Post on 05-Jun-2018
Anders bei unseren geliebten Gitarren – hier halten sichhartnäckige Gerüchte und es werden „Qualitätskriterien“zu Felde geführt, die eigentlich keiner Überprüfungstandhalten. Gewiss, es gibt einen weichen und nochdazu sehr subjektiven Faktor, der da lautet „Ton“, undder, anders als die Performance eines Motorrads oder dasRaumangebot eines Autos, nicht objektiv gemessen unddaher verglichen werden kann. Für mich persönlich giltjedenfalls, eine Gitarre ist dann „gut“, wenn sie perfekt
gefertigt ist (objektiv messbar) und nach meinem Gustogut klingt (das ist wie gesagt eine subjektive Geschichte).Wenn sie dann noch toll aussieht (auch wieder subjektiv)und sich dann noch prima bespielen lässt, ist das Opti-mum erreicht, das wie soeben beschrieben aus einemMix objektiver und subjektiver Komponenten bestehtund von daher für jeden von uns anders ausfällt. Aberdass eine gute Gitarre nur aus den USA kommen muss,ist in meiner Werteordnung nirgendwo verankert.
GRAND ELECTRICS
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Liebe Leser, ich denke es ist wohl an der Zeit,dass wir eines festhalten: E-Gitarren aus japani-scher Fertigung sind Weltklasse! Kult hin, Vintage her – keiner von uns würde auch nurannähernd behaupten wollen, eine Harley wäre„besser“ als eines der fernöstlichen Asphalt-Monster auf zwei Rädern, oder? Vom „Kultfak-tor“ mal abgesehen, kann die Maschine ausMilwaukee realistisch betrachtet wenig punkten.Von Alexander Heimbrecht
Wir sollten also wohl unterscheiden zwischen objektivenKriterien und subjektiven Präferenzen. Wer etwa eineLes Paul bevorzugt, die wie eine Tele klingt, der wird miteiner Les Paul Classic und ihren Keramikdampfhäm-mern nichts anfangen können, wer aber die wirklich sen-sationell guten Allroundgitarren eines James Tyler liebtund über das hier besprochene Ibanez-Modell die Naserümpft und dies anders als mit optischen Erwägungenoder der Halsdicke begründet, der hat sich in meinenAugen bereits ein klein wenig disqualifiziert, denn, ichwill es vorwegnehmen, diese Gitarre ist nach meinempersönlichen Dafürhalten klanglich wie ergonomischganz weit vorne und rangiert unter den in all den Jahrenmeiner Autorentätigkeit durch meine Finger gegange-nen Instrumenten klanglich unter den Top 10, auchwenn sie nicht vom J-Custom Team oder gar von einemder für die Stars arbeitenden Gitarrenbauer gefertigtwurde. Es handelt sich vielmehr um eine „gewöhnliche“,in Japan gefertigte S-Type aus der Prestige-Serie, aberdas Teil ist eine Bombe.
PerformancefaktorKommen wir zu den Gründen meiner Begeisterung.Thema Haptik: Ich habe selten eine Gitarre in der Handgehalten, auf der ich sofort so gut zurechtgekommenbin wie auf meiner Lieblingsgitarre und das, obwohlderen Hals ungefähr dreimal so dick ausgefallen ist wieder meines Testobjekts. Auch ist sie mit ihren gut dreiKilogramm Masse nicht unbedingt ein Leichtgewicht,doch ändert dies all das nichts daran, dass es nicht einerMinute der Eingewöhnung bedurfte, um auf der Ibanez
loszulegen als gäbe es kein morgen. Einzig der etwashoch eingestellte Mittel-Pickup kam der Anschlagshandein wenig in die Quere. Aus genau jenem Grund schrau-ben Megapicker wie Yngwie den Mittel-Pickup ihrerStrat ganz nach unten oder lassen wie Petrucci einenTonabnehmer in dieser Position gänzlich weg, ein Vor-gehen, das ich nur allzu gut nachvollziehen kann. Diehochklassigen Ibanez S-Modelle verfügen alle über einkugellagertes Locking Vibrato, das anders als die Vari-anten mit Messerkanten einen verschleißfreien Laufohne zeitliches Limit garantiert. Auch wenn ich früherein glühender Anhänger des Original Floyd war und mitdem Ibanez Edge nie warm werden konnte und auchwenn ich mittlerweile überhaupt nur noch selten aufeine Gitarre mit Vibratoeinheit zurückgreife, kann ichnicht umhin zuzugeben, dass diese Hightech-Variantenicht nur perfekt funktioniert, sondern allem Anscheinnach auch kein Quäntchen Ton kostet. Dennoch ist esmir in seiner hypermodernen Anmutung mit der übereine Justierschraube einstellbaren Gängigkeit ein wenigzu technokratisch geraten, aber dies ist einmal mehrGeschmacksache.
KlangfaktorIch habe es ja bereits angedeutet, die Gitarre klingt au-ßerordentlich gut, aber ich muss an dieser Stelle schrei-ben, warum ich das so empfinde und wo ich ein paarEinschränkungen machen würde: Sustain und Resonan-zeigenschaften sind weit überdurchschnittlich ausge-prägt, und zwar ohne eine einschränkende Relativierunghinsichtlich ihrer Bauart mit sehr flachem Korpus und
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Ibanez S5470F Devil’s Shadow
Faktorzerlegung
ebenso dünnem Hals. Nein, diese Gitarre stiehlt so denallermeisten Konkurrentinnen (auch den konstruktivvermeintlich bevorzugten) in dieser Disziplin die Show.Ich weiß nicht warum und es widerspricht allen landläu-figen, in den Hirnen der E-Gitarristen abgelegten Mei-nungen über die Gesetze von Klang und Tonbildung. Werseine Gedankenwelt nicht erschüttert sehen will, dermuss sich unbedingt von diesem Instrument fernhalten.Wer aber gerne mal eine Überraschung erleben möchte,dem empfehle ich einen klassischen Amp mit wenig Gainund schon gerät das Weltbild ins Wanken: Sustain, Sub-stanz und Wärme im Überfluss – der Ton klingt zu keinerZeit dünn, kalt oder steril. Trotz des modernen Outfitsdes Instruments und der hauseigenen, aber augenschein-lich von DiMarzio gefertigten Pickups ist die Gitarre eherim klassischen denn im progressiven oder gar bösenGenre zu Hause. Wer erinnert sich noch an Frank Gam-bale, als er noch Haare auf dem Kopf und ein neongelbes,auf dem S-Modell basierendes Ibanez Signature-Modellvor dem Bauch hängen hatte? Nun ja, das S-Modell ist indieser Form das ideale Werkzeug für auf den HumbuckerSound stehenden Fusion-Master, der, anders als der Klas-sik-Rocker (für den die Gitarre unbedingt genauso ge-
eignet wäre), keinen so großen Wert auf ein konservati-ves Outfit legt. Wenn es einen klanglichen Schwach-punkt gibt, dann sind es die dann nun doch etwas steriltönenden Zwischenpositionen im Clean-Betrieb, wobeiich nicht genau sagen kann, ob die „verschobenen“ Ein-baupositionen (die Gitarre verfügt über „shredder-mä-ßige“ vierundzwanzig Bünde) oder die angezapftenHumbucker die Ursache dieses Phänomens sind.
FazitWie wir alle wissen, klingt auch nicht jede echte Burst wieeine Offenbarung. Kenner sprechen davon, dass nur etwajede zehnte über den begehrten Ton verfügt, und ich kanndies nur bestätigen. Von den vier Exemplaren, die ich bis-her probieren konnte, klang lediglich eine außergewöhn-lich. Und genauso, wenn nicht unter Umständen etwasbesser, verhält es sich bei modernen Gitarren, egal vonwelchem Hersteller. Ich habe schon Ibanez in der Handgehalten, die mich genauso wenig inspirieren konntenwie drei der besagten vier Bursts, aber einfach zu behaup-ten, dass die besten E-Gitarren ausschließlich in den 50erJahren des letzen Jahrhunderts gebaut wurden, ist nichtnur gewagt, sondern zeugt von dogmatisch getriggertem,eigentlich indiskutablem Schubladendenken. Diese Iba-nez ist der Gegenbeweis – eine Hammergitarre! ■
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DETAILSHersteller: Ibanez
Modell: S5470F – Devil’s Shadow
Herkunftsland: Japan
Korpus: Geflammte Ahorndecke
Korpus: Mahagoni
Hals: Super Wizard HP, 5-teilig,
Ahorn / Walnuss, mit KTS Titanstäben
Griffbrett: Palisander
Bünde: Jumbo, mit Prestige
Fret Edge Treatment
Inlays: Off-set Pearl Dots
Steg: ZR-2 Bridge
Tonabnehmer: 1 x HGD1 Humbucker-Hals,
1 x ST2 Single-Coil-Mitte und 1 x HGD2
Humbucker-Steg
Farbe: Devil’s Shadow
Hardware Farbe: Cosmo Black
Preis: 1.875 Euro
Zubehör: Ibanez Prestige Koffer,
Ibanez Multitool
Getestet mit: Diezel D-Moll, Tonehunter
Grand Cru, Kool & Elfring Black Rose
www.ibanez.dewww.musicstore.de
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