Post on 06-Apr-2015
Dr. Hüseyin Arak 1
Überblick zur Sprachgeschichte des Deutschen
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Ca. 1400 Jahre deutsche Sprache, ausgegliedertaus dem Westgermanischen als• Althochdeutsch (ca. 650-1050)• Mittelhochdeutsch (ca. 1050-1350)• Frühneuhochdeutsch (ca. 1350-1650)• Neuhochdeutsch einschließlich der
Gegenwartssprache
Sprachgeschichte als
• Gesprochene Sprache: vom Dialekt zur regionalen Umgangssprache und über die Bühnensprache zur mündlichen Hochsprache / Standardsprache / Gemeinsprache
• Schriftsprache: vom Dialekt über regionale Druckernormen zur Hochsprache / Standardsprache / Gemeinsprache
Zur Geschichte der Rechtschreibung
ca. 800 bis nur handgeschriebene Texte in Dialekten Mitte 15. Jh.: Schulen in Klöstern, Schreibstuben auch an Höfen
bis ca. 1650: Niederdeutsch wird nicht mehr gedruckt
bis ca. 1750: Entwicklung der HochspracheHochsprache als Schriftsprache1774-86 Wörterbuch von Johann Christoph Adelung (5 Bde.)
im 19. Jh.: Bemühungen um eine einheitliche Rechtschreibung1876 1. Orthographische Konferenz in Berlin
1901 2. Orthographische Konferenz in Berlin: Normierung1902/3 Konrad Duden als Sekretär beauftragt,
der DUDEN-1 seitdem maßgeblich für Norm bis 1996
ca. 1450 Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen LetternGutenberg-Bibel
Zur Geschichte der Rechtschreibung
20. Jh. Immer wieder Diskussiobn um Reform und Vorschläge
seit 1996 Eine Zwischenstaatliche Kommission mit der Geschäftsstelle beimInstitut für Deutsche Sprache Mannheim (IDS) ist zuständig fürZweifelsfragen, nichtmehr die DUDEN-Redaktionen.
1983-1996 Arbeit an einer Neuregelung, Wiener Gespräche01.07.1996 Internationales Abkommen in Wien unterzeichnet01.08.1998 Neuregelung tritt in Kraft mit Übergangszeit bis 200501.08.1999 Die deutsche Presse übernimmt die Neuregelung nach
Kodifizierung unter Federführung von dpaSommer 2002 Frankfurter Allgemeine Zeitung kehrt zur alten Schreibung zurück
www.ids-mannnheim.de/reformwww.rechtschreibkommission.de
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Abrogans - das erste deutsche Wörterbuch; St. Gallen, 2. Hälfte 8. Jh.
4 Zur Geschichte der Rechtschreibung
Handschriften des Mittelalters
Abrogans: ein Wörterbuch (911)
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Handschrift des 15. Jh.
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ca. 1400 Jahre deutsche Sprache, ausge-gliedert aus dem Westgermanischen als• Althochdeutsch (ca. 650-1050)• Mittelhochdeutsch (ca. 1050-1350)• Frühneuhochdeutsch (ca. 1350-1650)• Neuhochdeutsch einschließlich der Gegenwartssprache
Merseburger Zauberspruch
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Das Trutzlied der Mädchen (ca. 1050)
Swaz hie gât umbe,daz sind alles megede,die wellent ân manallen disen sumer gân.
Was hier geht um,das sind alles Mädchen,die wollen ohne Mannallen diesen Sommer gehen.
Was hier im Kreis geht,das sind alles junge Mädchen,die wollen den ganzen Sommernicht mit einem Jungen gehen.(Sie wollen noch nicht heiraten.)
Von Carl Orff in die“Carmina burana” (“Ländlichen Lieder”)aufgenommen.
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http://www.tu-dresden.de/slub/proj/sachsenspiegel/sachs.html
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»Ich saz ûf eime steine...«Walther von der Vogelweide (um 1170-um1230)
Ich saz ûf eime steine,und dahte bein mit beine:dar ûf sazt ich den ellenbogen:ich hete in mîne hant gesmogendaz kinne und ein mîn wange.
Manessische Handschrift eine Handschrift des 14. Jahrhunderts
8Zur Geschichte der Rechtschreibung
Kurze Zeit einer Literatursprache
Johannes Gutenberg: Die Erfindung des Buchdrucks
• Buchdrucker wollen konsistente Texte Standardnorm wie DIN• Buchdrucker wollen verdienen, also
überregional verstanden werden kommunikative Norm
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Entwicklungen im 15. und 16. Jahrhundert
Bevölkerungszuwachs führt u.a. zu• Siedlung im Osten, Sprachausgleich,
Rückwirkung auf Altreich kommunikative Norm• größere Städte, Arbeitsteilung, Zunftwesen Standardnorm
Zeitalter der Entdeckungen und des Handels:merkantile Interessen, Banken, Buchhaltung überregionale Verkehrssprache kommunikative Norm
Einführung eines neuen Rechtssystems • “Der ewige Landfriede” durch Kaiser Maximian (1459-1519)• dazu neue Prozessordnung durch Karl V. (1500-1519)• schriftliche Verhandung u. Zeugenaussagen Standardnorm
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Zeitalter der Entdeckungen aus eurozentrischer Sicht.
Die vier Reisen des Columbus
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Columbus reiste nach Westen, um nach Indien im Osten zu gelangen.Am 10. Oktober 1492 ereichte er Land; er war überzeugt, in Indien zu sein, daher die Namen“Westindische Inseln” und die “Indianer”.
Bildquelle: Zeitalter der Entdeckungen, von John R. Hale. Time-Life International 1973, S50, 54, 88
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Den Namen »Amerika« erhielt der neue Kontinent nach dem italienischen Geografen, Astronomen und Seefahrer Amerigo Vespucci .
Den Namen ‘Amerika’ hatte 1507 ein Lothringer Kartograph namens Martin Waldseemüller für den neuen Kontinent vorgeschlagen.
Er hatte Aufzeichnungen und genaue Messungen vom Amerigo Vespucci ausgewertet und danach eine erste Karte des neuen Kontinent gezeichnet.
Amerigo Vespucci hatte auf mindestens zwei ausgedehnten Reisen im Auftrag der die Küste Südamerikas erforscht.
Amerigo Vespucci1454 - 1512
Bildquelle: Encyclopedia Americana vol. 28, 1973, S. 55The Bettman Archive
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Die lange Küste war von Vespucci als neuer Kontinent erkannt worden. Asien konnte es nicht sein. Er hatte auch errechnet, dass da ein weiterer Ozean sein müsse.Bildquelle: Time-Life, .a.O. S. 57
Vespucci war einmal im Auftrag Spaniens und einmal im Auftrag Portugals gereist. Beide Länder hatten großes Interesse an genauen Messungen.
Portugal protestierte, es wurde zäh verhandelt und 1494 wurde eine neue, nun geltende Linie festgelegt. Brasilien ragt nach Osten heraus und spricht heute deshalb Portugiesisch.
Der Papst hatte 1481 eine Demarkationslinie festgelegt, nach der Portugal alle Länder südlich der Kanarischen Inseln zusprach. Dem Papst ging es um Missionsraum.
Nach der Rückkehr von Kolumbus wurde 1493 eine neue Linie festgelegt, jetzt eine Nord-Süd-Linie Das Land westlich des 50. Längengrads sollte Spanien und östlich Portugal zufallen.
Die Aufteilung der Welt zwischenden beiden großen Seefahrt-Ländern durchPäpstliche Bullen (lat. bulla ‘versiegelte Urkunde‘)
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14Ostkolonisation und Handel nahmen zu
Handels-Landweg:Hellweg von Aachennach Nishnij Nowgorod
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Die Gründung von Schulen in Städten und von Universitäten durch Landesfürsten führte zu einem Berufsstand von Lehrern und Professoren, die sich sofort auch um die deutsche Sprache bemühten, Grammatiken ind Orthographien schrieben - übrigens auch Briefsteller.
Phillip von HessenUniversität Marburg 1521
Rennaissance und Humanismuslösten die kirchliche Scholastikim Wissenschaftsparadigma ab.
Gaileo Galilei
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Einführung einesneuen Rechtssystemsdurch Kaiser Maximilian.
Der ewige
Landfriede1459-1519
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17Einführung eines neuen Prozessordnung durch Kaiser Karl V.
1530/32, genannt die “peinlich gerichts ordnung”
1500-1519
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Martin Luther: Die Luther- Bibel von 1545
• Martin Luther übersetzt (mit Mitarbeitern) die Bibel, richtet sichin der Orthografie nach der sächsisch-meißnischen Kanzlei.
• Luthers Sprach- und Rechtschreibnormierungen beeinflussen dieSprachentwicklung und Normierung.
• Er benutzt das Mitteldeutschend bezieht das Oberdeutsche ein.
überregionale Norm
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Deutsch im 16. Jahrhundert: Dialekte
Aus Luthers »Tischreden«
Deutschland hat so viele Dialekte, dass die Leute in einem Abstand von 30 Meilen einander nicht verstehen. Die Österreicher und Bayern behalten keine Diphthonge, denn sie sagen e-ur, fe-ur, bro-edt für feuer, euer, brodt. Die Franken reden so eintönig und dick, dass die Sachsen besonders die Sprache in Antwerpen nicht verstehen ... die Oberlendische sprache ist nicht die rechte teutzsche sprache, denn sie hat sehr offene und starke Laute, aber die sächsische Sprache ist sehr leicht, sie wird mit fast zusammengepresstenLippen gesprochen.(Original auf Lateinisch)
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Situation im 16. Jahrhundert
Christoph Walter: Von vnterscheid der Deudschen Biblien (Wittenberg 1563)
Das aller vornemist vnd notigst in allen Sprachen ist / das man man Orthographiam helt /das ist / das man alle worter mit jren eigenen vnd geburlichen Buchstaben schreibe oder drucke / das man keinen Buchstaben aussen lasse / keinen zu viel neme / keinen fur denandern neme / Das einer die worter mit Buchstaben schreibe / gleich wie der ander / Item /das man die gleichlautende worter / welche zwey ding bedeuten in jrem laut /mit sonderlichen Buchstaben vnterscheide / wie die Ebreische / Griechische vnd LatinischeSprache geordnet vnd gefasset ist.Aber in der Deudsche sprache / schreibt ein jder die worter mit Buchstaben / wie es jm einfellet vnd in sinn komet / das / wenn hundert Brieue / vnd gleich mehr / mit einerleyworter geschrieben worden / so worde doch keiner mit den Buchstaben vberein stimmen/ das einer mit buchstaben geschrieben worde wie der ander.Derhalb ist die Sprache auch so vnuerstendlich / dunckel vnd verworren/Ja gantz verdrieslich vnd vnlustig zu lesen. Vnd sonderlich komet sie den frembdenvndeudschen Leuten sehr schwehr vnd sawer an zuuerstehen / vnd vnmuglich recht zu lernen.
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Notieren Sie, was Ihnen an der Schreibung auffällt.
Vô der Orthographia ein kleyne vnderweisungOrthographia ist ein Ghriechisch wort / heißt recht buchstäbisch schreibê / da sich die teütschê schwärlich reformieren werdê lassen / dañ das vnrecht schreibê der wörter vñ buchstabê / ist in diser sprach so gemein / das der gemein brauch nû muß kunst sein / darzu so ists den Teütschê nit wol müglich recht zuschreibê / diewil si / wi gsagt / nicht wenigers ´vstehn / dañ jre teütsche sprach.Man solt sich aber souil ymer müglich / d´ Orthographia befleissen / dañ auß keinr ãdern vrsach / ist die teütsche sprach so gãtz vnkendtlich / vñ jr selbs vngleich worden / als durch dz falsch schreibê / Aber es möchten die zwu nachuolgende Regel etwas zu solcher Orthograpia thun.Die erst / Wer den verstand eins worts / dasselb recht zuschreibê habê will / der mercke auff die bedeütung vñ Composition des selbê worts / das ist / er sehe vñ merck / was es sei vnd heisse.Die ander / das er dasselb wort oder seine theyl / das ist / die buchstabê zuuor in seinen mund neme / vnd frag seine oren / was vñ wie es laute.(Valentin Ickelsamer: Eine Teütsche Grammatica, 1534)
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Der Buchdruck als Triebkraft zur Vereinheitlichung der deutschen Sprachesowohl in der Rechtschreibung als auch in Wortschatz und Grammatik
• Buchdrucker wollen konsistente Texte Standardnorm• Buchdrucker wollen verdienen, also überregional verkaufen
und verstanden werden. kommunikative Norm
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Sprachentwicklung bis Mitte des 18. Jahrh. zum Hochdeutschen als Schriftsprache
Niederdeutsche Dialekte ca. 1650nicht mehr gedruckt
Mitteldeutschführend
Oberdeutscheinbezogen
Unter dem Einfluss des BildungsbürgertumsHochdeutsch als Wertenorm
Hochdeutsch als überregionale Standardormund kommunikative Norm
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• Im 17. Jahrhundert wurden Sprachgesellschaften gegründet,
nach Vorbildern in Italien
und in den Niederlanden .• Sie wollten der deutschen Sprache gegenüber dem an den Höfen
dominierenden Französisch zu ihrem eigenen Recht verhelfen.• Man leistete theoretische und praktische Spracharbeit:
- Grammatiktheorie und Grammatiken
- Theorie der Orthografie und Orthografielehren
- Theorie der Lexikographie führten zu
Wörterbüchern (sprachbezogen)
Lexika (sachbezogen)
- Mischtypen wie den Orbis pictus von Comenius
(einem zweisprachigen Bildwörterbuch Deutsch und Lateinisch • Opitz erarbeitete eine auf die deutsche Sprache abgestimmte Poetik.• Die Dichter des Barock schrieben dazu die Gedichte.
Georg Schottel(Schottelius)1612-1676
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Martin Opitz1597-1639
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Andreas Gryphius1616-1664
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Im 18. Jahrhundert war die Entwicklung zu einer
gemeinsamen Sprache abgeschlossen.
Adelung spricht in seinem großen Wörterbuch
noch von den hochdeutschen Mundarten und
meint den Zusammenfall des Mittel- und
Oberdeutschen
Adelung (17...-
• Johann Christoph Adelung :Versuch eines grammatisch-kritischen Wörterbuchesder Hochdeutschen Mundarten(5 Teile, Leipzig 1774-1786)
Schick mir den Adelung, den Hund! Ich habe einige Fragen an dieses Orakel zu tun.(aus dem Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe)
Wir haben uns nden Adekung aufgesackt ... (Heinrich Heine)
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• Im 19. Jahrh. wurden neue Disziplinen der Sprach- und auch der Literaturwissenschaftentwickelt, die Indogermanistik als historisch orientierte Allgemeine und VergleichendeSprachwissenschaft und die Philologie als historisch orientierte Germanistik.
• Die Indogermanistik erforschte die historischen Zusammenhänge zwischen Sprachenals Sprachfamilien, allen voran die indogermanischen Sprachen, zu denen alsgroße Gruppen die germanischen, romanischen, slawischen, arabischen, persischenund altindischen Sprachen gehören.
• Die Germanistik wendete sich älteren deutschen Texten und damit Sprachstufen zu.Wir kennen viele der Texte nur, weil die Handschriften ab dem 19.Jh. in den Bibliothekengesucht und sorgfältig entziffert und ediert wurden.
• Diese historische Sicht führte zu einer zugleich beschreibenden (deskriptiven) als auchdiachronischen (Entwicklungen über Zeitstufen hinweg verfogenden) Sprach- undTextwissenschaft.
• Mit diesem Interesse an der Geschichte von Landes-Sprachen und Volks-Kulturen warman Teil der romantischen Bewegung einer Hinwendung zum Volk, zu mündlichenÜberlieferungen, zum Sammeln mündlicher Texte wie Volkslieder und Märchen.
• Zwei bedeutsame Wissenschaftler, die als Mit-Begründer der Germanistik als Universi-tätsfach anzusehen sind, waren die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm. Sie beeinflusstennicht nur die Sprach- und Textwissenschaft, sondern die Sprachentwicklung. Deshalbwird ihr Wirken hier exemplarisch vorgestellt.
Skizze von Entwicklungen im 19. Jahrhundert
Zur Geschichte der Rechtschreibung
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Jakob Grimm (1785-1863) Wilhelm Grimm (1786-1859)
Geboren in Steinfurt bei Giessen, Studium in Marburg u.a. bei dem bedeutenden JuristenSavigny (Jakob als Wiss. Hilfskraft), im Marburger Kreis um Achim und Bettina von Arnim, beteilgt an den Volksliedsammlungen zu Des Knaben Wunderhorn, Bibliothekare in Kassel, Herausgeber alter Texte, u.a. Hildebrandlied, Nibelungenlied, Rechtsaltertümer (s.u.).Sammlung und Herausgabe von Märchen und Sagen. Schließlich Professoren in Göttingen.
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Bildquelle: Kolorierte Originalfotografien Berlin 1857, entnommen dem Katalog der Ausstellung Kassel 1985 “200 Jahre Brüder Grimm. Dolumente ihres Lebens und Werkes.” Verlag Weber & Weidemeyer Kassel, S. 371
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Grimms Märchenwurden von beiden Brüdern gesammelt, zunächst als trockene wissenschaftliche Dokumente herausgegeben - wirtschaftlich kein Erfolg - , dann mehrfach von Wilhelm überarbeitet und als Kinder- und Hausmärchen zum Welterfolg. Wilhems romantisch-biedermeierliche Überarbeitung und seine Stilelemente wie Es war einmal ... prägten die allgemeine Auffassung davon, was Volksmärchen seien, wie sie zu seien hatten. Dabei enthält die Sammlung viel mehr: Sagen, Legenden, Fabelgeschichten, ...
Dorothea Viehmannaus Oberzwehren bei Kassel,die einige der Märchen erzählt hat -längst nicht alle, es gab auch schrift-liche Vorlagen und andere Quellen.
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Bildquelle: Radierung Dorothea Viehman von Ludwig Eil Grimm (der 3. Bruder) aus:Gabriele Seitz: Die Brüder Grimm. Leben – Werk – Zeit. Winkler Verlag München1984 S. 61; die anderen Titel Katalog a.a.O. S,398
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1810Urfassung
1812Druckfahnen
1857 Ausgabe letzter Hand
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Aus : Gabriele Seitz: a.a.O., S. 89
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1. Schreiben Sie so viele Märchentitel aus Grimms Märchen auf, wie Ihnen einfallen.2. Können Sie den Spruch von Rumpelstilzchen aufschreiben?3. Was sagen die Täubchen in Aschenputtel? Es gibt mehrere Sprüche.4. Schneewittchen a) Was sagt die Königin vor dem Spiegel? b) Wovon fällt Schneewittchen in den tiefen Schlaf? Und wie wacht sie wieder auf?
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34• Die Grimms waren ... - ...
Professoren in Göttingen.• ... protestierten sie als zwei
der “Göttinger Sieben” gegen eine verfassungswidrige Ver-fügung des HannoverschenLandesherrn und wurden desAmtes, Jakob auch des Landesverwiesen.
• Sie gingen zurück nach Kassel,hatten durchaus finanzielleProbleme.
• Die Weidmannsche Buchhand-lung in Berlin bot Ihnen an, einWörterbuch zu schreiben. Sohatten Sie regelmäßigesGeld.
• Schließlich bekamen sieProfessuren in Berlin. Bettina vonArnim hatte sich sehr eingesetzt.
Jakob Grimm als Professor in Göttingengezeichnet vom Bruder Ludwig Emil Grimm
Jakob Grimm heiratete ... und hatte Kinder. Wilhelm lebte stets in seinem Haushalt.
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Bild: Radierung von Ludwig Emil Grimmdatiert 28. Mai 1830;aus : Gabriele Seitz: a.a.O., S. 111
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• Jakob Grimm schriebeine historische Grammatikder deutschen Sprache.
• Er gab - er war schließlichSchüler von Savigny - histo-rische Texte zur Rechts-geschichte heraus, die vielAufsehen erregten.
1848 wurde Jakob Grimm in dieVerfassungs-Versammlung in der Paulskirche dewählt alsAbgeordneter des WahlkreisesDinslaken-Essen-Mühlheim/R.
• Auch als einer der führendenProfessoren aus dem Kreisder “Göttinger Sieben” hatteer hohes Ansehen in Deutsch-land als Mann, der eine Ver-fassung wollte.
• Er war zwar durchaus monar-chistisch gesinnt, aber trat auchfür neine Verfassung ein.
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Entwicklungen im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert
• Germanistik als Philologie entsteht, maßgeblich beeinflusst durch Wilhelm und Jakob Grimm.
Historische Sicht auf Sprache führt zu historischer Norm.• Zeitungen, ein Pressewesen, Jounalisten als Normträger bringen
Festigung der Standardnorm und der kommunikativen Norm.• Allgemeine Schulpflicht führt zu Alphabetisierung und zur
Festigung der Standardnorm und Entwicklung der Wertenorm.• Gründung des Deutschen Reiches 1871 in Versdailles (!)
führt zu Vereinheitlichungsbestrebungen.• 1876 1. Orthographische Konferenz in Berlin “scheitert”.• Konrad Duden gibt für seine Schule ein Wörterbuch heraus,
das nach 1876 für preußische Schulen bearbeitet wird und gilt.
Zur Geschichte der Rechtschreibung
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Grimms WörterbuchEin Jahrhundertwerk
Vorwort vonJakob Grimm
Schluss Band 1
Gemäßgte Kleinschreibung:
>ß< als >zs<
Zur Geschichte der Rechtschreibung
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Näher ist uns, mir noch biografisch, die Zeit des Nazionalsozialismus, der
nicht nur wegen seiner und der in seinem Namen verübten Taten den
Namen Deutsch und Deutschland für lange Zeit mit Bedeutungen und
Erinnerungen belegt hat, denen niemand entgehen kann, der die Sprache
als Muttersprache spricht und das Land als Lebens- und Kulturraum
Heimat nennt.
Ein Propagandaministerium und die Nutzung des Massenmdediums
Volksempfänger (Radio) belasteten die Sprache als öffentliche Sprache
nachhaltig.
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Eintrag im WörterbuchDUDEN: Deutsches Universwalwörterbuch, 3. Auflage 1996
Konzentrationslager, das [wohl LÜ von engl, concentration camp, Bez. Für die erstmals 1901 vom brit. Feldmarschall H.H. Kitchener (1850-1916) eingerichteten Internierungslager im Burenkrieg (1899bis 1902)](bes. ns.): Lager, in das Menschan aus politischen, relogiösen od. rassischen Gründen verbracht u. in dem sie unter menschenunwürdigen Bedingungen gefangen gehalten [bzw. einer Massenvernichtung ausgeliefert] werden: ins K. kommen; jmdn. in ein K. einweisen; jmdm mit K. drohen
Mackensen: Großes deutsches Wörterbuch, 1977
Konzentrationslager s (-s;-) Internierungslager für feindl. Bevölkerung; Straflager (Abk.: KZ)
Duden: Wörterbuch 1880, S. 1
GeburthausHof Bossigtbei Wesel
am Niederrhein
Konrad Duden1829-1911
Gymnasiumin Schleiz
(Thüringen)Direktor
1869-1905,danach
in Bad Hersfeld1876-1905
Zur Geschichte der Rechtschreibung
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• Zur Erinnerung: 1901 wurde die Rechtschreibung normiert. Mit dem NamenKonrad Dudens verbindet sich seither die Vorstellung, was korrekter Sprach-gebrauch sei, obwohl er und sein Wörterbuch, das von den DUDEN-Redaktionen nach seinem Tod 1912 fortgeführt wurde, nur für die Rechtschreibung maßgebend waren. Noch einmal zwei (Zitate in neuer Rechtschreibung):
• Auch das ist Geschichte, mit der Reform von 1998 ist eine internationaleKommission für die Rechtschreibung zuständig.
Das zunächst und vor allen Dingen zu erstrebende Zielwar die E i n h e i t der Rechtschreibung ... Indem ich vonFortschritt spreche, deute ich schon an, dass ... jetzt keineswegsund für alle Zeiten ein Stillstand eintreten soll. Nur einZwischenziel ist erreicht worden.
Die Schrift ist nicht für die Gelehrten, sondern für das ganze Volk da [...], und dies verlangt nichts, als dass sie genau und dass sie leicht zu handhaben sei.
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Entwicklungen im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert bis 1901-3
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Entwicklungen im 20. Jahrhundert
• 1901 2. Orthographische Konferenz in Berlin• Konrad Duden als Sekretär der Konferenz:
Das zunächst und vor allen Dingen zu erstrebende Zielwar die E i n h e i t der Rechtschreibung ... Indem ich vonFortschritt spreche, deute ich schon an, daß ... jetzt keineswegsund für alle Zeiten ein Stillstand eintreten soll. Nur einZwischenziel ist erreicht worden.
• Bis 1914 parallel Schul-DUDEN und Buchdrucker-DUDEN• DUDEN-Redaktionen führten ständig Änderungen durch.
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Entwicklungen im 20. Jahrhundert
• Im Jahr 1903 wird die Einheitsrechtschreibung in den deutschenSchulen eingeführt.
• Auch damals gab es viele kritische Stimmen.• Der DUDEN-1 (Rechtschreibduden) ist “in Zweifelsfällen”
maßgebend bis zur Neuregelung 1996.• Die amtlichen Regeln von 1901 werden bald nicht mehr gedruckt.
Im DUDEN werden zunächst systematische didaktisierte Regeln,zuletzt eine alphabetische Liste von Regeln veröffentlicht.
• Nach 1949 gab es einen DUDEN-West (Mannheim) und einenDUDEN-Ost (Leipzig) auf der Grundlage der Regeln von 1901mit Unterschieden nur im Wortschatz.
• Im Jahr 1990 erschien der erste gesamtdeutsche DUDEN.
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Entwicklungen im 20. Jahrhundert
• Es hat im 20. Jahrhundert immer eine Reformdiskussion gegeben.Bedeutende Reformversuche:
• 1944 Einführung der gemäßigten Kleinschreibung, mit dem Endedes Krieges und des Nazi-Reiches untergegangen
• 1954 “Stuttgarter Empfehlungen”, Protest der Schriftsteller• 1958 “Wiesbadener Empfehlungen” mit gemäßigter Kleinschreibung
auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges nicht umgesetzt, weil dieDDR nicht mitmachen wollte
• 1983-1996 Arbeit an der jetzt eingeführten Neuregelung
Entwicklungen im 20. Jahrhundert
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Entwicklungen im 20. Jahrhundert
die Busse =
Die Schweiz hatte und hat bis heute eine Sonderregel:Statt ß wird ss geschrieben:
Omnibusse
Buße, Sühne
• Österreich hatte und hat ein Österereichisches Wörterbuch • Österreichische Wörter werden in deutschen Wörterbüchern
als Austriazismen geführt.• Beispiele, die in die EU-Verträge eingegangen sind:
Ribiseln = JohannisbeerenMarillen = AprikosenKukuruz = Mais
Fisolen = grüne BohnenKarfiol = BlumenkohlTopfen = Quark
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Der Weg zur Neuregelung 1996
• Im Jahr 1983 Anfrage Österreichs auf diplomatischem Weg an die deutschsprachigen Länder, ob Rechtschreibung zu überarbeiten sei
• Zuständig in der BRD:- Außenminister, weil international- Bundesinnenminister für die Amtssprache- Kultusministerkonferenz für die Schulspache, KMK war federführend
• Einsetzen von Fachkommissionen in BRD, DDR, Schweiz, Österreichin der BRD u.a. beteiligt: Institut für deutsche Sprache (IdS) inMannheim, DUDEN-Redaktion, Gesellschaft für Deutsche Sprache
• Regelmäßige Treffen der Kommissionen der vier Länder, die einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiteten
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Der Weg zur Neuregelung 1996
• 1986, 1992 und 1994 “Wiener Gespräche” auf politischer Ebene• 1988 Teilvorschlag veröffentlicht; lebhafte, meist positive Reaktion• 1990 DDR der Bundesrepublik beigetreten, Fachleute blieben• 1992 “Deutsche Rechtschreibung - Vorschläge zu ihrer Neuregelung”• 1993 Hearing in Bonn, 30 Verbände nahmen teil, brachten
Änderungswünsche vor, die eingearbeitet wurden• November 1994 werden beim 3. Wiener Gespräch letzte Unklarheiten
beseitigt; eine Redaktionsgruppe wird eingesetzt• August 1995 veröffentlicht der internationalen Arbeitskreis:
Deutsche Rechtschreibung - Regeln und Wörterverzeichnis.Vorlage für die amtliche Regelung (Narr Verlag Tübingen)
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Der Weg zur Neuregelung 1996
• Geringfügige Änderungswünsche der Kultusminister und einigerMinisterpräsidenten, von Österreich und der Schweiz akzeptiert
• Dezember 1995 redigierte Fassung von der KMK beschlossen,von den Ministerpräsidenten, dem Bundeskabinett und demBundesinnenminister zustimmend zur Kenntnis genommen
• 01. Juli 1996 in Wien eine Gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung unterzeichnet vonBelgien, Deutschland, Italien, Liechtenstein, Österreich, Rumäniender Schweiz und Ungarn
• Zum 01.08.1998 sollte die Neuregelung in Kraft treten mit einerÜbergangszeit bis 2005
• Presse, TV, Radio berichten, kommentieren weitgehend positiv
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Der Weg zur Neuregelung 1996
• Wichtige rechtliche Neuerung: DUDEN verliert sein Monopol alsNormsetzer in Zweifelsfragen.
• Eine internationale Kommission mit Geschäftsstelle beim IdS inMannheim begleitet die Einführung der Neuregelung.
• Die Kultusminister konnten im Vorgriff in Schulen die neuen Regelneinführen.
• Ab Mitte 1996 erste Wörterbücher: Bertelsmann, DUDEN,auch bei ALDI (von uns in Essen entwickelt) mit geringfügigen Unterschieden bei der Umsetzung, insbesondere bei Getrennt- undZusammenschreibung und Trennung am Zeilenende, letzteres weilDUDEN nicht alle Möglichkeiten angibt.
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Der Weg zur Neuregelung 1996
• Auf Betreiben eines fränkischen Lehrers, Friedrich Denk, eineProtestaktion vieler Schriftsteller am Rande der Buchmesse 1996.
• Presse zunehmend kritisch, allen voran FAZ und SPIEGEL, BILD;Untertsützung durch Dieter Zimmer in der ZEIT.DIE WOCHE stellt schon 1996 um, Schweizer Printmedien ebenfalls
• Neue Schulbücher erscheinen nur noch in der neuen RS.• Die Kultusminister konnten im Vorgriff in Schulen die neuen Regeln
einführen. Einzelne Eltern wollen die neue RS nicht, strengenProzesse vor Verwaltungsgerichten an.
• Die Presse berichtet von negativen Urteilen auf S. 1, von positivenin kleinen Meldungen. Die positiven waren immer in Überzahl, aberdie Öffentlichkeit musste denken, die Gerichte stoppen die neue RS.
Zur Geschichte der Rechtschreibung
Der Weg zur Neuregelung 1996
• Am 14. Juli 1998 entscheidet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass die Einführung einer neuen RS als Verordnungrechtens sei. Zugleich wird vorab entschieden, dass ein Ausschereneinzelner Bundesländer (“Insellösung”) kein Grund sei, dieNeuregelung in anderen Bundesländern zurückzunehmen.
• Dadurch wird eine Volksbefragung mit negativem Ausgang inSchleswig-Holstein uninteressant; dort hat inzwischen der Landtagmit den Stimmen aller Parteien beschlossen, die Neuregelung docheinzuführen.
• Die Presse, die ursprünglich 1998 umstellen wollte, stellt zum01. August 1999 um, auch SPIEGEL und zunächst FAZ.
• Federführend für die Presseregelungen war dpa.
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