Post on 10-Jan-2016
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Der Streit um neue Atomkraftwerke in Brasilien –
Totgesagte leben länger....
Barbara Happe – Urgewald e.V.
Weimar, 04. Dezember 2010
Brasiliens Atomprogramm: geschichtlicher Abriss
Einstieg in die Kernenergie zu Zeiten der Militärdiktatur (64-85)
1975: Unterzeichnung des deutsch-brasilianischen Nuklearabkommens
1984: Inbetriebnahme des 1. Reaktors Angra 1
1988/90: Einmotten sämtlicher Atompläne, inkl. Atomwaffenbau
14.09.2010
Brasiliens Atomprogramm: geschichtlicher Abriss
95ff.: Wiederbelebung der Atompläne aus geopolitischen Erwägungen
• seit 2000: großflächiger Uranabbau in Caetité/BA; ab 2012 Santa Quitéria/CE
• 2001: Inbetriebnahme des 2. Reaktors Angra 2
• 2006: Inbetriebnahme der Urananreicherungs- anlage in Resende
• 2007: Beschlussfassung für Bau von Angra 3
Weitere Ambitionen: vier weitere Reaktoren im NO und SO; Uranabbau und -anreicherung in großem Stil, Bau von Atom-U-Booten
14.09.2010
14.09.2010
• Siemens KWU hat in den 80ern wesentliche Ausrüstungsgegenstände für Angra 2+3 geliefert.
• Lieferungen wurden ob des hohen finanziellen Ausfallrisikos bei AKWs mit Hermesbürgschaften abgesichert.
• 80er und 90er Jahre: Stillstand bei der Atomkooperation: auch bei Siemens Erlahmen der Atomeuphorie
Angra 2+3: Deutsche Verstrickung in Brasiliens Atompläne
Siemens und der Atomsektor
• Pionier für Kernkraftwerkstechnologie in Deutschland (mit AEG)
• AEG wird von Siemens übernommen und in Siemens KWU umbenannt: verantwortlich für Bau von 19 Kernkraftwerken in Deutschland und zahlreichen darüber hinaus
• 1986ff: allmählicher Rückzug des Konzerns aus dem Atomgeschäft: „Die Atomgeschäfte machen nur 2% des Umsatzes des Konzerns aus, sorgen aber für 90% des Ärgers“ (von Pierer)
• 1999: Verkauf des Siemens-Nukleargeschäftes an den französischen Staatskonzern Framatome (heute Areva NP)
• 2009: Siemens kündigt Atomkooperation mit Areva NP auf und plant stattdessen Gemeinschaftsunternehmen mit ROSATOM
• 2009ff.: Siemens will von Atom-Renaissance weltweit profitieren!
04.07.2005
Siemens/Areva NP und Angra 3
• 2. Kooperationsprojekt im Rahmen des deutsch-brasilianischen Nuklearvertrages von 1975
• 80er Jahre: Lieferung von 2/3 der Ausrüstungsgegenstände; Lagerungskosten: 500 Mio. US$
• 2003: Vorantreiben einer Hermesbürgschaft für Angra 3; scheitert am Willen der rot-grünen Bundesregierung
• 2005: Erfolgreiches Lobbying, u.a. des Siemens-Konzerns, gegen Auslaufen des deutsch-brasilianischen Atomvertrages
• 2007: Beschluss zum Bau von Angra 3 in Brasilien
• Januar 2009: Auftragsvergabe für Sicherheitsgutachten zu Angra 3
• Dezember 2009: Einreichen des Antrages auf Erteilung einer Hermesbürgschaft für Lieferungen für Angra 3
04.07.2005
Angra 3 -Eckdaten
• Bautyp: baugleich mit Druckwasser-reaktor Grafenrheinfeld
• Geschätzte Konstruktionskosten: 5 Mrd. US$
• 2010: Vergabe einer Grundsatz-zusage für Hermesbürgschaft im Umfang von 1,5 Mrd. Euro an Areva/Siemens
• Derzeit laufen Verhandlungen zwischen Areva/Siemens und französischen Banken zur Finanzierung des Projektes
14.09.2010
14.09.2010
• hohes Ausfallrisiko für Bürgschaften beim Neubau von AKWs
• kostenintensive Bauverzögerungen zeichnen sich ab: anhängige Gerichtsverfahren, hohe Anzahl von Bau- und Betriebsauflagen
• bisherige AKW-Bauten in Brasilien waren ein finanzielles Fiasko: ca. 10 Mrd. US$ für 2 Reaktoren
Angra 3: Ökonomische Risiken
Angra 3: Politische Risiken
• Vorantreiben der Atomprojekte aus geopolitischen Erwägungen
• Starke (personelle) Verstrickung des Militärs mit dem Atomsektor
• Proliferationsrisiko: unzureichende Kontrollbereitschaft der Atomanlagen von „außen“
• Keine unabhängige Atomaufsicht
„Nuklearwaffen sind für ein Land mit 15.000km Grenzen und reichen Offshore-Ölvorkommen nicht nur ein wichtiges Instrument der Abschreckung, sondern auch geeignet, Brasiliens Ansehen in der Welt zu verbessern“. (José
Alencar, brasilianischer
Vize-Präsident, 2009)
14.09.2010
Angra 3: Sicherheitsrisiken
• Angra 3 ist „nicht gegen Flugzeugabsturz
gemäß der deutschen RSK-Richtlinie ausgelegt“.
• „Optimierungsmöglichkeiten“ werden im Bereich Katastrophenschutz identifiziert.
• „Das Genehmigungsverfahren orientiert sich weitgehend an deutschen Sicherheitsstandards“.
• Angewendete Methoden zu Radionuklid-konzentrationen in der Umwelt „entsprechen weitgehend den Methoden von Deutschland in den 70er Jahren“.
• „IAEA-Anforderungen beschreiben, dass, falls möglich, der Stand der Wissenschaft hinsichtlich sicherheitsrelevanter Strukturen zu berücksichtigen ist. Dies trifft für die bereits gelieferten Teile zum Zeitpunkt der Lieferung zu“.
ISTec-Gutachten sagt:
Es ist davon auszugehen, dass die Anlage „den hohen deutschen Anforderungen an Sicherheit und Technik genügt“.
14.09.2010
Angra 3: Sicherheitsrisiken
• Das deutsche kerntechnische Regelwerk ist nicht auf Genehmigungsverfahren für neue AKWs ausgerichtet.
• ISTec-Gutachten stellt keine systematische und stringente Überprüfung dar, inwieweit zentrale deutsche wie internationale Standards eingehalten werden.
• Behebung zahlreicher zentraler Sicherheitsmängel bei Bau und Betrieb von Angra 3 nicht garantiert
ISTec-Gutachten sagt:
Es ist davon auszugehen, dass die Anlage „den hohen deutschen Anforderungen an Sicherheit und Technik genügt“.
14.09.2010
Angra 3: Ökologisch/soziale Risiken
• De facto über 40 Umweltauflagen erteilt: unzureichender Katastrophenschutz, keine Absicherung gegen Erdrutschgefahren, provisorische Mülllagerung
• Erfahrungen mit Umweltauflagen im brasilianischen Atomsektor zeigen, dass Auflagen oftmals nicht eingehalten werden.
• Betriebsgenehmigung für Angra 2 bis heute nur provisorisch (seit 2001 am Netz), da zentrale Auflagen nicht erfüllt sind.
ISTec-Gutachten sagt:
Es gibt keine umwelt-rechtlichen Einwände gegen den Bau des AKWs, wenn die in der Umwelt-genehmigung enthaltenen „Auflagen zu einigen kritischen Punkten erfüllt werden“.
14.09.2010
NEIN zu Angra 3 und weiteren Ausbauplänen im Atomsektor
• Land mit niedrigen Sicherheitsstandards
• Nicht-Unterzeichner des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag
• keine unabhängige Atomaufsicht
• „black box“ Atomsektor
14.09.2010