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Fachtag Autismus
09.09.2013
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Dipl.-Psych. M. Peponis
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Inhalte
• Begriff / Definition
• Symptomatik
• Auftretenshäufigkeiten
• Ätiologie
• Diagnostik / Therapie
• Schulische Förderung
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Begriff
• Tiefgreifende Entwicklungsstörung
• Auffälligkeiten im Sozialverhalten
• Defizite im Erwerb und Gebrauch verbaler und
nonverbaler Sprache
• Auffälligkeiten im (sozial) imitierten Spiel
• Stark begrenzter Bereich von Interessen und
Aktivitäten
• Autismus wird als eine angeborene, unheilbare
Wahrnehmungs– und Integrationsverarbeitungsstörung
beschrieben
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
• Tiefgreifende Entwicklungsstörungen:
• Frühkindlicher Autismus
• Asperger Syndrom Autismus-Spektrum-
• Atypischer Autismus Störungen (ASS)
• Rett-Syndrom
• Desintegrative Störungen des Kindesalters
• Nicht näher bezeichnete tiefgreifende E-Störung
• Unterschiede bestehen im Ausprägungsgrad, dem generellen
Funktionsniveau und in den Auffälligkeiten der
Sprachentwicklung
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Definition:
In der internationalen Klassifikation der Erkrankungen ICD-10 („International
Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“) der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden, neben dem frühen Beginn,
folgende Kennzeichen als Definitionsmerkmale für den Autismus genannt:
Beeinträch-tigung dersozialen
Interaktion
Eingeschränk-tes Interesse
und stereotype Verhaltens-
muster
Beeinträch-tigung der
Kommunikation
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Symptomatik I:
Beeinträchtigung der Kommunikation
Frühkindlicher Autismus Asperger Syndrom
u.a.
• Fehlen eines sozialen Gebrauchs
sprachlicher Fertigkeiten
• Mangel an emotionaler Resonanz auf
verbale und nonverbale Annäherungen
durch andere Menschen
• ca. 50% der Kinder zeigen eine
verzögerte oder ausbleibende
Sprachentwicklung;
Pronominalumkehr, Echolalie, „Ich“,
grammatikalische Fehler,
Wortneubildungen, Stimme
u.a.
• Keine Sprachentwicklungs-
verzögerungen oder Verzögerung der
kognitiven Entwicklung, Spontanrede,
Selbstgespräche, Auffälligkeiten in der
Sprechstimme
• hohe Fähigkeit zu logischem und
abstraktem Denken, Sonderinteressen
• häufig ausgeprägte Aufmerksamkeits-
störung / Ablenkung “nach innen“
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Symptomatik II:
Beeinträchtigung der sozialen Interaktion
Frühkindlicher Autismus Asperger Syndrom
u.a.
• Unangemessene Einschätzung
sozialer und emotionaler Signale,
geringer Gebrauch eigener Signale
• Ablehnen von Berührungen,
Zärtlichkeit
• Unfähigkeit, entwicklungsgemäße
Beziehungen zu Gleichaltrigen
aufzubauen
• Mangel, spontan Freude, Interessen
oder Erfolge mit anderen zu teilen
u.a.
• Auffälligkeit hinsichtlich Gesten,
Mimik, Blickkontakt; unzureichende
Fähigkeit, emotional zu reagieren;
• rücksichtslos in der Durchsetzung
eigener Wünsche, kein Gefühl für
persönliche Distanz, kein Humor,
Schadenfreude, aggressive
Durchbrüche als hilflose Reaktion
auf Unverstandensein
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Symptomatik III:
Eingeschränktes Interesse und stereotype Verhaltensmuster
Frühkindlicher Autismus Asperger Syndrom
u.a.
• Augenbohren, Fächerbewegungen
der Hände, Schlagen mit den
Händen auf die Ohren
• zweckentfremdete Verwendung
von Spielzeug
• starre Routine hinsichtlich
alltäglicher Beschäftigungen
• Widerstand gegen Veränderungen
• zwanghaftes Bedürfnis nach
Gleicherhaltung der dinglichen
Umwelt
u.a.
• Ungewöhnliche und ausgeprägte
Sonderinteressen und stereotype
Verhaltensmuster („monoman“)
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Symptomatik IV:
Frühkindlicher Autismus Asperger Syndrom
• Befürchtungen, Phobien, Schlaf- und
Essstörungen, Wutausbrüche,
Aggressionen, Selbstverletzungen
• Einschränkungen bleiben
überwiegend auch im
Erwachsenenalter bestehen
• Manifestation vor dem 3. Lebensjahr
Sehen: Wahrnehmung von Details
anstelle des Ganzen
Hören: keine Ausfilterung von
Geräuschen
Fokussierung auf eine Stimme
erschwert
häufig: sensorische Überempfindlichkeit
• motorische Ungeschicklichkeit;
• Veränderungsängste
(Raumwechsel, Vertretung, neue
Methodik)
• frühestens ab 3. Lebensjahr auffällig
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Symptomatik V:
Vergleich charakteristischer Merkmale tiefgreifender Entwicklungsstörungen
Autismus Atypischer
Autismus
Asperger-Syndrom
Alter bei Erstmanifestation < 3 Jahre > 3 Jahre > 3 Jahre
Geschlechterverhältnis
(m/w)3:1 3:1 8:1
Symptomatologie • Qualitative Beeinträchtigung der
sozialen Interaktion
• Qualitative Beeinträchtigung der
Kommunikation
• repetitive / stereotype
Verhaltensweisen
• Sprachentwicklungsverzögerung
• kein symbolisches Spiel
keine
vollständige
Symptomatik
• Beeinträchtigung der sozialen
Interaktion
• Stereotype Verhaltensweisen
und Interessen
• keine
Sprachentwicklungsverzögerung
• keine kognitiven
Beeinträchtigungen
Kognitive Funktion meist beeinträchtigt, aber auch hoch
funktionaler Autismus
häufig
Intelligenz-
minderung
nicht beeinträchtigt, aber
spezifische Besonderheiten
epileptische Anfälle In 25 % bis zur Adoleszenz ø
Ätologie überwiegend genetisch bedingt
Verlauf stetig, stabil
keine psychotischen Episoden
seltene, psychotische Episoden
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Neuropsychologische Auffälligkeiten_____________________________________________________________________________________________________
Theory of Mind
• Mentalisierungsschwäche• Empathieschwäche• Verständnisschwäche für Metaphorik• Verständnisschwäche für soziale Situationen
Exekutive Funktionen
• Defizit im Vorausplanen• Defizit im zeitlichen Strukturieren • Flexibilitätseinschränkung• Initiierungsschwäche
Zentrale Kohärenz
• Bruchstückhafte Infoverarbeitung• Detailorientierung • Kontexterfassungsschwäche• Sinnerfassungsschwäche
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Auftretenshäufigkeiten
• Prävalenz
• 4/10.000 – 17/10.000
• allein in Deutschland: 35.000 Betroffene
• Geschlecht
• tritt häufiger bei Jungen auf: 3-4 : 1
• Die Rate variiert mit dem IQ: Mädchen sind stärker
beeinträchtigt als Jungen
• Sozioökonomischer Status
• kein Zusammenhang mit der Prävalenz
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Auftretenshäufigkeiten
• Ausprägungsgrad
• großes Spektrum von Ausprägungsgraden
• verbaler IQ und generelles Funktionsniveau als die
besten Indizes für die relative Ausprägung einer ASS
• IQ Verteilung
• Autismus tritt im kompletten IQ-Spektrum auf
• Mehrzahl jedoch im unteren Bereich, d.h. geistig
behindert (ca. 75%)
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Ätiologie
• Multifaktorielle Ursachen
Genetische Faktoren / Umweltfaktoren
• Neurobiologische Auffälligkeiten
• Assioziierte körperliche Erkrankungen
• Anatomische Anomalien, Hirnschädigungen,
Hirnfunktionsstörungen
• Biochemische Anomalien
• Neuropsychologische und kognitive Störungen („theory of mind“)
• Störung der affektiven Entwicklung
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Stärken von Menschen mit ASS
• Spezialinteressen
• Ordnungen und Routinen
• Logik
• Gedächtnis
• Genauigkeit im Denken, besonders bei Details
• Motivation zur Normalität
• Fähigkeit, sich intensiv zu konzentrieren
• Sensible Sinneswahrnehmung
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Frühzeichen für eine Autismus-Spektrum-Störung
1. Das Kind zeigt kein Interesse an anderen Kindern.
2. Das Kind benutzt den Zeigefinger nicht, um auf etwas zu zeigen oder
um Interesse für etwas zu bekunden (kein proto-deklarativ-Zeigen).
3. Das Kind bringt keine Gegenstände, um sie den Eltern zu zeigen.
4. Das Kind schaut nicht hin, wenn die Eltern auf ein Spielzeug am
anderen Ende des Zimmers zeigen
5. Das Kind imitiert die Eltern nicht (z.B. Grimassen schneiden).
6. Das Kind reagiert nicht auf seinen Namen, wenn die Eltern es rufen.
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Diagnostik / Therapie
Anamneseerhebung & Untersuchung
Diagnose
Verhaltens- & Problemanalyse
Erstellung eines Behandlungsplans
Kind / Jugendlicher Eltern / Geschwister
Einzeltherapie / -training
Förderung: - soz. Wahrnehmung
- soz.-emotionale Kompetenzen
- kommunikative Kompetenzen
Beratung
- Störungskonzept
- Erzieherische Kompetenzen
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Diagnostik / Therapie II
Kooperation, Beratung, Fortbildung u. Schulung
Erzieher, Lehrer, Therapeuten, psychosoziale Dienste
Nach H. Remschmidt, J. Kamp-Becker 2006
Gruppentherapie / -training
Förderung: - Interaktionsfähigkeit
- soz. Regeln
- Kommunikationsregeln
Elterntraining
- Auseinandersetzung mit dem
Störungsbild
- Verbesserung der Eltern-Kind-
Beziehung
- Stärkung erzieherischer Kompetenzen
- Eltern als Co-Therapeuten
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Therapie
I. Verhaltenstherapeutisches Verfahren
• TEACCH (Treatment and Education of Autistic and related
Communication handicapped Children)
• störungsangepasstes pädagogisches Konzept
Schwerpunkt: Reizvielfalt der Umwelt für das autistische Kind
überschaubar und vorhersehbar strukturieren
• Visualisierung
• räumliche und zeitliche Hilfestellungen der Visualisierung
II. Pharmakologische Intervention
• kein Medikament zur Heilung vorhanden
• nur zur Behandlung spezifischer Symptome
• entbindet nicht von einer Veränderung der Umwelt und
psychotherapeutischen Maßnahmen
• starke individuelle Variabilität in der Wirkungsweise von
Medikamenten
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Therapie
Die Behandlungsziele
• werden gemeinsam definiert; sie richten sich nach den Möglichkeiten des
Betroffenen, dem Leidensdruck, Wünschen und Vorstellungen, ggf. auch nach
äußeren Vorgaben, z.B. durch Angehörige, Schule/ Arbeitsgeber, Justiz
• größtmögliche Selbständigkeit und höchstmögliche Lebensqualität
• Beziehungen ermöglichen durch das Vorbild der therapeutischen Beziehung
• ethische Grenzen beachten
Komponenten der Therapie (Einzel- / Gruppentherapie)
• soziale Kompetenzen trainieren
• Umgang mit Emotionen üben
• alternative Kommunikationsformen nutzen (Briefe, E-Mails)
• Motivation durch positive Erfahrungen und Verstärkung
• erreichbare Etappenziele einplanen, um die Motivation zu steigern
• Bezugspersonen einbeziehen
• weiterführende Hilfen vermitteln
• individuelle Fähigkeiten fördern
• individuelle Probleme angehen
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Schulische Förderung I
Transparenz Offenheit
Verständnis
Schulinterne Strukturen
Netzwerk zwischen Schule-Eltern-
Therapeuten/Beratungsstelle Autismus/ReBBZ
Ressourcen nutzen
Flexibles Denken
Frühe Intervention
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Schulische Förderung II
Situation in der Klasse:
• reizarme Lernumgebung
• Strukturierung des Arbeitsplatzes
• fester Sitzplatz (Schüler möchte oft Einzelplatz)
• Rückzugsmöglichkeit auch in den Pausen
• Kontinuität im Stundenplan und bei den Lehrkräften, Wechsel
ankündigen
• Infogabe an Mitschüler / ggfs. Eltern der Mitschüler
• freiwilliger Tutor
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Schulische Förderung III
Spezifische Aufgaben für die Lehrkraft
• sicheren Lernort gestalten
• Vertrauen, Sicherheit schaffen
• Förderung der kognitiven und der Handlungskompetenzen
• Stärken fördern
• Schwächen nicht vorführen, Symptome als solche sehen und
nicht als Provokation
• Förderung der Kommunikationsfähigkeit
• Förderung der Wahrnehmung
• Zeit nehmen für das Netzwerk
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Schulische Förderung IV
Nachteilsausgleich
1. Schulorganisatorische Möglichkeiten
2. Technische Hilfen
3. Didaktisch-methodische Maßnahmen
4. Leistungsfeststellungen
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)
Schulische Förderung V
Schulbegleitung
Unterstützung zur Bewältigung des Schulwegs und/oder des
Schulalltags
• lebenspraktische Hilfestellungen
• Pflegerische Tätigkeiten
• Hilfen zur Mobilität
• Hilfen im sozialen Netzwerk
• Erleichterung der Kommunikation mit MS und Lehrkräften
• Hilfen in Krisen
• emotionale Stärkung
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Autismus – Spektrum – Störungen (ASS)