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Analyse und Interpretation ereigniskorrelierter Hirnrindenpotentiale
Folie 1/19
Einführung in dieAnalyse und Interpretation ereigniskorrelierter Hirnrindenpotenziale Christian KaernbachChristian-Albrechts-Universität zu Kiel
Analyse und Interpretation ereigniskorrelierter Hirnrindenpotentiale
Folie 2/19Motivation
• Was tut das Gehirn, wenn wir– etwas wahrnehmen? etwas beachten?– Angst haben?– eine Handlung ausführen?– eine Entscheidung treffen?– einen eigenen Fehler entdecken?
• Ereigniskorrelierte Hirnaktivität– Elektroenzephalographie (EEG)– Magnetoenzephalographie (MEG)– funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)– Positronenemissionstomographie (PET)– Nahinfrarotspektroskopie (NIRS)
• Vorteile des EEG– direktes Maß der elektrischen Aktivität des Gehirns– hohe Zeitauflösung– unaufwendig, auch außerhalb des Labors einsetzbar
Analyse und Interpretation ereigniskorrelierter Hirnrindenpotentiale
Folie 3/19Quellen des außen messbaren Potentials
• Viele synchrone Aktionspotentiale in parallelen Neuronen– genauer: extrazelluläre postsynaptische Potentiale– vor allem: Dendriten der Pyramidenzellen
messbare Ionenverschiebung in Form eines Dipols• Orientierung des Dipols je nach
– kortikale Eingangsschicht =Ursprung der Erregung
• II: kortikal• IV: subkortikal
– Erregungsart• exzitatorisch• inhibitorisch
• meist wichtig:exzitatorisch kortikal negativer Pol
II
III
Schandry, 2006, Abb. 26.7
Analyse und Interpretation ereigniskorrelierter Hirnrindenpotentiale
Folie 4/19Quellen des außen messbaren Potentials
• Radiale versus transversale Dipole– exzitatorisch kortikal radial: negativer Pol– tangential: zwei Pole „ab vom Schuss“
Wikipedia
Schandry, 2006, Abb. 26.7 nach Schandry, 2006, Abb. 26.7, modifiziert
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Folie 5/19
Mess-ergebnis
Ereignis– 0.1 0.9 s
Ereignis– 0.1 0.9 s
evoziertesPotential
Spontan-aktivität
Mittelung N=10
N=200
Ereigniskorrelierte Potentiale (EKP)
• Versuchsaufbau:– Stimulus (Ereignis)VersuchspersonReaktion
• behavioral• elektrokortikal
• Ergebnis:– Überlagerung evozierter
und spontaner Aktivität
• Auswertung– Mittelung der Messkurven
relativ zum Zeitpunkt des Ereignisses
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Folie 6/19EKP-Komponenten
• Minima und Maxima werden mit P (positiv) und N (negativ) bezeichnet unddurchnummeriert.
Reiz
• alternativ:– N100 (ca. 100 ms)– P200– N200– P300
(bei 250-600 ms)
• exogen / endogen• häufig umgekehrte
Auftragung:negativ nach oben
exogenendogen
endogen
–15
–10
–5
0
5
10
nach Schandry, 2006, Abb. 26.5, modifiziert
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Folie 7/19Bewusstseinseffekte
• Forschungsansatz: Das linke und das rechte Auge liefern im Alltag teilweise widersprüchliche Bilder
Kaernbach, C., Schröger, E., Jacobsen, T., Roeber, U. (1999).Effects of consciousness on human brain waves following binocular rivalry, NeuroReport 10/4, 713-716.
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Folie 8/19Stimuli
• Laborsituation: unterschiedliche Schraffuren– Was wird bewusst wahrgenommen?
Kaernbach, C., Schröger, E., Jacobsen, T., Roeber, U. (1999).Effects of consciousness on human brain waves following binocular rivalry, NeuroReport 10/4, 713-716.
• Befund: der Sinneseindruck schaltet alle paar Sekunden um– Abwechselnd dominiert das linke oder das rechte Auge
Stimulus
Perzept
?
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Folie 9/19
widersprüchlich
konsistent
Änderung
Änderung
Manipulation
widersprüchlich widersprüchlichkonsistentkonsistent
t2
t1
konsistent
konsistent
Änderung
Änderung
Perzept
• Je nach aktuellem Perzept wird die Änderung bemerkt oder auch nicht.
• Frage: Macht das einen Unterschied?Was geschieht zusätzlich im Gehirn, wenn die Veränderung bemerkt wird?
Kaernbach, C., Schröger, E., Jacobsen, T., Roeber, U. (1999).Effects of consciousness on human brain waves following binocular rivalry, NeuroReport 10/4, 713-716.
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Folie 10/19EKP „konsistent / konsistent“
N1
konsistent
konsistent
Änderung
Änderung
Kaernbach, C., Schröger, E., Jacobsen, T., Roeber, U. (1999).Effects of consciousness on human brain waves following binocular rivalry, NeuroReport 10/4, 713-716.
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Folie 11/19
N1
EKP „widersprüchlich / konsistent“
„bemerkt“„unbemerkt“
wider-sprüchlich
Änderung
konsistent
Änderung
Kaernbach, C., Schröger, E., Jacobsen, T., Roeber, U. (1999).Effects of consciousness on human brain waves following binocular rivalry, NeuroReport 10/4, 713-716.
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Folie 12/19Differenz „bemerkt“–„unbemerkt“
N1
wider-sprüchlich
Änderung
konsistent
Kaernbach, C., Schröger, E., Jacobsen, T., Roeber, U. (1999).Effects of consciousness on human brain waves following binocular rivalry, NeuroReport 10/4, 713-716.
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Folie 13/19Brain Map „bemerkt – unbemerkt“Zeitpunkt 238 ms
N1
wider-sprüchlich
Änderung
konsistent
Kaernbach, C., Schröger, E., Jacobsen, T., Roeber, U. (1999).Effects of consciousness on human brain waves following binocular rivalry, NeuroReport 10/4, 713-716.
Analyse und Interpretation ereigniskorrelierter Hirnrindenpotentiale
Folie 14/19Quellenlokalisation
• Voraussetzung– Hohe Elektrodenzahl (64 bis 256)– genaue Kenntnis der Elektrodenpositionen:
3D Messsysteme mit Ultraschall oder Infrarot– idealerweise anatomische MRT-Aufnahmen
• Problem– „Vorwärtsproblem“ eindeutig lösbar
• gegeben die Quellen, wie sieht die Potentialverteilung am Skalp aus?
– inverses Problem nicht eindeutig lösbar• gegeben die Potentialverteilung am Skalp,
wie viele Dipol-Quellen waren wo wie stark aktiv?• Ockham’s Razor:
Lösung mit geringster Zahl von Quellen– oft: symmetrische Quellen unterstellt,
außerdem Literaturstudium (plausible Quellen)
• Software zur Quellenlokalisation– z. B. BESA (Brain Electrical Source Analysis)
Ursache Wirkung
Wirkung Ursache???
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Folie 15/19Wie schnell tickt das Hirn?
• Ereigniskorrelierte Potentialesuggerieren: 10 Hz
• Modulare Organisation des Gehirns– Notwendigkeit zur Synchronisation
entfernter Hirnareale– Temporaler Code:
Oszillationen im Gammaband (ca. 40-Hz) kodieren Zusammengehörigkeit (“binding”)
– Aktivität im Gammaband zeigt Interaktionen zwischen Hemisphären an
– Aber wo ist sie denn?
Reiz
–15
–10
–5
0
5
10
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Folie 16/19Messung induzierter Oszillationen
• Induzierte Oszillationen löschen sich in der Mittelung wegen Phasenunterschieden
• Frequenzanalyse – kontinuierliche Wavelet-Transformation
mit Gabor-Wavelets (Morlet)
• Im gemittelten Spektrum sind die Oszillationen erkennbar
evoziertesPotential
Spontan-aktivität
Mess-ergebnis
Ereignis Ereignis
N=10
N=200
– 0.1 0.9 s– 0.1 0.9 s
Zeit [s]
Freq
uenz
[H
z]
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Folie 17/19Rotierende zweideutige Stimuli
• Bei Gesichtern gibt es „Vorzugspositionen“, bei denen das Gesicht als solches erkannt wird. erhöhte Gammaband-Aktivität
29-45 Hz55-71 Hz
Müller, M.M., T. Gruber, and A. Keil, Modulation of induced gamma band activity in the human EEG by attention and visual information processing. International Journal of Psychophysiology, 2000. 38, 283-299.
Analyse und Interpretation ereigniskorrelierter Hirnrindenpotentiale
Folie 18/19EKP vor demEreignis• Bereitschaftspotential
– zwei Stimuli• Der 1. Stimulus kündigt an, dass gleich eine Bewegung erfolgen soll• Beim 2. Stimulus soll die Bewegung ausgeführt werden
– zwischen den Stimuli stellt sich eine zunehmende Negativität ein
• Das Libet Experiment und die Willensfreiheit– Die Versuchsperson soll
• zu selbst gewählten Zeitpunkten eine Handlung ausführen (Finger heben)
– präzise Messung der Bewegung mit EMG• sich den Zeitpunkt merken, zu dem sie den
Entschluss zur Bewegung gefasst hat– Ablesen einer schnell laufenden Uhr
– Das Bereitschaftspotential setzt ein• ca. 500 ms vor der Bewegung• ca. 300 ms vor dem willentlichen Entschluss
Schandry2006,
Abb. 26.6
Analyse und Interpretation ereigniskorrelierter Hirnrindenpotentiale
Folie 19/19Literatur
Rainer SchandryBiologische PsychologieBeltz Verlag, 2006 (2. Auflage), Kapitel 26.
Todd C. HandyEvent-Related Potentials: A Methods HandbookCambridge, Mass.: The MIT Press (B&T), 2004.