Post on 05-Apr-2015
Aus der Praxis: Ausschreibung im Rahmen der Sozialpädagogischen
Familienhilfe
Informationsveranstaltung am 17.Juni 2004 in Hannover
EREV & IGFH
Juni 2004
Ziel einer Ausschreibung ist die Herstellung eines „...fairen Wettbewerbs um die beste Leistung“ (Westfälische Nachrichten, 12.11.2003), verbunden mit der billigenden Inkaufnahme, „...dass Trägerstrukturen zerstört werden...“ (Protokoll AG 78, 28.07.2003).
Juni 2004
Bisherige Verfahren der sozialpädagogischen Arbeit werden dabei implizit als nicht mehr zeitgemäß oder unbefriedigend betrachtet: „CDU pocht auf mehr Wettbewerb“ (Westfälische Nachrichten, 20.09.03)
Juni 2004
„...dass Träger ein kreisweites Angebot bereit stellen müssen“ (Westfälische Nachrichten, 20.09.2003), bedeutet u.U., Träger „...müssen ihre Strukturen so reformieren, dass sie mit anderen Wohlfahrtsverbänden konkurrenzfähig bleiben. Billiger und besser werden...“. (Westfälische Nachrichten, 20.05.2004) (ABstz) „Sollte das der Fall sein“, so die jugendhilfepolitische Sprecherin der SPD, Irmgard Wilde, „sei das der Abschied von der bisher so erfolgreich praktizierten Sozialraumorientierung.“ (Westfälische Nachrichten, 12.11.2003)
Juni 2004
„die Trennung von Durchführungs- und Gewährleistungsverantwortung...(führt zur)...Auflösung des wohlfahrtsverbandlichen Modells der Organisation sozialer Dienste“ (sfs, März 2004)
Juni 2004
Mit einer Ausschreibung werden das eigene Selbstverständnis, bisherige Arbeitsweisen, die Trägerstruktur und nicht zuletzt Arbeitsplätze bedroht, was nicht ohne innerorganisatorische Folgen bleibt, die (auch) emotional verarbeitet werden (müssen).
Juni 2004
Ankündigung der Ausschreibung für das Jahr 200420.02.2001
Vortrag Frau Prof. Böllert über „Wettbewerb in der Jugendhilfe“ mit der Tendenz: Kreisjugendamt sieht sich bestärkt, auszuschreiben28.04.2003
Widerstand und Einfluss-Versuche auf Politik und VerwaltungFeb. bis Aug. 2003
Beschluss zur Ausschreibung18.09.2003
Erbitterte Diskussion über Rechtmäßigkeit von Ausschreibungen seitens der SpitzenverbändeHerbst 2003
Trotz grundsätzlicher Ablehnung Entwicklung einer gemeinsamen Leistungsbeschreibung mit dem Kreis und den beteiligten TrägernWinter 2003
Formaler Beginn des AusschreibungsverfahrensDamit wahrscheinlicher Abbau von 2,5 StellenFebruar 2004
Planung eines kreisweiten Angebots und Festlegung einer AusschreibungstaktikApril 2004
„Gewinn“ eines beschränkten Ausschreibe-Anteils23.05.2004
Konsolidierung des Fallbestandes, neues Marketing als eingeführter AnbieterAb Juni 2004
Für Träger ohne Zuschlag: Unter Umständen Anrufen der Vergabekammer, Streit vor dem Verwaltungsgericht
Quelle: Emotionale Veränderungskurve nach Roth 2000,in:OE 4/03 S. 36
Phasen der SPFH-Ausschreibungaus der Perspektive eines Freien Trägers,Kreis Steinfurt
Juni 2004
Juni 2004
Juni 2004
Juni 2004
Was wird Wie zu Welchen Bedingungen vom Auftraggeber ausgeschrieben?
• Gegenstand• Zuschlagskriterien• Kalkulation des Entgeltes• Personaleinsatz• Kooperationen• Nachweise
– Referenzen– Rechtsstruktur– Bescheinigungen des
Finanzamtes/Gemeinützigskeitsbescheinigung– Haftpflichtvers./Berufsgenossenschaft– Bietererklärung
• Laufzeit
Juni 2004
Leistungsbeschreibung des Auftraggebers
• Inhalt/Umfang• Qualifikation des Personals• Erwartungen
Juni 2004
Erwartungen
• Organisation des Dienstes• Art der Beschäftigung• Freistellung der Leitung• Fachleistungstunde:brutto/netto• Vertretungsregelung• Übernahme der Garantenpflicht §13 StGB• Evaluation• Trägerübergreifend Kooperation
Juni 2004
Juni 2004
Juni 2004
Gegen alle RegelnAuch wenn Ausschreibungen als wesensfremd erscheinen und möglicherweise aufgrund dessen nicht zur Anwendung kommen, spiegeln sie dennoch eine grundlegende Entwicklung in der Jugendhilfe wider, die ernst genommen werden muss: Wettbewerb und Ökonomisierung
Juni 2004
Der Preis ist nur die EintrittskarteDer „Gewinn“ einer Ausschreibung zwingt zu einer bis dahin nicht denkbaren Anpassungsleistung und führt zu einer zentralen Frage: wie lassen sich die eingeforderten Elemente der Leistungsbeschreibung (Dokumentation, etc.) mit der Anwaltsfunktion und dem Selbstverständnis eines sozialen Trägers und dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verbinden?
Juni 2004
Nach der Ausschreibung ist vor der AusschreibungDer einmal angestoßene Prozess ist irreversibel.
Juni 2004
Es gibt sie noch, die Subsidiarität (die Partnerschaft zwischen...)Mit der Einführung eher wettbewerbsorientierter Instrumente wird die bisherige Partnerschaft zwischen Öffentlichen und Freien Trägern bei der Bedarfseinschätzung und Angebotsentwicklung nicht außer Kraft gesetzt. Vielmehr tritt Ausschreibung als neues Instrument in die bisherige Praxis mit ein. („not a revolution but reloaded“, vgl. Neo/Matrix)
Juni 2004
Nicht entweder/oder, sondern sowohl als auch: die Jugendhilfe braucht einen HybridantriebNach allem was man weiß, wird die Arbeit der Jugendhilfe zukünftig durch beides bestimmt werden, durch Anwaltsfunktion und durch Wettbewerb. Der institutionelle Lernauftrag bedeutet, diese Parallelität innerorganisatorisch zu kommunizieren und zu gestalten (Wettbewerb braucht Kompetenz...).
Juni 2004
Die Tragik des menschlichen Lebens, so der Philosoph Kierkegaard, scheint darin zu bestehen, dass wir es nur rückwärts verstehen, es jedoch nur vorwärts leben können. Vermutlich gilt das auch für Ausschreibungen und Organisationen.
Es ist die beste aller Welten. (Leibnitz)
Vielen dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Juni 2004