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KlagenfurterGeographischeSchriften Heft 28Institut für Geographie und Regionalforschung
der Universität Klagenfurt 2012
Hans Peter JESCHKE und Peter MANDL (Hrsg.)
Eine Zukunft für die Landschaften Europasund die Europäische Landschaftskonvention
Titelblatt: „Unsere Umwelt beginnt in der Wohnung und endet in der Weite der Landschaft“
Aus: IVWSR (1973): Wiener Empfehlungen. Luxemburg. In: Jeschke, Hans Peter (Hrsg.)
(1982): Problem Umweltgestaltung. Ausgewählte Bestandsaufnahme, Probleme, Thesen
und Vorschläge zu Raumordnung, Orts- und Stadtgestaltung, Ortsbild- und
Denkmalschutz, Landschaftspflege und Umweltschutz. Verlag Stocker, Graz.
(= Schriftenreihe für Agrarpolitik und Agrarsoziologie, Sonderband 1)
Medieninhaber (Herausgeber und Verleger):
Institut für Geographie und Regionalforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Universitätsstraße 65-67, A-9020 Klagenfurt
Herausgeber der Reihe: Ass.-Prof. Mag. Dr. Peter MANDL
Prof. Mag. Dr. Friedrich PALENCSAR
Schriftleitung: Prof. Mag. Dr. Friedrich PALENCSAR
Redaktionelle Betreuung: Dipl.-Ing. Stefan JÖBSTL, Bakk.
Webdesign und –handling: Natalie SCHÖTTL, Dipl.-Geogr. Philipp AUFENVENNE
ISBN 978-3-901259-10-4
Webadresse: http://geo.aau.at/kgs28
Hans Peter Jeschke, Peter Mandl (Hrsg.) (2012): Eine Zukunft für die Landschaften Europas und
die Europäische Landschaftskonvention. Institut für Geographie und Regionalforschung an der
Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Klagenfurter Geographische Schriften, Heft 28.
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DIE DONAU-DRAU-MUR-NIEDERUNG ALS GRÜNES BAND ZWISCHEN
ÖSTERREICH, SLOWENIEN, UNGARN, KROATIEN UND SERBIEN
Martin SCHEIDER-JACOBY, Arno MOHL und Ulrich SCHWARZ
1 Dynamischer Flusslauf und starre Grenzen
Moderne Staatsgrenzen an Flüssen werden heute in der Regel auf die Flussmitte gelegt und
dort festgeschrieben. Dies hat in der Regel zur Folge, dass der Fluss verbaut wird, damit die
Grenze sich nicht mehr verändert. Für die Flüsse ist diese Lösung sehr problematisch, da die
wichtigen Laufverlagerungen gestoppt werden, was oft weit reichende Folgen für die
natürliche Dynamik hat. Ganz anders ist die Situation zwischen an der Drau zwischen Ungarn
und Kroatien (Schneider-Jacoby 1996). Hier besteht die Grenze wahrscheinlich seit dem
Zusammenschluss der beiden Königshäuser, also etwa 1000 Jahre und sie wurde damals auf
den Lauf der Drau festgeschrieben. Innerhalb des k.u.k. Reiches war die Grenze nur von
untergeordneter Bedeutung. Der Flusslauf verlagerte sich, aber die Bauern wussten noch
immer wo ihr Land war. Heute zeigt die Grenze sehr schön den alten Flusslauf und an vielen
Stellen führt sie durch verwachsene Altarme. Im Bereich des Repas Waldes, wo sich die Drau
bei einem dramatischen Durchbruch im Jahre 1704 bei Legrad gleich über 30 km verlagert
und einen großen Teil von Kroatien abgeschnitten hat (MOHL, SCHWARZ 1998). Hier im
Repas Gebiet lässt sich der alte Flusslauf der Drau nach 300 Jahren nur durch den heutigen
Grenzverlauf entlang einer kleinen Niederung beim Grenzübergang Gola erahnen.
Weitere Bespiel für dieser alten Grenzen, die auf einem Flusslauf zu einem bestimmten
Zeitpunkt festgelegt wurden, ohne die Dynamik zu zerstören, finden wir zwischen Serbien
und Kroatien an der Donau und zwischen Slowenien und Kroatien an Drau und Mur. Alle
diese Grenzverläufe sind Teil des geplanten Donau-Drau-Mur Biosphärenreservates und ein
einmaliges Kultur- und Naturerbe. Während der Zeit des kalten Krieges und als die Grenze
zwischen Ungarn und Jugoslawien undurchlässig war, wurde der ganze Grenzstreifen vom
freien Zugang ausgeschlossen. Die ungarischen Enklaven auf der kroatischen Flussseite
verwilderten und selbst der Zugang zum Flusslauf war über weite Strecken gesperrt, da es ja
ein Leichtes gewesen wäre, auf kroatischen Gebiete und damit in das nach Westen offenere
Jugoslawien zu wechseln. Die Natur hat von diesem Sperrgürtel profitiert und die
Wasserbauer haben über vier Jahrzehnte nicht mehr in weiten Teil der Drau eingegriffen.
Heute ist der dynamische Flusslauf der Drau ein wichtiger Teil des Grünen Bandes Europas
(Reeder et al. 2006).
2 Regionale Vernetzungen durch ein Biosphärenreservat
Während die Wasserwirtschaft vor 1990 grenzüberschreitend an Drau und Mur intensiv
zusammengearbeitet und Kraftwerke und Regulierungen geplant hat, bestanden zu
jugoslawischen Zeiten im Naturschutz nur einzelne Kontakte. EuroNatur wurde 1990 von
ungarischen Naturschützern gebeten, den Wert der Drau international zu begutachten. Noch
im gleichen Jahr wurde ein Film im ungarischen Fernsehen ausgestrahlt, an dem neben
kroatischen Wasserwirtschaftlern auch der internationale Naturschutz beteiligt war. 1993
trafen sich Politiker, Naturschützer und Fachleute aus allen vier Anrainerstaaten von Drau
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und Mur auf einer ersten Drau-Naturschutzkonferenz in Kaposvar. Auf dieser Tagung wurde
die Idee eines grenzüberschreitenden Biosphärenreservates geboren. Bereits 1996 wurde in
Radenci in Slowenien die Möglichkeit eines Drau-Mur-Biosphärenreservates weiter
entwickelt. Wiederum diskutierten Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen
gemeinsam über die Zukunft der Flussniederung. Ein Erfolg dieser Tagung war, dass die
UNESCO die Einrichtung eines Biosphärenreservates im Grenzgebiet zwischen den vier
Ländern begrüßen würde.
Seit März 1998 arbeitete eine internationale Arbeitsgruppe mit EuroNatur im Rahmen des
PIN-Matra-Programmes an einer Übersicht über den Naturschutz entlang Drau, Mur und
Donau. Das erste erfreuliche Resultat ist, dass bereits heute ein Schutzgebietssystem als gute
Grundlage für ein Biosphärenreservat besteht (Schneider-Jacoby & Reeder 1999).
Biosphärenreservate sind international anerkannte Schutzsysteme, um Regionen mit
wertvollen Naturgebieten langfristig nachhaltig zu schützen und zu nützen (IUCN 1994,
UNESCO 1996). Biosphärenreservate wurden entwickelt, um komplexe Lebensräume, in
denen auch der Mensch lebt, zu schützen. Sie verbinden streng geschützte
Naturlandschaftselemente mit der Kulturlandschaft, die der Mensch in seiner Jahrtausende
alten Geschichte geformt hat. Das Kennzeichen der Biosphärenreservate ist, dass sie aus
verschiedenen Zonen bestehen.
Den größten Schutz muss die Kernzone erhalten, in der die Natur Vorrang hat. Im Falle des
Donau-Drau-Mur-Biosphärenreservates wäre es der Fluss und seine
Überschwemmungsfläche. Dies entspricht dem ungarischen Vorschlag, einen Nationalpark an
der Drau auszuweisen, was 1996 dann auch geschah. Auch das Spezielle Zoologische
Reservat Kopacki Rit ist bereits ein bedeutender Baustein.
Besonders wichtig ist die zweite Zone, die als Pufferzone bezeichnet wird. In ihr liegen
extensiv genutzte Landschaftsteile. Für die Drau und Mur sind in diesem Zusammenhang die
großen Waldgebiete außerhalb der Überschwemmungsfläche zu nennen und die herrliche, gut
erhaltene Kulturlandschaft. Diese kleinräumigen, mit Hecken durchsetzten
landwirtschaftlichen Nutzflächen mit Wiesen und Äckern sind ein Kleinod in Mitteleuropa.
Teilweise setzen sich die sehr schönen Gegenden noch im Hügelland fort, wie z. B. zwischen
Drau und Mur.
Wichtig ist ein totales Umdenken der Wasserwirtschaft. Nicht die Wasserkraftwerke können
die Drau-Niederung retten, denn sie würden zu einem Vollausbau des Flusses - wie an weiten
Strecken der Österreichischen und Slowenischen Drau - bis an seine Mündung führen und
würden die Probleme bis in die Donau verlagern. Alle Maßnahmen an der Drau und Mur, die
in das Flussbett eingreifen, müssen gestoppt werden. Dies gilt in erster Linie für den Kies-
uns Sandabbau im Flussbett und der Befestigung von natürlichen Uferabschnitten mit
Blockwurf (MOHL, SCHWARZ 1998, Mohl et al. 2009). Es ist unglaublich, dass gleichzeitig
dem Fluss Material entnommen wird und die Eintiefung des Flussbettes beklagt wird. Noch
immer wird durch Schwimmbagger, vom Ufer aus und auch privat mit Traktoren Kies und
Sand aus dem Fluss gegraben, welcher von oben nicht mehr nachkommen kann. Die
Staustufen haben den natürlichen Kiestransport im Fluss unterbrochen (Schneider-Jacoby
2005, WWF & EuroNatur 2009) Ein weiterer Abbau und Flussregulierung führt zu einer
Absenkung des Flussbettes und damit gleichzeitig des Grundwassers in den angrenzenden
Augebieten!
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Übersicht über die Zonierung eines Donau, Drau und Mur Biosphärenreservates
entsprechend den UNESCO Kriterien (1996)
A) Kernzone/CORE AREA
Landschaftsteile: Natürlicher Flusslauf mit Haupt-und Seitenarmen und den dazugehörenden
Pionierflächen (Kies- und Sandbänke, Flussinseln, Uferabbrüche), natürliche Feuchtgebiete in
der Flussaue: Altarme, Silberweiden-Auwälder, Bann-Waldgebiete und Sanddünen.
B) Pufferzone/BUFFER ZONE
Landschaftsteile: Extensiv genutztes Grünland (Hutweiden, Wiesen),
Überschwemmungsflächen, Niederungswälder, Fischteiche, traditionelle Kulturlandschaft mit
kleinen Feldgrößen und Hecken.
C) Übergangszone/TRANSITION ZONE
Landschaftsteile: Zusammenarbeit der Gemeinden, die im Einflussbereich des Flusses
liegen; Harmonisierung der Raumplanung mit den Schutzgebieten, Weinstraßen entlang des
Flusses und die Regionen, die nach dem Fluss benannt sind. Wichtige Attraktionen sind die
Thermalbäder und Kulturstädte wie Bad Radkersburg, Varazdin, Pec und Osijek.
3 Die Flüsse als Kulturachse
Die Region entlang Drau und Mur hat eine lange, gemeinsame Geschichte. Hervorzuheben ist
die Verteidigung gegen die Osmanen. Der Drauabschnitt bei Novo Virje war Teil der Militär
grenze, mit der sich Mitteleuropa gegen die anstürmenden Heere vom Balkan verteidigt hat
(Mandic 1989, Schneider-Jacoby 1992). Zu beiden Seiten der Flüsse gibt es zahlreiche
Verteidigungsanlagen und Burgen von Osijek bis nach Ptuj und Bad Radkersburg (Schneider-
Jacoby 1996). Die Flößerei hat die Städte entlang der Drau über Jahrhunderte verbunden. Ein
Biosphärenreservat bietet den Gemeinden entlang der Flüsse Drau und Mur gute
Möglichkeiten, die Entwicklung der Landschaft im Zusammenhang mit ihrer Geschichte zu
verstehen.
Der Fluss Drau trennt nicht die Völker, die an ihm leben. Kroatische Dörfer befinden sich
auch in Ungarn und ungarische in Kroatien. Die Region hat über die Grenzen hinweg eine
enge Verbindung, die durch ein grenzüberschreitendes Naturschutz- und Regionalkonzept
deutlich würde. Die regionale Identität ist eng an die Flüsse gebunden. Die Landschaften sind
nach Flüssen benannt (Podravina, Medimurje), und auch die Menschen (z.B. Podravac). Die
Kraftwerke, wie sie bereits an der Drau gebaut wurden, zerstören den Bezug zwischen
Landschaft und Fluss. Ein Schutzgebiet, welches den Fluss zur bestimmenden Lebensachse
macht, würde dieser großen Bedeutung für die Region gerecht werden. Auch wichtige
Wirtschaftsunternehmen tragen den Namen der Flüsse (z.B. Podravka).
Die Zupanja Koprivnica-Krizevac ist bekannt als Geburtsstätte für die naive Malerei
Kroatiens. Das Hauptmotiv der Künstler ist der Fluss und seine Landschaft. Ein weiteres
Wasserkraftwerk würde die Drau entlang der Kunstachse Peteranec, Hlebine, Molve, Vrije
und Djurdjevac zerstören. Der Schutz dieser Landschaft als Motiv und Vergleich zur
künstlerischen Realität sollte deshalb Vorrang haben.
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4 Grenzüberschreitende Tourismusentwicklungen
Die reizvolle Landschaft entlang Mur und Drau bis an die Donau bietet vielfältige
Möglichkeiten, Gäste aus dem Ausland anzuziehen (Schneider-Jacoby 1996, 2002). Die Drau
hat bereits heute eine wichtige Funktion als Naherholungsgebiet. Die zahlreichen
Thermalbäder bieten sich entlang der Flüsse Drau und Mur für die Schaffung einer Region für
Natur- und Erholungstourismus an. Die Drau-Mur-Konferenz in Radenci 1996 war ein erster
Ansatz für eine solche Zusammenarbeit zwischen den Schutzgebieten und den
Kureinrichtungen. Fahrradwege ziehen heute zahlreiche Gäste an. Ein Fahrradweg von
Österreich entlang Mur und Drau bis Osijek und an die Donau bietet ein einmaliges
Landschaftserlebnis. Auf den bestehenden Hochwasserdämmen an den Flüssen können über
viele Kilometer ohne großen Aufwand Radwege gerichtet werden.
Bereits jetzt entstehen die ersten Lehrpfade an der Mur im Grenzbereich zwischen Österreich
und Slowenien. Das Drau-Mur-Fluss-Ökosystem bietet sich aufgrund seiner Vielfältigkeit als
Lehrgebiet für Fluss- und Auenökologie an (Schneider-Jacoby 1996a).
Besonders wichtig sind die Teichgüter als zusätzliche Feuchtgebiete in der Landschaft. Sie
lassen sich auf Grund ihrer reichen Vogelwelt leicht in ein Naturtourismuskonzept
integrieren.
Wichtig sind zusätzliche Einnahmen für die Landwirtschaft. Bisher sind erst wenige Familien
in Kroatien als Ferienhof anerkannt. Ein Großschutzgebiet Drau-Mur wäre eine sehr gute
Werbemöglichkeit für die Dörfer entlang der Drau. Viele Gebiete werben um Gäste. Eine
gemeinsame Werbung über die Landesgrenzen hinweg ist international attraktiv. Gemeinsam
können die Schutzgebiete und die Gemeinden an Drau und Mur als interessante Region in
Europa besser auf sich aufmerksam machen.
5 Eine Vision für die Drau
Wichtigste Aufgabe ist die Bekämpfung der Sohlenerosion im Flussbett. Dies gilt nicht nur
für den Bereich Repas, sondern für die gesamte Untere Drau. Nur im Bereich der Baranja
scheint die Abtragung und Ablagerung sich in naturnahen Flussabschnitten ohne große
Verbauung der Ufer auszugleichen (Bogner 1990). Alle Maßnahmen, wie die Verbauung von
Seitenarmen, die Befestigung der Prallufer und das Durchtrennen von Schlingen (z.B. bei
Vizvar und Botovo) müssen sofort gestoppt werden. Das Bett der Drau muss, wo immer
möglich, wieder auf geweitet und renaturiert werden. Zusätzlich zu den Eingriffen ins
Flussbett bildet der Schwallbetrieb des Kraftwerkes Dubrava eine große Gefahr für das
Flussbett (Schneider-Jacoby 2005, MOHL, SCHWARZ 1998, WWF & EuroNatur 2009). Die
täglichen, künstlichen Hochwasserwellen führen zu einer Verstärkung der Erosion im
Flussbett und damit zu dem bedrohlichen Absinken des Pegels samt dem Grundwasser.
Die Wasserwirtschaft muss sich zum Schutz von Fluss und Grundwasser für eine Beendigung
des Schwallbetriebes einsetzen.
Die Entnahme von Kies aus der Drau und der Mur muss sofort gestoppt werden. Die drama-
tisch sinkenden Pegelstände, die beispielsweise den Niederungswald Repas bedrohen, weisen
auf einen Mangel an Geschiebe im Fluss hin. Es ist deshalb unverantwortlich, dass die
kroatische Wasserwirtschaft eine Entnahme von Kies aus dem Flussbett z.B. bei Molve und
Botovo zugelassen hat. Trotz dieser Belastungen hat eine hydromorphologische Studie der
Internationalen Arbeitsgemeinschaft Donauforschung 2007 gezeigt (Schwarz 2007), dass
Teile der unteren Mur und Drau noch immer in einem guten Zustand sind (besonders im
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Europäischen Vergleich), aber bereits sensibel auf nachhaltig negative Einflüsse wie
Kiesentnahme/Baggerungen und Schwallbetrieb reagieren. Besonders der Verbau von
längeren Uferabschnitten verschärft den negativen Trend der weiteren Eintiefung und
Strukturverarmung massiv. Daher sollte die laterale Entwicklung durch Flächenbereitstellung
gefördert werden, Uferverbau nur in den absolut notwendigsten Bereichen unterhalten werden
und ein langfristiger Renaturierungsplan entwickelt werden.
Die kroatische Wasserwirtschaft hat in den Save-Auen Überschwemmungsflächen als Reten-
tionsräume langfristig gesichert. Von diesen Maßnahmen profitierte der Naturschutz (Schnei-
der-Jacoby 2005). Auch an Drau und Mur bietet sich ein Schutz der Auen für die
Hochwasserrückhaltung an. Wasserwirtschaft und Naturschutz verfolgen im
Hochwasserschutz dieselben Interessen. Neue Überschwemmungsflächen können durch die
Rückverlegung von Dämmen geschaffen werden. Die Drau wurde in den vergangenen 150
Jahren durch Dämme von weiten Teilen der Landschaft getrennt.
Da durch Wasserwirtschaft, Schifffahrt und Kiesindustrie immer noch Eingriffe in die
dynamischen Flusslandschaft erfolgen, hat der WWF und EuroNatur unterstützt durch U.
Schwarz, Fluvius eine Vision für den Flusslauf erarbeitet (WWF & EuroNatur 2009).
6 Europas größtes Flussschutzgebiet
Am Anfang der Schutzbemühungen nahm Euronatur eine koordinierende Rolle ein, die Ende
der 90ziger Jahre mehr und mehr vom WWF übernommen wurde. Über 90 nationalen und
lokalen Nichtregierungsorganisationen arbeiten am Schutz der Drau mit und so ist es
gelungen, größere Eingriffe in die einmalige Flusslandschaft zu verhindern. Der Botschafter
für die Drau ist die Zwergseeschwalbe (www.sterna-albifrons.net), die nur auf frisch
überschwemmten Sandbänken brütet und im europäischen Inland sehr selten. Nur wenige
Flüsse (Loire, Weichsel, Drau, Drina) haben noch ihre natürliche Dynamik bewahrt, die diese
Art zum Überleben benötig. Restbestand an der Drau ist bereits sehr klein. Nur 5 bis10
Brutpaare konnten in den vergangenen Jahren nachgewiesen werden. Ihre Brutplätze sind
durch den Kiesabbau und weitere Flussregulierung bedroht (Mohl 2001).
Die fünf Anrainerstaaten haben insgesamt 2.3001 Quadratkilometer unter Schutz gestellt.
Weitere 1.500 Quadratkilometer Schutzgebiete sind bereits geplant und noch einmal 2.500
Quadratkilometer müssten für einen ausreichenden Schutz der Ökosysteme dazukommen.
WWF und EuroNatur haben eine Übersichtskarte erarbeitet, die nun als Grundlage für die
weiteren Verhandlungen über Schutzgebietsausweisungen und die Einrichtung eines
grenzüberschreitenden Biosphärenreservates dient. Seit 1990 arbeiten Naturschützer entlang
des gesamten Flusssystems in den fünf Ländern Österreich, Kroatien, Serbien, Slowenien und
Ungarn an der Unterschutzstellung der ökologisch wertvollsten Flächen. Die Errichtung eines
gemeinsamen grenzüberschreitenden Biosphärenreservats wurde dabei als Ziel formuliert
(WWF & EuroNatur 2009). Das heutige Schutzgebietssystem umfasst mehr als 40
Teilgebiete. Der ungarische Donau-Drau Nationalpark gehört ebenso dazu wie das
ausgedehnte „Spezielle Zoologische Reservat Kopacki Rit“ im Donau-Drau
1 Ich komme auf rund 3000 km2 insgesamt = geschützte Kern und Pufferzone des TBR. Und ca. 5000 km2
Übergangszone. Alles in allem also rund 800.000ha.
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Mündungsbereich in Kroatien. Auch in der Vojvodina stehen die an die Draumündung
angrenzenden Donauauen unter Naturschutz. „Gornje Podunavlje“ heißt das
Naturschutzgebiet um die Stadt Apatin.
Im Frühjahr 2006 setzt nun Kroatien EU Recht um und weist Kies, Sand und Schlammufer
von Flüssen als schützenswerte Biotope aus. Außerdem werden Schutzmaßnahmen? wie ein
Verbot der Entnahme von Kies und Sand aus natürlichen Flüssen, Auen und von Inseln
verboten. In der neuen Liste der „Important Bird Areas“ in Kroatien ist die gesamte Drau
aufgeführt und ebenfalls in der Übersicht über die Natura 2000-Gebiete des Landes.
Damit ist ein weiterer Schritt zum Schutz der Zwergseeschwalbe erreicht. Auch in Österreich,
Ungarn und Slowenien sind die Flächen des potentiellen Donau-Drau-Mur
Biosphärenreservates als Natura 2000 Gebiete ausgewiesen.
Der bislang größte Wurf gelang dem kroatischen Kulturministerium Anfang 2008 (Mohl et al.
2009). Nach zweijähriger Vorbereitungsphase wurde die einzigartige Flusslandschaft an
Donau, Drau und Mur in Kroatien im Ausmaß von rund 145.000 Hektar als „Regionalpark“
unter vorläufigen Schutz gestellt. Mit der Schutzgebietsausweisung hat das Ministerium nun
stärkeren Einfluss auf aktuelle und zukünftige Natur zerstörerische Planungen. Sie ist ein
essentieller Baustein für die Etablierung des geplanten länderübergreifenden
Biosphärenreservats dessen Realisierung mit großen Schritten voranschreitet. 2009 trafen die
Regierungen von Kroatien und Ungarn ein Abkommen für die Schaffung des
grenzüberschreitenden Biosphärenreservats bis 2010. Damit wurde die Gründung des größten
zusammenhängenden Auen- und Flussreservats Europas mit einer Gesamtfläche von mehr als
620.000 Hektar beschlossen. Die angrenzenden Gebiete in Österreich, Slowenien und Serbien
würde es auf rund 800.000 ha anwachsen und damit das weltweit erste Schutzgebiet entstehen
lassen, das von insgesamt fünf Ländern gemeinsam geschützt und gemanagt werden würde.
Das Konzept sieht vor, strengen Schutz und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in
einzigartiger Weise grenzüberschreitend miteinander zu verknüpfen. Das potentielle
Biosphärenreservat Donau-Drau-Mur ist bereits heute ein wichtiger Bestanteil des
europäischen Grünen Bandes (Mohl et al. 2009, Reeder at al. 2006).
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