Post on 01-Aug-2020
Lerntypen
Prof. Dr. Regina Bruder
FB Mathematik
Technische Universität Darmstadt
www.math-learning.com
15.11.2013, MUED-Tagung in Fuldatal
Problemsicht - Außensicht auf den aktuellen
Mathematiunterricht
Klagen über fehlendes
mathematisches Grundkönnen
(IHK, Hochschulen)
Umgang mit verschiedenen
Lösungswegen
Fehlende Vernetzung
Gesunder Menschenverstand bleibt
auf der Strecke
Leistungsstarke Lernende zu wenig
gefördert
»Bewerber scheitern vielfach an der Aufgabe, die
Fläche eines Rechtecks mit den Kantenlängen 50
mal 70 Zentimetern zu berechnen.«
(n-1)² + n² + (n+1)² = 434
-immer Gruppenarbeit und offene
Aufgaben für alle?
unterschiedliche Leistungspotenziale,
verschiedene Lernstile,
vielfältige Grund- und Fehlvorstellungen
„Teaching to the test“ statt:
Eine Hochbegabte: Warum soll ich mich
engagieren für andere, wenn für mich ja auch
niemand da ist?
Überzogene Erwartungen an
Individualisierung
Eltern: „Sie müssen unser Kind nur
richtig motivieren, dann kann es das
schon!“
Helmke-Interview in der „Zeit“ 15.12.2011
Welche Unterschiede der Lernenden ….
… empfinden wir nicht als bereichernd für den
Unterricht: - Unterschiedliche Lern- und Anstrengungsbereitschaft
- Unterschiedliches Ausgangsniveau im Grundwissen und
Grundkönnen
- Unterschiedliches Arbeitstempo
- Unterschiedlicher Bedarf an Zuwendung…
…können eine Bereicherung für das Lernen im MU sein?
- unterschiedliche Lernstile
- unterschiedliches Strategie- und Weltwissen
- unterschiedliche Lösungsideen
3
Welche Unterschiede der Lernenden sind für die
Unterrichtsplanung und –gestaltung von Bedeutung?
Modell der Lerntätigkeit nach Lompscher
(1972, 1984)
Handlung
Inhalt Verlauf
Produkte
Ergebnisse
Ziele
Motive
Zielwahrnehmung
und Zielverar-
beitung, wenn
Lernanforderungen
gestellt werden
Motivationslage
intrinsisch – extrinsisch,
Einstellungen,
Interessenbreite,
Elternerwartung,
Lehrervorbild...
Niveau des math.
Wissens und
Könnens,
Grundvorstellungen,
Werkzeugkompetenz,
Weltwissen...
Verlaufsqualitäten des
Denkens, Arbeitstempo,
kognitive Stile,
Festigungsbedarf und
Selbstregulations-
kompetenz
Umgang mit Fehlern,
Kommunikationsfähigkeit,
Reflexionsbereitschaft und
-fähigkeit
4
Es ist eine offensichtliche Tatsache, dass
… Schüler/innen individuelle Vorlieben beim Lernen aufweisen
… jede Unterrichtssituation auf jeden Schüler – jeweils anders –von
motivierend bis hemmend wirkt
…auch Lehrkräfte individuelle Vorlieben haben – und sich daher fast
automatisch gewisse Einseitigkeiten des Lehrens und Lernens einstellen
Korrelationen bestehen zwischen dem Stil der Lehrer und ihren Schülern (Sternberg
1994)
Diejenigen Schüler weisen bessere Noten auf, deren Stil demjenigen der Lehrer
entspricht (Sternberg 1994)
5
Lernzyklus nach Kolb
Der Lernende macht am Anfang eine Erfahrung oder greift auf eigene Erfahrungen
zurück. Im nächsten Schritt erfolgt das reflektierte Beobachten, bei dem die Dinge
aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Der dritte Schritt ist die
sogenannte abstrakte Begriffsbildung. Zum Ende des Zyklus folgt das aktive
Experimentieren.
6
Je nachdem, welche Phase im Lernprozess
bevorzugt wird, kommt Kolb zu vier Lernstilen:
7
Lernstile nach Kolb
Lernstil Beschreibung
Assimilierer bevorzugen reflektiertes Beobachten und abstrakte Begriffsbildung. Ihre Stärken liegen in der Erzeugung von theoretischen Modellen. Sie neigen zu induktiven Schlussfolgerungen und befassen sich lieber mit Dingen oder Theorien als mit Personen. Sie integrieren einzelne Fakten zu Begriffen und Konzepten.
Konvergierer bevorzugen abstrakte Begriffsbildung und aktives Experimentieren. Ihre Stärken liegen in der Ausführung von Ideen. Sie neigen zu hypothetisch-deduktiven Schlussfolgerungen und befassen sich lieber mit Dingen oder Theorien (die sie gern überprüfen) als mit Personen.
Divergierer bevorzugen konkrete Erfahrung und reflektiertes Beobachten. Ihre Stärken liegen in der Vorstellungsfähigkeit. Sie neigen dazu, konkrete Situationen aus vielen Perspektiven zu betrachten und sind an Menschen interessiert. Sie haben breite kulturelle Interessen und spezialisieren sich oft in künstlerischen Aktivitäten.
Akkomodierer bevorzugen aktives Experimentieren und konkrete Erfahrung. Ihre Stärken liegen in der Ausgestaltung von Aktivitäten. Sie neigen zu intuitiven Problemlösungen durch Versuch und Irrtum und befassen sich lieber mit Personen als mit Dingen oder Theorien. Sie verlassen sich mehr auf einzelne Fakten als auf Theorien.
8
Lernstile nach Gregory
Angesichts der vielen verschiedenen Lernstiltheorien nimmt Gayle Gregory,
eine Metaanalyse vor und arbeitet ihrerseits vier verschiedene Lernstiltypen
heraus: Puppy,
Microscope
Clipboard
Beach Ball
Unterscheidung von vier verschiedenen Lernstilen (Gregory, Gayle H.: Differentiating Instruction With
Style. Aligning Teacher and Learner Intelligences for Maximum Achievement. Thousand Oaks 2005)
9
Lernstil der Beach Balls
Self-Expressive Learners (Intuitive/Feeling)
10
Lernstil der Beach Balls
Self-Expressive Learners (Intuitive/Feeling)
Gestalte eine Veranschaulichung für einen
Schlüsselbegriff der Unterrichtseinheit
Experimentier- &
Entdeckungsfreude
Spontanität & Kreativität
Gleichschrittanweisungen zu
folgen,
immer die gleichen
Schreibarbeiten zu machen
11
Lernstil der Puppies
Interpersonal Learners (Sensing/Feeling)
•Intuitiv, affektiv
•Benötigen Begründung für das Lernen
•Haben Bedürfnis nach Zusammenarbeit
Detailorientiert und gründlich zu sein
Korrigiert zu werden oder ein negatives
Feedback zu erhalten
12
Lernstil der Microscopes
Understanding (Intuitive/Thinking)
Denken analytisch, kritisch
Lernen gründlich
Arbeiten alleine
Neue Dinge ausprobieren
offene Probleme lösen
Perfektionisten
Beurteile folgende Aussagen, ob sie jeweils
stets, manchmal oder niemals wahr sind.
Begründe deine Beurteilung schriftlich.
1. Ein Trapez ist ein Rechteck.
Begründung___________________________
2. Ein Viereck ist ein reguläres Polygon.
3. Ein Parallelogramm ist ein Viereck.
4. Ein Trapez hat parallele Schenkel.
5. Diagonale eines Parallelogramms halbieren einander.
6. Ein Rechteck ist ein Quadrat.
7. Ein Quadrat ist ein Rechteck.
8. Eine Raute ist ein Rechteck.
9. Ein Parallelogramm hat exakt drei rechte Winkel.
10. Vier Seiten einer Raute und eines Parallelogramms
sind gleich lang und vier Ecken einer Raute und
eines Parallelogramms sind gleich groß.
13
Lernstil der Clipboards
Mastery (Sensing/Thinking)
Routinen, vorhersagbare
Situationen
Sinn für Details & Genauigkeit
Ohne Anweisungen arbeiten,
das „große Bild“sehen
14
Idee: Durch Variation in den Aufgaben und Darstellungen finden alle
Lernstile stärkere Berücksichtigung im Unterricht
Annahme: Die Unterschiedlichkeit des Zuganges zum
Unterrichtsgegenstand nutzt allen Lernenden mehr, als wenn sie nur
ihrem eigenen Lernstil entsprechend unterrichtet würden.
15
Schlussfolgerungen
Hausauf-
gaben
Innermathematische vs.anwendungsbezogene Aufgaben
Gelöste Beispiele einbauen (für Clipbords)
Abstrakte Aufgaben einbauen (für Microskopes)
Selbstregulationselemente verstärken (für Beach Balls)
Partnerbearbeitung einer LHA zulassen (für Puppies)
Wahlauf-
gaben
Komplexe geschlossene vs. offene Aufgaben (für Clipboards)
Innermathematische vs. anwendungsbezogene Aufgaben
Hilfen z.B. in Form von Tippkärtchen abrufbar (v.a.Puppies, Clipboards)
Arbeitsform frei wählbar (einzeln, in Gruppen)
Einstiege Offene vs. geschlossene Aufgaben (für Clipboards)
Innermathematische vs. anwendungsbezogene Situationen
Theoretische Darstellung zum Thema alternativ anbieten (für Microscopes)
Arbeitsform frei wählbar (einzeln, in Gruppen)
16
Schlussfolgerungen
Wach-
halten von
Grund-
wissen…
„Nachlernmaterialien“ mit
- Zielangabe
- Wo kann man das gebrauchen?
- Wie geht das? (Musterbeispiele)
- Welche typischen Fehler können passieren?
- Intelligentes Üben –anforderungsgestuft (Aufgabenset, Sternchen sammeln)
Diagnose -
Förderung
- Verschiedene Feedbackformate anwenden (diagn. Interview)
- kein Test ohne Folgerungen
- Balance halten zwischen realistischer Selbsteinschätzung und
Kompetenzerleben
- auch in bzw. aus Leistungssituationen lernen
(Schweizer Beurteilungsumgebungen)
- Sofortfeedback technologiebasiert – koppeln mit individuellen Konsequenzen
17
Didaktische
Analyse
Berücksichtigung der vier stilbasierten Zielfragen bei der Stoffanalyse und bei der
Aufgabenwahl (vor allem für Einstiege, Übungen und Langfristige HA)
1.Welche Fähigkeiten, Verfahren und Schlüsselbegriffe müssen die Lernenden beherrschen?
2.Welche Kernbegriffe, Muster oder Prinzipien müssen die Lernenden vertieft verstehen?
3.Wie werden die Lernenden persönlichen Bezug zur Mathematik herstellen oder gesellschaftliche Relevanz der Mathematik entdecken?
4. Wie werden die Lernenden neue mathematische Sachverhalte erkunden, visualisieren, anwenden oder mit ihnen experimentieren?
Schlussfolgerungen
Lernprotokoll, Checkliste, mind-map
Aufgabenset, Wdhlg. mit Kopfübung
Lerntagebuch, eigene Beispiele finden,
Mathegeschichten erfinden...
18
Wahlmöglichkeiten bei Einstiegen und Übungen
Aktuelle Forschungsfragen:
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Lernstilen und der Beurteilung von mathematischen Online-Lernspielen?
Welche Elemente eines Spiels sind für die einzelnen Lerntypen wichtig?
Präferieren verschiedene Lernstile auch verschiedene Spiele?
19
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Online-Fortbildungen von Mathematik-Lehrkräften
www.prolehre.de
Arbeitsprodukte der Lehrkräfte
www.problemloesenlernen.de
Aufgabendatenbank madaba
www.madaba.de
Kontakt: Vorträge:
bruder@mathematik.tu-darmstadt.de www.math-learning.com