich (BBW) heu-
te an die verschiedensten Zielgrup-
pen. Sie alle eint dasselbe Ziel: Teil-
habe am Arbeitsmarkt, und damit
Teilhabe an der Gesellschaft.
Einst als berufliche Rehabilitationsein-
richtung für junge Menschen mit ei-
ner Lernbehinderung ins Leben geru-
fen, hat sich das Ravensburger BBW
längst zu einer umfassenden Spezi-
aleinrichtung für Bildung und Teilhabe
von Menschen mit den unterschied-
lichsten Startschwierigkeiten und Be-
Titelthema: Teilhabe
nachteiligungen entwickelt. Nicht erst
seit der Inklusionsdebatte hat sich das
Berufsbildungswerk Adolf Aich brei-
ter aufgestellt und weitere Zielgrup-
pen für sich gewonnen. Bereits mit
der Belegungskrise Mitte der „Nuller
Jahre“ wurden neue Maßnahmen inte-
griert und Kompetenzen hinsichtlich
Beeinträchtigungen wie Autismus,
ADHS oder psychischen Störungen
vertieft.
Heute finden nach wie vor Jugendli-
che mit Lernschwächen im BBW den
richtigen Ort, um auf ihrem Weg in
den Beruf begleitet und unterstützt
zu werden. Aber auch die alleinerzie-
hende Mutter, die die gewünschte
Rückkehr in den Job nicht alleine
schafft, der arbeitssuchende 55-Jäh-
rige oder der 20-jährige Autist be-
kommen hier die Hilfe, die sie brau-
chen. Neue berufsvorbereitende Maß-
nahmen wie „BVE“ oder „KoBV“ rich-
ten sich auch an Jugendliche aus
Schulen für Geistigbehinderte, und
schon seit 2006 arbeiten Menschen
mit geistiger Behinderung Tür an Tür
mit den Azubis und Ausbildern des
BBW-Schreinerzentrums.
Keine Einbahnstraße ist die Kooperati-
on mit zahlreichen externen Betrie-
ben aus der ganzen Region. Diese
nehmen nicht nur BBW-Praktikanten
auf, sondern schicken ihre eigenen
Lehrlinge zu Schulungen und Qualifi-
zierungen ins BBW.
Dieser kleine Ausschnitt aus dem All-
tag in der „Inklusionsmaschine“ BBW
zeigt: Hier wird Teilhabe gelebt.
Mehr über das Titelthema dieser Aus-
gabe von Auf Kurs lesen Sie auf den
folgenden Seiten.
4 | Auf Kurs 1-2013
Foto: vege (Fotolia.com)
Auf Kurs 1-2013 | 5
Sophie Fonfara (rechts) vom Fachdienst Jugendhilfe im BBW ist Ansprechpartner für jugend-liche Flüchtlinge. Foto: privat
Sie stammen aus Gambia, Afghani-
stan und Somalia: jugendliche
Flüchtlinge, die ohne Eltern oder
Verwandte nach Deutschland kom-
men und auf die Genehmigung ih-
res Asylantrags warten. Im Berufs-
bildungswerk Adolf Aich (BBW) in
Ravensburg leben aktuell sechs von
ihnen in der Gemeinschaft mit an-
deren Jugendlichen, lernen die
deutsche Sprache und erhalten Un-
terstützung auf dem Weg zur Inte-
gration ins Gemeinwesen.
2011 wurden im Wohnbereich des
BBW erstmals jugendliche Flüchtlinge
aufgenommen. Nach ihrer Anfangs-
zeit im Wohnbereich leben je zwei Ju-
gendliche aus Gambia und Afghanistan
bereits in der Stadt. Zwei Mädchen aus
Somalia kamen im April über den zen-
tralen Aufnahmebereich in Karlsruhe
nach Ravensburg. „Unser Ziel ist, die
Jugendlichen ganzheitlich im BBW mit
einzubinden“, sagt Wohnbereichsleiter
Wolfgang Dreyer. Da der Schlüssel zur
Integration in der Sprache liegt, steht
die Aneignung von Deutschkenntnis-
sen an erster Stelle. Jeden Vormittag
haben die Jugendlichen Sprachunter-
richt an der Edith-Stein-Schule, mit
der das BBW kooperiert. „Sie sind
sehr motiviert und machen gute
Fortschritte“, so Dreyer.
In der Freizeit nehmen die Jugendli-
chen an den Angeboten des BBW teil.
„Neben Bildung und Praxis geht es
darum, die typisch deutsche Tages-
struktur mit ihren kulturellen Gege-
benheiten und unseren Lebensrhyth-
mus kennen zu lernen“, berichtet der
Wohnbereichsleiter. Dabei spielen ge-
genseitige Rücksichtnahme im Sinne
von Geben und Nehmen eine wichtige
Rolle. „Sie sind vom westlichen Kultur-
kreis gefordert, manche Riten wer-
den unterbrochen, andere ersetzt“,
stellt Dreyer fest. Muslimen werde
aber zum Beispiel gezeigt, wo sich die
Moschee in Ravensburg befindet.
Möglichst bald werden sie angeregt,
im städtischen Alltag Anknüpfungs-
punkte zu finden. Zum Beispiel haben
zwei der Jugendlichen im Ravensbur-
ger Handballverein Fuß gefasst. Dane-
ben bereiten sie sich über verschiede-
ne Bildungswege auf einen Schulab-
schluss vor oder haben den Führer-
schein im Blick. „Allen jugendlichen
Flüchtlinge ist klar, dass sie selbst et-
was tun müssen“, so die Erfahrung
von Wolfgang Dreyer. Anfangs seien
sie sehr aufeinander bezogen gewe-
sen und hätten sich gegenseitig an
der Hand genommen. „Aber im Laufe
der Zeit gehen sie zunehmend eigene
Wege.“
Voneinander profitieren
Die anderen Jugendlichen im BBW
reagieren aufgeschlossen gegenüber
den Flüchtlingen. „Es gibt viele
Schnittstellen. Einzelne fungieren
auch als eine Art Pate und nehmen sie
zum Beispiel mit in die Stadt“, erzählt
der Wohnbereichsleiter. Davon profi-
tieren wiederum BBW-Jugendliche mit
einer Lernbehinderung, die auf diese
Weise selbst Unterstützung geben
können. Auch die Motivation der ju-
gendlichen Flüchtlinge wirke sich posi-
tiv auf die anderen aus. „Ich bin sicher,
dass hier bei uns Inklusion im Sinne
von Teilhabe an der Gesellschaft bes-
ser gelingt als im Asylbewerberheim.“
Drohende Abschiebung
Aber: Trotz aller Anstrengung hängt
über den jugendlichen Flüchtlingen
mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus
das Damoklesschwert der Abschie-
bung: „Das lastet auf ihrer Seele“,
weiß Wolfgang Dreyer.
Claudia Wörner
Jugendliche Flüchtlinge im BBW
Mehr Teilhabe als im Asylbewerberheim
Teilhabe
6 | Auf Kurs 1-2013
Ein Gefühl für Holz: WfbM-Mitarbeiter David Cohen restauriert die verwitterten Massivholzlatten der Sitz-bänke im Außenbereich des BBW. Foto: Scheidel
Sitzbänke restaurieren, Kindermö-
bel bauen, Oberflächen behandeln
– im Schreinerzentrum des BBW ist
eine Werkstatt integriert, die Men-
schen mit geistiger Behinderung
beschäftigt (WfbM). Ermöglicht
wird diese Teilhabe an der Arbeit
durch eine Kooperation mit der St.
Gallus-Hilfe der Stiftung Liebenau.
Mittendrin im Schreinerzentrum –
zwischen Produktion und Ausbildung
– befindet sich diese Werkstattgrup-
pe für behinderte Menschen. Die drei
festen Mitarbeiter haben einen ähnli-
chen Weg durchlaufen wie die BBW-
Jugendlichen. Um ihre Neigungen ken-
nenzulernen, haben sie in verschiede-
nen Werkstätten gearbeitet, ob In-
dustriemontage, Grünland oder Me-
tall. Auch David Cohens berufliche
Vorgeschichte ist lang. Bis er in die
Schreinerei kam. Er hat ein Gefühl für
Holz, ist ganz in seine Arbeit vertieft
Arbeitsplätze für Menschen mit einer geistigen Behinderung im BBW
Mittendrin im Schreinerzentrum
und führt mit sicherer Hand den
Schleifapparat.
Es sind keine schlichten Aufgaben, die
von den Werkstattmitarbeitern aus-
geführt werden. „Wir sind in die Pro-
duktion des Schreinerzentrums einge-
bunden“, erklärt Arbeitserzieher Diet-
rich Broß. Natürlich muss er abwägen,
was er seinen Mitarbeitern zumuten
kann oder welche Maschinen sie be-
dienen können. Aber im Detail, wie in
der Oberflächenbehandlung von Mas-
sivholzmöbeln, ist auf sie Verlass. Da
macht es keinen Unterschied, ob es
sich um eine Holzeinrichtung nach
dem „Würzburger Modell“ handelt
oder um individuelle Anfertigungen
für das Kinderzimmer.
Auch Auszubildende können in der
BBW-Schreinerei phasenweise in der
WfbM mitarbeiten. Für viele Jugendli-
che ist sie eine Art Oase, wo sie Aus-
bildungsinhalte für die Prüfung üben
können. Kai Matt bereitet sich zum
Beispiel gerade auf den Maschinen-
schein vor. Dafür arbeitet er jede Wo-
che einen Tag in der Werkstatt mit,
wird von Dietrich Broß und Ulrich
Steinle vom Berufsbildungsbereich
der St. Gallus-Hilfe an den großen Ma-
schinen angeleitet.
Alle lernen voneinander
Das Team um Broß und Steinle hat
seinen festen Platz im BBW gefunden.
So entlasten die WfbM-Mitarbeiter
den Produktionsbetrieb, sind zuver-
lässig in der Arbeit und haben eine of-
fene Tür für die Jugendlichen. Die
Mitarbeiter gehen mit ihnen in die
Pausen, begleiten die sozialpädagogi-
schen Tage und sind treue Fans auf
dem Fußballplatz. Die Erfahrung zeigt:
„Alle lernen voneinander.“
Lioba Scheidel
Auf Kurs 1-2013 | 7
Die heutige Vielfalt der Klientel
wirkt sich auch auf die BBW-eigene
Sonderberufsschule, die Josef-Wil-
helm-Schule (JWS), aus. Jugendliche
mit ganz unterschiedlichen Beein-
trächtigungen und Förderbedarfen
werden hier unterrichtet. Um die-
ser Aufgabe gerecht zu werden,
passt sich die Schule den speziellen
Bedürfnissen ihrer Schüler an. Wie
das – mit viel Engagement des Leh-
rerpersonals und trotz begrenzter
Ressourcen – im Unterrichtsalltag
gelingt, verdeutlichen diese Bei-
spiele:
Unterrichtsorganisation
(Beispielklasse: Kaufleute für Büro-
kommunikation)
Bei der Beschulung dieser Gruppe be-
rücksichtigt die JWS bei der Unter-
richtsorganisation besonders die psy-
chischen Beeinträchtigungen der
Schüler und die damit notwendigen
Rahmenbedingungen für den Erfolg
der Ausbildung. Der Unterricht findet
nicht wie bei anderen Schulklassen in
einem Klassenzimmer der Schule, son-
dern in der von den Schülern gewohn-
ten Ausbildungsumgebung statt. Au-
ßerdem wurden die Unterrichtszeiten
an die Bedürfnisse der Schüler ange-
passt. So haben diese Schüler zum ei-
nen andere Pausenzeiten als die ande-
ren Klassen. Zum anderen werden pro
Schultag nur fünf beziehungsweise
sechs Stunden anstatt wie in den an-
deren Klassen sieben Stunden unter-
richtet.
Klassenteilung
(Beispielklasse: Holzfachwerker)
Bei dieser Gruppe mit acht Schülern
handelt es sich um eine Gruppe mit
extrem verhaltensauffälligen Teilneh-
mern, bei der die Beschulung in einer
Klasse nicht möglich ist. So wurde die
Gruppe in zwei kleine Klassen geteilt
und im Gegenzug der Unterricht auf
einen Unterrichtstag mit acht Unter-
richtsstunden reduziert.
Teamteaching
(Beispielklasse: Farbe)
In der Allgemeinbildung wurde die
Klasse der Fachpraktiker für Maler
und Lackierer mit zwölf Schülern und
die Klasse der Bau- und Metallmaler
(Schwerpunkt Fahrzeuglackierer) mit
zwei Schülern zusammengelegt. Ein
Schüler in dieser Gruppe ist sehr ver-
haltensauffällig. Zur Unterstützung
der Lehrerin geht ein Kollege stun-
denweise mit in die Klasse und küm-
mert sich speziell um diesen Schüler.
Dadurch ist ein Arbeiten in der Ge-
samtgruppe möglich.
Autismus-Spektum-Störungen
(Beispielklassen: VAB)
Um den speziellen Bedürfnissen von
Jugendlichen mit einer Autismus-
Spektrum-Störung gerecht zu wer-
den, entwickelte die Schule für das
berufsvorbereitende Vorqualifizie-
rungsjahr Arbeit/Beruf (VAB) ein neu-
es Konzept: In zwei kleinen eigenen
Klassen mit angepassten Rahmenbe-
dingungen und Unterrichtsinhalten
sowie einer reizarmer Umgebung för-
dern zwei Lehrkräfte diese Schüler
optimal. Darüber hinaus führt die
Schulsozialarbeiterin intensive Einzel-
gespräche mit jedem Schüler und bie-
tet Kompetenztrainings an.
Klaus Hagmann
stellvertretender Schulleiter
Die Josef-Wilhelm-Schule des BBW
Eine Schule für alle
Mit individueller Unterstützung zum Ziel: In der Josef-Wilhelm-Schule lernen Jugendliche unter fachkundiger Anleitung das nötige Rüstzeug für den späteren Job. Foto: Kästle
Teilhabe
8 | Auf Kurs 1-2013
Autismus und Ausbildung? Im
Berufsbildungswerk Adolf Aich
ist das längst gelebte Realität.
Rund 80 Jugendliche mit einer
Autismus-Spektrum-Störung
werden hier derzeit auf ihrem
Weg in den Beruf begleitet. Mit
seiner erfolgreichen Arbeit und
der jahrelangen Erfahrung im
Umgang mit diesen Menschen
hat das BBW inzwischen weit
über die Grenzen der Region
hinaus einen guten Ruf erlangt.
Auf Kurs sprach mit Gabriele
Schneider, B. Sc. der Psycholo-
gie, vom BBW-Fachdienst Dia-
gnostik & Entwicklung.
Frau Schneider, wie bringen Sie
diese Menschen beruflich auf
Kurs?
Zunächst schauen wir, wo ihre
Stärken liegen und welche Rah-
menbedingungen sie benötigen.
Das heißt: Wir passen uns an die
Bedürfnisse des einzelnen Teilneh-
mers an und unterstützen ihn im
Aufbau von sozialer Kompetenz.
Zu diesen Soft Skills zählt auch die
Befähigung, die im normalen Be-
rufsalltag erforderlichen Aufga-
ben zu bewältigen. Dabei versu-
chen wir, den Grad der Unterstüt-
zung Schritt für Schritt herunter-
zufahren. Es wird zwar in den sel-
tensten Fällen gelingen, die Hilfen
ganz herauszunehmen, und eine
gewisse Unterstützung werden
diese Menschen immer brauchen.
Wir wollen aber erreichen, dass
die Betroffenen zu ihren eigenen
Experten werden. Sie sollen – so-
weit es eben geht – selber erken-
nen, was sie brauchen und dies
dann auch benennen.
Interview mit Gabriele Schneider vom BBW-Fachdienst Diagnostik & Entwicklung
„Sie sollen zu ihren eigenen Experten werden“
Sie sprachen von bestimmten
Rahmenbedingungen: Gibt es denn
Berufe, die sich aufgrund Ihres
relativ strukturierten Arbeitsall-
tags besonders gut für Autisten
eignen?
Generell zu sagen, diese oder jene Be-
rufe eignen sich nicht – das würde ich
so nicht unterschreiben. Grundsätz-
lich sollte man die Neigungen und
Wünsche der autistischen Jugendli-
chen berücksichtigen und versuchen,
einen Arbeitsplatz zu finden, der zu
ihren Stärken und Spezialinteressen
passt. Wir sollten uns immer fragen:
Machen wir uns zu Anwälten der Insti-
tutionen und der Kostenträger und
versuchen, die Menschen in ein vor-
gegebenes Schema zu bringen? Oder
machen wir uns zu Anwälten der Be-
troffenen und unterstützen sie in
dem, was sie können? Die Erfahrung
zeigt: Wenn Autisten in Bereichen un-
terkommen, die ihren Spezialinteres-
sen entsprechen, wird ein Arbeitge-
ber mit ihnen sehr glücklich werden.
Aber das bekommt er eben nicht zum
Nulltarif. Er wird bestimmte Rahmen-
bedingungen schaffen und auch ge-
wisse Hilfen erbringen müssen.
Wie sieht es denn generell mit
Vermittlungschancen aus?
Nach offiziellen Angaben kommen
wohl insgesamt nur 15 Prozent der
autistischen Menschen auf dem er-
sten Arbeitsmarkt unter, während im-
mer noch etwa 60 Prozent der Be-
troffenen in Werkstätten für behin-
derte Menschen landen. Wir hier im
BBW haben dagegen gute Vermitt-
lungsquoten, die nicht schlechter sind
„Eltern und Arbeitsagenturen sind von unserer Arbeit überzeugt“: Gabriele Schneider vom Fachdienst Diagnostik & Entwicklung im BBW. Foto: Klaus
Auf Kurs 1-2013| 9
Interview mit Gabriele Schneider vom BBW-Fachdienst Diagnostik & Entwicklung
„Sie sollen zu ihren eigenen Experten werden“als die Zahlen der anderen nichtauti-
stischen Teilnehmer, sich also in der
Größenordnung von rund 65 Prozent
bewegen. Die Erfolgschancen sind na-
türlich immer dann hoch, wenn unse-
re Jugendlichen in sogenannte Ni-
schenarbeitsplätze vermittelt werden
können.
Zum Beispiel?
Die Beiköchin, die nun in der Küche ei-
ner Reha-Klinik arbeitet und da – dank
einer Teilzeittätigkeit – ausschließlich
für die Salatzubereitung zuständig ist.
Oder der junge Mann, der sich schon
seit Jahren in einem Sportgeschäft
bewährt. Da es vorwiegend Artikel
aus seiner Lieblingssportart verkauft,
entspricht diese Tätigkeit seinem
Spezialinteresse. Eine weitere Absol-
ventin, eine Gärtnerin, die dem Druck
in einem normalen Betrieb eher nicht
gewachsen wäre, hat in einer Stadt-
gärtnerei auf Teilzeitbasis eine Stelle
gefunden, wohnt in einer WG und
kommt heute mit einer relativ losen
Betreuung zurecht.
Wie sieht der Ausbildungsalltag im
BBW für Autisten aus?
Unter anderem geht es darum, eine
reizarme Umgebung und strukturier-
te Abläufe zu schaffen. In der Schule
sind beispielweise auch öfters kleine-
re Auszeiten nötig. Wenn es etwa zu
laut wird, wenn es ihnen zu viel wird
oder ein Thema für sie in irgendeiner
Form belastend ist, dürfen sie sich
durchaus auch mal ausklinken. Das
heißt aber nicht, dass die Lerninhalte
angepasst werden. Die vorgegebenen
Leistungsnachweise müssen sie trotz-
dem erbringen.
… und in der Werkstatt?
Dort stehen häufig Strukturhilfen an,
die sie bei der Abarbeitung ihrer Auf-
gaben unterstützen. Was habe ich
schon erledigt, und was steht noch
auf dem Programm? Dabei wird im-
mer darauf geachtet, dass diese
Strukturhilfen später auch im Betrieb
umgesetzt werden können, ohne dass
der Betroffene zum Gespött der Mit-
arbeiter wird. Darüber hinaus werden
im Einzelcoaching verschiedene Dinge
trainiert: Wie bestimmte Aussagen zu
interpretieren sind zum Beispiel, oder
welches Verhalten in welcher Situati-
on angebracht ist und welches nicht.
Autistische Menschen denken und
handeln oft sehr logisch, erkennen
aber nicht, ob sie mit ihrem Tun even-
tuell eine ungeschriebene soziale Re-
gel brechen. Da muss oft zuerst über-
setzt werden.
Was heißt das konkret?
Wenn beispielsweise ein Mensch mit
Autismus seinen Arbeitskollegen Wa-
ren aus der Hand reißt, anstatt sie
normal entgegenzunehmen. Dabei will
er damit nur zeigen: Ich bin flott, ich
arbeite schnell. Es sind oft ganz prag-
matische Dinge, die mit ihnen explizit
geübt und besprochen werden müs-
sen.
Wie oft treten Sie da als Fach-
dienst in Aktion?
Das ist unterschiedlich. Im Zuge des
sogenannten Monitoring tausche ich
mich ja regelmäßig mit den Kollegen
in den Ausbildungswerkstätten aus
und erörtere bei möglichen Schwie-
rigkeiten im gemeinsamen Gespräch,
was zu tun ist. Wenn der Ausbilder
aufgrund seiner inzwischen erworbe-
nen Kompetenz im Umgang mit Autis-
ten die erforderlichen Rahmenbedin-
gungen alleine bewerkstelligen kann,
braucht man mich nicht unbedingt.
Manche Teilnehmer bekommen mich
persönlich also relativ selten zu Ge-
sicht. Es gibt aber auch junge Men-
schen, die ganz intensiv betreut wer-
den – im Sinne eines wöchentlichen
Einzelcoachings und von regelmäßi-
gen gemeinsamen Terminen mit dem
zuständigen Ausbilder. Wichtige An-
sprechpartner sind für uns natürlich
auch die Eltern. Sie sind die Experten
ihrer Kinder, sie kennen sie am bes-
ten. Von ihnen hole ich mir immer
wieder auch Rückmeldungen. Und
in vielen Dingen sind sie auch ganz
dankbar, ein paar Tipps von uns zu
bekommen. Wir profitieren gegen-
seitig voneinander.
Da es offenbar ja um eine ganz-
heitliche Begleitung und Unter-
stützung geht: Sind autistische
Jugendliche eigentlich überpro-
portional oft auch im BBW-
Wohnheim untergebracht?
Grundsätzlich nicht. Aber in der
Praxis schon, weil sie eben aus dem
ganzen Bundesgebiet zu uns kom-
men. So haben wir hier etwa auch
einen Jugendlichen aus dem Ems-
land.
Wie kommt das?
Die Familie hat sich mehrere Be-
rufsbildungswerke angeschaut und
dann unsere Einrichtung als die
passendste empfunden. Offen-
sichtlich haben wir uns in der Hin-
sicht gegenüber anderen Häusern
einen Vorsprung erarbeiten kön-
nen, sodass sowohl die Eltern als
auch die Arbeitsagenturen von un-
serer Arbeit durchaus überzeugt
sind.
Infos aus dem BBW– noch aktuellerNeben der Auf Kurs in-
formieren wir Sie über
die interessantesten
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mit dem BBW-Newsletter. Auf
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selbstverständlich kostenlos und
nur so lange Sie möchten.
Teilhabe
BBW-Teilnehmervertreter auf Kultur- und Bildungsreise in die Bundeshauptstadt
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!
Berlin, Berlin, wir fahren nach Ber-
lin! Gemäß diesem sportlichen
Schlachtruf ging es für eine Grup-
pe Jugendlicher und junger Er-
wachsener aus dem BBW zu einer
viertägigen politisch geprägten
Kultur- und Bildungsreise nach Ber-
lin. Sie waren zusammen mit ande-
ren engagierten und politisch in-
teressierten Menschen aus dem
Landkreis von der Ravensburger
Bundestagsabgeordneten Agniesz-
ka Brugger (Bündnis 90/Die Grü-
nen) in die Bundeshauptstadt ein-
geladen worden.
Im letzten Herbst war Brugger zu
Gast im BBW gewesen. Die damaligen
Gespräche über bildungspolitisch rele-
vante Themen mit den betroffenen
jungen Menschen waren mit ein
Grund für das Bundestagsmitglied,
nun diese Einladung ins politische Ber-
lin auszusprechen. Beeindruckt hat-
ten die Politikerin seinerzeit vor allem
die authentischen Darstellungen der
gewählten Teilnehmervertreter. De-
ren Aufgabe entspricht voll der so-
wohl im Kinder- und Jugendhilfege-
setz als auch im neuen Bundes-Kin-
der- und Jugendschutzgesetz veran-
kerte Forderung nach Partizipation
von jungen Menschen in Einrichtun-
gen der Jugend- und Behindertenhil-
fe. Und so empfanden die Teilneh-
mervertreter diese Fahrt als Aner-
kennung für ihre Arbeit, die sie stell-
vertretend für die vielen jungen Men-
schen im BBW übernehmen – ob als
Vertreter der Schüler und Auszubil-
denden oder als Gruppen- und Haus-
sprecher der stationären Wohngrup-
pen.
Das erste Mal Berlin
Für einige von ihnen war es die erste
Fahrt überhaupt nach Berlin. Schon
die Fahrt im ICE bedeutete für man-
chen mobiles Neuland. Am Ziel ange-
kommen wurden die Reisenden be-
reits auf dem Bahnsteig als „Gruppe
Brugger“ empfangen und in der Bun-
deshauptstadt willkommen geheißen.
Dort galt es, die ersten Schwabenwit-
ze des Reiseleiters – eines echten
Berliners – zu parieren. Nach einer er-
sten kleinen Stadtrundfahrt und einer
Stärkung wurde schließlich das Hotel
angesteuert.
Vielfältiges Programm
Das in den folgenden Tagen von
Bruggers Wahlkreisbüro organisierte
Programm war gleichermaßen an-
spruchsvoll wie abwechslungsreich. So
füllten die Besichtigungen, Vorträge
und Veranstaltungen den bildungspo-
litischen Teil die Reise umfänglich aus.
Dazu gehörten der Besuch im Bil-
dungszentrum des Bundesbeauftrag-
ten für die Unterlagen des DDR-
Staatssicherheitsdienstes, die Aus-
stellung „Wege, Irrwege, Umwege –
Die Entwicklung der parlamentari-
schen Demokratie in Deutschland“,
die Besichtigung des Jüdischen Muse-
ums sowie das Informationsgespräch
und die Führung in der Gedenkstätte
Berlin-Hohenschönhausen. Die patrio-
tischen und kulinarischen Höhepunkte
bildeten der Besuch der Baden-
Württembergischen Landesvertre-
tung und das gemeinsame Abendes-
sen mit Agnieszka Brugger im „Habel
Weinkultur“ – einem Restaurant, in
dem sich die politische Prominenz der
Republik trifft.
Insgesamt war es die Herausforde-
rung, eine gesunde Balance zwischen
politischer Bildungs- und Kulturreise
einerseits und den Bedürfnissen und
Vorstellungen, die junge Menschen an
eine Berlinfahrt knüpfen, anderer-
seits zu finden. Insofern war ein Ab-
stecher ins Kreuzberger Nachtleben
ein Muss. Die vielfältigen Shoppingge-
legenheiten am Potsdamer Platz und
rund um den Berliner Fernsehturm
waren ebenso Pflicht wie der abendli-
che Abschluss in einer Kneipe oder
der Hotelbar. Sehen und gesehen wer-
den – nur wenn diese Vorgabe erfüllt
scheint, kann ein Berlinbesucher von
Eintauchen ins politische Berlin: die Reisegruppe aus dem BBW beim gemeinsamen Besuch mit MdB Agnieszka Brugger im Restaurant „im Habel“. Foto: Dreyer
10 | Auf Kurs 1-2013
Grafik: buen76 (Fotolia.com)
Auf Kurs 1-2013 | 11
einer erfüllten und umfassenden Rei-
se ins „Herz der Republik“ sprechen.
„Respekt vor Politikern“
Das allein war jedoch für die BBW-
Teilnehmer nicht die maßgebliche
Erkenntnis dieser Reise. Tim Fiedler,
einer der gewählten jugendlichen
Wohnheimsprecher, fasste es mit sei-
nen Worten so zusammen: „Ich habe
dadurch eine ganz andere Haltung zu
Politik bekommen. Mein Respekt vor
Politikerinnen und Politikern ist wirk-
lich gestiegen. Diese Menschen über-
nehmen Verantwortung und fällen
Entscheidungen. Frau Brugger ist
doch noch so jung; es hat mich beein-
druckt, wie sie uns erzählt hat, wie sie
zur Politik gekommen ist. Interessant
für mich waren vor allen Dingen die
Besuche in den Museen. Die Geschich-
te Deutschlands hat mich fasziniert.
Schön war für mich auch die Erfah-
rung, dass wir als Gruppe zusammen
diese Fahrt geplant und durchgeführt
haben.“
Keine Berührungsängste
Bemerkenswert war auch, dass es kei-
nerlei Berührungsängste seitens der
BBW-Jugendlichen mit der restlichen
Delegation gab: ob mit Gymnasiasten
Der Politik ganz nahe
Ob mit CDU-, SPD-, Grünen- oder FDP-
Parteibuch – zahlreiche Politiker ga-
ben sich im vergangenen Jahr auf Ein-
ladung von Azubis im Berufsbildungs-
werk Adolf Aich die Klinke in die Hand,
um einen Blick hinter die Kulissen der
Bildungseinrichtung zu werfen und
sich mit den BBW-Verantwortlichen
über wichtige sozial- und bildungspoli-
tische Themen auszutauschen. Dahin-
ter steckt eine bundesweite Kampag-
ne der Berufsbildungswerke, die Ent-
scheidungsträger für die Anliegen
dieser Einrichtungen und der dort be-
treuten Menschen mit besonderem
Förderbedarf sensibilisieren soll.
Für die betroffenen Jugendlichen
selbst war dies eine nicht alltägliche
Gelegenheit, mit sämtlichen Bundes-
tagsabgeordneten aus dem Einzugs-
gebiet des BBW in Kontakt zu kom-
men und mit ihnen locker über Gott
und die Welt zu reden: Wie gefällt ih-
nen die Ausbildung? Was haben sie
schon alles erlebt? Welche Anliegen,
welche Sorgen und Pläne haben sie?
Was erwarten sie sich von der Politik?
Immer ganz vorne mit dabei war Do-
minik Geiger. Zusammen mit seinem
Azubi-Kollegen Tobias Grimm hatte er
die Politiker seinerzeit angeschrieben
und ins BBW eingeladen. Ein Engage-
ment, das sämtliche MdBs lobend er-
wähnten, darunter auch der Kempte-
ner Abgeordnete Stephan Thomae:
„Ich habe mich sehr darüber gefreut,
dass Auszubildende die Nähe zu politi-
schen Entscheidungsträgern suchen“,
meinte dieser. Wie alle MdBs, die ihre
Visitenkarte im BBW abgaben, hatte
auch der FDP-Politiker gemeinsam mit
Azubis eine Sitzbank zusammenge-
schraubt. Ein Geschenk, das Thomae
jetzt ausgerechnet
Geigers Heimatort, der
Gemeinde Wiggens-
bach, spendete. Der
junge Allgäuer freute
sich: „Mir hat es gefal-
len, dass Herr Thomae
ins BBW gekommen ist.
Ich glaube, er hat sich
wirklich für unsere Ein-
richtung interessiert.“
Wie er insgesamt die
ganzen Politikerbesu-
che erlebt hat? „Ich
bin ja eigentlich eher
ein schüchterner Typ.
Von daher war das
auch ein gutes Training für mich“,
meint der angehende Schlosser. Doch
nicht nur seine Selbstsicherheit habe
durch die vielen Gespräche mit den
MdBs profitiert: „Politik ist für mich
interessanter geworden.“ So informie-
re er sich jetzt im Internet über die
Programme der einzelnen Parteien. Ei-
ne Erkenntnis hat er jedenfalls gewon-
nen: „Politiker haben es auch nicht
leicht.“
Christof Klaus
Eine Sitzbank für Wiggensbach, dem Heimatort von BBW-Azubi Dominik Geiger (Mitte): Der FDP-Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae (rechts) stiftete der Allgäuer Marktgemeinde, vertreten von Bürgermeister Thomas Eigstler (links), das Möbelstück aus dem BBW. Foto: Scheidel
aus dem Allgäu, Mitarbeitern und Eh-
renamtlichen aus dem Bereich der Ju-
gendgerichtshilfe oder einer Gruppe
von Rentnern. Diese Fahrt zeichnete
sich also durch ein hohes Maß an in-
klusiver Gemeinschaft aus. Und die
wesentliche Erkenntnis der Reisenden
aus dem BBW? Dass sich Beteiligung
und Einsatz, auch über das eigene
Wohl hinaus, auszahlt und die eigene
Initiative, auf andere Menschen zuzu-
gehen, ein wesentliches Merkmal ge-
lebter Partizipation darstellt.
Wolfgang Dreyer
Leiter Abteilung Wohnen und Freizeit
12 | Auf Kurs 1-2013
beitet, sondern auch Unterstützung
bei der Stabilisierung ihrer persönli-
chen Situation erhalten haben. Mit
unterschiedlichen Vorgeschichten
und Erfahrungen ins BBW gekommen,
eint sie alle der Wunsch, noch einmal
ganz neu anzufangen. Den ersten
Schritt dazu haben sie getan.
Ein „Sprungbrett“ in das Berufsleben
erhoffen sich auch die rund zehn Teil-
nehmer des gleichnamigen Ausbil-
dungsmodells. Sie sind alleinerziehend
und ohne Ausbildung, haben einen Mi-
grationshintergrund oder wollen nach
einer familienbedingten Auszeit oder
nach der häuslichen Pflege eines An-
gehörigen wieder beruflich einstei-
gen. Damit dieser Sprung gelingt, bie-
tet ihnen das BBW – ebenfalls in Zu-
sammenarbeit mit dem Jobcenter des
Landkreises – die nötigen Rahmenbe-
dingungen und hilft etwa bei der Or-
ganisation der Kinderbetreuung. Ihr
erstes Ausbildungsjahr – zur Wahl
steht eine Vielzahl an Berufen – ab-
Teilhabe
Qualifizierungsangebote für berufliche Um- und Wiedereinsteiger
Raus aus der Arbeitslosigkeit, rein in den Job
Sie tragen Namen wie „Quali aktiv“,
„Sprungbrett“, „MIA“ oder „Jobfo-
rum“ und helfen arbeitssuchenden
Menschen oder Alleinerziehenden,
die zurück in das Berufsleben wol-
len, auf ihrem Weg zum Job. Schon
seit Jahren bietet das BBW auch
für diese Zielgruppen Kurse, Ausbil-
dungen und Qualifizierungsmaß-
nahmen an.
Sie haben ihre Chance genutzt: Freu-
destrahlend bekamen zwölf Frauen
und Männer im Frühjahr 2013 im BBW
ihre Zertifikate, und damit wahr-
scheinlich auch die Eintrittskarte in ei-
nen Job, überreicht. Als frisch gebak-
kene Pflegeassistenten starten sie
nun einen beruflichen Neuanfang im
Sozialbereich und unterstützen Fach-
kräfte bei ihrer täglichen Arbeit in
Krankenhäusern, Altenpflege- oder
Reha-Einrichtungen. Bereits zum vier-
ten Mal fand dieser vom Jobcenter
des Landratsamtes Ravensburg ge-
meinsam mit dem BBW angebotene
Kurs statt. In sechs (Vollzeit) bezie-
hungsweise neun Monaten (Teilzeit)
lernten die zuvor arbeitslosen Teil-
nehmer in Praxis und Theorie das
Rüstzeug für ihren späteren Beruf.
Und: Gefragt sind diese Kräfte auf
dem Arbeitsmarkt allemal, was die gu-
ten Vermittlungsquoten belegen. „Der
Kurs hat sich sehr gut etabliert“, sind
so auch die BBW-Verantwortlichen
Monika Kordula und Sabine Zander zu-
frieden.
Doch diese Qualifizierung ist nur eine
von mehreren Maßnahmen im BBW,
die sich an erwachsene Zielgruppen
richtet. Ebenfalls erst vor kurzem zu
Ende gegangen ist das „Jobforum“
für arbeitssuchende Menschen über
50 Jahren, die den Wiedereinstieg ins
Arbeitsleben schaffen wollen und da-
für im BBW nicht nur an ihren fachli-
chen und sozialen Kompetenzen gear-
Ein bewährter Einstieg in den Pflegeberuf: Zwölf Frauen und Männer absolvierten im Ausbildungsjahr 2012/2013 den Pflegeassistenten-Kurs – eine von mehreren Qualifizierung-sangeboten im BBW, die sich an erwachsene Zielgruppen richtet. Foto: Kordula
solvieren die Frauen und Männer in
Teilzeitform zunächst im BBW, ehe sie
dann ihre Lehre in externen Betrieben
fortsetzen.
Speziell für Alleinerziehende und Wie-
dereinsteigerinnen in und um Wangen
im Allgäu ist „MIA“ gedacht – ein Kür-
zel, das für „Motivation, Integration,
Arbeit“ steht. In dem halbjährigen
Kurs stehen neben Profiling und
Coaching etwa auch EDV-Schulungen
und ein Bewerbungstraining auf dem
Programm, aber auch praxisorientier-
te Module mit einem Einblick in ver-
schiedenste Berufsfelder. Ziel ist es,
Schlüsselqualifikationen zu trainieren
und die eigenen Perspektiven auf
dem Arbeitsmarkt konkret zu verbes-
sern. Für Sabine Zander sind die nicht
berufstätigen Alleinerziehenden eine
„stille Reserve“ für den Arbeitsmarkt
der Zukunft. Es sei nur eine Frage der
Zeit, bis diese vor dem Hintergrund
des demografischen Wandels und des
Fachkräftemangels gebraucht werde.
„Und die Zeit läuft.“
Qualifizierungsangebote für berufliche Um- und Wiedereinsteiger
Raus aus der Arbeitslosigkeit, rein in den Job
Auf Kurs 1-2013 | 13
Alle Menschen ab 25 Jahren mit
Schwierigkeiten, im Berufsleben Fuß
zu fassen, spricht der jüngste Kurs im
BBW an: die Qualifizierungs- und Ori-
entierungsmaßnahme „Quali aktiv“ –
ein zusammen mit dem Jobcenter
und dem Weingartener Dienstleister
DiPers GmbH sowie mit Förderung des
Europäischen Sozialfonds realisiertes
Programm, um die Teilnehmer fit für
einen Job oder eine Ausbildung zu
machen. Acht Monate lang werden sie
in den verschiedensten Berufsberei-
chen des BBW, von der Gastronomie
über das Lager bis hin zum Metall, be-
ruflich auf Kurs gebracht – praxisnah
und kompetent angeleitet. Auch da-
nach werden sie unterstützt: Eine
dreimonatige Nachbetreuung schließt
sich dem Kurs an.
Christof Klaus
Auch in der Berufsvorbereitung
geht das BBW neue Wege. Noch re-
lativ jung im Leistungskatalog des
Berufsbildungswerks Adolf Aich
sind die Kürzel „BVE“ und „KoBV“.
Diese Maßnahmen sollen junge
Menschen mit erheblichem Förder-
bedarf und wesentlichen Benach-
teiligungen beim Übergang von der
Schule in den allgemeinen Arbeits-
markt unterstützen.
Die Maßnahme im Rahmen einer Be-
rufsvorbereitenden Einrichtung (BVE)
richtet sich an Jugendliche der Be-
rufsschulstufe der Schule für Geistig-
Positive Erfahrungen
Von „durchweg positiven Erfahrungen mit dem BVE-Unterricht“ berichtet Roland Groner, stellvertretender Schulleiter der Max-Gutknecht-Schule Ulm. Um sich jetzt auch im Neuland KoBV zu etablieren, informiert sich die Sonderberufsschule des BBW unter anderem über die Erfahrungswerte an-derer Bildungsträger. So traf sich das Ulmer Team um Groner und die KoBV-Lehrerinnen Mara Büch-Tafel und Barbara Kinzler jüngst zum Austausch mit den Kollegen der öffentlichen Claude-Dornier-Schule in Friedrichshafen (siehe Bild). Dort kann man bereits auf vier erfolgreiche Jahre mit der KoBV zurückblicken. Roland Groner: „Die Häfler konnten uns mit wertvollen fach-lichen und methodisch-didaktischen Ratschlägen beratend unterstützen.“ Am KoBV in Friedrichshafen ist neben der Claude-Dornier-Schule übrigens unter anderem auch die stiftungseigene St. Gallus-Hilfe beteiligt.
behinderte und bereitet diese auf die
Anforderungen des ersten Arbeits-
marktes vor. In Ravensburg kooperiert
das BBW dabei seit 2010 mit der He-
genberger Don-Bosco-Schule, am
Standort Ulm gibt es – ebenfalls seit
2010 – eine Partnerschaft mit der öf-
fentlichen Gustav-Werner-Schule.
An die BVE knüpft die Qualifizierung
„KoBV“ an. Seit dem aktuellen Schul-
jahr werden am BBW-Standort Ulm
Schüler in dieser Maßnahme beschult.
Bei dieser Kooperativen beruflichen
Bildung und Vorbereitung auf den all-
gemeinen Arbeitsmarkt (KoBV) han-
delt es sich um eine ein- bis eineinhalb
Jahre dauernde berufsvorbereitende
Bildungsmaßnahme im Auftrag der
Agentur für Arbeit – ebenfalls speziell
für Schüler mit einer geistigen Behin-
derung beziehungsweise Förderschü-
ler. Die KoBV ist an die duale Ausbil-
dung angelehnt: Während die Teilneh-
mer praktische Erfahrungen in exter-
nen Betrieben machen, werden be-
rufstheoretische Kenntnisse in der
Sonderberufsschule des BBW in Ulm –
der Max-Gutknecht-Schule – vermit-
telt. Als weiterer Kooperationspartner
im Boot: der Integrationsfachdienst
Ulm (IFD).
Christof Klaus
Berufsvorbereitung für Schüler mit geistiger Behinderung
Mit BVE und KoBV in den ersten Arbeitsmarkt
Foto: privat
14 | Auf Kurs 1-2013
Teilhabe
BBW-Mitarbeiter Volkan Akarsu: neue berufliche Perspektive nach Unfall
Früher Maler, heute Ausbilder
Volkan Akarsu war Maler und Lacki-
erer, als er nach einem Autounfall
im Jahr 2003 sein Leben neu in die
Hand nehmen musste. Trotz zahl-
reicher Operationen blieb ihm eine
Gehbeeinträchtigung, mit der er
seinen Beruf nicht mehr ausüben
konnte. Im Jahr 2009 schließlich
wurde er vom Jobcenter Bodensee-
kreis zu einem Profiling ins BBW
vermittelt. Im Zuge dieser Stärken-
Schwächen-Analyse hat sich Akarsu
neu orientiert und seinen Weg bis
hin zum Ausbilder in der Farbe-
Gruppe der Berufsvorbereitenden
Bildungsmaßnahme (BvB) gemacht
„Ziel des Profilings war es, innerhalb
einer Woche ein aussagekräftiges
Stärken- und Schwächenprofil für
Herrn Akarsu zu erstellen“, erklärt Hu-
go Glückler, Betriebsleiter der BvB.
Dazu wurden seine berufspraktischen
und sozialen Kompetenzen überprüft
und theoretische Fähigkeiten unter
die Lupe genommen. Außerdem führ-
te er Gespräche mit einer Psychologin
und dem Werkstattmeister der Fach-
werker im Maler- und Lackiererhand-
werk. „Aus Volkan Akarsus Profiling
ergab sich, dass er gut mit jungen
Menschen umgehen kann, dass er
auch Interesse und Fertigkeiten für
die künstlerische Seite seines Hand-
werksberufs mitbringt und dass er
Talent hat, seine Kenntnisse und Er-
fahrungen zu vermitteln“, berichtet
Glückler.
Im Rahmen der darauffolgenden BvB-
Maßnahme absolvierte Akarsu im
März 2010 ein Praktikum in der Farbe-
gruppe, wo er erstmals Grundkennt-
nisse in der Farbtechnik und Grundle-
gendes zur Malerausbildung an junge
Menschen vermitteln sollte. „Als ich
mit dem Praktikum angefangen habe,
war mir das schon unheimlich, ich hat-
te das zuvor ja noch nie gemacht“,
erinnert er sich. „Doch die Schüler ha-
ben mich total gut angenommen!“
Nach diesem ersten vierwöchigen
Praktikum bekam er vom Landratsamt
Bodenseekreis ein weiteres, diesmal
achtwöchiges, Praktikum genehmigt.
Darauf folgte eine Wiedereingliede-
rungsmaßnahme über weitere acht
Wochen, wieder in der Farbegruppe
der BvB, im August 2010 ein zunächst
befristeter, im März 2012 ein unbefri-
steter Arbeitsvertrag mit dem BBW.
Im Laufe des vergangenen Jahres hol-
te Volkan Akarsu die Ausbildereig-
nungsprüfung an der IHK nach; lau-
fend besucht er auch die hausinter-
nen Fortbildungen, vor allem im pä-
dagogischen Bereich. „Am meisten
aber schult und stärkt mich der tägli-
che Umgang mit den Teilnehmern“,
bemerkt Akarsu.
Ein neues Leben
„Volkan Akarsu kann die jugendlichen
Teilnehmer für den Beruf Farbe be-
geistern und auch mit den Schwierig-
keiten der Schüler gut umgehen, egal
ob es sich um traumatisierte Teilneh-
mer, Teilnehmer mit Lernschwierigkei-
ten, mit ADHS oder Autismus-Störun-
gen handelt – das hebt ihn hervor“,
betont Hugo Glückler, der den heute
35-Jährigen durch zahlreiche Gesprä-
che unterstützt, auch dessen Frau
und Tochter zum Gespräch eingela-
den hat. „Damit sie sieht, wo und mit
wem er arbeitet und ihn besser un-
terstützen kann.“
Unterstützung erhielt er außerdem
von seinen acht Kollegen im Team der
BvB, die ihm anfangs vor allem in der
Vermittlung von Inhalten zur Seite
standen. Nun rufen sie ihn, wenn sie
Hilfe in Gesprächen mit türkischstäm-
migen Teilnehmern benötigen. „Frü-
her wollte ich Kirchenmaler werden,
heute bin ich froh, dass ich mit mei-
nen Kollegen der BvB zusammenarbei-
ten darf und eine für mich unvorstell-
bare berufliche Perspektive möglich
wurde“, sagt Volkan Akarsu.
Elke BenickeNach seinem Unfall wurde Volkan Akarsu (Mitte stehend) Ausbilder in der BvB – hier mit seiner Gruppe beim Projekt Farbgestaltung. Foto: Glückler
Mitarbeiter der deutschen Berufsbildungswerke erarbeiten Resolution
Inklusion: Nicht an der falschen Stelle sparen
Die Inklusion kommt – aber die Be-
troffenen bleiben auf der Strecke?
Mitarbeitervertreter der deut-
schen Berufsbildungswerke sehen
angesichts der schwierigen finanzi-
ellen Rahmenbedingungen die be-
rufliche Teilhabe von Menschen mit
besonderem Förderbedarf gefähr-
det und haben nun mit einem Posi-
tionspapier Stellung bezogen. Vor-
gestellt wurde dieses im Rahmen
einer Fachtagung in Ravensburg
zum Thema „Berufsbildungswerke
– Trotz oder wegen Inklusion?“
Nicht zuletzt an die Adresse von
Kostenträgern und Politik gerich-
tet stellen die Fachkräfte in ihrer
Resolution klar: Inklusion geht
nicht zum Nulltarif.
Seit mehreren Jahrzehnten bilden die
bundesweit 52 Berufsbildungswerke
benachteiligte junge Menschen aus
oder bereiten sie auf den Start in eine
Lehre vor. Mit Erfolg, wie nicht nur
die guten Vermittlungszahlen zeigen.
So bringt das Ravensburger Berufsbil-
dungswerk Adolf Aich (BBW) jedes
Jahr rund zwei Drittel seiner Absol-
venten in Lohn und Brot. Darunter
viele, die auf dem freien Ausbildungs-
markt keine Chance gehabt hätten.
Aber auch rein volkswirtschaftlich ge-
sehen, das belegen Studien, rechnen
sich diese Einrichtungen für den Steu-
erzahler. Hinter dem Erfolg dieser Bil-
dungseinrichtungen stehen nicht zu-
letzt die Mitarbeiter, seien es Psycho-
logen, Sozialpädagogen, Erzieher,
Lehrer oder Ausbilder.
Mitarbeiter beziehen Stellung
Betriebsräte und Mitarbeitervertre-
tungen (MAV) zahlreicher Berufsbil-
dungswerke von Husum über Chem-
nitz bis Ravensburg haben nun eine
gemeinsame Stellungnahme veröf-
fentlicht. Es geht in dem Papier um
das Verständnis von Inklusion. Es geht
aber vor allem auch um die allgegen-
wärtigen wirtschaftlichen Zwänge
und den wachsenden Druck der Kos-
tenträger auf die Arbeit der Berufs-
bildungswerke. „Wir fordern, Inklusion
nicht als Sparpaket zu verstehen“, so
Marion Schuler und Ulrich Fischer von
der MAV des Ravensburger BBW. Kriti-
siert werden beispielsweise die Unter-
finanzierung von Ausbildungsleistun-
gen, die stagnierenden Kostensätze
und das Preisdumping in ausgeschrie-
benen Maßnahmen. Eine Entwicklung,
die die Mitarbeiter mit Sorge betrach-
ten. Nicht nur im eigenen Interesse,
sondern auch in Hinblick auf die ihnen
anvertrauten jungen Menschen. Dar-
unter seien viele „sehr sehr schwierige
Teilnehmer, die ganz besondere Unter-
stützung brauchen“, so Schuler. Zum
Beispiel Menschen mit einer Autis-
mus-Spektrum-Störung. Jugendliche
also, die sich laut Resolution „meist
an der Grenze zur Ausbildungsfähig-
keit bewegen“ und nicht einfach ir-
gendwo eine betriebliche Lehre ab-
solvieren können, sondern auf das
gewachsene Know-how in Einrich-
tungen wie dem BBW angewiesen
sind. Und auf die Finanzierung der
nötigen Extra-Hilfen – zum Bei-
spiel durch Psychologen. Und so
bricht auch Christian Frese, Ge-
schäftsführer des Bundesver-
bandes „Autismus Deutsch-
land“, eine Lanze für die Be-
rufsbildungswerke. Sie würden
Benachteiligten einen Zugang
zu Arbeit vermitteln. „Und da-
mit sind sie inklusiv.“
Marion Schuler bekräftigt
dies und verweist auf die vielen Ko-
operationen mit Betrieben und die
externen Praktika, die schon jetzt für
Inklusion stehen. Den BBW-Mitarbei-
tern gehe es darum, die individuelle
Förderung nach Bedarf auch in Zu-
kunft gewährleisten zu können. „In-
klusion heißt nicht, dass alle das Glei-
che bekommen“, betont auch der Ra-
vensburger BBW-Prokurist Christian
Braun und lobt die MAV-Initiative. Für
diese ist im Namen der Auszubilden-
den die „Grenze der Zumutbarkeit“ er-
reicht, wie es in der Resolution heißt:
„Wir sehen nicht nur ihre verfas-
sungsmäßig garantierten Rechte be-
einträchtigt, sondern in einzelnen Si-
tuationen auch ihre Würde.“
Christof Klaus
Auf Kurs 1-2013 | 15
Mit ihrer vierseitigen Resolution brechen die Mitarbeitervertretungen und Betriebs-räte deutscher Berufsbildungswerke eine Lanze für die erfolgreiche Arbeit der BBWs in der Unterstützung von Menschen mit besonderem Förderbedarf.
16 | Auf Kurs 1-2013
BBW im Überblick
Monate voller Erfahrung: Sozialpraktika und freiwillige Dienste im BBW
„Ich lerne was fürs Leben“
Praktika, Freiwilliges Soziales Jahr
oder Bundesfreiwilligendienst: Das
BBW bietet zahlreiche Möglichkei-
ten, sich für ein paar Monate im so-
zialen Bereich zu engagieren, dabei
in interessante Berufsfelder hinein
zu schnuppern oder einfach die
Zeit nach dem Schulabschluss für
eine sinnvolle Sache zu nutzen.
Eine „neue Kultur der Freiwilligkeit“
soll er laut Gesetzgeber schaffen und
ein Angebot sein, sich außerhalb von
Beruf und Schule für das Allgemein-
wohl zu engagieren. Zugleich soll er
zumindest teilweise auch die Versor-
gungslücke schließen, die sich mit der
Aussetzung des Zivildienstes 2011
auftat. Die Rede ist vom Bundesfrei-
willigendienst (BFD). Er steht allen
Frauen und Männern nach Erfüllung
der Vollzeitschulpflicht offen – und
zwar ohne Altersgrenze nach oben.
Neben diesem neuen Modell gibt es
für junge Menschen zwischen 16 und
27 Jahren nach wie vor den „Klassi-
ker“, der ebenfalls mit einem Taschen-
geld und Sachleistungen vergütet
wird: das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ).
Für beide Formen des freiwilligen En-
gagements, natürlich aber auch für
Praktika jeder Art, bietet das BBW
Plätze an – ob am Hauptsitz in Ra-
vensburg oder auch in der Außenstel-
le in Ulm. Am dortigen Regionalen
Ausbildungszentrum (RAZ) absolviert
seit September des vergangenen Jah-
res Matthias Wituschek sein FSJ. „Ich
wusste noch nicht, was ich studieren
soll“, erzählt der 19-Jährige über sei-
ne Beweggründe, die Zeit bis zum
Studium auf diese Weise zu überbrük-
ken und sich dabei auch mal im sozi-
alen Bereich umzuschauen. Sein tech-
nisches Interesse führte ihn in die Me-
tallwerkstatt des RAZ, wo er an der
Seite des Ausbilders Egon Schrade
mit den jungen Azubis arbeitet.
Viele Einsatzmöglichkeiten
Die Einsatzbereiche für die Freiwilli-
gen sind – je nach Interesse und Be-
gabung – vielseitig: vom Betreuungs-
job im Wohnheim bis hin zu hand-
werklich geprägten Aufgaben in der
Betriebstechnik oder in der Ausbil-
dungswerkstatt ist im BBW einiges
möglich. Für manchen ist das freiwilli-
ge Jahr zugleich der Einstieg in einen
späteren Job im sozialen Bereich, zu-
mal damit das erforderliche Vorprak-
tikum für die Ausbildung bereits ab-
gegolten ist. Aber auch sonst ist das
FSJ keine verlorene Zeit und wird zum
Beispiel als Wartezeit fürs Studium
anerkannt.
Fabian Immler, derzeit der einzige
„Bufdi“ im BBW, nutzt seinen Bundes-
freiwilligendienst in der Betriebsga-
stronomie, um sich Gedanken über
seine Studienwahl zu machen. Obwohl
ihn sein späterer Beruf wohl in ganz
andere Richtung führen wird: Zufällig
sei er nicht im Arbeitsbereich Küche
gelandet. „Ich wollte zusätzlich zu der
Erfahrung im sozialen Bereich auch
noch etwas Praktisches für das Stu-
dentenleben mitnehmen: das Ko-
chen.“ Wie es ihm im BBW gefällt?
„Gut. Die Ausbilder sind nett, und ich
lerne fürs Leben“, so Immler, der als
Mitarbeiter von den Azubis um ihn
herum gerne in Anspruch genommen
wird: „Die Jugendlichen brauchen an
manchen Tagen viel Aufmerksamkeit.“
Viel mit den BBW-Teilnehmern zu tun
hat auch Laura Hoyer, 20-jährige FSJ-
lerin im Bereich der Berufsvorberei-
tenden Bildungsmaßnahme (BvB). Sie
hat sich für das BBW entschieden,
„weil ich hier einen sehr vielfältigen
Einblick in die Arbeit mit Jugendlichen
bekomme.“ So wollte sie sich verge-
wissern, ob das für diesen Herbst an-
visierte Studium der Sozialen Arbeit
das Richtige für sie ist. Ihre Aufgabe?
„Ich betreue die BvB-Jugendlichen mit
„Ich wollte so etwas wie ein verkürztes
FSJ machen. Da war der Bundesfrei-
willigendienst mit seiner variablen Zeit-
spanne das Passende.“
Fabian Immler
(19 Jahre) aus Ravensburg,
BFD im Arbeitsbereich Küche
„Ich habe mich für ein Freiwilliges Sozi-
ales Jahr entschieden, um herauszufin-
den, ob ein soziales Studium wirklich das
ist, was ich möchte.“
Laura Hoyer (20)
aus Bad Waldsee,
FSJ im Bereich Berufsvorbereitende
Bildungsmaßnahme (BvB)
Auf Kurs 1-2013 | 17
Interesse geweckt?
Lust bekommen, auch im BBW ein
Praktikum, ein FSJ oder den BFD zu
absolvieren?
Ansprechpartner im BBW ist
Andreas Kozima,
Telefon 0751 3555-6100,
E-Mail: andreas.kozima@bbw-rv.de
Buchtipp: Sozialpraktika für eine bessere Gesellschaft
Sozialpraktika sind heute an vielen Schulen fester Bestandteil des Curriculums. Die Idee: Jugendliche sollen soziale
Fähigkeiten erwerben, andere Lebenswelten kennenlernen, eventuell Berufsperspektiven finden. Dass das gelingt
und dass Sozialpraktika darüber hinaus einen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft leisten können, belegt ein
Forschungsprojekt, das im Auftrag des Kooperationskreises Ethik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten
durchgeführt wurde. Die wichtigsten Ergebnisse liegen jetzt in Buchform vor.
Unter dem Titel „Lernchance Sozialpraktikum“ stellen Claudia Angele, Hans-Martin Brüll, Astrid
Dinter und Lothar Kuld die Ergebnisse eines etwa dreijährigen Forschungsprojekts vor. Auftrag-
geber war der Kooperationskreis Ethik, in dem unter Federführung der Stiftung Liebenau zehn
Sozialunternehmen zusammengeschlossen sind. In zahlreichen Interviews sind die Forscher Fra-
gen nachgegangen wie: Was lernen Jugendliche und junge Erwachsene im Kontakt mit alten,
behinderten und kranken Menschen? Welche Begleitung brauchen sie, damit soziales Lernen
gelingt?
Ihr Ergebnis: Von Sozialpraktika profitieren nicht nur die Praktikanten. Für soziale Unterneh-
men sind sie ein Baustein der Nachwuchsgewinnung, der angesichts der brisanten demogra-
fischen Entwicklung zunehmende Bedeutung bekommt. Darüber hinaus – und das ist die wohl
interessanteste Erkenntnis der Forscher – ist das soziale Lernen, das über diese Praktika
ermöglicht wird, ein entscheidender Faktor für den Erhalt solidarischer und integrativer
Traditionen und damit für die Zukunftssicherung des sozialen Rechtsstaates.
Auf der Basis der Forschungsergebnisse entwickeln die Autoren schließlich eine Fülle von
Empfehlungen für Schulen und Sozialunternehmen, die die Qualität von Sozialpraktika ver-
bessern möchten.
Claudia Angele, Hans-Martin Brüll, Astrid Dinter und Lothar Kuld (Hrsg.):
„Lernchance Sozialpraktikum“ - Wirkungen sozialen Engagements Jugendlicher in sozialen Einrichtungen;
Lambertus-Verlag, 2012; ISBN-13: 978-3784121253, Preis: 24,90 Euro.
– vorwiegend in der Hauswirtschafts-
werkstatt – und bin somit auch bei
Hüttenaufenthalten oder anderen Ak-
tivitäten dabei“, erzählt sie. „Mir ge-
fällt es sehr gut, ich wurde sehr nett
vom BvB-Team aufgenommen und
werde in die tägliche Arbeit mit ein-
gebunden.“
Christof Klaus
„Mir gefällt es gut hier. Man kann vieles
lernen, auch in Hinblick auf später. Denn
ich möchte etwas aus dem technischen
Bereich studieren.“
Matthias Wituschek (19) aus Ulm, FSJ in der
Metallwerkstatt des RAZ Ulm
Mehr Infos gibt es auch auf der
Ausbildungsseite der Stiftung
Liebenau im Internet unter:
www.ausbildung-stiftung-liebenau.de
Ausgezeichnete Schulverpflegung
Für ihr Engagement bei der Pflege von Kriegsgräbern sind sechs Auszubil-
dende des BBW geehrt worden. Die Jugendlichen hatten an einem Work-
camp im französischen Bergheim teilgenommen. Schon seit drei Jahren
engagieren sich Azubis und Ausbilder aus dem BBW in einem Kooperati-
onsprojekt mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. aktiv
in der Arbeit für den Frieden. Sie kümmern sich um die Pflege von deut-
schen Soldatenfriedhöfen im europäischen Ausland und setzen sich dabei
mit den Folgen von Krieg und Gewalt intensiv auseinander. So auch zuletzt
im elsässischen Bergheim, wo mehr als 5 000 Kriegstote ihre Ruhestätte
haben. „Der ideelle und pädagogische Wert dieser Arbeit wird im BBW in
allen Betrieben hoch geschätzt“, würdigten BBW-Bildungsmanagerin Moni-
ka Kordula und Klaus Bussenius, Betriebsleiter Wirtschaft und Verwaltung,
das Engagement der Lehrlinge. Diese nahmen aus den Händen von
Manfred Haas, BBW-Abteilungsleiter Bildung und Arbeit, die Urkunden
des Volksbundes entgegen. Fünf der sechs geehrten Azubis hatten
bereits zum zweiten Mal an einem Workcamp teilgenommen.
Azubis für Friedensarbeit geehrt
„Hoher pädagogischer Wert“: Die BBW-Azubis profitieren von den Eindrücken und Erfahrungen bei der Kriegsgräberpflege im Ausland. Foto: privat
Ausgezeichnete Qualität: das Essen für die Ravensburger Schulen aus der BBW-Küche. Foto: Kästle
18 | Auf Kurs 1-2013
Beliebte Attraktion auf der IBO: die BBW-„Himmelsleiter“. Foto: Messe Friedrichshafen
IBO 2013 – und das BBW war dabei! Mit einer bunten Mischung aus span-
nenden Mitmachaktionen, Berufsberatung und Information hat sich das
Berufsbildungswerk auch in diesem Jahr bei der großen Frühjahrsmesse in
Friedrichshafen präsentiert.
Über mögliche Wege zum richtigen Job informierten die BBW-Bildungsex-
perten, natürlich standen auch die jungen Azubis selbst interessierten IBO-
Besuchern Rede und Antwort. Für reichlich Action sorgten unter anderem
ein rasanter Seifenkisten-Parcours sowie eine „Himmelsleiter“ für mutige
Kletterer. Und für das leibliche Wohl der Messebesucher, unter anderem
mit selbstgemachten Kuchen, sorgten Azubis aus den Bereichen HoGa und
Hauswirtschaft im BBW-Café. Auch bei den Bildungsmessen in Ravensburg
und Villingen-Schwenningen war das BBW wieder vor Ort.
Infos und Action auf der IBO
Lecker, regional, gesund: Im Auftrag der Stadt Ravensburg beliefert die
BBW-Küche täglich die Mensen der städtischen Schulen und setzt dabei
auf hohe Qualität und möglichst saisonale Zutaten aus regionaler Erzeu-
gung. Zudem achtet das BBW-Team um Küchenchef Dirk Eberhard bei der
Speiseplanung auf die Empfehlungen für Schulkinder der Deutschen Ge-
sellschaft für Ernährung. Stadt und Caterer hatten sich im Rahmen der
letztjährigen Ausschreibung der Schulverpflegung auf diese hohen Quali-
tätsstandards verständigt. Für dieses Engagement gab es nun eine Aus-
zeichnung durch die Stiftung LandZunge.
BBW im Überblick
Jubilare: Geehrt für 385 Dienstjahre
Winterabsolventen: „Ihr werdet Euren Weg machen“
Für ihre langjährige Betriebszugehö-
rigkeit sind Mitarbeiter des Berufsbil-
dungswerks Adolf Aich geehrt wor-
den. Seit insgesamt 385 Jahren arbei-
ten sie im BBW oder in anderen Berei-
chen der Stiftung Liebenau, zu der
die Ravensburger Bildungseinrichtung
gehört. Für BBW-Geschäftsführer
Herbert Lüdtke sind solche Jubiläen
„Momente, in denen man innehält“,
Geschafft: Nach den über 180 BBW-
Absolventen des letzten Sommers ha-
ben nun auch die Winterprüflinge des
Jahres 2013 ihre Abschlusszeugnisse
in Empfang genommen. Sie waren
erst jetzt an der Reihe, weil sie etwa
einen dreieinhalbjährigen Ausbil-
dungsberuf gewählt hatten. BBW-Ge-
schäftsführer Herbert Lüdtke erin-
nert sich noch gut an die vielen fra-
genden Gesichter am ersten Ausbil-
dungstag im BBW: „Kann ich das?
und ein Anlass, auf das eigene berufli-
che Wirken zurückzublicken. In einem
Sozialunternehmen mit kirchlichem
Hintergrund wie dem BBW gehe es
dabei „um mehr als Geldverdienen“,
betonte Lüdtke den moralischen und
gemeinnützigen Anspruch der Ein-
richtung und das Streben nach einem
„fairen Miteinander“. Gemeinsames
Ziel sei es, die richtigen Ziele und Vi-
sionen zu verfolgen und dafür Verant-
wortung zu übernehmen. „Für das
BBW ist es gut, langjährige Mitarbeiter
zu haben, die gerne hier her kommen
und sich für die Teilhabe der jungen
Menschen einsetzen“, sagte Lüdtke
und schloss sein Grußwort mit einem
Zitat von Thomas Morus: „Tradition ist
nicht das Halten der Asche, sondern
das Weitergeben der Flamme.“
385 Jahre im Dienste des Berufsbildungswerks und der Stiftung Liebenau: Die geehrten BBW-Jubilare. Foto Klaus
Die Jubilare: Für zehn Jahre geehrt wurden Mara Büch-Tafel, Dirk Eberhard, Thomas Rapp, Hans Voigt, Cornelia Schaal, Gisela Dellwo, Heinrich Spinnenhirn, Swen Roth, Sybille Porske, Waltraud Stützle, Marion Schuler und Susanne Leib. Ihr 20-jähriges Jubiläum feierten Gabriele Späth, Karlheinz Laner, Gesina Hünicke, Ingolf Käs und Klaus Braxmeier. Auf 25 Jahre im Dienste des BBW zurückblicken können Anita Herrmann, Hildegard Kirchmaier, Hans Oberhauser und Franz Binder, 30 Jahre sind es bei Bernd Vollers. Und bereits seit 35 Jahren arbeitet Veronika Hirschmann für das BBW und die Stiftung Liebenau.
Alle haben bestanden: Die Winterabsolventen des Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW) freuen sich zusammen mit ihren Ausbildern, Lehrern und Bildungsbegleitern über ihren erfolgreichen Ausbildungsabschluss. Foto: Klaus
Die Absolventen: Erik Bekker, Fevzi Cengiz, Tolgahan Karacabey, Genadij Mutt, Patrick Schmigula, Umut Soylu, Emre Turgut, Eduard Zang, Patrick Blache, Benjamin Feichtinger, Christian Schuhmacher, Yonca Gündüz, Sandra Liebig, Johannes Schadt, Sinan Yüzük, Andreas Haase, Carlo Passaretti, Benjamin Tahir, Albrecht Wieland, Ralf Braun, Eugen Bangert, Martin Bodenmiller, Baris Ölmez, Alex Schnellbach und Mehmet Yüksel.
Traut man mir das zu?“ Und nun hät-
ten es die Absolventen schwarz auf
weiß: Ja, es hat geklappt. Und zwar
bei allen 25 Prüflingen. Zudem hatten
die meisten von ihnen schon bei der
Abschlussfeier einen Arbeitsvertrag
in der Tasche. Metall-Betriebsleiter
Thomas Rapp ist sich bei seinen
Schützlingen sicher: „Ihr werdet Euren
Weg machen.“ Claudia Bentele von
der Agentur für Arbeit Ravensburg
gratulierte den frisch gebackenen
Fachkräften zu dem Erreichten. Sie
hätten Durchhaltevermögen bewie-
sen und nun einen wichtigen Schritt
im Leben gemeistert: „Darauf können
Sie sehr stolz sein.“ Auch die frisch
gebackenen Gesellen selbst ergriffen
bei der Abschlussfeier das Wort, be-
dankten sich bei ihren Ausbildern für
„schwierige, schöne Jahre“ und zogen
ein positives Fazit: „Es war eine gute
Ausbildung!“
Auf Kurs 1-2013 | 19
Rund 50 unterschiedliche Ausbil-
dungsberufe von A (wie Auto-
fachwerker/-in) bis Z (wie Zer-
spanungsmechaniker/-in) hat das
BBW in seinem Angebot. In einer
Serie stellt Auf Kurs die einzelnen
Berufe vor. Diesmal im Porträt:
die Ausbildungen rund um Back-
stube und Fleischereitheke.
„Was darf es bei Ihnen sein?“ – Die
Verkäuferberufe im Bereich Bäcker-
und Fleischerhandwerk drehen sich
um die Beratung von Kunden, den Um-
gang mit Kasse und Abrechnung sowie
die Präsentation der Produkte. Ob an
der Fleischtheke oder in der Bäckerei:
hier ist der Kunde König. Und mit dem
kommen die Azubis natürlich schon
während ihrer dreijährigen Ausbildung
direkt in Kontakt: im BBW-Ausbil-
dungsbetrieb „Café Miteinander“ in
Ravensburg ebenso wie in den Bäcke-
rei- und Fleischerei-Verkaufsräumen
der „Schillerstraße 15“ in Ulm. Dort
und in Partnerbetrieben lernen die
Azubis praxisnah, auf was es beim
Verkauf von Lebensmitteln ankommt.
Sie bereiten auch Snacks, Speisen
oder Büfettplatten zu und sorgen da-
für, dass die Waren ansprechend dar-
geboten und Hygienevorschriften
eingehalten werden. Gefragt sind gu-
te Umgangsformen, ein gepflegtes
Äußeres, Kontaktfreude, ein gutes
Zahlen- und Namensgedächtnis,
Freundlichkeit sowie eine gute
sprachliche Ausdrucksweise – das gilt
sowohl für den Ausbildungsberuf
Verkaufshelfer/-in im Bäckerhand-
werk als auch für den Fachpraktiker
Verkäufer/-in im Fleischerhandwerk.
Letzterer wird ausschließlich im Re-
gionalen Ausbildungszentrum (RAZ)
des BBW in Ulm angeboten (siehe
auch Seite 31). Bei beiden Ausbildun-
gen sind Aufstiegsmöglichkeiten in
die jeweiligen Vollberufe (als
Fachverkäufer/-in) gegeben. Und
nach dem Abschluss? Jobs gibt es
entweder in Bäckereien und Bäckerei-
filialen mit Konditorei und Café sowie
in mobilen Verkaufsstationen bezie-
hungsweise in Metzgereien oder
Fleischtheken in Supermärkten.
Frühaufsteher gesucht
Und die, die dafür sorgen, dass die
Regale jeden Tag mit frisch duften-
den Backwaren gefüllt sind, sind die
Bäckerfachwerker/-innen. Auch die-
ser Beruf findet sich im Angebot des
RAZ. Er ist kreativ und erfordert ein
gewisses handwerkliches und techni-
sches Geschick. Aber Vorsicht: der Job
ist nichts für Morgenmuffel! Schließ-
lich geht es in der Backstube schon
los, wenn die allermeisten Kunden
noch tief schlafen. Vom Brot bis zur
Torte, von der Brezel bis zum Crois-
sant reicht das Repertoire der Bäcker-
fachwerker nach ihrer dreijährigen
Ausbildung. Bei entsprechender Eig-
nung ist auch ein Umstieg bezie-
hungsweise eine Weiterqualifizierung
zum Bäcker möglich. Arbeitsplätze
finden sich nicht nur in Bäckereien,
sondern auch in der Lebensmittelin-
dustrie oder bei Bäckereizulieferern.
Christof Klaus
Ausbildung im BBW: Bäckerei- und Fleischereiberufe
Leckeres aus Backstube und Fleischtheke
Ob lieber hinter den Kulissen in der Backstube oder mit persönlichem Kunden-kontakt an der Verkaufstheke: Im BBW stehen gleich mehrere Ausbildungsberufe rund um die Herstellung und den Verkauf von Lebensmitteln zur Wahl. Foto: Kästle
Berufe im BBW
20 | Auf Kurs 1-2013
Josef-Wilhelm-Schule
Das „Hungertuch“ in Rasterästhetik: Ein imposantes Kunstwerk, das Ravensburger Gymnasiastinnen mit technischer Unterstüt-zung durch das BBW in der Liebfrauen-Kirche realisierten. Foto: Stroh
Ausbildung im BBW: Bäckerei- und Fleischereiberufe
Leckeres aus Backstube und Fleischtheke
Das BBW unterstützt Kunstprojekt des Welfen-Gymnasiums
Ein Hungertuch für die Liebfrauenkirche
Ein riesiges „Hungertuch“ hat in
der Fastenzeit 2013 die Ravensbur-
ger Liebfrauen-Kirche geschmückt.
Das von Schülerinnen des Welfen-
Gymnasiums entworfene, aus ei-
nem Metallraster bestehende
Kunstwerk greift eine Darstellung
des Propheten Joel von Michelan-
gelo auf und übersetzt dieses Kon-
zept der Renaissance eindrucksvoll
ins Heute. Maßgeblich an der tech-
nischen Umsetzung beteiligt: Schü-
ler und Lehrer aus der Josef-Wil-
helm-Schule des BBW. Den Hinter-
grund erfuhr Auf Kurs von Lehrer
Johann Stroh.
Herr Stroh, wie kam es zu dem
Projekt?
Eigentlich durch Zufall. Als Nachbar
einer am Projekt „Hungertuch“ betei-
ligten Schülerin des Welfen-Gymnasi-
ums entstand im Gespräch mit deren
Vater die Idee: Wie wäre es, die Ge-
staltung des Projektes von Seiten des
BBW technisch zu unterstützen und
damit auch unsere Aufgeschlossen-
heit für Kooperationen mit anderen
Schulen zu zeigen? Darüber hinaus
versprach ich mir davon auch die
Chance, das BBW in der Kirchenge-
meinde Liebfrauen auf einer neuen
Ebene zu präsentieren. Denn ein klein
wenig Öffentlichkeitsarbeit sollte für
uns schon abfallen. Von der Ge-
schäftsführung des BBW erhielt ich
wohlwollende Unterstützung, zumal
zwischenzeitlich auch der Kunstlehrer
des Welten-Gymnasiums von der
möglichen Hilfe erfahren und seiner-
seits angefragt hatte.
Wie ging es dann weiter?
Nun musste alles recht schnell gehen,
weil nur noch zwei Wochen Zeit blie-
ben, um die 2500 Blechteile auf die
Maße zwölf mal zwölf Zentimeter zu
schneiden. Schließlich sollte das Hun-
gertuch ja am Aschermittwoch in der
Kirche hängen. Der Test auf der
Blechschneidemaschine verlief gut,
die weiteren Eckpunkte wurden mit
Uli Schubert, dem Kunstlehrer des
Welfen-Gymnasiums, besprochen –
und so war die Kooperation unter
Dach und Fach. Schon am nächsten
Tag wurden dann die Bleche geliefert,
die in Zusammenarbeit mit dem Me-
tallbereich des BBW mit Geduld und
Können bearbeitet wurden. Ich doku-
mentierte und kooperierte, lieferte
die geschnittenen Bleche an die Schu-
le, sodass dort schon früh die Farbge-
staltung beginnen konnte. Zuvor wa-
ren allerdings alle Teile gelocht wor-
den, um später mit Büroklammern an-
einander gehängt zu werden.
Wie fanden Sie das Ergebnis?
Das vier mal fünf Meter große Hun-
gertuch wirkte in der Kirche großartig
und lud in der Tat zum Verweilen ein.
Man musste sich Zeit nehmen, sich
einlassen – und wer Geduld hatte,
konnte das Gesicht des Propheten
finden. Dem BBW gebührt zwar nur
ein bescheidener Teil der Anerken-
nung, aber die Mitarbeit an dem Pro-
jekt war ein Beweis für unsere Flexibi-
lität und auch eine schöne Form, mit
anderen Schulen und Einrichtungen
konstruktiv zu kooperieren.
Auf Kurs 1-2013 | 21
Josef-Wilhelm-Schule
22 | Auf Kurs 1-2013
Eine besondere Erfahrung machten neun Schüler des Vorqualifizierungsjahres Arbeit/Beruf (VAB): Sie pflegten Gärten am Geburtsort des Heiligen Franz von Assisi – und nach getaner Arbeit am abendlichen Lagerfeuer zusammen mit ihren Lehrern Matthias Braun, Mirjam Nägele und Jutta Dickmanns auch ihre Klassengemeinschaft. Foto: Dickmanns
Grenzenloses Lernen: Der deutsch-korsische Schüleraustausch hat in der Josef-Wilhelm-Schule des BBW eine lange Tradition. Foto: Bour
Auf den Spuren Franz von Assisis
Korsische Schüler zu Gast in Ravensburg
Warum soll man nicht während der
Berufsvorbereitung im Ausland einen
Garten pflegen und dort Treppen und
Wege anlegen? Mit dieser Aufgabe
fuhren neun Jugendliche und drei
Lehrer der Gartenbau-Klasse im Vor-
qualifizierungsjahr Arbeit/Beruf
(VAB) in den Osterferien in das Gä-
stehaus des Klosters Sießen in das ita-
lienische Assisi. Ermöglicht wurde die-
ser ungewöhnliche Arbeitseinsatz
durch die erstmalige Zusammenarbeit
zwischen der Josef-Wilhelm-Schule
des BBW und den Sießener Schulen.
Für die Jugendlichen waren die Tage
vom frühmorgens bis in den späten
Nachmittag ausgefüllt. In den ver-
schiedenen Gartenbereichen wurden
Bäume geschnitten, gepflanzt und
Besuch aus Korsika: Zwölf Schülerin-
nen und Schüler aus dem fernen
Ajaccio waren zu Gast in der Josef-
Wilhelm-Schule des BBW. Während ih-
res dreiwöchigen Aufenthalts in Ra-
vensburg lernten sie nicht nur Ar-
beitsformen und -techniken im BBW
kennen, sondern auch Sitten und Ge-
bräuche, Kultur und die Landschaft
rund um den Bodensee. Seit 1991 gibt
es diesen deutsch-korsischen Schüler-
austausch zwischen dem BBW und
dem EREA Ajaccio beziehungsweise
dem SEGPA des Collège de Montesoro
Bastia.
Zur Verbesserung der Verständigung
und zum Abbau von Kontaktängsten
stand gleich zu Beginn ein Tandem-
Sprachkurs auf dem Programm. Da-
nach arbeiteten die deutschen Schü-
ler mit ihren korsischen Tandempart-
nern in den Ausbildungswerkstätten
des BBW und machten die Erfahrung,
dass man trotz Sprachbarrieren im
Arbeitsprozess gut kooperieren kann.
Unkraut gejätet. Unter Anleitung leg-
ten die Schüler Wege an und führten
Pflasterarbeiten durch. Für das leibli-
che Wohl sorgte die Gruppe als
Selbstversorger – mit logistischer Un-
terstützung der Franziskanerinnen.
Sie begleiteten die VABler auch mit
täglichen Impulsen und sorgten dafür,
dass die spirituelle Seite nicht zu kurz
kam. Nach getaner Arbeit saß man
abends gemeinsam in der Küche oder
am Lagerfeuer und erlebte die Ge-
meinschaft. Und so war der Aufent-
halt im Gästehaus des Sießener Klo-
sters sowohl für die Jugendlichen als
auch die Betreuer eine besondere Er-
fahrung.
Jutta Dickmanns
Lehrerin
Das zeigte sich bei den tollen Ergeb-
nissen aus der Maler- und Maurer-
werkstatt sowie bei der gemeinsamen
Arbeit im Kiosk und dem Restaurant
des Vorqualifizierungsjahres Arbeit/
Beruf (VAB). Zum kulturellen Pro-
gramm gehörten die Besichtigung der
Bäckerei Weber in Friedrichshafen mit
anschließendem Seelen-Backen sowie
Ausflüge in verschiedene Städte der
Region. Eine Besonderheit für die Ju-
gendlichen war die Besichtigung des
Schlosses in Langenargen. Im Mai bra-
chen dann die Ravensburger zum drei-
wöchigen Gegenbesuch nach Korsika
auf.
Das Projekt wird von der EU durch das
Deutsch-Französische Sekretariat fi-
nanziell unterstützt. Nach erfolgrei-
cher Teilnahme am Austausch erhal-
ten die Schülerinnen und Schüler ei-
nen Mobilitätsnachweis (Europass).
Catherine Bour
Lehrerin
Girls only: Mädchensporttag im BBW
Unter dem Motto „Girls only“ haben
über 50 Schülerinnen am diesjährigen
Mädchensporttag im BBW teilgenom-
men. Diese Veranstaltung hatte be-
reits im Vorjahr stattgefunden und
zählt nun wieder zum festen Bestand-
teil des Schuljahresplans der Josef-
Wilhelm-Schule.
Gestartet wurde der Sporttag um
8 Uhr mit einem gemeinsamen Warm-
up: Mit Aufwärmgymnastik zu flotter
Musik brachte Lehrerin Martina Glas
die Mädchen in Stimmung. Danach
verteilten sich die Teilnehmerinnen
auf mehrere Gruppen und durchliefen
die verschiedenen Angebote: Brenn-
Ein Scheck für den guten Zweck: Über eine Spende, die an der richtigen Stelle ankommt, freuten sich (stehend von links) Lehrer Detlev Freyer, BBW-Geschäftsführer Herbert Lüdtke, Martina Maurus, Michelle Gress, die Lehrer Swen Roth und Maria Fuchsloch sowie (vorne knieend) die Vorsitzende des Fördervereins Elwira Wäckerle, Ebru Vildiz und Tiziana Belsito. Foto: privat
Spende für krebskranke Kinder
Den Erlös aus dem letztjährigen Ad-
ventscafé in Höhe von 365 Euro ha-
ben Schüler und Lehrer der Josef-Wil-
helm-Schule an den Förderverein für
leukämie- und tumorkranke Kinder in
Ulm gespendet.
Inzwischen ist es fast schon Tradition,
dass in der Adventszeit Gruppen aus
der Berufsvorbereitung mit der Akti-
on Adventscafé für einen guten
Zweck aktiv werden. In diesem Schul-
jahr haben die Jugendlichen der Be-
reiche Küche und Service des Vorqua-
lifizierungsjahres Arbeit/Beruf (VAB)
sowie eine Gruppe der Maßnahme Be-
rufsausbildung in außerbetrieblichen
Einrichtungen (BaE) fleißig gebacken,
dekoriert und bedient. Zusammen mit
BBW-Geschäftsführer Herbert Lüdtke
wurde das Geld dann vor Ort in Ulm
übergeben. Dabei erhielten Schüler
und Lehrer einen Einblick in die Arbeit
des Förderkreises, der es Eltern er-
möglicht, während der oft langen und
aufreibenden Klinikaufenthalte bei ih-
ren kranken Kindern zu bleiben.
Schnell war allen BBWlern klar: Unsere
Spende ist hier an der richtigen Stelle.
Maria Fuchsloch
Lehrerin
Hatten viel Spaß: die Teilnehmerinnen des diesjährigen Mädchensporttages im BBW. Foto: Dickmanns
Auf Kurs 1-2013 | 23
ball in der Turnhalle, Walking im Gelän-
de, Gymnastik mit „Pezzibällen“ im Fo-
yer, Step-Aerobic im Bistro und Ent-
spannung mit Pilates im Meditations-
raum. Nach der Mittagspause trafen
sich alle zum gemeinsamen Abschluss
in der Halle. Martina Glas wartete
noch einmal mit einigen Entspan-
nungs- und Stretching-Übungen auf,
bevor es an das gemeinsame An-
schauen der Diashow ging. Lehrerin
Jutta Dickmanns hatte mit der Kame-
ra die Mädchen bei ihren sportlichen
Aktivitäten begleitet. Und so konnten
die Teilnehmerinnen den Tag noch
einmal Revue passieren lassen. Am
Schluss gab es auch für jedes Mäd-
chen noch eine Urkunde.
Elvira Ruf
Lehrerin
24 | Auf Kurs 1-2013
Bildung und Arbeit
Arbeitssicherheit: Landwirtschaft-Azubis lernen Umgang mit Rindern
Praxistipps vom „Rinderflüsterer“
Wertvolle Tipps für den richtigen
und sicheren Umgang mit Kühen
haben Lehrlinge aus dem Bereich
Landwirtschaft des BBW direkt
vom Experten bekommen: „Rinder-
flüsterer“ Denis Fuchs zeigte den
Azubis bei seinem Besuch in Liebe-
nau, wie eine Kuh so tickt – und
auf was die Jugendlichen im Ar-
beitsalltag unbedingt achten soll-
ten.
„Allez!“ Langsam, aber entschlossen
nähert sich der Mann im grauen Over-
all der Kuh. Seine Devise: dem Tier
nicht in die Augen schauen, bloß keine
Hektik ausstrahlen oder gar aggressi-
ve Gesten machen. „Wenn ich ruhig
bin, kann ich auch die Kuh beruhigen.
Bin ich nervös, rege ich sie auf. Unfäl-
le passieren meistens dann, wenn
man es zu schnell macht.“ Denis Fuchs
ist ganz in seinem Element. Als „Rin-
derflüsterer“ ist der Elsässer unter-
wegs, um in Seminaren sein Wissen an
Bauern weiterzugeben. Seine Station
heute ist Liebenau, wo er angehenden
Landwirtschaftsfachwerkern und
Landwirten aus dem BBW eindrucks-
voll demonstriert, auf was es im Um-
gang mit den Tieren ankommt.
Inzwischen ist er auf Tuchfühlung ge-
gangen. Mit dem Rücken lehnt er an
der Kuh, streichelt dann beruhigend
ihren Rücken, ehe er seinen linken
Arm um den Hals des Tieres legt. Er
greift der Kuh ins Maul, massiert sie
mit dem Daumen und löst so einen
Schluckreflex aus. Jetzt könnten bei
Bedarf mühelos Medikamente einge-
flößt werden, erklärt Fuchs. Und zwar
ohne dass es der Kuh weh tut. Leicht
und elegant sieht das aus, wie der
schmächtige Franzose das über zehn-
mal so schwere und zunächst doch so
nervöse Rind bändigt und immer wie-
der in ruhigem Tonfall auf es einre-
det. Alles eine Frage der Technik, wie
Fuchs betont: „Sie müssen wissen, wie
man ohne Gewalt und Kraft mit den
Tieren umgeht“.
Jenseits des Gatters hat ein Dutzend
BBW-Azubis gebannt die Szenerie ver-
folgt. Die jungen Leute erlernen hier
in Liebenau das Rüstzeug für ihren
späteren Job in der Landwirtschaft.
Am Vormittag hat ihnen Denis Fuchs
schon im Klassenzimmer viel erzählt
über die Psychologie und die Eigenar-
ten von Rindern. Etwa dass sie viel
länger als wir Menschen brauchen, um
ihre Augen vom hellen Sonnenlicht
auf die dunkleren Lichtverhältnisse im
Stall umzugewöhnen. Das erklärt, wa-
rum sie vor dem Gang durch das Stall-
Tor innehalten. Total interessant sei
das gewesen, finden die Azubis.
Respekt vor dem Tier
Nun folgt der Theorie die Praxis, und
hier macht Fuchs seinem Ruf als Rin-
derflüsterer alle Ehre. Es geht ihm um
eine respektvolle Begegnung mit dem
Tier – und gleichzeitig um das Ent-
schärfen kritischer Situationen. Dazu
gehört zum Beispiel das Anbinden.
Denis Fuchs schwingt das Lasso. Ein
gekonnter Wurf, nur ein ganz kurzes
Zucken des Rindes, das war’s. Dann
den richtigen Knoten gemacht, und
schon ist die Kuh fest am Gatter an-
gebunden. „Das hält.“ Und vor allem
lässt sich der Knoten mit einem Griff
auch blitzschnell wieder lösen. Und
das sei ganz wichtig für die eigene Si-
cherheit, weiß Fuchs. Diese Sicherheit
am Arbeitsplatz ist auch das Anliegen
von Ralf Besemer von der Landwirt-
schaftlichen Berufsgenossenschaft
Baden-Württemberg. „Menschliches
Fehlverhalten und Unkenntnis“ – das
seien oft die Ursachen von Unfällen
bei der Rinderhaltung. Deshalb zieht
er durch das Land, um mit Schulun-
gen die Arbeit im Stall und auf der
Weide weniger gefährlich zu machen.
Mit Denis Fuchs hat er heute auf Ein-
ladung von BBW-Ausbilder Günther
Reitter einen ausgewiesenen Exper-
ten mit nach Liebenau gebracht. Dem
Meister aus dem Elsass gut zugehört
und -geschaut haben offenbar die
Azubis. Ein 18-Jähriger hat es dem
Rinderflüsterer erfolgreich nachge-
macht und mit derselben Taktik ge-
schafft, dass die Kuh an seiner Seite
brav stillhält. „Bien!“
Christof Klaus
Auf Du und Du mit der Kuh: „Rinderflüsterer“ Denis Fuchs (links) machte es vor, und auch der BBW-Azubi hat das Tier jetzt fest im Griff. Foto: Klaus
Auf Kurs 1-2013 | 25
Fachdienste
(An)Reize für Job und Alltag: Motorik-Training für Schüler und Azubis
Die richtige Balance finden
Seit Herbst 2012 bieten die Ergo-
therapeuten Kim Engelhardt und
Jens Boison vom BBW-Fachdienst
Diagnostik und Entwicklung ein
wöchentliches Motorik-Training für
Jugendliche aus Ausbildung und Be-
rufsvorbereitung (BvB) an. „Es geht
uns um die Verknüpfung motori-
scher, sensorischer, emotionaler,
kognitiver und sozialer Erfahrungs-
bereiche“, sagen die Kursleiter
über den ganzheitlichen Förder-
ansatz.
Ein Jugendlicher mit verbundenen
Augen wird von den restlichen Grup-
penmitgliedern gerade „blind“ durch
die Halle geleitet, indem diese einen
Korridor bilden und durch akustische
Signale die Richtung vorgeben. Ande-
re Übungen folgen: Balancieren auf
einer umgedrehten Turnbank. Versu-
chen, das eigene Gleichgewicht auf ei-
ner Weichbodenmatte im „Einbein-
stand“ zu halten. Einen Ball auf dem
Körper eines anderen Menschen ab-
rollen. Oder auch tief in sich selbst
hineinhören, den eigenen Körper bei
geschlossenen Augen wahrnehmen:
Wie sitze ich denn gerade im Mo-
ment?
Es geht bei diesem Motorik-Training
also um Sinnesreize. Um Eindrücke,
die uns im Alltag durch Sehen, Rie-
chen, Schmecken, Hören, Fühlen, aber
auch über die Bewegung, die Körper-
haltung und das Gleichgewicht ver-
mittelt werden. „Aber nur wenn das
Zusammenspiel aller Sinnesreize funk-
tioniert, sind zielgerichtete Handlun-
gen oder angemessene Reaktionen
auf Umweltreize möglich“, betont Kim
Engelhardt und verweist auf die sen-
sorische Integrationstherapie der US-
Entwicklungspsychologin Anna Jean
Ayres. Dieser zufolge gelten Gleichge-
wichtssinn, Tiefenwahrnehmung und
Tastsinn als die Basissinne. „In Anleh-
nung daran wollen wir ‚sinn‘-liche Er-
fahrungen ermöglichen – durch das
gezielte Auslösen von Reizen mit un-
terschiedlichen Medien und Materi-
alien“, schildert Jens Boison das Kon-
zept hinter dem Kursangebot.
Persönlichkeit stärken
Im Vordergrund des einstündigen
Trainings stehen erlebnisorientierte
Bewegungsangebote, die den Aufbau
einer positiven Selbstwahrnehmung
unterstützen, wie Boison und Engel-
hardt berichten. Kommunikationsfä-
higkeit soll gefördert, die eigene Per-
sönlichkeit stabilisiert und Handlungs-
kompetenzen erweitert werden. „Un-
ser Motto ist, dass man wichtige Er-
fahrungen – physischer und psychi-
scher Art – nicht nur beim Rafting in
Neuseeland oder bei einer Dschungel-
tour im Amazonas sammelt, sondern
da, wo man die eigenen Normen ver-
lässt und persönliche Grenzen er-
reicht beziehungsweise verschiebt.“
Und das kann in der ganz alltäglichen
Umgebung geschehen. Je nach Jah-
reszeit findet das Motorik-Training in
der BBW-eigenen Turnhalle oder un-
ter freiem Himmel statt. Während
draußen natürliche Elemente wie Wie-
sen, Feldwege, Laubböden und Bäume
genutzt werden, kommen beim Trai-
ning in der Halle die üblichen Sport-
utensilien zum Einsatz: Bälle, Tücher,
Luftballons, Stöcke, Turn- und Weich-
bodenmatten, Kästen, Sprossenwand,
Springseile, Trampolin – und natürlich
als wichtigstes Medium: der eigene
Körper. „Zusätzlich steht uns die Klet-
terwand zur Verfügung“, so Boison.
„Dabei kommen vor allem Kraftaus-
dauer und auch psychische Kompo-
nenten zum Tragen, weil die Höhe und
die zunehmend gefühlte Schwerkraft
überwunden werden müssen.“
Christof Klaus
Das Gleichgewicht finden: Die BBW-ErgotherapeutenKim Engelhardt und Jens Boison geben einer Kursteilnehmerin Hilfestellung beim Balancieren auf einer Langbank. Foto: privat
26 | Auf Kurs 1-2013
Fachdienste
AUFWIND-Training® „Gemeinsam stark“
Raus aus der Opferrolle
Mobbing wird anfangs oft nicht be-
merkt. Es entwickelt sich schlei-
chend, meist aus ungelösten,
schwelenden Konflikten. Es wird
gelästert oder ignoriert, Gerüchte
werden in die Welt gesetzt, es wird
schikaniert bis hin zu körperlicher
Gewalt. Der Fachdienst Diagnostik
& Entwicklung des BBW bietet Op-
fern von Mobbing die Möglichkeit,
im Rahmen eines AUFWIND-Trai-
nings® an ihrem Verhalten und
Selbstwert zu arbeiten. Ziel ist es,
einen Weg raus aus der Opferrolle
zu finden und einen adäquaten,
selbstsicheren Umgang mit Kon-
fliktsituationen kennenzulernen.
Immer wieder kommen Jugendliche
ins BBW, die bereits Mobbing erfahren
und die Opferrolle für sich verinner-
licht haben. Um dem zu begegnen,
setzt das BBW seit einem halben Jahr
das von Stefan Werner entwickelte
AUFWIND-Training® „Gemeinsam
stark“ ein. „Das Gruppentraining rich-
tet sich an junge Menschen, die aus-
gegrenzt werden, eine Außenseiter-
position haben und von anderen Ju-
gendlichen gedemütigt, gehänselt,
geärgert oder gemobbt werden“, er-
läutert Dr. Stefan Thelemann, Leiter
des Fachdienstes Diagnostik & Ent-
wicklung im BBW und AUFWIND-Trai-
ner®. „Die Jugendlichen befinden sich
in einem Täter-Opferkreis-
lauf, das heißt, sie provozie-
ren durch ihr Verhalten un-
bewusst immer wieder die
Opferrolle.“ Mit dem AUF-
WIND-Training® soll ganz be-
wusst ein Gegenpol zum An-
tiaggressivitätstraining ge-
setzt werden. Das heißt: Po-
tenzielle Opfer sollen lernen,
sich auf konstruktive Art zu
wehren.
Selbstbewusstsein steigt
In der Regel kommen die Ju-
gendliche auf Empfehlung
von Ausbildern oder Bil-
dungsbegleitern zum AUF-
WIND-Training®, das über ei-
nen Zeitraum von 20 Wo-
chen mit je zweieinhalb
Stunden pro Woche läuft.
Aber auch der Gewaltprä-
ventionstag zu Beginn des
Ausbildungsjahres liefert
Hinweise, für wen das Trai-
ning hilfreich sein kann. Die erste
Gruppe startete im November 2012
mit sieben Teilnehmern, die zweite im
März mit zehn. Jeweils zwei bis drei
Trainer begleiten die Jugendlichen.
Das Verhältnis von Jungen und Mäd-
chen ist in etwa ausgewogen. Das
Schöne: Obwohl das Training der er-
sten Gruppe noch nicht beendet ist,
gibt es bereits positive Erfahrungen.
„Das Selbstbewusstsein steigt. Wenn
ein Problem vorliegt, bitten die Ju-
gendlichen zum Beispiel nicht mehr
darum, dass man etwas für sie regelt,
sondern fragen, was sie selbst tun
können“, berichtet Simone Krafcsik,
sozialtherapeutische Mitarbeiterin
und AUFWIND-Trainerin® im BBW.
Nach dem ersten Kennenlernen bein-
haltet das Training gruppenbildende,
erlebnispädagogische, ressourcenori-
entierte, selbstwertstärkende und
konfrontative Elemente. Eine wichti-
ge Rolle spielt die Schemapädagogik.
„Dabei schaut man sich Lösungsstra-
tegien, die bereits in der Kindheit ent-
wickelt wurden, um Probleme zu be-
wältigen, genauer an“, erläutert
Simone Krafcsik. Anhand der Ergeb-
nisse werden Ziele entwickelt und
vom Jugendlichen selbst formuliert.
Hinzu kommt die Schulung in Sachen
Körpersprache, Stress- und Konflikt-
management sowie Kommunikations-
training. Insgesamt liegt der Fokus
beim AUFWIND-Training® auf lösungs-
orientierten Ansätzen und weniger
auf dem Blick in die Vergangenheit.
„Auffällig ist, wie gern die Jugendli-
chen zum Training kommen. Sie sau-
gen die Inhalte regelrecht auf“, so die
Erfahrung von Dr. Thelemann.
Claudia Wörner
Dem Mobbing keine Chance geben: Der Fachdienst Diagnostik & Entwicklung bietet dafür ein spezielles Training an. Foto: privat
Fachtag des Kompetenznetzwerks Bodensee-Oberschwaben im BBW
Lernen trotz Autismus
Beim 7. Fachtag des Kompetenz-
netzwerks Autismus Bodensee-
Oberschwaben haben namhafte
Experten vor über 200 Gästen im
BBW über Diagnostik, Förderung
und schulische Bildung bei Men-
schen mit so genanntem „frühkind-
lichem Autismus“ informiert.
„Die betroffenen Menschen weisen
oft erstaunliche Spezialbegabungen
auf, können damit aber im Sinne einer
konstruktiven Lebensgestaltung nicht
so viel anfangen“, erklärte Sebastian
Schlaich, Oberarzt der Kinder- und
Jugendpsychiatrischen Abteilung der
Liebenauer St. Lukas-Klinik. „Dazu
kommen herausfordernde Verhaltens-
weisen, die Eltern und Fachkräfte oft
an den Rande der Belastungsfähigkeit
bringen.“ Deshalb müsse die Vernet-
zung und Zusammenarbeit aller Betei-
ligten, von den Eltern über die Päd-
agogik bis hin zur Medizin, unbedingt
vorangetrieben werden. Ein Spek-
trum, das der diesjährige Autismus-
Fachtag mit Referenten aus den un-
terschiedlichsten Disziplinen abbilde.
Aus medizinischer Sicht gab Dr. Anja
Wiberg, Fachärztin für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und Psychothera-
pie, zunächst einmal einen Überblick
über das Phänomen des frühkindli-
chen Autismus und seine klassischen
Symptome: stereotype Verhaltens-
muster, verzögerte Sprachentwick-
lung sowie Schwierigkeiten in der so-
ziale Interaktion und Kommunikation.
Dazu kämen oft zusätzliche Auffällig-
keiten wie Epilepsie, psychische oder
motorische Störungen.
„Die richtige Diagnose lässt sich am
besten im vierten oder fünften Le-
bensjahr stellen“, so Dr. Wiberg. Zur
Verfügung stehe ein ganzer Katalog
von Instrumenten, vom Elterninter-
view über psychologische Tests und
Verhaltensbeobachtung bis hin zur
neurologischen Untersuchung. Aber:
Die Diagnose sei nicht immer eindeu-
tig, da andere Störungen ganz ähnli-
che Symptome haben könnten. Bei-
spiel: Wenn ein Kind abwesend wirkt,
kann das auch einfach an einer uner-
kannten schweren Hörschwäche lie-
gen. Dass das genaue Hinschauen so
wichtig ist, gab auch Sebastian
Schlaich zu bedenken, denn: „Diagnos-
tik ist mehr als das Abschneiden in
einem Test.“
Doch wie geht es dann weiter? Wie
können Menschen mit Autismus ihr
Bildungsrecht einlösen? Dieser Frage
ging Prof. Dr. Theo Klauß von der Päd-
agogischen Hochschule Heidelberg
nach. Da es spezielle Sonderschulen
für Autisten hierzulande nicht gebe,
fänden sich die rund 1900 autisti-
schen Schüler in Baden-Württemberg
meist an Schulen für Menschen mit
geistiger Behinderung wieder. Klauß
skizzierte verschiedene erfolgsver-
sprechende Förder- und Lernkonzep-
te. Das A und O dabei: Die betroffe-
nen Kinder und Jugendliche brauchen
bestimmte Strukturen, um sich zu-
rechtfinden zu können. Separate Räu-
me etwa, mehr schriftliche statt
mündliche Arbeiten, eine klare Leh-
rersprache. Wichtig dabei sei es auch,
den Kindern das Gefühl der Bestäti-
gung zu vermitteln: „Menschen mit
Autismus brauchen die Erfahrung,
dass nicht alles, was sie tun, korrigiert
wird.“
Im Gegensatz zu Deutschland gibt es
in der Schweiz schulische Spezialein-
richtungen für autistische Kinder.
Zum Beispiel in Urdorf. Wie dort ge-
arbeitet wird, schilderte die dort als
schulische Heilpädagogin tätige
Simone Russi anhand des sogenann-
ten „TEACCH“-Ansatzes, der den
Schülern den Lern- und Lebensalltag
erleichtern soll. Das Motto laute: „So
viel Struktur wie nötig, so wenig wie
möglich.“
Eltern: die besten Fachkräfte
Vom Erziehungsalltag in der stationä-
ren Jugend- und Eingliederungshilfe
berichtete schließlich Heilpädagoge
Gerhard Unger, während die Freibur-
ger Rechtsanwältin Ines Theda über
die Rechtsansprüche von Menschen
mit Autismus informierte. Zuletzt ka-
men mit Karin und Klaus Bockstahler
auch betroffene Eltern zu Wort, die
von der alltäglichen Begleitung und
Erziehung ihres Kindes erzählten. Für
Sebastian Schlaich ist in dem Zusam-
menhang sowieso klar: „Die Eltern
sind die besten Fachkräfte.“
Christof Klaus
So viel Struktur wie nötig, so wenig wie möglich“: Interessante Einblicke in den Schulunterricht mit autistischen Kindern gab die Schweizer Heilpädagogin Simone Russi. Foto: Klaus
Auf Kurs 1-2013 | 27
Ausführliche Informationen und
Materialien zum Fachtag gibt es
im Internet unter:
www.bbw-rv.de/fachtag
Dort können Sie sich die einzel-
nen Vorträge als PDF-Dokumente
herunterladen und auch eine
DVD mit Videoaufzeichnungen
der Veranstaltung bestellen.
Schillerstraße 15 Ulm
15 Jahre Regionales Ausbildungszentrum (RAZ) Ulm
„Wir sind ein offenes Haus“
„Wir werden immer mehr junge Leute bekommen, die mehrere Behinderungen haben oder komplexe Problemlagen auf-weisen“, prognostiziert Birgit Simon, Abteilungsleiterin des seit 15 Jahren bestehenden Regionalen Ausbildungszen-trums (RAZ) des BBW in Ulm. Foto: Dannhäuser
28 | Auf Kurs 1-2013
dann auch zeitnah eine Beschäftigung
gefunden. So liegt unsere durch-
schnittliche Vermittlungsquote bei
stattlichen 77,6 Prozent. In einzelnen
Jahrgängen gab es sogar eine Quote
von 100 Prozent, zuletzt 2011.
Wie hat sich Ihre Arbeit in den
letzten 15 Jahren verändert?
Anfangs hatten wir hier Jugendliche
mit einer „klassischen“ Lernbehinde-
rung, die zu fit waren, um eine inten-
sive BBW-Ausbildung zu machen, und
relativ schnell auch auf dem ersten
Arbeitsmarkt Fuß fassen konnten. Im
Laufe der Jahre waren es dann aber
vermehrt junge Menschen mit immer
komplexeren Problemlagen, angefan-
gen von Verhaltensauffälligkeiten
über ADHS bis hin zu Autismus-Spek-
trum-Störungen und psychischen Be-
einträchtigungen. Im vorigen Jahr
kam erstmals eine junge Frau mit ei-
ner psychischen Behinderung sogar
aus der Realschule zu uns. Zugleich
erweiterte sich das Feld aber auch in
die andere Richtung: Neuere Maßnah-
men wie die sogenannten BVE oder
KoBV zielen auf Schüler mit einer
leichten geistigen Behinderung ab,
die bei uns im RAZ und der Max-Gut-
knecht-Schule ihre Berufsvorberei-
tung absolvieren. Dank unserer Nähe
zur Schule können wir auch diese Kli-
entel mit ihrem intensiven Unterstüt-
zungsbedarf beruflich auf Kurs brin-
gen.
In der „Schillerstraße 15“ werden ja
auch Azubis unterrichtet, die nicht
im RAZ sind.
Ja, im Moment haben wir mehr als
zwei Dutzend externe Schüler. Das
sind zum Beispiel Lehrlinge aus lang-
jährigen Partnerbetrieben des RAZ,
die sich inzwischen so viel Kompetenz
angeeignet haben, dass sie sich die
Ausbildung eines lernbehinderten Ju-
gendlichen auch alleine zutrauen –
mit Unterstützung unserer Schule.
Außerdem schicken andere Träger ih-
Im Jahr 1998 wurde das Regionale
Ausbildungszentrum (RAZ) Ulm als
Außenstelle des BBW in der Mün-
sterstadt gegründet. Seit 2010 ist
die Einrichtung in der „Schillerstra-
ße 15“, dem Haus für Bildung, Reha-
bilitation und Teilhabe, beheimatet
– unter einem Dach mit der eng
mit dem RAZ verbundenen Sonder-
berufsschule, der Max-Gutknecht-
Schule, sowie den ambulanten
Diensten der St. Gallus-Hilfe. RAZ-
Abteilungsleiterin Birgit Simon
zieht eine Zwischenbilanz:
Frau Simon, seit anderthalb Jahr-
zehnten helfen Sie Jugendlichen
mit besonderem Förderbedarf
bei ihrem Start ins Arbeitsleben.
Wie viele junge Menschen haben
im RAZ Ulm bis heute einen Beruf
erlernt?
Seit 2001, als unser erster Absolven-
ten-Jahrgang das Haus verließ, haben
rund 250 Azubis ihre Prüfungen er-
folgreich abgelegt – und größtenteils
Auf Kurs 1-2013 | 29
re Auszubildenden zu uns, weil sie in
bestimmten Fächern nicht selbst un-
terrichten, im Gastronomie-Bereich
zum Beispiel.
Eine enge Zusammenarbeit mit
Betrieben aus der freien Wirt-
schaft war schon immer eines der
Markenzeichen des RAZ Ulm…
…und seit 2004 gibt es hier ja auch
kooperative Ausbildungen, bei denen
der praktische Teil von Anfang an
ausschließlich in externen Betrieben
stattfindet. Das betraf zunächst die
angehenden Fachlageristen, später
kamen weitere Berufe dazu.
Gibt es einen Trend, die Ausbildung
noch mehr in Betriebe zu verlagern?
Eine solche Entwicklung wird ver-
stärkt von Politik und Kostenträger
gewünscht und propagiert. So soll nur
noch ein Drittel aller Jugendlichen mit
einer Lernbehinderung in BBW-Maß-
nahmen oder Maßnahmen der Sonsti-
gen Reha untergebracht und der Rest
auf dem freien Ausbildungsmarkt
oder auch in ausgeschriebene Maß-
nahmen vermittelt werden. Die Pra-
xis, immer mehr Ausbildungsleistun-
gen per Ausschreibungen zu verge-
ben, hat bei uns um das Jahr 2008
herum zu einem starken Belegungs-
einbruch geführt. Heute nimmt be-
reits die Hälfte unserer Auszubilden-
den an solchen ausgeschriebenen
Maßnahmen teil, die andere Hälfte an
verhandelten Maßnahmen. Aber nur
mit denen kann man halt sicher mit-
telfristig planen.
Warum?
Für die ausgeschriebenen Maßnah-
men müssen wir uns alle zwei bis drei
Jahre wieder neu bewerben. Wir wis-
sen also nicht, ob wir den Zuschlag je-
weils erneut bekommen oder nicht.
Zudem ist die Finanzierung bei diesen
Maßnahmen wesentlich schlechter.
Ulm ist dabei natürlich auch ein aus-
gesprochen heißes Pflaster. Es bewer-
ben sich hier sehr viele Träger auf die
Ausschreibungen, dadurch ist das
Preisniveau sehr niedrig. Wir mussten
unsere Kosten schon um ungefähr ein
Drittel reduzieren, um überhaupt die-
se Maßnahmen zu bekommen.
Wie haben sich die Belegungszah-
len entwickelt?
Nach der Gründung des RAZ Ulm
wuchs die Zahl der Azubis zunächst
stetig bis auf knapp 120 an, ehe dann
mit den Ausschreibungen ein Ein-
bruch kam. Obwohl sich unser Berufs-
spektrum in den letzten Jahren deut-
lich erweitert hat, sind die Azubi-Zah-
len selbst nicht wieder gestiegen.
2008 hatten wir 117 Lehrlinge in ins-
gesamt zehn Berufen, heute sind es
106 in 16 Berufen. Dazu kommen ak-
tuell 27 externe Schüler, 36 Jugendli-
che im berufsvorbereitenden Vorqua-
lifizierungsjahr Arbeit/Beruf (VAB),
86 Teilnehmer einer Berufsvorberei-
tenden Bildungsmaßnahme (BvB), 13
BVE- und fünf KoBV-Teilnehmer. Sie
sehen, das Angebot ist wesentlich
komplexer geworden.
Wo sehen Sie das RAZ Ulm in
15 Jahren?
Eine Prognose ist schwierig. Es ist
momentan alles sehr im Fluss. So
steht eine Schulreform in Baden-
Württemberg an, im Zuge der Inklusi-
on sollen immer mehr Schüler in allge-
meinbildenden Schulen statt in För-
derschulen unterrichtet werden. Wir
sind sicherlich gefragt, dann auch in
diesen Schulen verstärkt als An-
sprechpartner für Schüler mit multi-
plen Problemlagen präsent zu sein.
Dann sehe ich wie bereits erwähnt
junge Menschen mit psychischer Be-
hinderung als eine Zielgruppe. Derzeit
bemühen wir uns auch um eine Aus-
schreibung, bei der es um die Ausbil-
dung von Jugendlichen mit einer Sin-
nesbehinderung geht. Lernbehinde-
rung wird künftig also nur noch die
Basis im RAZ sein. Wir werden immer
mehr junge Leute bekommen, die
mehrere Behinderungen haben oder
komplexe Problemlagen aufweisen.
Gleichzeitig sehe ich uns prinzipiell
auch gut aufgestellt für eine Öffnung
gegenüber nichtbehinderten benach-
teiligten Personen. Hier fehlt aber
noch die gesetzliche Grundlage für
etwaige Maßnahmen. Und vielleicht
bieten wir irgendwann auch einmal
Beratungsleistungen an für Menschen
mit entsprechendem Bedarf.
Das RAZ trägt die „Region“ bereits
im Namen. Wie drückt sich diese
Verbindung noch aus?
Allein schon durch unsere zahlreichen
Partnerbetriebe sind wir sehr gut in
Ulm und Umgebung verwurzelt. Dazu
kooperieren wir mit mehreren Schu-
len, mit der Caritas Ulm und den Seni-
oren des Vereins „JAZz“, die mit unse-
ren Auszubildenden Bewerbungstrai-
ning machen. Und seit unserem Um-
zug in die „Schillerstraße 15“ sind wir
Mitglied der Stadtteilorganisation AG
West. Darüber hinaus haben wir einen
guten Draht zur neuen Sozialbürger-
meisterin Iris Mann und der städti-
schen Abteilung Bildung und Sport.
Vernetzt sind wir natürlich auch mit
den Innungen und Kammern. Grund-
sätzlich muss man betonen: Wir sind
ein offenes Haus. Wir haben die
„Schillerstraße 15“ als Einrichtung
konzipiert, in die auch Gäste und Kun-
den von außerhalb kommen und An-
gebote im Rahmen der Ausbildung in
Anspruch nehmen können – sei es
zum Frühstück, zum Mittagessen
oder an den Verkaufstheken unserer
Azubis im Bäckerei- oder Metzgereila-
den. Oder auch zu kulturellen Veran-
staltungen wie Lesungen oder Aus-
stellungen.
30 | Auf Kurs 1-2013
15 Jahre RAZ Ulm
Seit 1998 bringt das Regionale Ausbildungszentrum (RAZ) Ulm
junge Menschen mit besonderem Förderbedarf erfolgreich in
den Arbeitsmarkt. Längst gilt die mittlerweile in der „Schillerstraße
15“ beheimatete Außenstelle des BBW als Top-Adresse in Sachen
Berufsvorbereitung und Ausbildung in der Donaustadt. Auf Kurs
zeigt ein paar Schnappschüsse aus 15 Jahren RAZ Ulm.
Guck mal!
Guck mal !
Startschuss in der Ulmer Gasse: die ersten Azubis!
Heute: Der aktuelle Azubi-Jahrgang
Praxisnah: Ausbildung im Partnerbetrieb2005 Autofachwerker: Immer mehr Berufe im Angebot
2013
1998
Kisten packen: Umzug in die Schillerstraße 15
Fotos: Kästle, Dannhäuser, Klaus, privat 2010 Kreativ: Kunstprojekte im RAZ
Auf Kurs 1-2013 | 31
Erste Prüfung im neuen Beruf
„Kommen, informieren, genießen“: Unter diesem Motto hat Ulms Haus für
Bildung, Rehabilitation und Teilhabe zum Tag der offenen Tür in die „Schil-
lerstraße 15“ eingeladen. Max-Gutknecht-Schule, St. Gallus-Hilfe, Liebenau
– Leben im Alter sowie das Regionale Ausbildungszentrum (RAZ) stellten
sich mit einem bunten Informations- und Unterhaltungsprogramm vor. Ob
Getreidequiz, Torwandschießen, Mathespiel, verschiedene Präsentationen
oder auch die Wanderausstellung „Ulm – Internationale Stadt“: An jeder
Ecke gab es etwas anderes zu entdecken. So konnten die Besucher bei
zahlreichen Aktionen mitmachen, mitraten oder Ausbildung „live“ erleben.
Mit mehreren Kochshows rund um das Thema „Heimischer Fisch“ haben
sich Azubis und Ausbilder des RAZ Ulm auf der Jagd- und Fischereimesse
2013 präsentiert. Normalerweise lernen sie unter den Augen ihrer Ausbil-
der, wie man Wild und Fisch schmackhaft zubereitet. Nun ließen sich zwei
RAZ-Lehrlinge von einem größeren Publikum auf die Finger und in die Töp-
fe schauen. Unterstützt wurden die angehenden Beiköche beim Schauko-
chen von den RAZ-Küchenmeistern Reinhard Klein und Claus Müller sowie
von Moderator Wolfgang Siegler, Ausbildungsleiter im Landesfischereiver-
band Baden-Württemberg und Mitglied in der Jägervereinigung Ulm. Insge-
samt vier jeweils einstündige Kochshows bestritt das RAZ-Team auf der
Messe und sorgte dabei für einen Augen- und Gaumenschmaus. So durften
sich die Besucher beispielsweise über geräucherte Forelle auf Seetang,
Karpfensalat oder Bouillabaisse vom Bodenseefisch freuen. Außerdem gab
es eine Demonstration, wie Lachs fachgerecht gebeizt wird.
Premiere im RAZ Ulm: Zum ersten Mal wurde im neuen Ausbildungsberuf
zum Fachpraktiker Verkäufer im Fleischerhandwerk eine Zwischenprüfung
abgelegt – mit Erfolg! Ein Jugendlicher wurde geprüft und hat bestanden.
Das Besondere daran: Das RAZ Ulm ist deutschlandweit die einzige Einrich-
tung, in der benachteiligte Jugendliche diese im Vergleich zur Vollausbil-
dung theoriereduzierte Lehre absolvieren können. Nachdem Fachrechnen
und Fachkunde in der Theorieprüfung abgefragt worden waren, mussten
im praktischen Prüfungsteil unterschiedliche Aufgaben erfüllt werden:
zum Beispiel das Herstellen von Spießen und des entsprechenden Ange-
botsschildes. Des Weiteren wurde das Herrichten einer Aufschnittplatte,
die Präsentation selbst hergestellter Waren sowie das Führen eines Ver-
kaufsgesprächs verlangt. Diese Anforderungen entsprechen denen der
Vollausbildung.
Am Ende waren die Mitarbeiter des RAZ Ulm und vor allem natürlich der
Prüfling selbst glücklich über den positiven Ausgang der ersten Zwischen-
prüfung in diesem Beruf.
Tag der offenen Tür bietet viel
Leckere Fischgerichte serviert
„Kommen, informieren, genießen“ – Das Motto war Pro-gramm beim Tag der offenen Tür in der Schillerstraße 15. Foto: Dannhäuser
Die RAZ-Küchenmeister Reinhard Klein (links) und Claus Müller im Einsatz auf der Jagd- und Fischereimesse Ulm: So gelingt das Lachsgericht! Foto: RAZ Ulm
Gelungene Premiere: Panajodis Petridis hat als erster RAZ-Azubi die Zwischenprüfung im Beruf Fachpraktiker Verkäufer im Fleischerhandwerk abgelegt, was auch seine Ausbilderin Uta Klingler freut. Foto: RAZ Ulm
Startschuss in der Ulmer Gasse: die ersten Azubis!
Kisten packen: Umzug in die Schillerstraße 15
Fotos: Kästle, Dannhäuser, Klaus, privat
Schillerstraße 15 Ulm
Ilhan Cillinger: RAZ-Azubi und erfolgreicher Kickboxer
„Immer wieder selbst Ziele setzen“
Großer Erfolg für sportlichen Azu-
bi: Ilhan Cilinger, angehender Holz-
fachwerker und Berufsschüler der
Max-Gutknecht-Schule Ulm, hat bei
den vierten chinesischen Kickbox-
Meisterschaften des US-amerikani-
schen Verbands „The World Kuo Shu
Federation“ im malaysischen Kuala
Lumpur in seiner Alters- und Ge-
wichtsklasse die Bronzemedaille
gewonnen. Für den Wettkampf
hatte der 19-Jährige extra schul-
frei bekommen. Sein Lehrer Uli
Kuhn hat ihn für Auf Kurs inter-
viewt:
Wie war es in Kuala Lumpur?
Es war ein tolles Erlebnis! Ich genoss
vor allem das chinesische Essen. Das
war köstlich. Es wird dort aber auch
oft indisch gekocht. Das sieht zwar
auf den ersten Blick etwas seltsam
aus. Es hat aber dann auch sehr gut
geschmeckt.
Wie bist du zum Kickboxen gekom-
men?
Mein Vater wollte, dass ich mich in
meiner Freizeit sportlich betätige. Es
hätte auch Fußball sein können, ich
wollte aber schon immer zum Kickbo-
xen. Schon als Zehnjähriger habe ich
von dieser Sportart gehört.
Erzähle uns etwas über deine
Sportart!
Der Sport nennt sich „Kuo Shu“. Seit
2008 trainiere ich beim Chinese
Kuoshu Institute (CKI) in Neu-Ulm.
Ich musste anfangs besonders meine
Technik, die Schlagart, den Stil und
die Koordination trainieren.
Hast Du Vorbilder?
Ich habe mir bei „YouTube“ Videos von
Muhammad Ali, Mike Tyson und Roy
Jones angeschaut. Besonders faszi-
nieren mich Eyüp Nas und Badir Harl.
Mich beeindruckt, wo und wie diese
Sportler ihre Motivation herholen.
Woher holst Du Deine Motivation?
Die Motivation kommt von innen her-
aus. Ich habe gemerkt: Wenn ich nicht
trainiere, fühle ich mich nicht gut.
Und bei Durchhängern bauen mich
Freunde auf. Da ich Amateur bin,
muss ich mir immer wieder selbst Zie-
le setzen. Profis dagegen motivieren
sich mit der Aussicht auf Geld. Deren
Hauptantrieb ist, voll vom Kickboxen
zu leben.
Könntest du Dir auch vorstellen,
Profi zu werden?
Das Problem im Umfeld von Profibo-
xern ist, dass sie oft aus schwierigen
Lebensumständen kommen. Sie haben
wenig andere berufliche Perspektiven
oder auch einen kriminellen Hinter-
grund. Außerdem müsste ich mich
dann hundertprozentig auf diesen
Sport konzentrieren.
Seit wann bist du an der Max-Gut-
knecht-Schule?
Im Herbst 2010 begann ich meine
Ausbildung zum Holzfachwerker bei
der Firma MOCO in Ulm.
„Kuala Lumpur war ein tolles Erlebnis“: der Ulmer Kickboxer und RAZ-Schüler Ilhan Cillinger. Foto: Kuhn
Grafik: Salome (Fotolia.com)
32 | Auf Kurs 1-2013
Auf Kurs 1-2013 | 33
Augenblick bitte
Einen AUGENBLICK bitte...
Fortbildungsangebot gibt mir immer
die Möglichkeit, mich entsprechend
auf äußere Veränderungen vorzube-
reiten und einzustellen. Die Aufgaben
hier sind sehr vielseitig, und ich habe
hierbei viel Handlungsspielraum. Das
finde ich klasse!
Was würden Sie gern ändern?
Vieles ändert sich ständig! Ich wün-
sche mir, dass manches so bleibt wie
es ist.
Was möchten Sie in der Auf Kurs
gerne lesen?
In Auf Kurs bekomme ich immer einen
guten Querschnitt aus allen Bereichen
des BBW zu lesen, gespickt mit Be-
richten von ehemaligen Schülern. Und
natürlich gibt Auf Kurs die Möglich-
keit, selbst Berichte zu schreiben, um
einen Teil dazu beizutragen.
Haben Sie Vorbilder?
Wenige!
Was machen Sie in der Freizeit?
Da ich in meiner Jugend eine Ausbil-
dung zum Berufsmusiker gemacht ha-
be, mache ich in meiner Freizeit Mu-
sik, trete gerne mit verschiedenen
Bands auf und unterrichte an der Mu-
sikschule in Blaubeuren. Sonst fahre
ich gerne Rad, hin und wieder mache
ich einen Ausdauerlauf, und im Winter
gehe ich Skifahren und mache Lang-
lauf.
Ihr Lieblingsbuch?
„Der Medicus“ von Noah Gordon
finde ich als Roman sehr spannend.
Sonst lese ich gerne Biografien
von Musikern.
Ihr Lieblingsessen?
Alles, was gut schmeckt. Gerne
mag ich Pasta, asiatische Gerichte
und natürlich die schwäbische
Küche von A bis Z.
Ihr Lieblingsfilm?
„Papillon“ mit Dustin Hoffman und
Steve McQueen.
Welche Musik hören Sie gerne?
Von Soul bis Jazz alles. Für mich
muss Musik gut gemacht sein und
zur jeweiligen Situation passen.
Sie arbeiten in einem sozialen
Unternehmen, das zur Stiftung
Liebenau gehört. Warum?
Das war zu Beginn meiner Tätigkeit
eher zweitrangig, Im Laufe der
Jahre habe ich diesen Umstand zu
schätzen gelernt. Ich arbeite hier
im RAZ Ulm gerne und fühle mich
bei der Stiftung Liebenau ganz
wohl.
Ihr Lieblingsspruch?
Es gibt so viele Sprüche, die gut
sind… Ich nehme diesen: „Was du
nicht willst, das man dir tu, das
füg auch keinem anderen zu.“
Seit wann sind Sie im BBW?
Seit dem 20. August 2000.
Ihr Arbeitsplatz?
Ich arbeite im Regionalen Ausbil-
dungszentrum (RAZ) in Ulm, bin
Ausbilder für Bäckerfachwerker
und Verkaufshelfer/-innen im
Bäckerhandwerk. Seit Mitte 2011
bin ich im Leitungsteam und als
Leitung für die Ausbildung zustän-
dig.
Was interessiert Sie an der
Arbeit mit Jugendlichen?
Ich kann es nicht genau sagen, es
macht mir auf jeden Fall Spaß, und
ich möchte immer ein offenes Ohr
für die Anliegen der Jugendlichen
haben.
Was finden Sie klasse im BBW?
Das BBW stellt eine sehr gute In-
frastruktur zur Verfügung, um ei-
ne gute Ausbildung für die Teil-
nehmer zu gewährleisten. Das
Johannes Hettrich, 45 Jahre
Foto: privat
34 | Auf Kurs 1-2013
ServiceDas Ausbildungsangebot des BBW
* Bei entsprechender Teilnehmerzahl Beschulung durch die Josef-Wilhelm-Schule möglich.
Ausbildungsbereich Beruf Dauer BBW RAZ RAZ Beruf-
RV RV Ulm schule
Verkauf •Verkäufer/-in 3Jahre x x x BBW •Verkaufshelfer/-inimBäckerhandwerk 3Jahre x x x BBW •Fachverkäufer/-inimLebensmittelhandwerk Schwerpunkt Bäckerei 3 Jahre x x x extern •Fachverkäufer/-inimLebensmittelhandwerk Schwerpunkt Fleischerei 3 Jahre x extern
•Fachpraktiker/-inVerkäufer/-in
im Fleischerhandwerk 3 Jahre x BBW
•Kaufmann/-frauimEinzelhandel 3Jahre x x extern
Lagerwirtschaft •Fachlagerist/-in 2Jahre x x x BBW •FachkraftfürLagerlogistik 3Jahre x x extern
Büro •Kauffrau/-mannfürBürokommunikation 3Jahre x extern •Bürokauffrau/-mann 3Jahre x extern
Fahrzeugtechnik •Autofachwerker/-in 3Jahre x x x BBW •Kfz-Mechatroniker/-in 3,5Jahre x extern
•Mechaniker/-infürLand-und Baumaschinentechnik 3,5 Jahre x extern •Fachpraktiker/-infürLand-und Baumaschinentechnik 3,5 Jahre x extern
Metalltechnik •Fachwerker/-infürMetallbautechnik 3Jahre x x BBW
•Metallbauer/-in
Fachrichtung Konstruktionstechnik 3,5 Jahre x x extern
•Metallfeinbearbeiter/-in 3Jahre x x BBW
•Werkzeugmaschinenspaner/-inDrehen 3Jahre x x BBW
•Werkzeugmaschinenspaner/-inFräsen 3Jahre x x BBW
•Zerspanungsmechaniker/-in 3,5Jahre x x extern
•Industriemechaniker/-in 3,5Jahre x x extern •Fachwerker/-infürGebäude-undUmwelt- 3Jahre x x x BBW dienstleistungen •Maschinen-undAnlagenführer/-in 2Jahre x extern •Teilezurichter/-in 2Jahre x extern
Bautechnik •Ausbaufacharbeiter/-in 3Jahre x x BBW
•Zimmerer/-in 3Jahre x x BBW
•Maurer/-in 3Jahre x x BBW •Hochbaufacharbeiter/-in 3Jahre x x BBW •Trockenbaumonteur/-in 3Jahre x x BBW
Holztechnik •Holzbearbeiter/-in 3Jahre x x x BBW
•Tischler/-in 3Jahre x x BBW
Farbtechnikund •Fachwerker/-inimMaler- Raumgestaltung und Lackiererhandwerk 3 Jahre x x x BBW Schwerpunkt Malerei Schwerpunkt Lackiererei
•Maler/inundLackierer/-in 3Jahre x extern
•Fahrzeuglackierer/-in 3Jahre x x extern
•Polster-undDekorationsnäher/-in 2Jahre x x BBW •Raumausstatter/-in 3Jahre x BBW •Fachwerker/-inRaumausstatter 3Jahre x BBW •Bauten-undObjektbeschichter/-in 2Jahre x x extern
Ernährung •Beikoch/Beiköchin 3Jahre x x x BBW
•Koch/Köchin 2Jahre x x extern •FachkraftimGastgewerbe 3Jahre x x x BBW
•Restaurantfachmann/-frau 3Jahre x x extern
•Bäcker/-in 3Jahre x extern
•Bäckerfachwerker/-in 3Jahre x BBW
Hauswirtschaft •Fachpraktiker/-inHauswirtschaft 3Jahre x x BBW
•Hauswirtschafter/-in 3Jahre x x BBW*
GesundheitundPflege •Altenpflegehelfer/-in 2Jahre x BBW
Agrarwirtschaft •Gartenbaufachwerker/-in 3Jahre x x x BBW
•Gärtner/-in 3Jahre x x BBW
•Landwirtschaftsfachwerker/-in 3Jahre x x BBW
•Landwirt/-in 3Jahre x x extern
Übersicht
Josef-Wilhelm-Schule
Albert Erb
Schulleitung -6200
Klaus Hagmann,
Konrektor -6216
Lutz Nischelwitzer
Konrektor, VAB -6206
Rainer Goetz
Fachabteilungsleiter
Gewerbe 1 -6204
Susanne Weiss
Fachabteilungsleiterin
Gewerbe 2 -6218
Sekretariat -6201
Fax: -6141
Wohnbereich
Wolfgang Dreyer
Abteilungs leitung Wohnen/
Freizeit -6400
Andrea Fischer
Jugendhilfe -6444
Fachdienst
Diagnostik & Entwicklung
Dr. Stefan Thelemann
Abteilungsleitung -6118
Marion Schuler -6112
Arbeitserprobung/Eignungsabklärung
Bildungsbegleitung
Oliver Schweizer
Abteilungsleitung -6117
Bildung und Arbeit
Manfred Haas
Abteilungsleitung -6111
Monika Kordula
Bildungsmanagement -6163
Madeleine Haubner
Assistenz u. Rehamanagement -6337
Matthias Friedetzky
Projektmanagement -6245
Klaus Bussenius
Wirtschaft und Verwaltung
0751/362143-101
Dirk Eberhard
Küche -6123
Thomas Rapp
Metall -6301
Heiko Beermüller
Zimmerei / Maurer -6327
Ludwig Speidler
Schreinerzentrum -6380
Harald Mayer
Maler und Lackierer -6320
Maria-Anna
Janßen-Spinnenhirn
Hauswirtschaft -6339
Josef Stützenberger
Kfz-Werkstatt Liebenau -6356
Hugo Glückler
Berufsvorbereitung -6312
BBW Außenstelle Biberach
Tel. 0 73 51 / 50 58 19
Bernd Taube (Werkstattleitung)
Jochen Gerstner (Bildungsbegleitung)
Schwanenstraße 92
88214 Ravensburg
Tel.: 07 51/35 55-8
Fax: 07 51/35 55-6109
E-Mail: info@bbw-rv.de
www.bbw-rv.de
Durchwahl: 07 51/35 55-…
Geschäftsführung
Herbert Lüdtke Tel-DW.: -6101
Sekretariat -6100
Fax: -6115
Verwaltung
Christian Braun
Abteilungsleitung -6102
Sabine Hutschneider
Verwaltung der Teilnehmer-
angelegenheiten -6104
Ihre Ansprechpartner im Berufsbildungswerk Adolf Aich
Schillerstraße 15 – Bildung, Rehabilitation, Teilhabe
Regionales Ausbildungszentrum (RAZ) UlmSchillerstraße 15 · 89077 Ulm
Zentrale: Tel.: 07 31/15 93 99-0 · Fax: 07 31/15 93 99-111
E-Mail: info@raz-ulm.de · www.raz-ulm.de
Birgit Simon Abteilungsleitung Tel.-DW: -100
Veronika Hirschmann Leitung Verwaltung -101
Julia Klaß Leitung Bildungsbegleitung -410
Johannes Hettrich Leitung Ausbildung -320
Reinhard Klein stellv. Leitung Ausbildung -311
Max-Gutknecht-SchuleSchillerstraße 15 · 89077 Ulm
Tel.: 07 31/15 93 99-0 · Fax: 07 31/15 93 99-111
E-Mail: info@mgs-ulm.de · www.max-gutknecht-schule.de
Albert Erb Schulleiter 07 51/35 55-6200
Roland Groner Stellv. Schulleiter 07 31/15 93 99-200
Cornelia Schaal Fachabteilungsleitung Sonderberufsschule -202
Carolin Häußler Fachabteilungsleitung Sonderberufsfachschule
(VAB) -202
www.bbw-rv.deAuf Kurs 1-2013 | 35