Post on 26-Apr-2019
Erasmus in Bergen, Norwegen
Auf der Suche nach Abenteurn, Naturerlebnissen und internationalen Freundschaften hat es mich
für 11 Monate nach Norwegen und Spitzbergen gezogen und ich kann euch sagen: ich wurde nicht
enttäuscht! Im folgenden Bericht ezähle ich von meinen Erfahrungen und gebe Tips für das Leben
und Studieren in Norwegen.
Ein Erfahrungsbericht von Lukas Glaw
1. Land und LeuteWas soll ich zu dem Land schon sagen? Es ist einfach der Wahnsinn! Die Fjorde und die Berge,
dazu unzählige Wasserfälle ziehen jeden Neuankömmling in ihren Bann. Hier haben so einige
Bewegungsmuffel das Wandern für sich entdeckt, die mit Natur vorher noch nie in Berührung
gekommen sind. Denn die kann man dort noch in ihrer Reinform erleben. Natürlich gibt es auch
Wanderwege, aber diese sind nicht so ausgelatscht und hochfrequentiert wie in Deutschland,
meistens sind sie nur über ein auf Steine gemaltes, rotes „T“ zu erkennen.
Die direkte Anbindung an die Natur führt auch dazu das sich Norweger sehr zu ihrem Land
verbunden fühlen und meistens auch sehr stolz darauf sind. Das merkt man daran, dass sie viel Zeit
draußen verbringen - die Wochenendwanderung ist bei Familien Pflicht. Es ist auch wirklich jedes
Alter beim Wandern vertreten, egal ob jung oder alt. Wenn es nicht gerade ein Familienausflug ist,
dann trifft man Norweger auch häufig alleine an, die aus dem Wandern einen Sport gemacht haben
und die Berge rauf und runter rennen. Und sportlich sind sie wirklich, diese Norweger! Man hat
ernsthaft Probleme sogar mit Kindern und Rentnern mitzuhalten. Ansonsten sind Norweger sehr
ausgeglichene und friedfertige Personen, die gerne ihren braunen Käse (Brunost), Fisch und
Kartoffeln essen. Skifahren lernen Norweger schon von klein auf und weil normales Alpinski zu
langweilig ist, das Land sehr groß und nicht überall Skilifte zu finden sind, haben Norweger die
Telemarkskier erfunden. Dies sind Skier die eine lose Bindung an der Ferse haben, so dass man mit
Fellen die Berge erklimmen kann, bevor man in ausgedehnten Schwüngen, bei denen man in die
Knie geht und den Talski nach vorne schiebt, den Hang wieder hinab fährt. Kommt man nach
Norwegen lernt man schnell das jedes Vorspiel auch ein Nachspiel hat. Wer rausfinden will, was
damit gemeint ist, muss wohl selber nach Norwegen gehen. Hier ein Link zu einem Video, was
Land und Leute auf selbstironische Art recht gut beschreibt:
http://www.youtube.com/watch?v=ebqdwQzmSHM
Bergen ist eine wunderschöne Stadt die direkt im Fjord liegt und von sieben Bergen umgeben wird.
Sie ist mit ca. 260.000 Einwohnern Norwegens zweitgrößte Stadt und vereint damit meiner
Meinung nach sehr gut die Vorteile einer Großstadt sowie die einer Kleinstadt. Bergen hat alles zu
bieten was eine Großstadt haben sollte und trotzdem ist alles in recht kurzer Zeit gut zu erreichen.
Es gibt viele Cafes, man kann gut einkaufen gehen, für das Nachtleben gibt es genügend Kneipen
und Discos und auch kulturell kann Bergen mit einem Theater (Den Nationale Scene) und einer
Konzerthalle (Grieghalle) aufwarten. Zwar ist Bergen mit 2250mm Regen und etwa 213
Regentagen pro Jahr Europas regenreichste Großstadt, umso mehr schätzt man dafür die Tage an
denen die Sonne scheint.
2. Wohnen, Leben, FreizeitDas beliebteste Wohnheim in Bergen, da es das billigste ist, ist das Fantoft. Die Zimmer sind
rustikal, von durchschnittlicher Größe und man teilt sich das Bad und eine Küche entweder mit
einer Person (2er WG), oder man hat sein eigenes Bad, teilt sich aber mit 6 oder 7 Leuten die
Küche. Bettwäsche wird nicht gestellt, aber es gibt zu Beginn des Semesters einen Bus, der von
dem Wohnheim zu Ikea fährt, wo man sich für den eigenen Bedarf eindecken kann. Möbel kann
man inzwischen auch direkt von der Wohnheimsverwaltung „mieten“, was bedeutet dass man nach
seinem Auszug die Möbel wieder zurückgibt und einen prozentualen Anteil (abhängig von der
Dauer des Aufenthaltes) zurückbekommt. Das nötigste an Möbeln, ein sehr großer Schreibtisch,
Schreibtischstuhl und ein Bett sind aber natürlich vorhanden.
Der Nachteil an Fantoft ist, dass es durch die billigen Preise sehr viele ausländische Studenten
anlockt, vor allem Deutsche und Spanier, so dass man kaum Norweger kennen lernt. Der Vorteil ist
aber natürlich dass man gleichgesinnte Erasmusstudenten aus ganz Europa kennen lernt und es viele
internationale Partys gibt. Ein anderer Nachteil ist, das Fantoft etwas außerhalb liegt und wer nicht
gerade ein Fahrradenthusiast ist (zu Fuß braucht man knapp eine Stunde aus der Stadt zum
Wohnheim), wird sich ein Monatsticket für den ÖPNV (http://www.skyss.no/) kaufen müssen, was
ca. 43€/monat kostet. Direkt vor dem Wohnheim fährt eine Straßenbahn, die alle wichtigen Punkte
in der Stadt anfährt, da es auch die einzige Straßenbahnlinie ist, die es in Bergen gibt. Zum
Schwarzfahren kann ich aus eigener Erfahrung nicht raten, da sehr häufig kontrolliert wird und
wenn man erwischt wird kostet das dann knapp 95€ Strafe. Dafür gibt es direkt beim Fantoft, aber
auch über die gesammte Stadt verteilt, Sporthallen vom Studierendenwerk (SiB
http://www.sib.no/en), wo sehr viele Sportarten angeboten werden. Unter anderem gibt es eine
Kletterwand, im Stadtzentrum ein Schwimmbad und sehr viele hochwertige Trainingsgeräte.
Mannschaftssport in vielen verschiedenen Sportarten sowie Kurse im Pilates, Joga und Spinnig , um
nur ein paar zu nennen, werden auch angeboten. Eine Mitgliedschaft kostet leider wieder Geld (ca.
100€ für ein Semester), dafür hat man zu allen Sporthallen Zugang.
Wer lieber im Freien aktiv ist, dem kann ich eine Mitgliedschaft beim BSI Friluft empfehlen. Hier
werden viele Touren organisiert und man kann gegen einen relativ geringen Betrag an Trips, zum
Beispiel nach Jotunheimen, teilnehmen. Jede Tour muss man zwar extra bezahlen, trotzdem ist es
billiger als auf eigene Faust loszuziehen, da auch Equipment zur Verfügung gestellt wird. Im
Frühjahr werden hauptsächlich Skitouren unternommen. Es gibt auch noch andere vom BSI
organisierte Gruppen (http://bsi.no/), so wird zum Beispiel das ganze Jahr über in den Fjorden vor
Bergens Küste gesegelt!
Wer dann doch lieber seine eigenen Touren planen will, dem sei zu einer Mitgliedschaft beim
norwegischen Touristenverein, dem DNT (http://www.turistforeningen.no/), geraten. Hier bekommt
man Auskunft über die Wanderrouten in Norwegen und vor allem einen Schlüssel zu den Hütten,
die im ganzen Land verteilt sind. Ist man Mitglied kann man sehr kostengünstig in diesen meist
kleinen, aber gemütlichen Hütten übernachten, die stets an sehenswerten Orten platziert sind.
Schon bevor ihr euch nach Norwegen begebt, bekommt ihr von der Uni Emails, wo auf eine
Tutorenwoche („Mentor Week“ / Fadderuke) hingewiesen wird. Diese findet eine Woche vor
Vorlesungsbeginn statt und ich kann jedem nur raten daran teilzunehmen! Hier wird man zusammen
mit norwegischen Erstis in Gruppen aufgeteilt und von Norwegern aus höheren Semestern betreut.
Das heißt es wird jeden Tag etwas unternommen und man hat auch mal die Möglichkeit sehr leicht
Norweger kennen zu lernen.
Das Norwegen teuer ist, hat jeder schonmal gehört, trotzdem staunt man nicht schlecht, wenn man
das erste Mal im Supermarkt steht und die Preise umrechnet. Grob geschätzt kostet alles das
doppelte, Tabak und Alkohol aber noch mehr. Das hat dazu geführt, dass das Brauen von eigenem
Bier und Wein unter den Studenten sehr beliebt ist, denn alles was man dafür braucht ist auch im
Supermarkt erhältlich. Als am preiswertesten würde ich die Supermärkte Kiwi und Rema 1000
einschätzen.
3. UniversitätDie Universität in Bergen ist keine Campus Uni wie die Trierer Uni, die einzelnen Fakultäten sind
über die gesammte Innenstadt verteilt.
Wenn ihr vom Erasmusprogramm in Trier angenommen worden seid, heißt das leider noch nicht,
dass die Uni Bergen euch auch annimmt. Ihr bewerbt euch dort nämlich nochmal für die Kurse die
ihr machen wollt, reicht euer Transcript of records ein und bekommt eine Mail oder einen Brief, in
dem steht, für welche Kurse ihr zugelassen wurdet. Da ich erst zwei Semester studiert hatte, wurde
ich nur für einen Kurs zugelassen. Der Grund warum ich trotzdem nach Bergen gehen konnte war,
dass ich auch für einen Sprachkurs zugelassen wurde (wofür es keine Bewerbungskriterien gibt,
wenn man mit einem Grundkurs anfängt), welcher allein 30 ECTS gibt. Hätte ich nicht mindestens
30 ECTS in einem Semester gemacht, wäre ich nicht von der Uni angenommen worden und hätte
mich nochmal für Kurse bewerben müssen. Als ich in Bergen angekommen bin, musste ich
erfahren, dass die Uni Trier nur mit der Fakultät für Geographie ein „Abkommen“ hat, an welchem
man Humangeographie studieren kann. Die Kurse die mich aber interessierten waren alle an der
Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften, wo man mich aber in gar keine Kurse lassen
wollte. Der Grund war, dass mir für die englischsprachigen Kurse (200er Level) die Grundlagen
gefehlt haben und die Grundlagenkurse (100er Level) immer auf Norwegisch sind. Erst nachdem
ich persönlich mit zwei Professoren gesprochen hatte, konnte ich doch noch an zwei Kursen
teilnehmen, wovon der eine allerdings ein norwegischer Grundlagenkurs war. Da man Klausuren
aber generell auf Englisch schreiben darf und das Kursbegleitende Buch auf Englisch war, hat das
geklappt.
Desweiteren werden doch noch mehr Kurse angeboten, als man vor dem Austausch auf der
Internetseite der Uni sehen kann; auch englischsprachige Kurse sind dabei. Diese werden kurz vor
Vorlesungsbeginn auf Listen ausgeschrieben, sind aber Teilnehmerbeschränkt.
Die Kurse die ich besucht habe waren „Karst Geology and Karst Hydrology“ (GEOV221), ein
englischsprachiger Kurs bei einem international renomierten Speläologen in kleinem Kreise von 8
teilnehmenden Studenten, und „Introduction to Marine Geology and Geophysics“ (GEOV108),
welcher auf Norwegisch war. Beide Kurse waren sehr interessant und haben Theory und Praksis gut
miteinander vereint. In dem marinen Kurs gab es eine Tagesexkursion auf einem Forschungsschiff
der Uni und Laborarbeit, sowie wöchentliche Arbeitsblätter (meistens auch auf Englisch, ansonsten
wird man gerne geholfen), die man bestehen musste um an der Klausur teilnehmen zu dürfen. In
dem Karst-Kurs ist man für eine Woche nach Nord-Norwegen gefahren (Mo i Rana), um dort in
Höhlen rumzukrabbeln :)
Ein interessanter Hinweis hier von meiner Seite: wenn man an der Fakultät für Mathematik und
Naturwissenschaften (Mathematics and Natural Sciences im Realfagsbygget) studiert, bemerkt man
schon recht früh die Plakate und Flyer die auf die Möglichkeit hinweisen, auf Spitzbergen
(Svalbard) zu studieren. Ich bin dem Ruf in die Arktis gefolgt (Bewerbungsfrist ist Mitte Oktober)
und habe das zweite Semester meines Austauschs an dem University Centre in Svalbard (UNIS)
studiert. Weitere Informationen zu den dort angebotenen Kursen und dem Leben in der Arktis gibt
es auf http://www.unis.no/, aber auch ich stehe gerne für Fragen zur Verfügung. Leider konnte ich
dadurch nicht mehr den dritten und letzten Teil des Sprachkurses machen, was einem auf Lebenszeit
die Arbeitserlaubnis in Norwegen verschafft.
3.1. Lernkonzept
Die Vorlesungen sind häufig eine Einführung in das Thema, bilden die Grundlagen um selbständig
weiter zu arbeiten. In vielen Kursen gibt es ein Buch, was den Kurs begleitet und vertiefende
Informationen enthält. Oft sind die Vorlesungen nach dem Inhaltsverzeichnis des Buches aufgebaut
und es wird angegeben, welche Seiten man in diesem Buch lesen soll. Es ist ratsam sich dieses
Buch anzuschaffen, bzw. in der Bibliothek auszuleihen, um zu Hause im Selbststudium weiter zu
arbeiten. Die Kurse sind mit 10 ECTS veranschlagt, so dass man mit 3 Kursen im Semester
auskommt. Ich habe zwei Kurse und einen intensiven Sprachkurs besucht. Obwohl ich in diesem
Semester 50 ECTS bekommen habe, hatte ich mit 16-18 Semesterwochenstunden mehr Freizeit als
in Trier. Auch die Vorlesungen sind etwas entspannter, weil sie in Doppelstunden gehalten werden,
aber immer nach 45 Minuten für eine Pause von 15 Minuten unterbrochen werden. Das Verhältnis
zu den Professoren ist sehr gut und nicht so distanziert wie in Deutschland. Man kennt die
Professoren mit Vornamen und duzt sich.
3.2. Exkursionen
Hier merkt man, dass Norwegen nicht nur teuer, sondern auch reich ist und gerade das Departement
der Geologen profitiert von dem Ölvorkommen vor Norwegens Küste und wird durch die
Ölkonzerne gesponsort. Exkursionen werden zum größten Teil von der Uni finanziert, man muss
allerhöchstens eine geringe Pauschale für Verpflegung aufbringen (ca. 12€ pro Tag). Die
Exkursionsziele lassen diesen Betrag lächerlich erscheinen, denn es gibt Exkursionen nach Nord-
Norwegen, Spanien oder sogar die USA. Es lohnt sich Professoren oder norwegische Studenten zu
fragen, ob eine Exkursion im Kurs inbegriffen ist.
3.3. Klausuren
Klausuren werden über mehrere Stunden geschrieben (3 bis 6 Stunden) und es werden auch Fragen
gestellt, zu denen man wirklich was schreiben kann/soll, also wo nicht nur Stichpunkte abgefragt
werden. Außerdem schreibt man auf doppeltem Durchschlagpapier. Am Ende der Klausur gibt man
das Original und eine Kopie ab, darf aber eine weitere Kopie sowie den Fragezettel mit nach Hause
nehmen. Mündliche Prüfungen sind aber auch nicht selten und bei dem Sprachkurs Pflicht.
4. SpracheAls Deutscher bekommt man immer gesagt das Norwegisch lernen ja nicht schwer wäre, da dieses
ja mit Deutsch verwandt ist. Das mag stimmen. Auch die Grammatik im Norwegischen ist nicht
sehr komplex, da man Verben zum Besipiel nicht beugen muss. Dennoch sollte man das nicht auf
die leichte Schulter nehmen und darauf vertrauen, dass man die Sprache einfach so nebenher lernen
kann. Verben lernen ist auch für Deutsche pflicht. Und auch wenn man das Geschriebene leicht
versteht, so ist das gesprochene Norwegisch nochmal was anderes, vor allem da Norweger gerne in
ihrem Dialekt reden. Aber sogar bei der Schriftsprache muss man aufpassen, denn davon gibt es
gleich zwei - das Bokmål (Buchsprache) und das Nynorsk (Neunorwegisch). Wenn man also
Norwegisch lernen möchte, dann kann ich nur empfehlen einen semesterbegleitenden Sprachkurs an
der Uni zu besuchen. Auch ohne Vorwissen kann man den intensiven Sprachkurs, bestehend aus
Level 1 und 2 (von 3), gut packen.
5. FazitHartnäckig bleiben und nicht aufgeben! Als ich mein Zimmer im Wohnheim gesehen habe, dachte
ich erstmal „ich will hier wieder weg!“, aber wenn man die ersten Strapazen einmal überstanden
hat, sich eingelebt hat und mit neu gewonnenen Freunden die ersten Touren unternommen hat, kann
man sehr viel Spaß haben und will am Ende am liebsten gar nicht mehr weg.