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129| Obere Extremität 3 · 2013
Leitthema: Übersicht
Infektionen der Beugesehnenscheiden an der Hand stellen für den betroffenen Patienten nach wie vor eine echte Katastrophe dar. Vor der Einführung der Antibiotika wurde noch über Mortalitätsraten von 7 % berichtet [7]. Heute liegen die Mortalitätsraten nahe bei 0 %, aber die Morbiditätsraten mit irreversiblen Funktionseinbußen an der Hand sind bei verspäteter Diagnostik und Therapie mit 45 % schlechter Resultate [17] enorm hoch. Wenn die Erkrankung nicht richtig erkannt und lediglich mit Anbiotika ungezielt „anbehandelt“ wird, wird der wahre Charakter dieser speziellen Form der Infektion verschleiert, die weitere Schädigung der Gleitschichten aber nicht aufgehalten und somit die Chance auf gute Ergebnisse verspielt. Um optimale Ergebnisse erzielen zu können, muss die Diagnose so früh wie möglich gestellt und die adäquate operative Therapie ohne Verzögerung erfolgen.
Anatomische Vorbemerkungen
Wichtige und empfindliche Organe (Hirn, Herz, etc.) sind normalerweise gut geschützt und von der Außenwelt abgeschirmt. Auch die Sehnenscheidenräume befinden sich unterhalb einer dicken palmaren Hornhaut, einer kräftigen mit Retinacula cutis durchzogenen palmaren Fettschicht und einer fibrös verstärkten Hülle. An einigen Stellen ist der Abstand zwischen der Hornhaut und der Sehnenscheide aber auch sehr dünn. In der Endgelenkbeugefurche beträgt der Abstand zwischen der Hornhaut und der Beugesehnenscheide nur wenige Millimeter. Diese Stelle ist wahrscheinlich die häufigste Eintrittspforte für Bakterien, die mit Dornen, Stacheln, Splittern und anderen
nicht sterilen Fremdkörpern in die Beugesehnenscheide gelangen. Großflächige Verletzungen der Sehnenscheide und der Beugesehnen durch Sägen, Messer etc. führen interessanterweise nicht so häufig zu den typischen Beugesehnenscheideninfektionen. Der Grund scheint darin zu liegen, dass die Bakterien durch und mit verschiedenen Sekreten durch große Öffnungen besser aus der Sehnenscheide entfernt werden können.
Die Sehnenscheide ist an der Hand für die einzelnen Fingerstrahlen nicht einheitlich aufgebaut. Am Daumen erstreckt sie sich distal von der Mitte des Endgliedes nach proximal in einen großen Sehnenscheidensack im Handge lenkbereich, der bis knapp proximal der Raszetta reicht. Zeige, Mittel und Ringfinger verfügen nur über eine kurze Sehnenscheide von der Mitte des Endgliedes bis etwa 1 cm proximal des A1Ringbandes. Dieser proximale Rand wird auch als „Cul de sac“ bezeichnet und ist etwas erweitert. Der Kleinfinger hat wieder einen großen Sehnenscheidenbereich, der distal von der Mitte des Endgliedes aus kontinuierlich bis etwa 3 cm proximal der Raszetta reicht. Im Handgelenkbereich hat die Sehnenscheide des Kleinfingers ebenfalls wie der Daumen einen Sehnenscheidensack, mit dem er auch kommunizieren kann. Ausbreitungen von Bakterien von der Beugesehnenscheide des Daumens in die des Kleinfingers und umgekehrt (V „Phlegmone“, „horseshoe infection“) sind über diese Verbindung möglich, aber heute selten geworden [5, 13]. Wenn die Infektion sich weiter nach proximal auf den Unterarm ausbreitet, finden sich die Eiteransammlungen hauptsächlich zwischen den tiefen Beugesehnen und dem M. pronator quadratus sowie der Membrana in
terossea, dem ParonaRaum (Francesco Parona 1842–1908; [13, 21, 22]).
Innerhalb der Beugesehnenscheide sind sowohl die Sehne als auch die Wandungen mit einer Gleitschicht (Synovialis) bedeckt. In diesem Spaltraum befindet sich die Gleitflüssigkeit (Synovia). Die Synovia erleichtert das Gleiten der Sehnen, ist aber auch für die Ernährung der Beugesehnen zuständig.
Pathophysiologie, klinisches Bild und Diagnostik
Die pathophysiologischen Abläufe im Finger nach einer einfachen Stichverletzung, z. B. auf Höhe des proximalen Interphalageal (PIP)Gelenks, mit Eindringen von Bakterien in den Beugesehnenscheidenraum folgen sehr schnell aufeinander. Erst bei fortgeschrittener Infektion des Endgliedbereichs können auch die Beugesehnenscheiden betroffen sein [14, 15].
Da die Synovia ein sehr gutes Nährmedium ohne wesentliche Abwehrmechanismen darstellt, können sich eingedrungene Bakterien fast ungehindert vermehren. Die kritische Keimzahl zur Auslösung einer Infektion scheint sehr niedrig zu liegen. Durch die normalen Fingerbewegungen werden die Bakterien schnell über die gesamte Ausdehnung der Beugesehnenscheide verbreitet. Wenn Fremdkörper mit in die Beugesehnenscheide gelangen, bleiben sie entweder an Ort und Stelle, z. B. in der Sehne, stecken oder werden durch die Fingerbewegungen nach und nach in den proximalen Sehnenscheidensack transportiert. Die Sehnenscheidenwände reagieren sehr schnell, eine Gefäßinjektion ist schon nach kurzer Zeit zu beobachten. Das Volumen der Flüssigkeit innerhalb der Sehnenscheide steigt an.
Martin Franz Langer · Carsten Surke · Britta WieskötterKlinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Sektion Handchirurgie und Mikrochirurgie,
Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
Die Beugesehnenscheideninfek-tion der Finger und des Daumens
Obere Extremität 2013 ∙ 8:129–135DOI 10.1007/s11678-013-0223-3Eingegangen: 28. Juni 2013Angenommen: 5. Juli 2013Online publiziert: 13. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
Leitthema: Übersicht
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Dies ist wahrscheinlich ein Versuch des Körpers, die Bakterien doch noch herauszuspülen. Da die Haut der Hand aber meist schon wieder verschlossen ist, gelingt dies nicht und der Druck innerhalb der Beugesehnenscheide steigt. Nach den Messungen von Schnall [23] kommt es zu recht hohen Drücken, die mit einem
Kompartmentsyndrom vergleichbar sind. Andererseits habe ich es bei meinen Operationen von Beugesehnenscheideninfektionen noch niemals erlebt, dass es bei der Eröffnung aus der Sehnenscheide regelrecht gespritzt hätte.
Je länger die Bakterien auf die inneren und äußeren Gleitschichten einwirken,
desto stärker werden diese geschädigt. In den ersten 48 Stunden erscheint die Oberfläche der Beugesehne meist noch glatt und spiegelnd. Danach wird die Oberfläche zunehmend rauer und stumpf. Die Synovia wird zunehmend trüber. Je nach Art und Menge der Bakterien kommt es dann zu einer zunehmenden Andauung der Sehne selbst. Die Kollagenfasern verlieren ihren Zusammenhalt, werden faserigschleimig und von der Färbung her meist grünlich. Diese Abschnitte der Sehne sind nekrotisch und definitiv verloren.
Der Körper reagiert auf Veränderungen innerhalb des empfindlichen Systems der Sehnenscheide sehr sensibel. Schon nach einigen Stunden können sich heftige Schmerzen einstellen. Der Finger ist zu Beginn aber noch vollkommen unauffällig: Nicht geschwollen, nicht gerötet. Patienten, die sich zu diesem Zeitpunkt in den Ambulanzen vorstellen, werden nicht selten unverrichteter Dinge wieder weggeschickt. Erst langsam bildet sich dann ein Schwellungsgefühl aus, der Finger ist dann leicht gerötet, über die ganze Länge gleichmäßig angeschwollen und leicht gekrümmt. Jeder Versuch der Streckung des Fingers oder der starken Beugung ist sehr schmerzhaft, da sich der Druck innerhalb der Sehnenscheide dabei erhöht. Diese Anzeichen beschrieb Allen B. Kanavel [9, 10] bereits vor 100 Jahren als Kardinalzeichen der Beugesehnenscheideninfektion (. Abb. 1, 2 und 3):a. Spannung und Druckschmerz über
dem gesamten Verlauf der Beugesehnenscheide,
b. generalisierte Schwellung des gesamten Fingers – einschließlich der beugeseitigen Abschnitte des Subkutangewebes,
c. extreme Schmerzen – besonders proximal – bei der versuchten Streckung des Fingers und
d. gebeugte Stellung des Fingers.
Das empfindlichste und sicherste dieser Zeichen ist laut Literatur [10, 13, 18] der „Streckungsschmerz“.
Eine ganze Reihe anderer Zeichen (Rötung, Lymphangitis, Handrückenödeme und Fieber) sind nicht regelmäßig und in stark unterschiedlicher Ausprägung vorhanden; diese können nicht sicher zur Diagnostik herangezogen wer
Abb. 1 9 Kardinal-zeichen nach Kanavel: Gleichmäßige Schwel-lung des gesamten Fingers, Beugestellung des Fingers
Abb. 2 9 Kardinalzei-chen nach Kanavel: Ex-tremer Schmerz bei versuchter Streckung des Fingers
Abb. 3 9 Kardinal-zeichen nach Kanavel: Druckschmerz über dem gesamten Ver-lauf der Beugesehnen-scheide beim Zeige-finger bis in die Hohl-hand
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den. Wichtig ist nur, dass die Diagnose sehr schnell gestellt und die Operation zügig vorbereitet wird. Die Operation muss ohne Verzögerung erfolgen, ein Zuwarten mit Feuchtverbänden, Schmerzmedikation und Antibiotikagabe kann den Zustand des Patienten scheinbar verbessern, die Schädigung der Sehnen wird dadurch aber nicht aufgehalten.
Differenzialdiagnose
Als Differenzialdiagnosen kommen eine Reihe von Erkrankungen infrage, die aber meist nicht die typischen KanavalKardinalzeichen aufweisen. Trotzdem ist es wichtig, daran zu denken und diese Erkrankungen auszuschließen [3]:
Herpesinfektion des FingersHerpesinfektionen am Finger können ebenso wie Beugesehnenscheideninfektionen zu heftigen Schmerzen führen, auch bevor die herpestypischen Bläschen auftreten. Die Schmerzen erschweren die Diagnostik der Kardinalzeichen nach Kanavel.
GelenkempyemeInfektionen der Fingergelenke gehen meist mit einer spindelförmigen Schwellung des Fingers einher. Der betroffene Finger ist bei einer Infektion des Mittelgelenks gebeugt und eine Streckung des Fingers ist schmerzhaft. Wenn die spindelförmige Schwellung nicht besonders stark ausgeprägt ist und der Finger insgesamt etwas geschwollen ist, fehlt von den 4 Kardinalzeichen lediglich die Schmerzhaftigkeit entlang der Beugesehnenscheide.
KristallarthropathieBei den periartikulären Kristallarthropathien werden Kristallpartikel (Natriumurat, Kalziumphosphat oder Kalziumhydroxyapatit) in artikuläre oder periartikuläre Strukturen eingelagert. Entsprechend der Kristallart werden die Erkrankungen Gicht, Chondrokalzinose oder Hydroxylapatitablagerungskrankheit genannt. Die Kristallansammlungen sind meist dünnwandig abgekapselt. Bei kleinen unbedeutenden Traumen können diese Kapseln aufbrechen und sich die Kristalle in die Umgebung ausbreiten. Dies führt zu einer „chemisch bedingten“ Entzündung
mit akut auftretenden Schmerzen, Rötung und Überwärmung und allgemeinen Entzündungszeichen, teilweise sogar zu Fieber. Bei der Gicht/Pseudogicht spricht man an der Hand analog zur Podagra am Fuß von einer Chiragra.
Mikrobiologie
Die Bakterien, die aus einer infizierten Beugesehnenscheide angezüchtet werden können, sind zu 40−75 % Staphylococcus aureus. Methicillinresistente Staphylokokken (MRSA) werden in bis zu 29 % gefunden [3, 11]. Andere häufige Keime sind Staphylococcus epidermidis, ßhämolysierende Streptokokken und Pseudomonas aeruginosa. Mischinfek
tionen mit gramnegativen Keimen sind nicht selten. Lille [16] fand sogar in 26 % seiner Fälle Mischinfektionen von anaeroben und aeroben Keimen. Bei Menschenbissen muss man mit Eikenella corrodens, bei Tierbissen mit Pasteurella multocida rechnen [24]. Zahlreiche seltene Keime wurden beschrieben und kein Keim kann prinzipiell ausgeschlossen werden [13].
Es ist aber bei weitem nicht so, dass immer ein Keim nachgewiesen werden kann. Einige Autoren geben an, dass in den Kulturen zu 20–63 % keine Keime gefunden wurden [3, 20]. Dies kann daran liegen, dass bereits vor Probenabnahme mit Antibiotika behandelt wurde, oder dass eine „chemische“ Tendosynovialitis
Obere Extremität 2013 ∙ 8:129–135 DOI 10.1007/s11678-013-0223-3© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
M. F. Langer · C. Surke · B. Wieskötter
Die Beugesehnenscheideninfektion der Finger und des Daumens
ZusammenfassungInfektionen der Beugesehnenscheide müs-sen schnell erkannt und gezielt behandelt werden. Die spezielle Anatomie der Beuge-sehnenscheiden und der Ausbreitungswege der Infektion müssen ebenso bekannt sein wie die klinischen Zeichen einer beginnen-den Infektion, Differenzialdiagnosen, Mikro-biologie und das perioperative Management wie Anästhesieform. Nur eine frühzeitige Be-handlung ermöglicht eine vollständige Wie-derherstellung der Funktion der Hand. Ver-spätete oder verschleierte Diagnosen haben häufig unbefriedigende Langzeitergebnisse zur Folge. Die operative Therapie muss den Infekt gezielt angehen und ihn möglichst in
einer Operation vollkommen beseitigen. Da-bei ist der intraoperative Befund der Beuge-sehne ausschlaggebend für die chirurgischen Maßnahmen. Die Rehabilitation nach einer Operation einer Beugesehnenscheideninfek-tion spielt eine besondere Rolle. Das Spekt-rum der Komplikationen dieser Erkrankung ist hoch, doch lassen sich heute bei frühzeiti-ger Behandlung viele gute und sehr gute Re-sultate erzielen.
SchlüsselwörterBeugesehne · Sehnenscheideninfektion · Infektion · Hand · Chirurgie
Flexor tendon sheath infections of finger and thumb
AbstractInfections of the flexor tendon sheath must be quickly identified and specifically treat-ed. The special anatomy of the flexor ten-don sheath and spread of infection must be known as well as the clinical signs of a be-ginning infection, differential diagnoses, microbiology and perioperative manage-ment, such as anesthesia. Only by early treat-ment can a full recovery of hand function be achieved. Late or masked diagnoses often have unsatisfactory long-term results. Surgi-cal treatment must address the specific infec-tion and completely eliminate the infection if
possible in one operation. The intraoperative findings of the flexor tendon are decisive for the surgical procedure. Rehabilitation after surgery for flexor tendon sheath infections plays a special role. The spectrum of compli-cations of this disease is high but good and very good results have now been achieved with early treatment.
KeywordsPyogenic flexor tenosynovitis · Infection · Surgery · Hand · Flexor tendon
Zusammenfassung · Abstract
Leitthema: Übersicht
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durch Bestandteile auf Pflanzenstacheln vorlag [13, 26].
Anästhesie
Da bei der Operation der proximale Rand des Sehnenscheidensackes in der Hohlhand für die Finger 2–4 eröffnet werden muss und generell keine örtlichen Injektionen im Infektionsgebiet gemacht werden sollen, ist eine OberstAnästhesie, genauso wie Leitungsblöcke, ein „wide awake approach“ [12] oder auch eine IVRegionalanästhesie nicht empfehlenswert. Da eine Lymphangitis nicht immer sofort erkannt werden kann und fast alle Lymphkollektoren die Gefäße und Nerven in der Axilla begleiten, sollte unserer Meinung nach die Operation auch nicht unter Plexusanästhesie erfolgen. Eine Lymphangitis ist dagegen keine Kontraindikation für eine Blutsperre. Eine echte Blutleere mit Auswickeln der Hand sollte vermieden werden, eine Blutsperre bietet aber zahlreiche Vorteile: bessere Übersicht, schnelleres und schonenderes Präparieren und bessere Beurteilbarkeit der infizierten/nicht infizierten Strukturen. Die Blutsperre sollte gegen Ende der Operation dann aber geöffnet werden, da das entzündliche Gewebe stark hyperämisiert ist und die Wunde stärker blutet als erwartet.
Schnittführung
In der Vergangenheit wurden zahlreiche Schnittführungen für die Eröffnung der Beugesehnenscheide beschrieben. Welche Schnittführung gewählt wird, hängt von den individuellen Bedingungen ab. Folgende Kriterien müssen bei der Eröffnung erfüllt werden:a. Die (infizierte) Eintrittspforte sollte
mit exzidiert werden.b. Die gesamte Beugesehnenscheide
muss durch die Spülung erreicht werden, d. h. mindestens das proximale und distale Ende der Sehnenscheide.
c. Der proximale Sehnenscheidensack („Dreckfang“) muss besonders gründlich gereinigt oder exzidiert werden können.
d. Die Schnittführung sollte so angelegt werden, dass im Falle einer Wunddehiszenz wichtige Strukturen nicht freiliegen und austrocken können (z. B. freiliegende Beugesehne nach Nekrose der Sehnenscheide und Ringbänder).
e. Das Risiko der Verletzung von Leitungsbahnen muss minimiert werden.
f. Hautlappen dürfen nicht zu spitzwinkelig geschnitten werden, da bei Infektionen die Durchblutung der Lappen durch Schwellungen beeinträchtig sein kann und leichter Spitzennekrosen auftreten.
Operatives Vorgehen
Bei uns hat sich folgendes Vorgehen bezüglich der Schnittführung bewährt:
Wenn die Eintrittspforte noch sichtbar ist, wird diese Stelle schmal – oder wenn Infektionszeichen vorliegen −entsprechend im Verlauf einer BrunerInzision exzidiert. Dies hat den Vorteil, dass an dieser Stelle manchmal noch Fremdkörper in der Sehnenscheide oder Sehne stecken und dann entfernt werden können. Dann wird zumindest das distale und das proximale Ende der Sehnenscheide ebenfalls in einer kurzen BrunerInzision eröffnet. An allen Eröffnungsorten sollten Gewebsproben für die mikrobiologische Untersuchung entnommen werden. Abstriche von der Flüssigkeit sind meist nicht so ergiebig für die Mikrobiologie. Die BrunerInzision sollte passend zur Schnittführung der Exzision der Eintrittspforte sein, um bei ausgedehnteren Infektionen die Schnitte verbinden zu können. Am Zeige, Mittel und Ringfinger wird distal über der Endgelenkbeugefurche und knapp proximal des A1Ringbandes eröffnet. Wenn das A1Ringband nicht infiziert ist, sollte es auf jeden Fall geschont werden. Wenn mehrere Ringbänder nekrotisch sein sollten, ist jeder kleine Rest an intakten Ringbändern sehr wertvoll, um ein „bowstringing“ zu vermeiden.
Am Daumen und am Kleinfinger reichen die Sehnenscheiden bis an den distalen Unterarm. Die Eröffnung distal unterscheidet sich nicht von den übrigen Fingern. Proximal sollte aber nicht primär in der Hohlhand, sondern proximal der Raszetta eröffnet werden. Die Schnittführung am distalen Unterarm kann relativ geradlinig in Längsrichtung erfolgen, da durch starke Zickzackschnittführung z. B. der Ramus palmaris des N. medianus geschädigt werden kann. Für die Eröffnung der Sehnenscheide des Daumens verwenden wir einen Längsschnitt radial der M.flexorcarpiradialisSehne, für die Eröffnung der Sehnenscheide des Kleinfingers einen Längsschnitt radial der A. ulnaris.
Das weitere Vorgehen richtet sich dann nach dem Lokalbefund.
Szenario 1: Spiegelnde Oberfläche der Beugesehnen und leicht trübe Synovia (. Abb. 4 und 5). Finden sich noch spie
Abb. 4 9 Eröffnung der Beugesehnen-scheide am Zeigefin-ger an 3 Stellen: dista-les und proximales En-de der Sehnenscheide, Exzision der Eintritts-pforte
Abb. 5 9 Vol-le schmerzfreie Stre-ckung des Zeigefingers am 2. postoperativen Tag mit noch liegen-den Drainagen
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gelnde Beugesehnen und eine nur leicht trübe Synovia ohne Gewebsnekrosen, wird die Sehnenscheide intensiv von distal nach proximal und umgekehrt mit 0,9 %iger NaCl, Ringer oder 2 %iger BetaisodonaLösung gespült. Über PolyhexinLösungen (Prontosan) sind uns noch keine negativen Meldungen bekannt. Auf gar keinen Fall darf mit Octenisept gespült werden. Hierdurch kommt es zu wochen
lang bestehenden harten, geröteten Ödemen der gesamten Hand mit einer entsprechenden bleibenden Versteifung der Finger.
Die intensive Spülung (500 ml) und doppelte Eröffnung der Sehnenscheide reicht als operative Maßnahme i.d.R. aus. Distal und proximal über den Scheidenscheidenöffnungen muss ein Abfluss von Sekreten gewährleistet bleiben. Locker ad
aptierende Hautnähte und Feuchtverbände auf einer Schiene in „Intrinsicplus“Stellung beschließen die Operation.
Nach Öffnung der Blutsperre kann ein systemisches Antibiotikum verabreicht werden. Wir verwenden ein Cephalos porin.
Szenario 2: Trübe Synovia, stark verdick-te Synovialis (. Abb. 6, 7 und 8). Zeigt sich bei der Eröffnung, dass die Synovialis stark verdickt ist, sollte der Finger weiter, meistens sogar über die ganze Länge eröffnet werden. Die Infektion besteht schon länger und die Oberfläche der Sehnen erscheint nicht mehr spiegelnd glatt, sondern ist schon stumpf. Das gewucherte Synovialgewebe verbindet an einigen Stellen die Sehnenscheide mit der Beugesehne. Dies kann später zu derben Verwachsungen führen. Außerdem werden Fremdkörper und Bakterien vom Synovialgewebe eingekapselt. Das gewucherte Synovialgewebe wird möglichst vollständig entfernt ohne dabei die Ringbänder zu verletzen. Anschließend wird der gesamte Wundbereich und die Beugesehnen intensiv gespült. Von einer Dauerspülbehandlung sind wir in den vergangenen Jahren zunehmend abgekommen. Die Anlage und Pflege einer solchen Dauerspülbehandlung ist aufwändig und häufig schmerzhaft. In der Wunde bilden sich schnell Spülstraßen, d. h. Kurzschlussverbindungen zwischen Einlauf und Ablauf mit zweifelhaftem therapeutischen Wert. Unserer Meinung nach ist es besser, bei ausgeprägten Infektionen eine geplante zweite Operation am Folgetag oder am 2. postoperativen Tag durchzuführen und das gesamte Gebiet erneut zu debridieren, falls notwendig. Andererseits hat Pillukat [18] gute Ergebnisse mit der Behandlung von SpülSaugDrainagen erzielt, sodass im Einzelfall individuell intraoperativ über den Einsatz von SpülSaugDrainagen frei entschieden werden kann.
Szenario 3: Trübe Synovia, stark verdick-te und teilweise nekrotische Synovialis (. Abb. 9). Finden sich bereits Nekrosen in den tieferen Anteilen, so muss radikal und kompromisslos débridiert werden. Jedes Gewebe, das sich nicht mehr erholen kann, muss entfernt werden. Auch hier ist zur Beurteilung die Öffnung der Blutsper
Abb. 6 9 Eitrige Beu-gesehnenscheidenin-fektion mit Eiteraustritt bei Streckung des Fin-gers in Narkose
Abb. 7 9 Wundexzi-sion und Erweiterungs-schnitte mit Eiteraus-tritt aus der Beugeseh-nenscheide zwischen dem A3- und dem A4-Ringband
Abb. 8 9 Raue Ober-fläche der Beugeseh-ne nach radikaler Ex-zision sämtlicher nek-rotischer und infizier-ter Strukturen. Nur das A1-, A2- und A5-Ring-band waren noch zu erhalten.
Leitthema: Übersicht
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re wichtig. Nicht mehr durchblutete Gewebeanteile können manchmal erst dann erkannt und entfernt werden. Sehnenanteile, die locker – faserig oder grünlich erscheinen, müssen ebenfalls reseziert werden. Ziel der Operation ist es, den Körper bei der Beseitigung der Bakterien und Abstoßung der Nekrosen zu unterstützen – je gründlicher, desto schneller setzt die Heilung ein und desto früher kann mit der Rehabilitation begonnen werden.
Die Diskussion, ob eine kontinuierliche Spülung notwendig ist, ist noch nicht endgültig abgeschlossen. Der Trend geht aber dazu, nicht in jedem Falle eine kontinuierliche Spülung durchzuführen [6, 16].
Begleitende Medikamentöse Therapie
Eine begleitende antibiotische Therapie ist nach wie vor obligat. Bei einer perforierenden Verletzung wird heute meist bis zum Vorliegen des Antibiogramms ein Cephalosporin (z. B. Cefazolin) i. v. alle 8 h empfohlen. Bei einer Penicillinallergie wird bevorzugt Clindamycin 600–900 mg/8h i. v. oder Erythromycin 500–1000 mg/6 h i. v. eingesetzt.
Immunsupprimierte Patienten, Diabetiker oder Patienten mit Bissverletzungen erhalten AmpicillinSulbactam 1,5–3 g/6 h i. v., oder Cefoxitin 2 g/8 h i. v., bei Penicillinallergie Clindamycin 600–900 mg/8 h i. v. in Kombination mit Levofloxacin 500 mg/d i. v. für Erwachsene, für Kinder Clindamycin mit TrimethoprimSulfamethoxazol.
Die i.v.Antibiose wird meist über eine Dauer von 5−14 Tage eingesetzt, abhängig vom intraoperativen Befund, von den Be
gleiterkrankungen des Patienten, der Art der kultivierten Keime und dem Heilerfolg des Patienten auf die Behandlung.
Draeger [4] berichtete über gute Erfolge der lokalen Injektion von Antibiotika in die Sehnenscheide zusammen mit lokalen Kortikosteroiden im Tierversuch bei Hühnern. Kortikosteroide sollen angeblich einen günstigen Einfluss auf die Verklebungen und Kontrakturen der Finger haben. Beim Menschen wird diese Therapie meines Wissens noch nicht eingesetzt, daher gibt es hier noch keine klinischen Ergebnisse oder Empfehlungen.
Rehabilitation
Die Operation muss die Krankheitsphase abkürzen. Dabei muss soviel infiziertes und irreversibel geschädigtes Gewebe wie möglich reseziert werden. Andererseits muss so viel Gewebe wie möglich geschont werden, damit keine Sekundärheilungen die Rehabilitation verzögern. Direkt nach der Operation sollten Feuchtverbände verhindern, dass Sekrete antrocknen und die Wundöffnungen wie Korken verstopfen. Die Feuchtverbände kühlen das infizierte Gebiet, was nicht nur angenehm ist, sondern auch das Bakterienwachstum hemmt (Bakterien sollten jetzt möglichst nicht mehr da sein!) und die Durchblutung und damit die Abwehr steigert.
Das größte Problem nach Beugesehnenscheideninfektionen stellen langstreckige Verklebungen der oberflächlich geschädigten Sehnen dar, die nur durch eine frühzeitige Übungsbehandlung verhindert werden können. Ein weiteres Problem bei der Rehabilitation sind die in
fekttypischen Schwellungen und Ödeme des Weichteilgewebes, die die Beweglichkeit der Finger zusätzlich behindern. Hier müssen reichlich Maßnahmen zur Abschwellung ergriffen werden, ohne dabei jedoch das Gewebe zu reizen.
Eine Tenolyse nach einer Beugesehnenscheideninfektion ist möglich, jedoch sollte diese frühestens 3−4 Monate nach Ausheilung vorgenommen werden [13].
Komplikationen und deren Behandlung
Mit 38 % ist auch heute noch die Komplikationsrate der Beugesehnenscheideninfektion enorm hoch [13, 25]. Die Prognose ist von verschiedenen Variablen abhängig: Nach Pang [19] und [2] ist ein schlechtes Ergebnis besonders häufiga. bei über 43jährigen Patienten;b. bei Patienten mit Diabetes mellitus,
einer peripheren Gefäßerkrankung oder Niereninsuffizienz;
c. bei Patienten, bei denen gleichzeitig eine subkutane Infektion vorliegt;
d. bei Patienten mit einer digitalen Ischämie oder
e. bei Patienten, bei denen eine Infektion mit verschiedenen Keimen vorliegt.
Nach Maloon [17] haben Beugesehnenscheideninfektionen, die nach Menschenbissen auftraten oder erst 7 Tage nach Beginn der Infektion operiert wurden, keine gute Prognose.
Zunächst muss zwischen Akut, intraoperativen und Spätkomplikationen unterschieden werden.
Zu den Akutkomplikationen zählen Hautnekrosen, die besonders bei Diabetikern gehäuft auftreten [1, 8] und zu erhöhten Amputationsraten führen können. Durch Arrosion der Gefäße kann es zu spontanen Blutungen, Gefäßverschlüssen an den Fingern, Sepsis oder metastatischen Ausbreitungen der Infektion kommen. Die Infektion kann sich in den Knochen, in Gelenke oder andere Räume (ParonaRaum) ausbreiten. Durch die Verdickung des Synovialgewebes kann sich auch ein Karpaltunnelsyndrom zusätzlich bemerkbar machen. Auch chronische Schmerzsyndrome (CRPS) sind nach Infektionen nicht selten.
Abb. 9 9 Entfernung einer komplett nek-rotischen Beugeseh-ne (Sehnenwurm) aus dem Endgliedbereich des Daumens
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Intraoperativ kann es aufgrund der Unübersichtlichkeit im Operationsgebiet leichter zu Gefäß und Nervenverletzungen (R. thenaris des N. medianus) kommen.
Die häufigste Spätkomplikation ist die Sehnenverklebung, die zu bedeutenden Funktionsbehinderungen der Finger führen kann. Nicht selten sind auch Bogensehnenphänomene („bowstringing“) der Beugesehnen zu beobachten, die relativ leicht durch Nekrosen der Ringbänder entstehen. Die Narben nach Infektionen sind nicht selten hypertroph und bilden häufig Narbenkontrakturen. Auch die Nerven sind nach überstandener Infektion von Narbengewebe umgeben und nicht selten sind Hyp oder Parästhesien als Spätschäden festzustellen.
Zweizeitige Beugesehnentransplantationen und Ringbandersatzplastiken sind nach überstandener Beugesehnenscheideninfektion möglich, aber sehr aufwändig.
Korrespondenzadresse
Priv.-Doz. Dr. M. F. LangerKlinik für Unfall-, Hand- und Wiederher- stellungschirurgie, Sektion Handchirurgieund MikrochirurgieUniversitätsklinikum Münster Waldeyerstr. 1, 48149 Münsterlanger.martin@ukmuenster.de
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.
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